In der vorliegenden Arbeit soll die Multiperspektivität und Hoffmanns Erzählstrategie im Sandmann untersucht und aufgezeigt werden, dass diese für die Verständnisschwierigkeiten, die Der Sandmann zuweilen bereitet, zu großen Teilen verantwortlich ist. Es ist eben genau dieser Wechsel zwischen verschiedenen Perspektiven und Erzählern, der es dem Leser unmöglich macht, die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit zu bestimmen und die Erzählung und deren kontroverse Fragen eindeutig zu erfassen und zu beantworten. Die Erzählstrategie bedingt daher die Nichtauflösbarkeit des Sandmanns. E.T.A. Hoffmanns Der Sandmann ist zum einen die wohl meistinterpretierteste, zum anderen auch die am gegensätzlichsten interpretierte Erzählung Hoffmanns. Bereits zu Zeiten der Entstehung des Textes wurde auf die Probleme, die dieser dem Leser bereitet, hingewiesen und teilweise sogar gänzlich von der Lektüre des Werkes abgeraten.
Auch Goethe fällte kein positives Urteil über den Text beziehungsweise Hoffmanns gesamtes Werk und bezeichnet den Dichter selbst als krank. Auch heute spaltet der Text noch die Massen und hat eine Unzahl an unterschiedlichen, ja sogar gegensätzlichen Interpretationen hervorgebracht. Uneinigkeit herrscht schon darüber, was das zentrale Thema des Textes sei. Zahlreiche Interpretationen schreiben dem Text eine Destruktion der Grenze zwischen Wahn und Wirklichkeit, andere eine Kritik an der Vernunft und der Aufklärung zu, einige untersuchen das Verhältnis von Phantastik und Wahnsinn und betrachten den Text als Beispiel für die Behandlung der Wahnsinnsthematik in der Literatur der Romantik. Was die meisten Interpretationen jedoch gemein haben ist, dass sie versuchen, eindeutige Antworten auf kontroverse Fragen, die der Text aufwirft, zu finden. So wird stets versucht, entweder zu beweisen, dass Nathanael tatsächlich wahnsinnig ist oder nicht, dass Coppola und Coppelius dieselbe Person sind oder zwei Personen und ob der Sandmann wirklich existiert oder lediglich eine Figur Nathanaels Phantasie ist. Es verwundert hierbei nicht, dass die verschiedenen Interpretationen auch unterschiedliche Antworten auf diese Fragen liefern. Ein häufiges Problem der Literatur zum Sandmann ist vor allem, dass viele Interpretationen versuchen, ihre aufgestellte Theorie am Text zu beweisen, anstatt anhand des Textes eine Theorie zu entwickeln.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die Phantastische Literatur
- 3. Erzählinstanzen im Sandmann
- 3.1. Nathanael als Erzähler
- 3.2. Clara als Erzählerin
- 3.3. Der Erzähler
- 3.3.1. Der Erzählerexkurs
- 3.3.2. Multiperspektivität des Erzählers
- 4. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Multiperspektivität und Erzählstrategie in E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“ und zeigt auf, wie diese die Verständnisschwierigkeiten des Textes beeinflussen. Der Fokus liegt auf dem Wechsel zwischen verschiedenen Perspektiven und Erzählern, der die Unterscheidung zwischen Fiktion und Wirklichkeit erschwert.
- Die Definition und Charakteristika phantastischer Literatur
- Analyse der verschiedenen Erzählinstanzen im Sandmann
- Untersuchung der Multiperspektivität des Erzählerberichtes
- Die Ambivalenz zwischen Realität und Phantastik im Text
- Der Einfluss der Erzählstrategie auf die Interpretation des Textes
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung beschreibt „Der Sandmann“ als eine viel interpretierte und kontrovers diskutierte Erzählung E.T.A. Hoffmanns. Sie beleuchtet die unterschiedlichen Interpretationen des zentralen Themas und die Schwierigkeiten, eindeutige Antworten auf die vom Text aufgeworfenen Fragen zu finden. Die Arbeit kritisiert den Ansatz vieler Interpretationen, die den Text an ihre Theorien anpassen anstatt umgekehrt. Stattdessen soll die Multiperspektivität und Erzählstrategie Hoffmanns als zentraler Aspekt für das Verständnis der Erzählung untersucht werden, insbesondere die Verantwortlichkeit dieser Strategie für die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit.
2. Die Phantastische Literatur: Dieses Kapitel definiert phantastische Literatur als eine Form nicht-mimetischer Literatur, die eine irreale Welt in eine real mögliche Welt einbrechen lässt. Es wird der Unterschied zwischen Märchen und phantastischer Literatur herausgearbeitet, wobei letztere den Einbruch des Phantastischen als bedrohlich und die Sicherheiten der realen Welt in Frage stellend darstellt. Das Kapitel erläutert, wie die phantastischen Elemente in der akzeptablen Teilwelt erklärt werden müssen, um die reale und irreale Welt kompatibel zu machen, und nennt drei Möglichkeiten: Tilgung der phantastischen Elemente, Bestätigung der Koexistenz beider Wirklichkeiten und ambivalenter Status der phantastischen Elemente. Der Sandmann wird als Beispiel für die dritte Möglichkeit angeführt, da der Leser selbst entscheiden muss, ob die phantastischen Elemente tatsächlich stattfinden oder nur ein Produkt von Nathanaels Phantasie sind.
Schlüsselwörter
E.T.A. Hoffmann, Der Sandmann, Phantastische Literatur, Erzählstrategie, Multiperspektivität, Fiktion, Realität, Wahn, Wirklichkeit, Interpretation, Ambivalenz.
Häufig gestellte Fragen zu E.T.A. Hoffmanns "Der Sandmann"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Erzählstrategie und Multiperspektivität in E.T.A. Hoffmanns "Der Sandmann" und untersucht, wie diese Aspekte die Interpretationsschwierigkeiten des Textes beeinflussen. Der Fokus liegt auf dem Wechsel zwischen verschiedenen Perspektiven und Erzählern, der die Unterscheidung zwischen Fiktion und Wirklichkeit erschwert.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Definition und Charakteristika phantastischer Literatur, analysiert die verschiedenen Erzählinstanzen in "Der Sandmann", untersucht die Multiperspektivität des Erzählerberichtes, beleuchtet die Ambivalenz zwischen Realität und Phantastik im Text und analysiert den Einfluss der Erzählstrategie auf die Interpretation.
Welche Erzählinstanzen werden untersucht?
Die Analyse konzentriert sich auf Nathanael als Erzähler, Clara als Erzählerin und den übergeordneten Erzähler, inklusive einer detaillierten Betrachtung des Erzählerexkurses und der Multiperspektivität des Erzählers.
Wie wird phantastische Literatur definiert?
Phantastische Literatur wird als eine Form nicht-mimetischer Literatur definiert, die eine irreale Welt in eine real mögliche Welt einbrechen lässt. Der Unterschied zu Märchen wird herausgestellt, wobei der Einbruch des Phantastischen in der phantastischen Literatur als bedrohlich und als Infragestellung der Sicherheiten der realen Welt dargestellt wird.
Wie wird die Ambivalenz von Realität und Phantastik im "Sandmann" behandelt?
Die Arbeit zeigt, wie die ambivalente Darstellung der phantastischen Elemente im "Sandmann" den Leser dazu zwingt, selbst zu entscheiden, ob diese Elemente tatsächlich stattfinden oder nur Produkte von Nathanaels Phantasie sind. Dies wird als Beispiel für eine der drei Möglichkeiten der Erklärung phantastischer Elemente in der akzeptablen Teilwelt angeführt: Tilgung, Koexistenz oder ambivalenter Status.
Welche Schlussfolgerung zieht die Arbeit?
Die Arbeit betont die Bedeutung der Multiperspektivität und der Erzählstrategie Hoffmanns als zentralen Aspekt für das Verständnis von "Der Sandmann". Sie kritisiert Interpretationen, die den Text an ihre Theorien anpassen, anstatt umgekehrt die Erzählstruktur zu berücksichtigen. Die Verantwortlichkeit der Erzählstrategie für die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit wird hervorgehoben.
Welche Schlüsselwörter sind relevant?
Die relevanten Schlüsselwörter sind: E.T.A. Hoffmann, Der Sandmann, Phantastische Literatur, Erzählstrategie, Multiperspektivität, Fiktion, Realität, Wahn, Wirklichkeit, Interpretation, Ambivalenz.
Wie ist der Text aufgebaut?
Der Text umfasst eine Einleitung, ein Kapitel zur phantastischen Literatur, ein Kapitel zur Analyse der Erzählinstanzen im Sandmann und ein Fazit. Zusätzlich werden die Zielsetzung und Themenschwerpunkte sowie Zusammenfassungen der Kapitel und Schlüsselwörter bereitgestellt.
- Citar trabajo
- Hannah Mohl (Autor), 2018, Erzählstrategie in E.T.A. Hoffmanns "Der Sandmann" und ihr Beitrag zur Unauflösbarkeit des Werks, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/442667