Das hier vorgestellte Waldkunst-Projekt ist ein Projekt, welches auf acht Vorschulkinder einer Kita-Einrichtung zielt. Es führt die Kinder an fünf Nachmittagen in einem wöchentlichen Abstand und für einen Zeitraum von jeweils 90 Minuten in einem spielerischen Rahmen an die Natur des Waldes und den kreativen Umgang mit den dort vorgefundenen Materialien heran. Ziel ist es, mit den Kindern einen kleinen, natürlichen Skulpturengarten zu schaffen, der nach dem Abschluss des Projekts solange bleibt, bis dass Wind, Wetter oder die Waldarbeiter anderes mit ihrer Waldkunst vorhaben. Bei diesem Projekt werden dem Wald keinerlei Materialien hinzugefügt und keine entfernt – die Kinder arrangieren diese natürliche Welt also lediglich um und geben dem Begriff Um-Welt somit eine neue Bedeutung.
Die zweite Komponente dieses Projektes besteht in der Analyse und Reflexion problematischer Arbeitsbedingungen in der Kita im Wechselspiel mit vermeintlichen oder tatsächlichen sozialen Auffälligkeiten der Kinder. Neben der Verbesserung kreativer und sozialer Kompetenzen der Kinder und deren Förderung in ihren positiven Bezügen zur Natur zielt dieses Projekt also ebenso auf das Kita-Team als Adressatinnen, auf eine Qualitätsverbesserung ihres Handelns und schließlich auch auf eine Verbesserung des Arbeitsklimas.
Inhaltsverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Problemstellung/Ausgangssituation
2.1 Das Problem
2.1.1 Neuausrichtung von Betreuungs-, Erziehungs- und Bildungsaufgaben
2.1.2 Heterogene Erwartungshaltungen in der Elternschaft
2.1.3 Jedes funfte Kind mit Auffalligkeiten
2.1.4 Berufliche und gesundheitliche Belastungen der Beschaftigten
2.2 Ausgangssituation
2.3 Hypothesen zu moglichen Zusammenhangen
2.4 Bisherige Losungsversuche
2.5 Interessen und Motive
2.6 Das Team - beteilige Personen/Institutionen
3. Projektplanung
3.1 Ressourcen
3.2 Gewunschte Ziele / Ergebnisse
3.3 Theoretischer Hintergrund
3.3.1 Erlebnispadagogik
3.3.2 Waldpadagogik
3.3.3 Kunstpadagogik
3.3.4 Supervision - Kollegiale Beratung - Intervision
3.4 Ergebnis- und prozessbezogene Operationalisierung
3.4.1 SpaR und Freude fur die teilnehmenden Kinder
3.4.2 Sinnliche Erfahrung von Natur und Umwelt.
3.4.3 Starkung der kreativen Potenziale
3.4.4 Vermittlung eines respektvollen Umgangs der Kinder untereinander.
3.4.5 Unterstutzung bei konstruktiver Kommunikation und Interaktion
3.4.6 Erfassung von Kompetenzen der Kinder
3.4.7 Arbeitsentlastung des Kita-Personals wahrend Nachmittagsschichten...
3.4.8 Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungskompetenz im Kita-Team
3.4.9 Reflexion des Umgangs mit verhaltensauffalligen Kindern in der Kita
3.4.10 Eltern lernen neue Aspekte ihrer Kinder kennen
4. Ablauf / Umsetzung des Projekts
4.1 Planung und Vorbereitung
4.2 Waldkunst - Die Arbeit mit den Kindern
4.2.1 Laub-Mandala (15.11.2016)
4.2.2 Waldflussbett mit Krokodil (22.11.2016)
4.2.3 Baum-Skulpturen (29.11.2016)
4.2.4 Hexenhutte (13.12.2016)
4.2.5 Baumgesichter/ Prasentation der Waldkunst-Galerie (20.12.2016)
4.3 Vorstellung der Potential-Profile / Reflexionsgesprache
4.4 Feedback-Flyer fur die Kinder
5. Evaluation - Ergebnisse des Projekts
5.1 Feld, Gegenstand und Methode der Untersuchung
5.2 Indikatoren, Fragen und Erfolgsspannen
5.3 Durchfuhrung und Ergebnisse der Evaluation
6 Fazit
7 Literaturangaben
8 Anhang
8.1 Expose/Angebot fur Kita
8.2 Projektauftrag
8.3 Einschatzungsbogen
8.4 Feedback-Karten
8.5 Evaluationsergebnisse
Abkurzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Bildung, Erziehung und Betreuung als offentliche Leistung fur Familien mit Kindern in den ers- ten sechs Lebensjahren hat spatestens seit den 1990er Jahren mit zahlreichen rechtlichen Neuerungen und Rechtsanspruchen eine Dynamik in Gang gesetzt, welche fur die Erzie- her_innen in den Kindertagesstatten eine wesentliche Erweiterung ihres Aufgabenfeldes und damit verbunden eben auch eine Zunahme an Verantwortung und Belastung bedeutet (vgi. bmfsfj2013:306 f). Aus sich selbst heraus konnen, wie am hier vorgestellten Beispiel einer Kin- dertagesstatte im landlichen Raum von Rheinland-Pfalz deutlich wird, weder jene hochge- steckten Ziele noch die ihnen in den gesellschaftlichen Entwicklungen wie Pluralisierung von Lebensstilen, demografischem Wandel und beruflichen Notwendigkeiten zugrunde liegenden Erwartungshaltungen der Eltern kaum abgedeckt werden. Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist die Realisierung einiger Aufgabenbereiche durch einrichtungsexterne Anbieter_innen, welche das Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsportfolio der Kitas auf sinnvolle Weise mit zeit- lich begrenzten Projekten, Beratungsleistungen oder anderen MaBnahmen erganzen.
Das hier vorgestellte Waldkunst-Projekt ist ein solches Projekt, welches auf acht Vorschulkin- der in ihrer Einrichtung zielt. Es fuhrt die Kinder an funf Nachmittagen in einem wochentlichen Abstand und fur einen Zeitraum von jeweils 90 Minuten in einem spielerischen Rahmen an die Natur des Waldes und den kreativen Umgang mit den dort vorgefundenen Materialien heran. Ziel ist es, mit den Kindern einen kleinen, naturlichen Skulpturengarten zu schaffen, der nach dem Abschluss des Projekts solange bleibt, bis dass Wind, Wetter oder die Waldarbeiter an- deres mit ihrer Waldkunst vorhaben. Bei diesem Projekt werden dem Wald keinerlei Materialien hinzugefugt und keine entfernt - die Kinder arrangieren diese naturliche Welt also lediglich um und geben dem Begriff Um-Welt somit eine neue Bedeutung.
Die zweite Komponente dieses Projektes besteht in der Analyse und Reflexion problemati- scher Arbeitsbedingungen in der Kita im Wechselspiel mit vermeintlichen oder tatsachlichen sozialen Auffalligkeiten der Kinder. Neben der Verbesserung kreativer und sozialer Kompe- tenzen der Kinder und deren Forderung in ihren positiven Bezugen zur Natur zielt dieses Projekt also ebenso auf das Kita-Team als Adressatinnen, auf eine Qualitatsverbesserung ihres Handelns und schlieBlich auch auf eine Verbesserung des Arbeitsklimas.
Der Begriff des Projekts beschreibt eine Arbeitsform, welche nicht nur die Konzeption von et- was Neuartigem darstellt, sondern die sich gleichzeitig in zielorientierten Handlungsweisen mit komplexen und dynamischen Arbeitsfaktoren darstellt und welche interdisziplinare Zusam- menhange in ihre Handlungsentscheidungen einbezieht (vgi.: Perbandt-Brun 1999: Foiie I). Eines der wichtigsten Merkmale jedoch ist, dass Projekte immer auch zeitlich begrenzt sind (vgl.: ebd.), wenn auch ihre Wirkung uber die Projektzeit hinaus durchaus erwunscht ist (vgl.: von Spiegel 2013: 198 ff.). Der Ausweg, derartige Lucken durch den „Einkauf von externen Lem-, Forder-,Natur-, Kunst- oder anderen Projekten zu schlieBen, birgt jedoch oft die Gefahr geringerer Nachhal- tigkeit und eines gewissen Grads der Beliebigkeit.
Dass preventive Programme in Kitas, welche Kindern entsprechende Schutzfaktoren bereit- stellen, um minimierend auf Risikofaktoren einzuwirken, grundsatzlich positive und nachhal- tige Effekte haben konnen, beweisen die Ergebnisse des High/Scope Perry Preschool Pro- gramms, welches zu Beginn der 1960er Jahre auf Piagets Theorie der Denkentwicklung an- setzte und mit Vorschulkindern uber einen Zeitraum von 30 Wochen im Jahr und taglich 2,5 Stunden Schlusselqualifikationen trainierte. Noch nach 35 Jahren wurde bei den Teilneh- mer_innen eine seltenere soziale Unterstutzungsleistung, ein hoheres Einkommen und eine geringere Straffalligkeit gemessen als in einer Vergleichsgruppe (vgi. Pinquart 2011b: 318-319). Je universeller derartige Programme jedoch angelegt sind, je kleiner scheinen die zu erwartenden positiven Effekte auszufallen. Selektive und indizierte Programme, wenn moglich gar mit akti- ver Mitwirkung von Kindern und Eltern, haben jedoch durchaus Potential fur eine starke und nachhaltige Verbesserung (vgl. ebd.: 333).
Naturlich ist das hier vorgestellte Waldkunst-Projekt mit dem komplexen High/Scope Perry Preschool Programm nicht ansatzweise zu vergleichen, die vielfaltigen Eigenschaften der von uns eingesetzten Methoden sind jedoch grundsatzlich dazu angelegt, eine nachhaltige Wir- kungsweise hinsichtlich der Kompetenzen der am Projekt teilnehmenden Kinder zu erzielen. Von daher mochte ich das hier vorgestellte Waldkunst-Projekt unter den Gesichtspunkten fol- gender Fragestellung bearbeiten:
- Konnen Projekte in Kitas dazu beitragen, dass Kinder in ihren sozialen, kreativen und umweltbezogenen Kompetenzen nachhaltig gefordert werden?
- Wie musste hierfur der Transfer der Projekterfahrungen auf die Kita-Institution ge- staltet werden?
Dazu werden in Kapitel 2 zunachst die gesellschaftlichen Problemstellungen und die konkrete Ausgangslage in der Projekt-Kita zwischen den schon angesprochenen gesetzlichen Neue- rungen der letzten Jahre, heterogenen Erwartungshaltungen in der Elternschaft, Auffalligkei- ten bei den Kindern und den beruflichen und gesundheitlichen Belastungen der Kita-Beschaf- tigten sowie die gegenseitige Beeinflussung jener Faktoren analysiert. Des Weiteren werden hier die bisherigen Losungsansatze, die unterschiedlichen Interessen und Motivlagen der am Projekt beteiligten Akteure und schlieBlich das Projekt-Team selbst vorgestellt.
In Kapitel 3 werden sodann die konzeptionellen Hintergrunde des Projektes, seine Zielsetzun- gen, theoretischen Grundlagen sowie die methodische und planerische Herangehensweise dargestellt, bevor die vorgestellten Konzeptions-, Handlungs- und Wirkungsziele in einer ent- sprechenden ergebnis- und prozessbezogenen Operationalisierung konkretisiert und mit den strukturbezogenen Gegebenheiten in Passung gebracht werden.
In Kapitel 4 werde ich schlie&lich den Ablauf und die Umsetzung des Projektes in seinen ver- schiedenen Phasen beschreiben, bevor in Kapitel 5 die sichtbaren und evaluierten Ergebnisse des Waldkunst-Projektes dargestellt werden.
2. Problemstellung/Ausgangssituation
2.1 Das Problem
Die Durchfuhrung von Projekten in Kitas wird meist vor dem Hintergrund gleich mehrerer, un- terschiedlicher Problemfelder realisiert. Die Zielsetzung des hier vorgestellten Waldkunstpro- jekts ist auf die Situationsverbesserung in Bezug auf vier gro&e Herausforderungen im Bereich der au&erfamiliaren Betreuung ausgerichtet, mit deren Bearbeitung das Erzieherinnen-Team der hier beschriebenen Kita aktuell an die Grenzen ihrer Leistungsfahigkeit stoBt: 1.) Neuaus- richtung der Betreuungs-, Erziehungs- und Bildungs-Aufgaben vor dem Hintergrund gesetzli- cher Anderungen der letzten zwolf Jahre, 2.) au&erst heterogene Erwartungshaltungen in der Elternschaft, 3.) die wachsende Zahl von Kindern mit Auffalligkeiten, sowie 4.) die beruflichen und gesundheitlichen Belastungen von Beschaftigten in Kindertageseinrichtungen.
2.1.1 Neuausrichtung von Betreuungs-, Erziehungs- und Bildungsaufgaben
Bernfeld hat bereits Mitte der 1920er Jahre den Erziehungsbegriff auch auf die „Summe aller gesellschaftlichen Reaktionen auf die Entwicklungstatsache“ (bmfsfj 2013:99) bezogen. Mit die- ser Sichtweise ist es zunachst wichtig einen Blick zu werfen auf die aktuellen Entwicklungen in Bezug auf familiare und au&erfamiliare Betreuung, die daran geknupften gesellschaftlichen Erwartungen und Aufgabenstellungen sowie die Umsetzung erziehungswissenschaftlicher Schlusselbegriffe im Konstrukt Kindheit, namlich Erziehung, Betreuung und Bildung. Die Ver- schiebungen, Verknupfungen und Neugestaltungen von Verantwortlichkeiten in den Bereichen „Familienkindheit“ und „Betreuter Kindheit" haben fur die in dieser Arbeit relevanten Arbeits- bereiche der Kindergarten und Kindertagesstatten (Kitas) zahlreiche Anpassungsprozesse in Gang gesetzt, die fur die Trager und deren Mitarbeiter_innen eine gro&e Herausforderung bedeuten. Hier anzufuhren sind vor allem gesetzliche Neuausrichtungen, bspw. durch die im Jahr 2005 im Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) geschaffene Verpflichtung fur die offent- lichen Trager, Betreuungsplatze fur Null- bis Unter-Dreijahrige von spezifischen Bedarfsgrup- pen einzurichten sowie durch den im Kinderforderungsgesetz (KifoG) ab 1. August 2013 ent- standenen Rechtsanspruch auf eine Kindertagesbetreuung ab dem ersten Lebensjahr.
2.1.2 Heterogene Erwartungshaltungen in der Elternschaft
Neben den reinen Rechtsanspruchen richtet sich die elterliche Erwartungshaltung an die pa- dagogischen Leistungen des Personals mit sehr unterschiedlichen, teilweise ideologisch ge- pragten und sich ggf. gar widersprechenden inhaltlichen Ausrichtungen. Im Hintergrund be- treuungsgepragter Erwartungshaltungen spielt vor allem die Erwerbstatigkeit der Eltern eine zentrale Rolle, welche sich schnell an der Frage ideologisiert, ob eine au&erfamiliare Betreuung von U3-Kindern, und erst recht im Sauglingsalter nun schadlich ist oder nicht. Anspruche in Bezug auf die Erziehungsaspekte zeichnen sich vor allem in zwei gegensatzlichen Positio- nierungen ab, auf der einen Seite der Vermittlung von Respekt gegenuber Erwachsenen und der Durchsetzung eindeutiger Vorgaben, wie sie etwa der Bonner Therapeut Winterhoff zum Zwecke einer Niederschlagung der „Diktatur der Unschuldigen“ (vgi. bmfsfj 2013.: 102) postuliert, und im Gegensatz dazu einer eher laissez fair orientierten Erwartungshaltung an das Kita- Personal, welche die freie und eigenstandige Entwicklung der Kinder gewahrleisten soll. Auch in Bezug auf die Bildung haben sich unterschiedliche Linien bspw. im Hinblick auf kognitive, sprachliche und sozio-emotionale Forderung der Kinder herausgebildet. Optimale Forderung und die Potentiale fruher Bildung vs. Skepsis gegen Uberforderung und eine Gefahrdung der Kindheit markieren hier die gegensatzlichen Pole, innerhalb derer sich die Mitarbeiter_innen der Kitas an den Erwartungshaltungen der Eltern orientieren mussen (vgi. bmfsfj 2013.: 99-104). Wie an den hier nur kurz skizzierten Positionierungen bereits unschwer zu erkennen ist, ist der Prozess der Neuausrichtung zwischen familiarer und au&erfamiliarer Kinderbetreuung keines- wegs abgeschlossen. Fur das in diesem Bereich arbeitende Personal bedeutet dies in jedem Fall eine erhebliche Mehrbelastung sowohl hinsichtlich der neuen gesetzlichen Aufgabenstel- lungen als auch hinsichtlich der kommunikativen Herausforderungen mit der Elternschaft im Ausgleich hochst unterschiedlicher Erwartungshaltungen.
2.1.3 Jedes funfte Kind mit Auffalligkeiten
Ein weiteres belastendes Problem fur die Arbeit in den Kitas ist die gro&e Anzahl verhaltens- auffalliger Kinder. Verhaltensauffalligkeiten werden laut Prof. Dr. Jorg Fegert „meist als statis- tisch auffallige Abweichung von einer normalen Verhaltensdimension definiert“ (ErzieherIn.de 2011). Damit sind zunachst jedoch nicht grundsatzlich alle bei Kindern vorkommenden, „norma- len" Stimmungssituationen wie Traurigkeit, Aufgedrehtheit, Unkonzentriertheit oder Aggression gemeint. Erst, wenn sich bestimmte Verhaltensweisen uber einen langeren Zeitraum kon- stant oder in extremer Auspragung zeigen, kann von einer Verhaltensauffalligkeit gesprochen werden (vgl. ErzieherIn.de 2011). Der KIGGS-Studie des Robert-Koch-Instituts zufolge sind etwa 20% aller Kinder hiervon betroffen, zwischen 5% und 10% gar mit behandlungsbedurftigen psychischen Storungen (vgl. ebd.). Die im 13. Jugendbericht abgebildeten Pravalenzen fur psy- chische und verhaltensma&ige Auffalligkeiten bei Drei- bis Sechsjahrigen geben folgende Zah- len wieder: Emotionale Probleme (Angste, depressive Verstimmung) 13 %, Verhaltensauffalligkeiten (aggressiv-dissoziales Verhalten) 35 %, Hyperaktivitatsprobleme 14,6 %, Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen 20,5 %, grenzwertiges bis auffalliges prosoziales Verhalten 10,7 % (vgl. bmfsfj 2009:97-98). Hinzu kommen motorische und sprachliche Defizite, die von den Mit- arbeiter_innen der Kitas ebenso aufzufangen und zu bearbeiten sind. Die Anteile von Drei- bis Sechsjahrigen mit diagnostizierten Entwicklungsstorungen der Motorik liegen zwischen 4% und 6% (vgi. bmfsfj2009:95), mit Auffalligkeiten in Sprachentwicklung und Sprachkompetenz zwi- schen 4% und 8% (vgi. bmfsfj 2009: 96). Alle hier angegebenen Pravalenz-Zahlen weisen bei Jungen teilweise deutlich hohere Werte aus als bei Madchen. Gleiches gilt fur Kinder mit Mig- rationshintergrund gegenuber Kindern ohne Migrationshintergrund und fur Kinder mit niedri- gerem Sozialstatus gegenuber Kindern mit einem hohen Sozialstatus (vgi. bmfsfj 2009:95-98).
2.1.4 Berufliche und gesundheitliche Belastungen der Beschaftigten
Die Kita als Arbeitsplatz birgt fur die dort Beschaftigten neben physischen und infektionsbe- dingten groBe psychische Belastungspotentiale, welche sich vielfach weder abstellen lassen noch denen die Beschaftigten im Kita-Tagesgeschaft ausweichen konnten. Als einer der starksten Belastungsfaktoren kann ein anhaltend hoher Larm- bzw. Gerauschpegel angese- hen werden, der bei den dort Beschaftigten neben Gehorschadigungen, Ermattung und Kopf- schmerzen auch Auswirkungen auf Blutdruck und Herzfrequenz zur Folge haben kann. Zwar erkennt der Gesetzgeber in den Unfallverhutungsvorschriften (UVV) eine Larmschadigung bei Uberschreiten eines Grenzwertes von 80 Dezibel (db/A) und bei geistiger Arbeit gar bereits ab 55 db/A. Messungen in Kindergarten und Kitas haben jedoch ergeben, dass die regelmaBigen Mittelwerte der Larmpegel zwischen 80 und 85 db/A und in Spitzenwerten gar deutlich daruber liegen, ohne dass die dort Beschaftigten dem ausweichen konnten oder anders davor ge- schutzt werden. Vor allem parallel zu dieser Gerauschkulisse zu fuhrende Telefonate, Bespre- chungen oder andere etwa dokumentierende Tatigkeiten haben unmittelbare Folgen auf die Befindlichkeit, die Konzentrationsfahigkeit und auf das Verhalten der dort Beschaftigten, bspw. in einer kompensierenden lauteren Sprechweise (vgi. Aimstadt, Gebauer, Medjedovic 2012: s. 31 f).
Als zweiter grower Belastungsbereich kann die psychische Konstitution der Kita-Mitarbeiter_in- nen angesehen werden, deren vielfach vorhandene Widerstandsressourcen gegen berufsbe- dingte Belastungen (etwa vielseitige, identitatsstiftende Arbeit, Handlungsspielraume, gute Unterstutzung durch Kolleg_innen oder Beteiligung durch die Vorgesetzten) den anfallenden Stress und eine mentale Uberforderungen oft nicht kompensieren konnen. Laut vorliegenden Studien ist ihr psychischer Gesundheitszustand im Vergleich zu anderen Erwerbstatigen deutlich schlechter. Hierin liegt die Ursache fur ein Siebtel aller Arbeitsunfahigkeitstage im Kita- Bereich (bspw. durch Burnout-Erkrankungen und psychosomatische Begleiterscheinungen), deren Nahrboden gebildet wird durch ein hohes Arbeitspensum, Mangel an qualifiziertem Personal, zu gro&e Gruppenstarken, immer haufiger auftretende Verhaltensauffalligkeiten der Kinder, zu geringe Erholungsmoglichkeiten wahrend des Arbeitstages sowie wachsende Anfor- derungen durch die Zunahme und Komplexitat von Elterngesprachen (vgi. ebd.: 32 f.). Durch Kita- interne MaBnahmen kann Entlastung aufgrund knapper personeller Strukturen oft nur ansatz- weise erfolgen. Eine Unterstutzung durch zeitlich begrenzte extern „eingekaufte" Projekte kann hier zumindest kurzfristige Auswege schaffen, um sowohl das breite, inhaltliche Aufgaben- spektrum der Kitas abzudecken als auch fur die dort Beschaftigten entlastend im Berufsalltag zu wirken, sei es durch die Ermoglichung von Freiraumen und zeitweilig kleinerer Gruppen mit entsprechend geringerem Larmpegel, sei es aber auch durch Reflexionen uber die Wahrneh- mung vermeintlicher Auffalligkeiten der Kinder. Eine entsprechend systematische Nachbear- beitung konnte insofern einen Wissenstransfer auf die weitere padagogische Arbeit mit den Kindern herstellen.
2.2 Ausgangssituation
Der Schutz des Personlichkeitsrechts gebietet es, die Angaben uber die Einrichtung und den Ort weitgehend zu neutralisieren. Die in der ursprunglichen Arbeit enthaltenen Informationen sind in der hier veroffentlichten Version daher entsprechend modifiziert worden. Die Kita, in der das Projekt durchgefuhrt wurde, ist eine zweizugige Einrichtung fur derzeit 52 Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren. Die Kinder werden betreut von ausschlie&lich weiblichen Fachkraften, sieben Erzieherinnen in Halbtagsbeschaftigung, einer ebenfalls halbtags beschaftigten Leitungskraft und einer Praktikantin. Die Offnungszeiten sind von 7:00 bis 17:00 Uhr.
Die dort beschaftigten Erzieherinnen haben eine sehr heterogene Altersstruktur (zw. 32 und 52 Jahren). Damit verbunden bringen sie entsprechend der Zeit ihrer Ausbildungsabschlusse, ihrer beruflichen Erfahrungen und der Anzahl ihrer Fort- und Weiterbildungen (1x Sprachfor- derung, 1x Kunstpadagogik) sehr unterschiedliche fachliche Kompetenzen mit in die Einrichtung. Jene unterschiedlichen Qualifikationsstande sorgen ihren Berichten zufolge immer wie- der fur Spannungen im Team. Dementsprechend muss bei den Schichtplanungen Rucksicht darauf genommen werden, „wer mit wem kann“, um die Gefahr von Ausfallen zu minimieren. Die Arbeit in der Kita ist gepragt von einer hohen Arbeitsbelastung und einem hohen Kranken- stand (laut KiTa-Leitung etwa 10 %). Am individuellen Forderbedarf der Kinder und ihrer Her- anfuhrung an zukunftige schulische Erwartungen kann das Kita-Team daher nur noch spora- disch arbeiten. Alle Mitarbeiterinnen wollen ihre Arbeitszeit in den Vormittagsstunden ableis- ten, an den Nachmittagen ist die Kita daher oft unterbesetzt. Die beiden Gruppen in der Kita sind altersgemischt angelegt. Das bedeutet, dass die Erzieherinnen gleichzeitig hochst unterschiedliche altersspezifische Herausforderungen meistern mussen. Die Gewahrleistung des Wickelns von mittlerweile 12 der insgesamt 52 Kinder zieht viel Arbeitskapazitat auf sich und muss parallel zur Vorbereitung der alteren Kinder auf die Grundschule organisiert werden. Die von den Mitarbeiter_innen der Einrichtung beobachtete Zahl der Kinder mit erhohtem Forder- bedarf und sozialen Auffalligkeiten ist seit mehreren Jahren steigend. Ihre sprachlichen, sozi- alen, fein- und grobmotorischen Defizite bestimmen den Arbeitsalltag der Erzieherinnen und lassen sie mehr reagieren als agieren. Der Kita-Alltag konzentriert sich mittlerweile fast aus- schlie&lich auf das Gebaude und das Freigelande der Kita. Der unmittelbar hinter dem Kita- Gelande beginnende Wald, der noch vor wenigen Jahren regelmaBig fur „Exkursionen und Expeditionen“ mit den Kindern genutzt wurde, kann mit dem vorhandenen Personal nicht mehr „bespielt“ werden.
Die Zusammenarbeit mit den Eltern ist in mehrfacher Sicht problematisch. Auf der einen Seite finden sich kaum Eltern fur eine Mitarbeit im Elternbeirat; dieser konnte mittlerweile mangels Elterninteresses das dritte Jahr in Folge nicht vollstandig besetzt werden. Andererseits gibt es dennoch hohe und sehr unterschiedliche Erwartungen seitens der Elternschaft an die Qualitat der Arbeitsleistungen. Wahrend die einen Eltern die optimale Forderung ihrer „hochbegabten“ Kinder mittels innovativer padagogischer Konzepte gewahrleistet sehen wollen, fordern an- dere Eltern von der Kita einen Platz zur freien Entfaltung ihrer Kinder oder lediglich die Betreu- ung als eine Form der Dienstleistung im Sinne einer „Kinderverwahrung“.
2.3 Hypothesen zu moglichen Zusammenhangen
Den hohen gesellschaftlichen Erwartungen und den unterschiedlichen Anspruchen der Elternschaft an die padagogischen Leistungen der Kita konnen die Mitarbeiter_innen in Anbetracht standiger Unterbesetzung nur unzureichend nachkommen. Der hohe Krankenstand, Resignation und schlechtes Arbeitsklima unter den Kita-Mitarbeiterinnen sind die Folge hieraus und verstarken gleichzeitig die prekare Situation bezuglich ihrer Betreuungs-, Bildungs- und Erzie- hungsaufgaben. Die Verantwortlichkeit fur die Entwicklung der Kinder wird je nach Standpunkt in der Elternschaft oder beim Kita-Personal angesiedelt. Und in der Tat sind viele Verhaltens- auffalligkeiten bei Kindern laut Textor multikausal bedingt. Die Ursachen konnen dabei sowohl im Kind selbst liegen (bspw. durch Faktoren wie Erbanlagen, Geburtsschaden, langwierige Krankheiten oder (unerkannte) Behinderungen) als auch in den Familien (bspw. aufgrund von Vernachlassigung, Verwohnung, Uberbehutung, autoritarer, antiautoritarer oder inkonsistenter Erziehungsstile aber auch aufgrund von Ehe- und Trennungskonflikten) und den Peer-Bezie- hungen der Kinder (bspw. aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse, absto&ender Korpermerk- male oder unterschiedlicher religioser Zugehorigkeit) (vgi. Textor 2006). Ebenso weit gefachert ist das Spektrum der in den Kindertagesstatten liegenden Ursachen fur Verhaltensauffalligkeiten. Hierzu zahlen unter anderem unklare Regeln, deren Missachtung ohne Konsequenzen bleibt, Stigmatisierungen von „Problemkindern“ und „Problemfamilien“, deren kritische Verhaltens- weisen jene selbst erfullenden Prophezeiungen der Erzieher_innen widerspiegeln und die sich in ihren „positiven Verhaltensweisen, Fahigkeiten und Interessen nicht mehr bestatigt“ (ebd.) sehen, Unter- bzw. Uberforderungen der Kinder, unklare Tagesstrukturen, zu geringe Ange- bote fur angemessenen Bewegungsbedarf der Kinder, zu gro&e, offene Gruppenstrukturen, wechselnde Bezugspersonen, aber auch mangelnde Kompetenzen des Personals hinsichtlich Gesprachsfuhrung und Umgang mit verhaltensauffalligen Kindern (insges. vgi. ebd.).
Die in den Strukturen der Kita liegenden Faktoren wirken, wenn sie nicht gar ursachlich hierfur verantwortlich sind, zumindest verstarkend auf die Verhaltensauffalligkeiten der Kinder und bilden somit eine Art „T eufelskreis", da der Zuwachs jener Auffalligkeiten nicht nur die Stress- belastung der Erzieher_innen weiter verscharft, sondern ebenso die prekare Situation der Kinder und ihrer Familien. Die Faktoren staatlicher Auftrag, elternschaftliche Interessen, Arbeits- belastungen der Erzieherinnen und Auffalligkeiten bei den Kindern scheinen sich in hochstem MaBe gegenseitig zu beeinflussen. Zu viele Kinder werden unter diesen Umstanden nicht al- tersentsprechend gefordert, haben ein unterentwickeltes Verhaltnis zu Ressourcen, Natur und Umwelt sowie nur mangelhafte Fahigkeiten in Bezug auf Motorik, Kreativitat und soziales Ver- halten. Besonders kritisch ist hierbei zu sehen, dass sie ihre Wunsche nicht angemessen bzw. nur unzureichend artikulieren konnen, was unter lebensweltorientierter Sichtweise in Bezug auf die Maxime der Partizipation der Adressat_innen (vgi. Grunwaid/Thiersch 2014: s. 17-21) jedoch besonders wichtig ware.
Aber auch abseits tatsachlicher Handlungsbedarfe konnen sich in der Wahrnehmung der Kinder durch die Erzieher_innen schnell unvorteilhafte Ubertragungen und Stigmatisierungen ent- wickeln, bei denen Kinder mit sprachlich und/oder korperlich weit entwickelten Fahigkeiten aus einem angemessenen Beobachtungsraster herausfallen, in ihren altersentsprechenden Be- durfnissen jedoch nicht mehr adaquat wahrgenommen und dann allzu schnell als auffallig ab- gestempelt werden.
An beiden Polen der Auffalligkeitshintergrunde mit den daraus resultierenden Uber- bzw. Un- terschatzungen der Kinder in Bezug auf ihre Leistungsfahigkeit verstarkt sich die Unzufrieden- heit des Kita-Personals mit ihrer Arbeit. Die standige Fokussierung entsprechender Auffalligkeiten verhindert nicht nur einen angemessenen Umgang mit „Normalitat“, sie evoziert daruber hinaus defizit- statt ressourcenorientiertes Verhalten der Erzieher_innen in Form von Regle- mentierungen der Kinder oder ineffektiven, teilweise eskalierenden Elterngesprachen.
2.4 Bisherige Losungsversuche
Generell sind sich die Leitung und die Erzieherinnen der Kita uber die Zusammenhange der Problematik im Klaren und sind bestrebt, eine Verbesserung der Situation herbeizufuhren; das wurde in Vorgesprachen zum Waldkunst-Projekt deutlich. An der mangelhaften personellen Ausstattung durch die zustandige Verbandsgemeinde lasst sich aus Sicht der Kita-Leitung kurzfristig nichts andern, weshalb sie seit 2015 damit begonnen haben, vereinzelte vom Land RLP uber den Topf „Kita-Plus" finanzierte Projekte in der Kita zu realisieren. Jeweils mit exter- nem Personal wurden hierdurch bereits ein Kunst-Projekt zum Thema „Wut“ und ein Topfer- Projekt an jeweils funf Nachmittagen realisiert. Des Weiteren hat die Einrichtung Angebote der Eltern- bzw. Erziehungsberatung sowie geleiteter Reflexionsgesprache im Team durch eine externe Beraterin geschaffen, die durch den Landkreis finanziert werden und nach anfangli- chen Schwierigkeiten nun mit zunehmender Akzeptanz in der Elternschaft und unter den Mit- arbeiterinnen nachgefragt werden.
Die Kunst- und Topferprojekte wurden von den Kindern sehr gut angekommen. Obwohl sie aufgrund ihrer relativ kurzen Laufzeit keine besondere Nachhaltigkeit erwarten lieBen, haben diese Projekte nach Aussage der Kita-Leiterin eine gewisse „entspannende Wirkung“ sowohl auf die Kinder als auch auf die Erzieherinnen gezeigt, die sich nicht nur an den jeweils funf Nachmittagen um „Liegengebliebenes“ kummern konnten, sondern in der Auseinanderset- zung mit den Projektinhalten zahlreiche neue Erkenntnisse fur die Arbeit mit den Kindern ge- winnen konnten. Im Gegensatz zu diesen beiden Projekten, bei denen Kinder und Kita-Perso- nal gleichermaBen schnell „drin“ waren und sich auf die neue Situation in den Projekten ein- stellen konnten, haben die Beratungsangebote fur die Eltern und die gefuhrten Reflexionsge- sprache im Team eine gewisse Laufzeit gebraucht, bis dass (innere) Widerstande aufgelost werden konnten und die T eilnahme an den jeweiligen T erminen eher als etwas Bereicherndes, Entspannendes und Ressourcensteigerndes wahrgenommen werden konnten.
2.5 Interessen und Motive
Die Motivation und das Erkenntnisinteresse an dem Waldkunst-Projekt bilden sich je nach in- dividueller Situation der an der Erziehung, Betreuung und Bildung der Kinder Beteiligten auf sehr unterschiedliche Weise ab. Soll das auf einen relativ kurzen Zeitraum angelegte Projekt die Chance auf eine nachhaltige Wirkungsweise erzielen, sind ihre Positionen und Interessen moglichst umfassend in seiner Planung und Durchfuhrung zu integrieren. Die komplexe Ge- mengelage unterschiedlicher Positionen und Interessen gestaltet sich wie folgt:
Das Personal - Innerhalb des Kita-Teams haben sich bei den Vorgesprachen zwei verschie- dene Positionen in Bezug auf das Waldkunst-Projekt herausgestellt. Wahrend ein Teil des Personals vor allem Verbesserungen bei Bildungs- und Betreuungsangeboten der Kita im Sinne der Kinder erzielen will, reduziert sich die Motivation anderer Mitarbeiterinnen zur Durchfuhrung des Projektes schlicht auf die erzielbare Arbeitsentlastung wahrend der Projektzeiten.
Die Eltern - Die meisten Eltern stehen dem Projekt grundsatzlich aufgeschlossen gegenuber, wenn auch die meisten unter ihnen keine besonderen Erwartungen daran knupfen. Im Vorge- sprach mit der Vertreterin des Elternbeirats standen insofern weniger inhaltliche als vielmehr organisatorische Aspekte (bspw. Abholzeiten der Kinder wahrend des Projekts) im Mittelpunkt.
Die Einrichtungsleitung- Die Leiterin der Einrichtung ist froh, ein weiteres Angebot zu schaf- fen, welches das Team in den Stunden des Projektes in ihren Betreuungsaufgaben entlastet und daruber hinaus Potentiale fur eine kontinuierliche Verbesserung im Umgang mit den zahl- reichen verhaltensauffalligen Kindern offenlegt.
Die Kinder - Die Kinder werden in padagogischen Settings der Vorschulzeit nach wie vor oft als Objekt des Handelns angesehen. Im partizipativen Verstandnis lebensweltorientierter So- zialer Arbeit werden Kinder jedoch (wie alle anderen Adressat_innen auch) als Subjekt und als Partner fur ihre eigene Entwicklung wahrgenommen. Von daher kommt ihnen bei dem Pro- jekt eine gewisse Schlusselrolle zu. Einige der an dem Projekt teilnehmenden Kinder haben bereits Vorerfahrungen mit dem Kunstprojekt in 2015 gesammelt. Bei der Bekanntgabe des neuen Angebotes sind diese Kinder begeistert, und ihre Vorfreude auf ein spannendes Projekt, viel SpaB und „Action“ mit dem ihnen bereits bekannten Team transportiert sich schnell auf die anderen potentiellen Teilnehmer_innen.
Die Erziehungsberaterin - Die fur die Elternberatung engagierte Fachkraft war bereits an der Durchfuhrung des vorangegangenen (Wut-)Kunstprojekts beteiligt. Die in der direkten Zusam- menarbeit mit den Kindern gemachten Erfahrungen verhelfen ihr zu einem tieferen Einblick in Dynamiken der Kinder und sind fur ihre weitere Beratungsarbeit mit den Eltern und den Erzie- herinnen von gro&em Wert.
Personliche Motivation - Meine personliche Motivation zu diesem Projekt ist entstanden in der Zeit, als zwei unserer Pflegekinder noch diese Kita besuchten und in Verbindung mit mei- nem generellen Interesse an Kunst- und Natur-Aktionen. Ich verspreche mir von dem hier vor- gestellten Projekt mit seinen wald-, kunst- und erlebnispadagogischen Ansatzen neue Er- kenntnisse hinsichtlich der Kindergartenarbeit. Ich mochte herausfinden, inwiefern bereits kleine Projekte wie das hier vorgestellte Waldkunst-Projekt einen positiven Prozess hinsicht- lich der Verbesserung sozialer, kreativer und umweltbezogener Kompetenzen der Kinder in Gang setzen konnen. Daruber hinaus interessieren mich Aspekte der Offnung, der Einstel- lungs- und Verhaltensverbesserungen bei den Mitarbeiterinnen der Einrichtung gegenuber neuen, fur sie vielleicht angstbeladenen und vermeintlich mehrbelastenden Ansatzen.
2.6 Das Team - beteilige Personen/Institutionen
Das Waldkunst-Projekt ist als externes Angebot im Auftrag der Kita-Leitung konzipiert worden. Beide Projektteile, sowohl die eigentliche Waldkunst mit den Kindern als auch die spatere Nachbereitung und Reflexion mit dem Kita-Team werden von mir als Projektleiter in Zusam- menarbeit mit der padagogischen Beraterin, welche als externe Fachkraft mit den Qualifikati- onen einer systemischen Familientherapeutin und als staatlich anerkannte Sozialarbeiterin fur die Kita tatig ist, geplant und durchgefuhrt.
In den Vorgesprachen zu dem Projekt sind neben der Kita-Leiterin die Sprecherin des Eltern- beirats und alle Erzieherinnen und Praktikantinnen der Einrichtung eingebunden. Hierbei ist die Schaffung einer positiven Grundhaltung dem Projekt gegenuber innerhalb der Elternschaft genauso wichtig wie die Koordinierung des Tagesablaufs an den jeweils angesetzten Projekt- tagen (bspw. Einbindung in interne Kita-Angebote, Vorbereitung bzw. Ausstattung der Kinder mit wetterfester Kleidung, Weitergabe der Ruckkehrzeit an die Eltern...).
Am zweiten Teil des Projektes, den auf zwei Monate angesetzten wochentlichen Reflexions- und Auswertungsgesprachen, sollen sowohl die Kita-Leiterin als auch alle Erzieherinnen und Praktikantinnen der Einrichtung als Teilnehmerinnen teilnehmen.
3. Projektplanung
3.1 Ressourcen
Aufgrund der positiven Vorerfahrungen mit identischem Projekt-Team aus dem Kunstprojekt zum Thema „Wut“ gestaltet sich die Planung und Organisation des neuen Waldkunst-Projekts sehr unproblematisch. Die Leiterin und das Team der Kita hatten bereits nach Abschluss des ersten Projekts angefragt, ob wir als Team eine Fortsetzung des Projekts oder eine ahnliche Aktion noch bis zum Ende des Jahres 2016 durchfuhren konnten, sofern das Budget hierfur innerhalb des Rahmens der aus dem Landes-Programm „Kita-plus“ abrufbaren Mittel in Hohe von 450,00 € zu realisieren sei. Die Uberprufung der Realisierbarkeit und der benotigten, der zur Verfugung stehenden und der noch zu generierenden Ressourcen gestaltet sich wie folgt:
Raumliche Ressourcen (Wald) stehen in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kita-Gelande na- hezu unbegrenzt zur Verfugung, deren Nutzung fur einmalige Bildungsveranstaltungen durch ein freies Betretungsrecht abgedeckt ist (vgi.: § 37 Bundeswaidgesetz). Da fur das Projekt insgesamt funf Termine anstehen, ist es ratsam, die Genehmigung des zustandigen Kreisforstamtes und des Burgermeisters der Gemeinde (ein Teil des Waldes gehort der Gemeinde) einzuholen.
Materielle Ressourcen mussen fur das Projekt nicht grofc organisiert werden, da es zu des- sen Konzept gehort, ausschlie&lich Materialien des Waldes zu verwenden. Allein fur die Tee- pausen mit den Kindern und die Abschlussbegehung mit Kindern, Eltern und Erzieherinnen ist ausreichend Tee und Kleingeback zu organisieren. Astscheren, Sagen und Laubrechen sowie Kleister fur eine Laub-Klebeaktion werden privat vom Projekt-Team mitgebracht.
Zeitliche Ressourcen: Die benotigten zeitlichen Ressourcen gliedern sich wie folgt:
- Kita-Leiterin: Vorgesprache 2 Std., Abschlussveranstaltung 1 Stunde, Vorstellung der Po- tentialprofile und Reflexionsgesprache 5 x 1 Stunde, Lekture und Nachbereitung Ab- schlussbericht ca. 3 Std. = insges. 11 Arbeitsstunden
- Erzieherinnen: Vorgesprach in der Gruppe 7 x 0,5 Std., Vorstellung der Potentialprofile und Reflexionsgesprache 7 x 5 x 1 Std. = insges. 38,5 Arbeitsstunden
- Teilnehmende Kinder: Waldkunst-Projekttage 5 x 1,5 Std., Abschlussbegehung: 1 Stunde, Evaluationsbefragung: 1 Std. = insges. 9,5 Std.
- Projektleiter: Vorgesprache mit Kita-Leitung: 2 Std., Vorgesprach Kita-Team: 0,5 Std., Er- stellung Expose 16 Std., Koordination/Absprache Projektteam: 2 Std., Formulierung Pro- jektauftrag: 2 Std., inhaltliche Vorbereitung: 3 Std., Formulierung Werbung bei den Eltern: 1 Stunde, Waldkunst-Projekt Aktionstage: 7,5 Std., Abschlussbegehung: 1 Stunde, Vorbereitung Evaluationsbefragung Kinder: 2 Std., Evaluationsbefragung Kinder: 1 Std., Vorbe- sprechung Potentialprofile mit Familienberaterin: 1 Stunde, Vorstellung der Potenzialprofile und Reflexionsgesprache: 5 Std., Auswertung Evaluation Kinder: 2 Std., Vorbereitung, Durchfuhrung und Auswertung Evaluation Kita-Team und Eltern: 3 Std., Erstellung Projekt- dokumentation: 40 Std. = insges. 89 Std.
- Familienberaterin: Koordination/Absprache im Projektteam: 2 Std., Waldkunst-Projekt Akti- onstage: 7,5 Std., Abschlussbegehung: 1 Stunde, Evaluationsbefragung Kinder: 1 Std., Vorbesprechung Potentialprofile mit Projektleitung: 1 Stunde, Vorstellung der Potenzialpro- file und Reflexionsgesprache: 5 Std., Reflexionsgesprache mit Projektleitung: 5 Std. = insges. 22,5 Std.
Finanzielle Ressourcen: Aus Sicht des Kindergartens belaufen sich die benotigten finanziel- len Ressourcen neben den Kita-eigenen Anteilen fur den zeitlichen Aufwand (11 Std. Kita- Leitung und 38,5 Arbeitsstunden Kita-Mitarbeiterinnen) auf 8 Honorar-Stunden fur die Nach- bereitung und Reflexionsrundenleitung der padagogischen Beraterin in Hohe von 30,00 € = 240,00 € und auf ein pauschales Projekthonorar in Hohe von 450,00 €, das weitere 14,5 Arbeitsstunden der Beraterin und diverse Kosten der Projektdurchfuhrung abdeckt. Diese beiden Positionen sollen aus zwei verschiedenen Topfen finanziert werden, die 450,00 € Projekthonorar kommen aus dem RLP-Landesprogram „Kita-plus“, das Berater-Honorar in Hohe von 240,00 € kommt aus dem Budget des Landkreises fur padagogische Bratung in Kitas. Auf ein Honorar fur Konzeption und Leitung des Projekts wird im Zuge der gleichzeitigen Verwendung der Arbeit fur das BASA-online-Studium an dieser Stelle verzichtet.
Die fur die Durchfuhrung des Waldkunst-Projektes notwendigen Ressourcen stehen also in ausreichendem MaBe zur Verfugung bzw. konnen entsprechend mit verhaltnismaBigem Aufwand organisiert werden. Uber eine Anmeldung des Projekts beim Kreisforstamt und bei des Burgermeisters der Ortsgemeinde hinausgehende behordliche Genehmigungen sind nicht er- forderlich. Wichtig ist jedoch eine Einverstandniserklarung der Eltern uber die Teilnahme ihrer Kinder, die mit einer entsprechenden Anmeldung erfolgen soll. Das Projekt ist insofern reali- sierbar.
3.2 Gewunschte Ziele / Ergebnisse
Die heterogene Interessenslage der am Projekt beteiligten Akteur_innen stellt die Konzeption des Waldkunst-Projekts vor eine groBe Herausforderung. Obgleich die bereits im vorangegan- genen Kunstprojekt zum Thema „Wut“ gemachten, sehr positiven Erfahrungen mit dem iden- tischen Projekt-Team eine hohe Aufgeschlossenheit gegenuber dem neuen Waldkunst-Projekt generiert hat, mussen die verschiedenen Erwartungen dennoch aufs Neue in Zielsetzun- gen eingearbeitet und mit geeigneten Methoden operationalisiert werden. Jene Projektziele unterscheidet Hiltrud von Spiegel zunachst in Wirkungs- und Handlungsziele. Wahrend erstere auf langfristig angestrebte Effekte bei den Adressat_innen gerichtet sind (uber das Projekt hinaus), sind Handlungsziele Arbeitsziele fur die Durchfuhrenden, die beschreiben, welche Zustande, Ergebnisse oder Verhaltensweisen am Ende des Projektes erreicht sein sollen und somit die Erreichung des Wirkungsziels uberhaupt erst ermoglichen (vgi. von Spiegel 2013:198 ff.). Damit die unterschiedlichen Motivationslagen wie bspw. SpaB (Kinder), Verbesserung der Be- treuung, Forderung und Bildung der Kinder (Eltern) und Entlastung (Kita-Team) die Zielset- zungen des zeitlich stark eingegrenzten Waldkunst-Projekts nicht uberfrachten, wird in Anleh- nung an der Methodik von Spiegels zunachst ein Wirkungsziel bestimmt, welches hier auf die zentrale Adressatengruppe der Kita, die Kinder gerichtet ist und welches seine Wirkungskraft moglichst weit uber das Projekt hinaus behalten soll.
Derartige Wirkungsziele konnen sich aufgrund der beschriebenen unterschiedlichen Sichtwei- sen (Kinder, Eltern, Fachkrafte der Kita) konsensual oder dissensual gestalten. Daher soll die Ausrichtung des Projektzieles nach der Methodik von Spiegels (vgl. von Spiegel 2013a: Arbeitshilfe 5) mit allen an der Auftragsgestaltung und Durchfuhrung Beteiligten (Kita-Leitung, Kita-Team, Elternbeirat und Projekt-Team) moglichst umfassend ausgehandelt und vereinbart werden. Die aus den Vorgesprachen entwickelte und schlie&lich mit der Kita-Leitung vereinbarte Aus- formulierung des Wirkungsziels des Waldkunst-Projekts lautet schlie&lich:
„Das Projekt vermittelt den Kindern ein wertschatzendes Verhaltnisses zur Natur und tragt zur Verbesserung ihrer sozialen Kompetenzen in der Gruppe bei“.
Ausgehend von diesem Wirkungsziel werden weitere Handlungsziele abgeleitet, prioritar ge- ordnet und im Abgleich mit den tatsachlichen Kapazitaten auf einen realisierbaren Umfang reduziert. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Uberblick uber jene im Waldkunst-Projekt be- stimmten Handlungsziele, deren Wirkungsfeld und thematischem Hintergrund:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Um die Nachhaltigkeit unseres Wirkungsziels zu optimieren, haben wir uns bei der Konzipie- rung des Projektes dazu entschlossen, neben der direkten Arbeit mit den Kindern (als eigent- liche Adressat_innen) die dort gemachten Erfahrungen in einem sich daran anschlie&enden zweiten Teil reflexiv mit dem Kita-Team aufzuarbeiten, unsere Eindrucke uber die unterschied- lichen Kompetenzen der Kinder weiterzugeben und unsere methodische Vorgehensweise zu vermitteln. Daher richten sich nach den ersten funf Handlungszielen mit der Wirkungsrichtung Kinder die Handlungsziele sechs bis neun auf die Arbeit der Erzieherinnen und ein zehntes gar auf die Eltern. Vor dem Hintergrund der zeitlich eng begrenzten Projektarbeit soll so die Moglichkeit geschaffen werden, zumindest einzelne Errungenschaften des Projekts (bspw. Wahrnehmung neuer Kompetenzen bei den Kindern) uber die Projektzeit hinaus zu verfesti- gen und abzusichern. Wenn es durch das Projekt daruber hinaus gelingt, die in der Problem- stellung benannten Interdependenzen (bspw. zwischen Arbeitsbelastungen und Anspannun- gen im Kita-Team auf der einen und (vermeintlich) auffalligem Verhalten der Kinder auf der anderen Seite) wenn nicht direkt abzubauen so doch wenigstens bewusst zu machen, lie&e sich auch daran arbeiten. Wesentliche Aspekte einer nachhaltigen Wirkungsweise waren da- mit fur das Projekt bereits erfullt.
3.3 Theoretischer Hintergrund
Kindergarten und Kindertagesstatten spielen fur die moderne Gesellschaft in ihrer Funktion als soziale Einrichtung eine herausragende Bedeutung fur die Gestaltung der Lebenswelten der Familien und ihrer Kinder. Wahrend aktuelle entwicklungspsychologische Erkenntnisse positive Bindungserfahrungen zwischen den Eltern und ihren Kindern in den ersten Lebens- jahren als Voraussetzung fur Urvertrauen und eine gute emotionale und soziale Entwicklung der Kinder ansehen (vgl.: Zimmermann/Pinquart 2011a: 176-195, Zimmermann/Pinquart 2011b: 198-219), ist dies im Zuge individualisierter Lebensstile (bspw. Alleinerziehung, Berufstatigkeit beider Elternteile) in vielen Fallen jedoch nicht mehr oder nicht optimal realisierbar. Lebensweltorientierte Ansatze nehmen diesen Bezug auf und orientieren ihre Arbeit im Sinne praktizierter Hilfe zur Lebens- bewaltigung der Adressat_innen und insistieren auf die Nutzbarmachung individueller, sozialer und politischer Ressourcen wie sozialer Netze und lokaler/regionaler Strukturen (vgl. Thiersch 2014: 5). In diesem Zusammenhang bearbeiten die Mitarbeiter_innen von Kindertagesstatten gesell- schaftliche Aufgabenstellungen auBerfamiliarer Betreuung, Bildung und Erziehung, welche (wie in der Problemstellung dargestellt) oftmals an viele Grenzen stoBt. Das hier vorgestellte Waldkunst-Projekt will uber die direkte kunst- und naturbezogene Arbeit mit den Kindern dazu beitragen Impulse zu setzen, die einerseits den Bildungs- und Entwicklungsprozess der Kinder voran bringt, die andererseits aber auch Einblicke fur die Erzieherinnen der Einrichtung ver- mittelt, welche sich in den Wechselwirkungen zwischen beruflichem Alltag, elterlichen Anspru- che und den Bedurfnissen der Kinder oftmals zu blockieren scheinen. In Bezug auf eine mog- lichst uber das Projekt hinaus wirkende Nachhaltigkeit bieten die stark adressatenbezogenen Perspektiven der Erlebnispadagogik, der Wald- und der Kunstpadagogik wesentliche Aspekte. Daruber hinaus konnen prozessorientierte Reflexionsgesprache innerhalb des Kita-Teams so- wohl uber die Projektergebnisse als auch uber die Probleme und Potenziale der einzelnen Kinder dazu beitragen, dass die in der Arbeit mit den Kindern erzielten Ergebnisse sich uber das Projekt hinaus weiterentwickeln.
3.3.1 Erlebnispadagogik
Das Grundprinzip der Erlebnispadagogik, dass unmittelbares Lernen uber die Sinne erfolgrei- cher als belehrende Formen des erzieherischen Handelns mit den Lebenswelten der Kinder in Einklang zu bringen ist, blickt mit den padagogischen und naturbezogenen Ansatzen Jean- Jacques Rousseaus und David Henry Thoreaus im 18. bzw. 19. Jahrhundert auf eine lange Tradition zuruck. Mit reformpadagogischen Ansatzen Anfang des 20. Jahrhunderts werden „Erlebnis, Augenblick, Unmittelbarkeit, Gemeinschaft, Natur, Echtheit und Einfachheit“ (Gaiuske 2013:253) zu Kernpunkten erlebnispadagogischer Ausrichtung. Als Therapie gegen gesellschaft- liche Verfallserscheinungen wie Mangel an menschlicher Anteilnahme, Mangel an Sorgsam- keit, Verfall korperlicher Leistungsfahigkeit sowie Mangel an Initiative und Spontaneitat stutzt sich Kurt Hahn in seinem Konzept auf vier Elemente um die Prinzipien Erleben statt Belehren und Erziehung durch Gemeinschaft umzusetzen: Dienst am Nachsten, korperliches Training, Expeditionen mehrtagiger Touren und eine Umsetzung als zeitlich befristetes, handwerkliches oder kunstlerisches Projekt mit einem vorab klar definierten Produkt an dessen Ende. Hahn ist der Uberzeugung, dass je intensiver und auBergewohnlicher entsprechende Erlebnisse von den Teilnehmer_innen wahrgenommen werden, desto tiefgreifender wird die heilende Wirkung ausfallen (Gaiuske 2013: 253 f.).
In Anlehnung an Hufenus‘ Definition der Erlebnispadagogik als „...eine Methode, die Personen und Gruppen zum Handeln bringt mit allen Implikationen und Konsequenzen bei moglichst hoher Echtheit von Aufgabe und Situation in einem Umfeld, das experimentelles Handeln er- laubt, sicher ist und den notwendigen Ernstcharakter besitzt“ (Hufenus 1993:86 zit. in Galuske 2013:256)
lassen sich einige charakteristische Merkmale fur eine erlebnispadagogische Arbeit ableiten, welche auch in das Waldkunst-Projekt einflie&en sollen:
- Handlungsorientierung- Hierbei geht es um einen Lernprozess, welcher sich im Gegen- satz zu rein theoretischen Lernarrangements durch die tatige Auseinandersetzung mit ei- nem Raum oder einer Aufgabe entfalten soll (vgi. Paffrath 2013:85).
- Ganzheitlichkeit- In erlebnispadagogischen Lernarrangements werden Korper, Geist und Seele gleicherma&en angesprochen. Hierdurch werden sowohl kognitive als auch senso- motorische und affektive Lerneffekte ermoglicht (vgi. Paffrath 2013:66-71).
- Ernstcharakter - Erlebnispadagogische Aktivitaten beinhalten die physische, psychische und kognitive Auseinandersetzung mit der Natur als gewisserma&en apersonalem erziehe- rischem Rahmen, innerhalb dessen die Befriedigung elementarer Lebensbedurfnisse eine gewisse Ernsthaftigkeit erfahrbar machen (vgl. Galuske 2013:256-257).
- Soziale Interaktion / Gruppe - Erlebnispadagogik macht sich die Gruppe als Lernfeld und Erfahrungsraum gleicherma&en zu Nutze. Hier konnen sich Kompetenzen wie Kooperati- ons- und Konfliktfahigkeit entwickeln, durch die soziale Resonanz der Anderen aber auch Mut, Sicherheit und Selbstvertrauen (vgl. Paffrath 2013:88).
- Erlebnischarakter- Lernsituationen erfordern im erlebnispadagogischen Sinne einen au- Bergewohnlichen Charakter, der Grenzerfahrungen ermoglicht und in der Distanz zum Alltag „aus einem Ereignis ein inneres, bewegendes und nachhaltig wirkendes Erlebnis“
(Galuske 2013: 257) macht (vgl. Galuske 2013: 257).
- Ressourcenorientierung - Im Gegensatz zu defizitorientierten Einstellungen orientiert sich der erlebnispadagogische Ansatz an einer wachstumsorientierten Sichtweise, welche vorhandene Starken, Kompetenzen und verborgene Potentiale als Moglichkeit zur Selbst- entfaltung und Entwicklung wahrnimmt. In diesem Verstandnis werden Teilnehmer_innen erlebnispadagogischer Angebote im Vertrauen auf ihre eigenen Entwicklungsmoglichkeiten gro&ere Anstrengungen unternehmen, ihre Ziele zu erreichen, Ruckschlage wegzustecken und ein gro&eres Durchhaltevermogen zeigen (vgl. Paffrath 2013:86).
- Selbststeuerung - Das Prinzip selbstbestimmten Lernens kann nur durch eingeraumte Freiheiten und Handlungsoptionen umgesetzt werden. Neben einer grundsatzlichen Frei- willigkeit der Teilnahme und einer gewissen Entscheidungsfreiheit (bspw. uber den Grad der Herausforderung) soll den Teilnehmer_innen die Moglichkeit gegeben werden, auch Fehler zu machen. Der Lerneffekt durch die eigene Erfahrung mittels „Trial and Error“ geht nach dem erlebnispadagogischem Ansatz tiefer als ein negativ besetztes korrigierendes, sanktionierendes Eingreifen von Fuhrungs- bzw. Erziehungspersonen (vgl. Paffrath 2013:86-87).
- Aktion und Reflexion - Im Wechsel von Erleben und Verstehen entwickeln die Teilneh- mer_innen erlebnispadagogischer Angebote ihre Erkenntnisgewinne. Auch wenn die Reflexion nur begrenzten Zugang zu dem Erlebten hat, konnen in kommunikativen Prozessen subjektive Deutungsmuster und Verhaltensweisen mit anderen Sichtweisen abgeglichen werden und ein realistischeres, ggf. neues Eigenbild entwickeln (vgi. Paffrath 2013:88).
Die aus dieser Methodik entwickelbaren Lernziele konnen sich folglich auf vier Bereiche rich- ten, die sachliche Ebene in Bezug auf den Erwerb fachlicher Kompetenzen, die individuelle, subjektbezogene Dimension uber die Forderung von Selbstandigkeit und Entscheidungsfa- higkeit, die soziale Dimension durch die Entwicklung von Kompetenzen, sich in Gruppenzu- sammenhange einzufugen sowie die okologische Ebene uber die sinnliche Wahrnehmung und Entdeckung von Natur und okologischen Zusammenhangen (vgi. Gaiuske 2013:258).
3.3.2 Waldpadagogik
Der 1986 in der Fachpresse erstmalig in der forstlichen Fachpresse erwahnte Begriff der Waldpadagogik hat seinen Ursprung im Zusammenhang mit Konzepten der Umweltbildung, welche nach Antworten auf Umweltangste der Bevolkerung und die Problematik des Waldsterbens suchte. In der Tradition von reformpadagogischen Ansatzen Anfang des 20. Jahrhunderts wie bspw. Corrays Schweizer Konzept einer „Waldschule“ oder den Bewegungen von „Wandervo- gel“ und „Zuruck zur Natur" hatten sie zum Ziel, okologische und gesellschaftliche Zusammen- hange mittels ganzheitlichen Erlebens- und Lernangeboten zu vermitteln, der Naturentfrem- dung entgegenzutreten und zu einem natur- und verantwortungsbewussten Handeln hinzuwir- ken (vgl. Bolay/Reichle 2016: 31-32). Wenngleich im Zuge verschiedener inhaltlicher Ausrichtungen von Forstwirtschaft, Verwaltung und staatlichen (Bildungs-)Institutionen hochst unterschiedli- che Definitionen fur den Begriff der Waldpadagogik gefunden wurden, lassen sich einige Ge- meinsamkeiten feststellen. Der mit „waldbezogener Umweltbildung“ synonym genutzte Begriff der Waldpadagogik umfasst als Unterbegriff zur „Umweltbildung“ die Sensibilisierung der Men- schen fur den Lebensraum des Waldes, indem ganzheitliche, sinnesspezifische und spieleri- sche Lernkonzepte uber eine intensive Begegnung mit der Natur ermoglicht, okologische Zu- sammenhange vermittelt und umweltgerechtes Verhalten nachvollziehbar gemacht werden (vgl. Bolay/Reichle 2016:31-36). Waldpadagogik ist somit ein Bildungsansatz, der der Entfremdung von der Natur entgegenwirkt und darauf setzt, dass sich entsprechende Erkenntnisse in einer positiven Einstellung zum Lebensraum des Waldes niederschlagt, frei nach dem Motto „...nur was ich kenne, kann ich lieben und nur, was ich liebe, kann ich schutzen“ (Bolay/Reichle 2016:37).
[...]
- Citar trabajo
- Heinrich Bellinghausen-Thomas (Autor), 2017, Waldkunst-Projekt. Ein nachhaltiges KiTa-Projekt zur Förderung der Kreativität und der sozialen Kompetenzen der Kinder und zur Verbesserung des Betriebsklimas, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/442379
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