Kunst und Kultur sind so alt wie die Menschheit selbst. Ebenso wie der Mensch sich mit der Evolution weiterentwickelt verändert sich auch sein Verständnis von Kunst und Kultur. Dieses befindet sich in einem permanenten Entwicklungsprozess. Selbst wenn es verallgemeinert Epochen gibt, in denen ein bestimmtes Kulturbefinden als Konsens vorherrscht, so bleibt es doch stets immer etwas Subjektives, individuell zu Bewertendes. Unbestritten ist allerdings, dass technische Entwicklungen im Zusammenhang mit der kulturellen Veränderung, insbesondere der kulturellen Innovation, stehen. So ist wahrscheinlich die Erfindung des modernen Buchdrucks durch Johannes Gutenberg das Exempel schlechthin. Erstmals war es möglich, geistiges Kulturgut in einer nie zuvor gesehenen Geschwindigkeit zu verbreiten. Dies hat gewissermaßen zu einer Demokratisierung von Information geführt. Die Photographie sowie das Medium Radio und Fernsehen sind weitere Beispiele technischen Fortschritts, der immensen Einfluss auf Kunst und Kultur genommen hat. Als wesentlicher Bestandteil dieser Arbeit und als aktuellstes Beispiel dieser Auflistung ist das Internet zu nennen. Durch das System der Vernetzung einzelner Computer miteinander entstanden nicht nur wirtschaftlich gesehen neue Möglichkeiten. Vor allem auch im kulturellen Bereich hat diese Errungenschaft enormes Ausmaß auf Vielfalt und Wandel mit sich gebracht. Auch das Kommunikationsverhalten und die Mediennutzung wurden durch das Internet grundlegend beeinflusst. Heutzutage ist es nahezu unmöglich, ohne Internet auszukommen. Während der Schulzeit und im Studium benötigt man es zum Recherchieren, für Referate und Hausarbeiten. Ohne den Zugang zur Fülle an Informationen, die das Internet bietet, wäre einem so manches verwehrt. In sozialen Netzwerken, vorzugsweise Facebook, findet wie selbstverständlich ein Informationsaustausch statt – ob es Berufliches, die Sportgruppe oder Dienstleistungen, wie Wohnungsangebote, betrifft. Durch die praktische Gruppenkommunikation über Messenger-Dienste und Chats ist es zudem möglich, Informationen mit einem Rundumschlag mit beliebig vielen Adressaten zu teilen. Sofern man nicht teilnimmt, kann es sein, dass man eine Vielzahl an nützlichen Informationen nicht wahrnimmt.
Inhaltsverzeichnis
I Abbildungsverzeichnis
II Tabellenverzeichnis
1. Einleitung – YouTube als Symbol kulturellen Wandels?
2. Der Raum als konstruierter Ort
2.1 Der Raumbegriff in der (Medien-) Geographie
2.2 Der digitale Raum
2.3 Raumstrukturen und Vernetzung
2.3.1 Netzwerke
2.3.2 Soziale Netzwerke
3. Globalisierte (Medien-) Gesellschaft
3.1 Technisierung und Medialisierung der Gesellschaft
3.2 Kulturelle Globalisierung
3.3 Medienkonsum und Medienkompetenz
4. Kommunikation – Mehr als nur „Face to Face“
4.1 Medienkommunikation
4.2 Identitätsbildung als Teil der Kommunikation
4.3 Kommunikation und soziale Einbindung in Communitys
5. Die Video-Plattform YouTube
5.1 Die Funktionen auf YouTube
5.1.1 Auf YouTube navigieren
5.1.2 Videos ansehen
5.1.3 Videos teilen und einbetten
5.1.4 Videos archivieren
5.1.5 Videos bewerten
5.1.6 Videos kommentieren
5.1.7 Der Kanal
5.1.8 Kanäle abonnieren
5.1.9 Playlist erstellen
5.2 YouTube als soziales Medium
5.3 Kommunikation auf YouTube
5.3.1 Der Kanal als Kommunikationsmittel
5.3.2 Kommunikation durch Bewertungen und Kommentare
5.3.3 Kommunikation mittels Videos
5.4 Der öffentliche Diskurs
6. Empirie
6.1 Der Kanal der Untersuchung
6.2 Kommunikationsverhalten des Videokünstlers
6.2.1 Untersuchungsdesign
6.2.2 Methodisches Vorgehen
6.2.3 Darstellung der Ergebnisse
6.2.4 Zusammenfassende Analyse der Ergebnisse
6.3 Kommunikationsverhalten und soziale Bindung der Zuschauer
6.3.1 Untersuchungsdesign
6.3.2 Methodisches Vorgehen
6.3.3 Darstellung der Ergebnisse
6.3.4 Zusammenfassende Analyse der Ergebnisse
7. Fazit
III Quellenverzeichnis
IV Anhang
I Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Netz, Netzwerke, Netzkultur
Abbildung 2: Audiovisuelle Angebote
Abbildung 3: Marktanteile von Videoplattformen
Abbildung 4: YouTube Nutzungsstatistik bei Jugendlichen
Abbildung 5: Charakteristiken und Funktionen von Online-Communitys
Abbildung 6: YouTube Startseite
Abbildung 7: YouTube Video abspielen
Abbildung 8: YouTube Kommentare
Abbildung 9: YouTube Kanal Malwanne
Abbildung 10: YouTube Kanal Kelly MissesVlog
Abbildung 11: Eingehen auf Feedback (Kommentare)
Abbildung 12: Beispiel einer Endcard mit Verweisen
Abbildung 13: Umfrage zum Alter der Teilnehmer
Abbildung 14: Umfrage zum Anteil der Videoproduzenten
Abbildung 15: Umfrage zum Videokonsum
Abbildung 16: Umfrage zu Abonnements
Abbildung 17: Umfrage zur Bewertung von Videos
Abbildung 18: Umfrage zum Kommentieren von Videos
Abbildung 19: Umfrage zur Bewertung von Videos nach Aufforderung
Abbildung 20: Umfrage zum Kommentieren von Videos nach Aufforderung
Abbildung 21: Umfrage zur Bedeutung von Feedback
Abbildung 22: Umfrage zum Eingehen auf Feedback
Abbildung 23: Umfrage zum aufgegriffenen Feedback
Abbildung 24: Umfrage zur Begrüßung und Verabschiedung bei Videos
Abbildung 25: Umfrage zur Bedeutung von Community-Videos
Abbildung 26: Umfrage zur Teilnahme an Community-Aktionen
Abbildung 27: Umfrage zur Teilnahme an Fantreffen und Events
Abbildung 28: Umfrage zum Verfolgen von Kanalaktivitäten
Abbildung 29: Umfrage zum Verfolgen von Aktivitäten in sozialen Netzwerken
Abbildung 30: Umfrage zum sozialen Bezug
Abbildung 31: Zuschauerstatistik des Kanals Kelly MissesVlog
II Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Nutzungsorte Bewegtbild 2013 und
Tabelle 2: Medienkompetenz
Tabelle 3: Ergebnisse zur Kommunikation der Videokünstlerin
Tabelle 4: Ergebnisse zur motivierenden Aufforderung der Videokünstlerin
Tabelle 5: Ergebnisse zur Interaktivität der Videokünstlerin
Tabelle 6: Ergebnisse zum von der Videokünstlerin aufgegriffenen Feedback
Tabelle 7: Ergebnisse zu Community-Videos der Videokünstlerin
1. Einleitung – YouTube als Symbol kulturellen Wandels?
„Was ich schmerzhaft vermisse, ist der grundsätzliche Diskurs über den Wandel von Kunst und Kultur in den Zeiten der neuen Medien- und Kommunikationstechnologien, im Zeitalter der globalen Kulturindustrie“
Franz Morak (*1946), österreichischer Schauspieler, Sänger, Regisseur und Politiker der ÖVP (zitate.eu 2015).
Kunst und Kultur sind so alt wie die Menschheit selbst. Ebenso wie der Mensch sich mit der Evolution weiterentwickelt verändert sich auch sein Verständnis von Kunst und Kultur. Dieses befindet sich in einem permanenten Entwicklungsprozess. Selbst wenn es verallgemeinert Epochen gibt, in denen ein bestimmtes Kulturbefinden als Konsens vorherrscht, so bleibt es doch stets immer etwas Subjektives, individuell zu Bewertendes. Unbestritten ist allerdings, dass technische Entwicklungen im Zusammenhang mit der kulturellen Veränderung, insbesondere der kulturellen Innovation, stehen. So ist wahrscheinlich die Erfindung des modernen Buchdrucks durch Johannes Gutenberg das Exempel schlechthin. Erstmals war es möglich, geistiges Kulturgut in einer nie zuvor gesehenen Geschwindigkeit zu verbreiten. Dies hat gewissermaßen zu einer Demokratisierung von Information geführt. Die Photographie sowie das Medium Radio und Fernsehen sind weitere Beispiele technischen Fortschritts, der immensen Einfluss auf Kunst und Kultur genommen hat. Als wesentlicher Bestandteil dieser Arbeit und als aktuellstes Beispiel dieser Auflistung ist das Internet zu nennen. Durch das System der Vernetzung einzelner Computer miteinander entstanden nicht nur wirtschaftlich gesehen neue Möglichkeiten. Vor allem auch im kulturellen Bereich hat diese Errungenschaft enormes Ausmaß auf Vielfalt und Wandel mit sich gebracht. Auch das Kommunikationsverhalten und die Mediennutzung wurden durch das Internet grundlegend beeinflusst.
Heutzutage ist es nahezu unmöglich, ohne Internet auszukommen. Während der Schulzeit und im Studium benötigt man es zum Recherchieren, für Referate und Hausarbeiten. Ohne den Zugang zur Fülle an Informationen, die das Internet bietet, wäre einem so manches verwehrt. In sozialen Netzwerken, vorzugsweise Facebook, findet wie selbstverständlich ein Informationsaustausch statt – ob es Berufliches, die Sportgruppe oder Dienstleistungen, wie Wohnungsangebote, betrifft. Durch die praktische Gruppenkommunikation über Messenger-Dienste und Chats ist es zudem möglich, Informationen mit einem Rundumschlag mit beliebig vielen Adressaten zu teilen. Sofern man nicht teilnimmt, kann es sein, dass man eine Vielzahl an nützlichen Informationen nicht wahrnimmt. Dies bewirkt einen gewissen Zwang, nicht auf soziale Medien verzichten zu können. Zudem bietet die digitale Pflege von sozialen Kontakten Vorteile. In vielen Fällen lässt die räumliche Entfernung einen direkten, persönlichen Kontakt möglicherweise nicht zu. Dann wiederum eröffnet es einem Möglichkeiten, die man wohl nicht dringend benötigt, jedoch unter anderem aus Bequemlichkeit nutzt. Darunter fällt zum Beispiel das Online-Shopping. Das geliebte Smartphone, das immer in der Tasche bereitsteht und schon lange nicht mehr nur zum Telefonieren gebraucht wird, möchte kaum einer missen. In unserer modernen Welt kann man digitalen Medien im Alltag kaum entfliehen. Während der Bus- oder Bahnfahrt bekommt man Newsbeiträge gezeigt und das Einkaufen wird durch interaktive Multi-Touch-Bezahl- und Buchungssysteme ergänzt. Ein großer Teil der Menschheit lebt in einer digital vernetzten Umgebung. Durch Elemente wie mobile Apps, Chats, Online-Communitys, Social Gaming oder Social Media, bestehen Möglichkeiten umfassender Beziehungen und Verbindungen zueinander. Man kann sich über gemeinsame Interessen und Erfahrungen austauschen, Gefühle, wie Ängste oder Freude, teilen, neue Kontakte knüpfen und Informationen einholen.
Des Weiteren bieten die digitalen Medien einen kulturellen Austausch. Der Kreativität scheint dabei keine Grenze gesetzt zu sein. In der digitalen Welt kann man sich künstlerisch ausleben und seine Werke sekundenschnell mit jedermann teilen. Es lassen sich Inspirationen sammeln, Lieblingsvideos, -bilder oder -songs zusammenstellen oder adaptieren. Der Zugang zu kulturellem Gut ist denkbar einfach. Kultur präsentiert sich auf einem globalen Markt und wirkt sich auf unser Sozialleben aus. So stellten Mikos, Winter und Hoffmann (2007: 7) bereits 2007 fest, dass wir in einer Gesellschaft leben, „in der Menschen, die nicht medial verbunden oder integriert sind, vom sozialen und kulturellen Leben weitgehend ausgeschlossen sind“. Deswegen muss Kunst und Kultur immer in ihrer dynamischen Veränderung betrachtet werden. Insbesondere bei den neuen Medien darf der technische Aspekt, der Einfluss nimmt, nicht vernachlässigt werden. In der heutigen globalisierten, digitalen Kommunikations- und Kulturwelt spielen andere Faktoren eine Rolle als zuvor in der analogen Umgebung. Es gibt andere Zugänge, andere Verhaltensweisen und andere Auswirkungen, die es zu diskutieren und zu erforschen gilt.
Diese Arbeit soll ihren Beitrag zu dieser Forschung leisten. Da das Gebiet der digitalen Medien, und der damit entstehenden digitalen Kommunikationsräume, sehr breit gefächert ist, kann und will diese Arbeit nicht den Anspruch erheben, eine umfassende Analyse hierzu zu erstellen. Sie beschränkt sich daher auf die Kommunikationsprozesse, die auf der Internet-Videoplattform YouTube stattfinden. In der wissenschaftlichen Literatur lassen sich bereits einige Beispiele der Erforschung des Phänomens YouTube wahrnehmen. So beschäftigen sich Rakebrand (2014) und Verheijden (2015) mit dem Verständnis von und der Probleme mit dem Urheberrecht oder Marek (2013) mit der Zirkulation und Wiederholung von Videos[1]. Auch die Unterschiede von Geschlechtern bei der Videoproduktion (Döring 2015), Auswirkungen auf die Politik (Jungherr und Schoen 2013) und die Öffentlichkeitsarbeit und Marketing mittels YouTube und Social Media (Gerloff 2014) wurden einer Analyse unterzogen. Wenig Aufmerksamkeit hat jedoch das Kommunikationsverhalten zwischen Videokünstlern und Zuschauern der Videos erhalten. Daher soll dieses Verhalten anhand einer empirischen Studie im Rahmen der Arbeit näher betrachtet werden.
Oftmals wird in der Videoplattform YouTube eine entscheidende Alternative zu den traditionellen Formen des Publizierens von Medieninhalten gesehen. Somit hat sich eine echte Konkurrenz zu klassischem Film und Fernsehen herausgeprägt, die besonders durch die größeren Produktionsfreiheiten, sowohl inhaltlich als auch zeitlich, und durch den starken sozialen Bezug hervorsticht. So ist es durch viele eingebaute Funktionen[2] möglich, ein direktes Feedback der Konsumenten zu bekommen. Im Rahmen der eingebauten sozialen Funktionen ist auf der Video-Plattform YouTube ein gegenseitiger Austausch mit dem Ersteller der Videos möglich. Es stellt sich die Frage, inwiefern solche Kommunikationsprozesse stattfinden und welche Auswirkungen hierdurch hinsichtlich des Inhalts der Videos sowie hinsichtlich der Abonnements und Bewertungen entstehen.
Die Masterarbeit zeigt auf, dass der soziale Aspekt bei den digitalen Medien ein enorm wichtiger Faktor ist, der den Konsum von Videos wesentlich verändert. Der klassische Konsument wird zum Produtzer[3] und gestaltet die Inhalte durch seine aktive Rückmeldung mit (Bruns 2010: 195ff.). Zunächst wird auf den theoretischen Hintergrund, der für die empirische Studie in dieser Arbeit von Bedeutung ist, eingegangen. Dabei geht es um den Raumbegriff und seinen Bezug zu Handlungen und Vernetzungen in der digitalen Welt (2.). Daraufhin werden die Strukturen in der heutigen Mediengesellschaft beleuchtet. Die Medialisierung und der kulturelle Austausch im Zuge der Globalisierung kommen ebenso zum Tragen wie der Stand des Medienkonsums (3.). Im Weiteren stehen der Aspekt der Kommunikation, nämlich ihre mediale Funktion und Auswirkungen der Kommunikation, im Mittelpunkt (4.). Dieser theoretische Input ist relevant, da sich die herausgestellten Aspekte auf der Video-Plattform YouTube wiederfinden. Der Plattform ist, da sie als Beispiel der Studie fungiert, das nächste Kapitel gewidmet (5.). Dabei werden die Geschichte, Funktionsweise und die besonderen Gegebenheiten betrachtet. Im anschließenden Teil geht es um die Darstellung und Analyse der Ergebnisse der empirischen Studie zum Kommunikationsverhalten auf der Video-Plattform (6.). Zuletzt wird ein abschließendes Fazit gezogen, welches die theoretischen Überlegungen in Anbetracht der Ergebnisse der Empirie aufgreift (7.).
2. Der Raum als konstruierter Ort
Raum ist ein Begriff, der auf verschiedenste Weise verstanden und interpretiert werden kann. Er kann beispielsweise als Produkt menschlich und natürlich bedingter Faktoren betrachtet werden. Vor allem ist Raum aber auch als ein soziales und ökonomisches Konstrukt zu sehen, das durch soziale Handlungen von Menschen in der Gesellschaft geprägt wird (Spektrum Akademischer Verlag 2001a). Daher wird zunächst auf die Geschichte des Verständnisses von Raum in der Geographie geschaut und wie der Raum sich innerhalb von vernetzten, medialen Strukturen auffassen lässt.
2.1 Der Raumbegriff in der (Medien-) Geographie
Die wissenschaftliche Geographie wird durch eine Vielzahl von Forschungsansätzen charakterisiert. Sie weist mehrere Teildisziplinen auf, die sich stetig weiterentwickeln und in bestimmte Richtungen spezialisieren. So entstehen immer wieder neue Ideen zum Verständnis und zur Lehre von Geographie (Jenaer Geographiedidaktik 2006). Dass die Erforschung des Raumes im Rahmen der Geographie eine fundamentale wissenschaftliche Facette darstellt, überrascht nicht. Der Mensch ist ständig von seiner Umwelt umgeben und interagiert mit dieser innerhalb von Räumen. Daher weist der Raumbegriff in der Geographie eine lange Tradition auf. Teilweise wird sie sogar als die Raumwissenschaft schlechthin bezeichnet. Dennoch hat sie keine Monopolstellung in Bezug auf den Raumbegriff. Dass Raumwissenschaft nicht nur in den Grenzen der Geographie stattfindet, verdeutlichen Beiträge aus einer Vielzahl von wissenschaftlichen Bereichen, die bei Günzel (2012) zum Tragen kommen. Diese sind unter anderem der Geschichtswissenschaft, Architektur, Biologie, Filmwissenschaft, Mathematik, Psychologie, Theologie und Soziologie zuzuordnen. Schließlich ist spätestens seit dem spatial turn der Blick auch in vielen anderen Wissenschaften auf den Raum gerichtet. Aber Geographie ist nicht nur eine von vielen Raumwissenschaften, die Raum auf verschiedene Weisen definiert und in Bezug setzen, sondern auch innerhalb der Geographie sind der Raumbegriff und sein Verständnis einem Wandel ausgesetzt. Es gibt verschiedene Raumkonzepte, die ihre Stellung innerhalb der Geographie einnehmen und zu bestimmten Zeiten Konjunktur hatten. Dies ist dadurch bedingt, dass die Geographie als Wissenschaft auch selbst geschichtlich häufigen Änderungen unterlag.
Zu Beginn der wissenschaftlichen Geographie lag der Fokus auf der Ordnung des Erdraums im kartographischen Sinne. Besonders Ratzel ist es zu verdanken, dass sich die Anthropogeographie als wissenschaftliche Raumforschung mit empirischem Bezug herausgebildet hat, womit ein beschränkter Blick auf den Naturraum der Vergangenheit angehörte. Dabei wurde der Raumbegriff zunächst mit einem Containerraum verknüpft. Raum wurde als ein abgegrenztes Gebiet von Lebens-, Kultur-, Gesellschafts- und Wirtschaftsformen angesehen, welches naturgegeben war. Dabei galt es, die Räume in ihrer Beschaffenheit zu beschreiben und in ihrer Bedeutung zu definieren. Die Länderkunde, die von Hettner vorangetrieben wurde, nahm einen hohen Stellenwert ein. Sie hielt sich lange Zeit als Kerngebiet der Geographie und war im Besonderen für den Schulunterricht die prägende Kraft. Bei der Länderkunde geht es um die Darstellung der Länder in (natürlich) abgegrenzten Territorien, zum Beispiel staatlichen Grenzen (Günzel 2012: 148ff.).
Mit der raumwissenschaftlichen Geographie hat man sich vom Prinzip des Containerraums abgewandt. Der Raum wurde nicht mehr als etwas von der Natur Vorgegebenes angesehen, sondern als etwas, das durch Relationen, Verknüpfungen und eine Ordnung des Nebeneinanders entsteht. Somit wechselte der Blickpunkt von dem erdkundlichen auf das sozial-kulturelle Geschehen. Der Raum wurde aus dem Sichtfeld sozialer Prozesse innerhalb der Gesellschaft betrachtet (Werlen 2012: 148ff.). In diesem Zusammenhang soll auch die Strömung der Kritischen Geographie nicht unerwähnt bleiben. Heutzutage hat sich eine Trennung der Geographie in die Physische Geographie und die Humangeographie herauskristallisiert, die den Raum jeweils aus anderer Perspektive erforschen. Mit dem weit verbreiteten 3-Säulen-Modell der Geographie wird zudem ein dritter interdisziplinärer Bereich beschrieben, der in den Schnittfeldern der Physischen Geographie und der Humangeographie liegt. Er definiert eine Gesellschaft-Umwelt-Forschung (Weichhart 2003: 25).
Auch für die Lehrplanarbeit im Fach Geographie wird von der Deutschen Gesellschaft für Geographie ein multilateraler Blick auf den Raum empfohlen. So sollen Räume (1) als Container, also als Entitäten, die in der Wirklichkeit vorkommen, (2) als Systeme von Lagebeziehungen, also in ihrer Relation, (3) als Kategorie der Sinneswahrnehmung, also in ihrer Differenz der Wahrnehmung innerhalb der Gesellschaft und (4) als konstruierte Orte, die von Handlungen geprägt werden, betrachtet werden (Wardenga 2002). Somit ergeben sich verschiedene Herangehensweisen an diese Thematik und unterschiedliche Fragestellungen und Methoden, durch die Raum erforscht werden kann.
Die Mediengeographie ist eine der zuvor angesprochenen verschiedenen Spezialisierungen der Geographie. Sie ist ein übergeordneter Begriff für verschiedene Einzelgeographien wie zum Beispiel Fernsehgeographie, Internetgeographie, Literaturgeographie oder Musikgeographie. Zugleich definiert sie eine allgemein neue Sicht auf die Geographie und den Raum, welche sich durch den spatial turn in den Kultur- und Sozialwissenschaften herausgeprägt hat. Einhergehend damit ist ein neues Raumverständnis entstanden: vom Ort als bewohntem Raum hin zum Raum als medialisiertem Ort. Der Vorgang des spatial turns ist allerdings nicht verwunderlich, da Medien schon immer räumlich geprägt waren. Zeitgleich zu dieser räumlichen Entwicklung in der Medienwissenschaft ergab sich ein medial turn in der Geographie, welcher diese beiden Wissenschaften vereinte (Döring und Thielmann 2009: 11f.).
Die Herausprägung der Mediengeographie hängt auch mit dem technischen Fortschritt in unserer Mediengesellschaft zusammen. Auf diesen Aspekt wird im Konkreten noch in Kapitel 3.1 eingegangen. Zunächst ist hervorzuheben, dass die Mediengeographie mit dem vermehrten Aufkommen von lokativen Medien, also Medien mit räumlichen Bezug, Auftrieb bekommen hat. Die partizipativen Medien des Web 2.0 sowie Mapping-Dienste leisten ihren Beitrag hierzu. In diesem Zusammenhang kann man auch von einer digitalen Geographie sprechen, um so den Aspekt der neuen Medien von Fernseh-, Film- oder Literaturgeographie abzugrenzen. Letzten Endes sind diese jedoch alle Unterkategorien der Mediengeographie.
Trotz der vielen Veränderungen und Spezialisierungen wird die Geographie als Wissenschaft, die sich mit räumlichen Strukturen beschäftigt, nie an Bedeutung verlieren, selbst wenn sich der Fokus von der analogen Geographie weiter zur digitalen Geographie hin verschiebt. So sind bereits in den Anfangsjahren der Geographie Interdependenzen zwischen Medien und Raum zu finden. Letztendlich ist der Bezug zwischen Raum und Medium bei gezeichneten Karten vergleichbar mit dem bei digital erfasstem Online-Kartenwerk. Entgegen einiger Befürchtungen zu Beginn des Aufkommens ortsbezogener Medientechnologien, dass diese ein Ende der Geographie bedeuten könnten und die Medienwissenschaft die Geographie vereinnahme, hat sich vielmehr eine modernisierte Geographie herauskristallisiert. Durch die neuen technologischen Möglichkeiten, von denen das Internet eine Schlüsselrolle übernommen hat, konnte die Geographie anders erschlossen werden und mit der digitalen Geographie innerhalb der Mediengeographie eine neue Dimension erreichen. Mit dem stetigen Fortschritt der Technik wurde der räumliche Aspekt wichtiger für die Unterhaltungs- und Kommunikationsmedien. Heutzutage ist die Möglichkeit, sich selbst zu lokalisieren, bereits in vielen Anwendungen eine Voraussetzung zur Nutzung von Diensten (Döring und Thielmann 2009: 9ff.)
Medialer Raum wird in der Mediengeographie, im Besonderen in der Filmgeographie, oftmals durch Raumkonzepte aus den Filmwissenschaften analysiert. Diese beruhen häufig auch auf Überlegungen von Soziologen. So sieht Noël Burch bezüglich des Filmraums, wie die meisten Wissenschaftler, eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen dem Bildraum auf dem Screen und dem Nicht-Bildraum, der außerhalb der Grenzen des Bildes liegt und in dem sich auch die Zuschauer befinden (Semlow 2008). Nach dem Verständnis von Henri Lefebvre kann man Raum in drei Ebenen gliedern, die in Wechselwirkung zueinander stehen: erstens einen wahrgenommenen Raum, der aus einer räumlichen Praxis entsteht; zweitens einen konzipierten Raum, welcher als Raumrepräsentation in Erscheinung tritt; drittens einen gelebten Raum oder Repräsentationsraum, der durch Bilder und Symbolik an Bedeutung gewinnt (Reinisch 2008a). Eric Rohmer hat diese Überlegungen Henri Lefebvres weitergedacht und bezieht seine Dreiteilung des Raumes analog auf den Architekturraum, den Bildraum und den Filmraum. Der Architekturraum bildet den Raum der Szene und Handlung ab. Er kann sowohl künstlich erstellt sein, beispielweise Kulissen in einem Studioraum, als auch aus Originalschauplätzen und Natur bestehen. Für den Zuschauer ist er nur begrenzt über den Bildausschnitt sichtbar. Der Bildraum ist eben dieses dargestellte Bild, das den Architekturraum repräsentiert. Es ist unter anderem von der Kamerabewegung und ihrer Position sowie von optischen Techniken, die Effekte wie Tiefenwirkung erzielen, bestimmt. Der Filmraum ist der Erzählraum oder die Diagese. Er wird durch Montage und szenische Gliederung inszeniert und durch den Zuschauer in seiner Vorstellung zusammengesetzt. Durch die gegebene Art der Narration entsteht ein virtueller Raum (Reinisch 2008b).
Dass Medien somit verschiedene Räume einnehmen und erstellen können, soll im Folgenden mit einem Beispiel nach Günzel (2013: 40f.) veranschaulicht werden. Dieser stellt eine Differenz des Medienraumes, der von der Technik eingenommen wird, und dem Raum, welcher in der Wahrnehmung des Mediums entsteht, dar. Somit bringt er eine Räumlichkeit der Medialität ins Spiel. Es gibt einen Raum, in dem sich das materielle Medium befindet, aber auch einen Raum, der vom Medium dargestellt wird. Dabei nimmt Günzel Bezug auf Michel Foucault, welchem er aufgrund seines Beispiels des Lichtspielhauses bei dem sich der Zuschauer gleichzeitig an zwei Orten aufhielte, bereits eine Unterscheidung zwischen dem Raumbezug der Medien und ihrer Lokativität zuspricht. Demnach ist zwischen der Räumlichkeit des Mediums, einem Raum der Wahrnehmung und dem im Bild dargestellten Ort zu unterscheiden. Mit Hilfe des Beispiels des Lichtspielhauses stellt er zudem noch einen Raum der Einzelbilder heraus, welcher lediglich bei einem Bildschnitt zur Wahrnehmung kommt (Günzel 2013: 44). Dies kann als vierte Ebene eines Raumes angesehen werden. Somit wird deutlich, dass bei Medien verschiedene Ebenen von Räumen entstehen können. Um es allerdings möglichst unkompliziert zu halten, bietet er eine grundsätzliche Unterteilung des Raumes zusammengefasst in zwei Ebenen an. Zum einen beschreibt er den Raum des technischen Mediums, in dem der Filmstreifen im Projektor sowie der Zuschauerraum zusammengefasst werden. Zum anderen geht es um den Raum der Medialität, welcher den Raum der Bilderscheinung und den repräsentierten Ort im Bild einschließt. Verkürzt lässt sich dies mit den Begriffen „physischer Raum“ und „virtueller Raum“ bezeichnen (Günzel 2013: 45). Daran orientiert geht es im nächsten Abschnitt um eben diesen virtuellen Raum.
2.2 Der digitale Raum
Wie oben gezeigt kann der Raum mehr als nur eine Bezeichnung für einen bestimmten physischen Ort oder eine Landschaft sein. Der digitale Raum fällt unter den Begriff des virtuellen Raumes, ist jedoch nicht mit ihm gleichzusetzen. Damit ein digitaler Raum entstehen kann, sind digitale Medien nötig. Im Gegensatz zu den analogen Medien sind damit elektronische Medien gemeint, welche auf Ebene von digitalen Signalen (Binärcodes) arbeiten.
Digitalität ist in erster Linie auf die Anwendung von Computertechnologie zurückzuführen. Bei der Digitalisierung von Informationen werden Eigenschaften verändert. So findet zum einen eine Standardisierung vor. Zum anderen lässt sich eine einfachere Reproduktion der Elemente durchführen. Eine weitere Folge ist, dass sich die ehemals lineare Ordnung der Information zu einer dynamischen netzartigen Struktur (Hypertext) wandelt. Somit zeigt sich eine Vernetzung von Inhalten, leichtere Handhabung und eine Änderung der Verfügbarkeit und Verbreitung. Dies bietet den Vorteil einer effizienteren Verarbeitung, aber auch die Gefahr vor Manipulation, die leichter umzusetzen ist als bei analogen Inhalten (Trappel 2007: 36).
Das Internet ist dabei die bekannteste Form eines digitalen Kommunikations- und Informationsmediums. Es bietet neue Räume gemeinsam geteilter Informationen und wechselseitiger Kommunikation. Inzwischen sind „Digitale Medien […] zum Bestandteil räumlicher Alltagswelten und alltäglicher Raumerfahrung geworden und verknüpfen […] vormals getrennte geographische, physische und mediale Räume“ (Buschauer und Willis 2013: 7). Durch Virtualität entstehende Räume nehmen immer mehr Platz im heutigen Leben ein. So spielen sich viele Handlungen des Alltags im Virtuellen ab und sogar finanzielle Elemente wie Währungen (in Form von Bitcoins) finden dort ihren Platz. Die Verlagerung der Lebenswelt in den digitalen Raum bietet dabei genauso Möglichkeiten zur Kommunikation und Interaktion wie wir es auch im physischen Raum finden. Besuchbare und erlebbare digitale Räume sind Treffpunkte, in denen auch Kultur angeboten und ausgetauscht werden kann.
2.3 Raumstrukturen und Vernetzung
Betrachten man Räume und deren Strukturen so wird deutlich, dass diese oftmals in einem Konstrukt der Vernetzung mehrerer Elemente angesiedelt sind. Ein netzwerkartiger Aufbau ist in den unterschiedlichsten Ebenen der Gesellschaft zu erkennen. Insbesondere die digitalen Medien sind eng mit Netzwerkstrukturen verknüpft. Daher soll im Folgenden zunächst auf Netzwerke im Allgemeinen und den sozialen Netzwerken, die eine Vernetzung sozialer Beziehungen im digitalen Raum darstellen, eingegangen werde.
2.3.1 Netzwerke
Unter Netzwerken werden im allgemeinen Sprachgebrauch oftmals Computernetzwerke (zum Zwecke des Datenaustausches miteinander verbundene Rechner) verstanden. Auch das Internet als das Netzwerk schlechthin, wird schnell mit dem Begriff in Assoziation gebracht. Jedoch ist der Netzwerkbegriff im wissenschaftlichen Sinne viel abstrakter und auf verschiedene Systeme übertragbar. Es werden Elemente benötigt, die miteinander in Verbindung stehen. Diese lassen sich üblicherweise mathematisch mit Knoten und Kanten darstellen. Durch Strukturen und Prozesse wird die Art des Netzwerks bestimmt und es entsteht ein miteinander verflochtenes System. Ein Beispiel ist die wirtschaftliche Vernetzung der Welt, die sich in Handelspartnern und Handelsbeziehungen ausdrückt. Im Grunde kann jedoch alles, das in Relation zueinander gebracht werden kann, auch ein Netzwerk bilden.
Mit dem Aufkommen der Akteur-Netzwerk-Theorie entwickelten sich erstmals bedeutende Überlegungen zur Erklärung weltlicher Gegebenheiten mit Hilfe von Netzwerken und Relationen. Die Akteur-Netzwerk-Theorie ist ein gesellschaftstheoretisches Konzept, welches sich in den Sozialwissenschaften etabliert hat. Entstanden ist es in den 1980‘er Jahren zunächst im Bereich der Science and Technology Studies. Besonders die französischen Soziologen Michel Callon und Bruno Latour und der britische Soziologe John Law haben mit ihren Texten einen großen Beitrag zur Entwicklung der Theorie geleistet (Kneer 2009: 19). Maßgeblich für die Theorie ist die Annahme, dass die Welt netzwerkartig aufgebaut ist. Das bedeutet, dass sich alle Komponenten aus verschiedenen einzelnen Elementen zusammensetzen. Mit Hilfe des Begriffs Netzwerk wird gleichzeitig eine konkrete Unterscheidung zwischen Gesellschaft, Natur und Technik verworfen (Schulz-Schaeffer 2000: 284).
Entgegen vergleichbarer früherer Theorien wird der Bezug von Mensch und Technologie zur Gesellschaft grundlegend anders gesehen. Sowohl Menschen als auch Gegenstände oder Konzepte weisen Verbindungen untereinander auf. So beschreibt Bruno Latour in seinem Werk „die Hoffnung der Pandora“:
„Das Ziel des Spiels besteht nicht darin, Subjektivität auf Dinge zu übertragen oder Menschen als Objekte zu behandeln oder Maschinen als soziale Akteure zu betrachten, sondern die Subjekt-Objekt-Dichotomie ganz zu umgehen und stattdessen von der Verflechtung von Menschen und nicht-menschlichen Wesen auszugehen“ (Latour 2000: 236f.).
Im Grunde besagt die Akteur-Netzwerk-Theorie, dass Maschinen oder Dinge genauso handelnde Akteure sind wie wir Menschen auch und auf Ebene von Netzwerken miteinander interagieren. Der Mensch benutzt die Maschinen nicht nur, sondern es findet ein Gegenspiel zwischen ihnen statt. Die Maschine ist der Partner des Menschen. Es ereignet sich sozusagen eine Vermenschlichung beziehungsweise Sozialisierung der Maschinen. Alles menschliche Wissen wird auf sie übertragen, wodurch eine Einordnung als Ding laut Theorie nicht mehr möglich ist. Die Theorie kann als empirischer, mikrosoziologischer Forschungsansatz verstanden werden, bei dem Akteure sich in Netzwerke einfügen und sich so Relationen, Verbindungen und Beziehungen ergeben, die durch Prozesse verschiedener Art eingegangen, aufgelöst, transformiert und fixiert werden (Bellinger und Krieger 2006: 13ff.).
Da sich der Begriff des Akteurs aufgrund weitläufiger Gewohnheiten allein auf den Menschen bezieht, wird dieser durch den Ausdruck Aktant erweitert. Der Ausdruck schreibt explizit sowohl Menschen als auch Dingen die Kompetenz zu handeln zu. Die direkte Wirkung eines Aktanten im Hinblick auf die Bildung eines Akteurnetzwerkes wird als relationaler Effekt bezeichnet. Durch die Anzahl der an dem Prozess der Netzwerkbildung beteiligten Aktanten wird die Länge und Stärke eines Akteurnetzwerkes bestimmt. Aktanten weisen einen hybriden Status auf, da sie sowohl materielle als auch soziale Eigenschaften vereinigen können. Diese soziomaterielle Hybridität von Dingen entsteht durch Sozialisation im Rahmen der Netzwerkbildungsprozesse. Dabei wird Materie in Zeichen transformiert, welche dann wieder zum Ausgangspunkt neuer Transformationen werden kann. Somit erlangen die Aktanten eine eigene Historizität (Spektrum Akademischer Verlag 2001b). Neben oder aufbauend auf der Akteur-Netzwerk-Theorie haben sich mit der Zeit noch viele andere Ansichten zu Netzwerken entwickelt, die sich auf die Veränderung in unserer Gesellschaft, beispielsweise durch die (wirtschaftliche) Globalisierung oder die Digitalisierung, berufen.
In unserer modernen Informationsgesellschaft verlieren hierarchische Strukturen immer mehr an Bedeutung und die Bildung von Netzwerkstrukturen nimmt an Häufigkeit zu. Dabei gibt es keine Einschränkungen – alle gesellschaftlichen Bereiche sind betroffen. Dies hat Auswirkungen auf Prozesse der Produktion, Erfahrung, Macht und Kultur hinsichtlich Funktionsweise und Resultat. Manuel Castells stellt dies heraus und prägt dabei den Begriff der Netzwerkgesellschaft. Netzwerke, so betont er, sind durch eine offene Struktur gekennzeichnet und sind im Stande, grenzenlos zu expandieren und neue Knoten aufzunehmen. Somit sieht er sie als geeignete Instrumente für eine gesellschaftliche Organisation, die auf eine Verdrängung des Raums und das Tilgen der Zeit abzielt (Castells 2001: 527ff.). Insgesamt räumt er den Netzwerken eine gewisse Macht ein. Die Informationen, die zwischen ihnen in einem Raum der Ströme fließen, sind das Kernelement von gesellschaftlicher Organisation und bilden das A und O unserer Gesellschaftsstruktur (Castells 2001: 535f.). John Tomlinson legt seinen Überlegungen den Begriff Konnektivität, welcher auf die räumliche Annäherung innerhalb von Netzwerken zielt, zu Grunde. Die Netzwerke erlangen eine immer höhere Dichte und ihre Elemente wirken sich mit ihren gegenseitigen Verbindungen und Abhängigkeiten auf das sozial-kulturelle Leben aus (Tomlinson 1999: 1ff.). Einen Versuch, diese Konzepte zusammenzubringen, wagt Andreas Hepp, indem er die Konnektivität durch Strukturaspekte und Prozessaspekte beschreibt. Das Netzwerk, bestehend aus Linien/Fäden, Knoten und Schaltern, bildet den strukturellen Aspekt, während durch den Fluss (Strom), der von Raum, Verdichtung und Spezifik charakterisiert ist, der prozessuale Bezug ausgedrückt wird (Hepp 2006: 46f.). Hierbei steht der Begriff Globalisierung in engem Bezug zum Netzwerk, da die Globalisierung zugleich ein Ausdruck der sich ausbreitenden Konnektivität ist.
Hinsichtlich der strukturellen Form können Netzwerke unterschiedlich aufgebaut sein und verschiedene Architekturen annehmen. Als Basis liegen ihnen Netze zu Grunde. Diese können entweder einen natürlichen oder einen technischen Ursprung besitzen, weshalb eine systematische Unterscheidung von Natur und Kultur in diesem Zusammenhang nicht funktioniert. Dies bedeutet, dass sowohl materielle als auch symbolische Objekte die Fähigkeit haben, Netze zu bilden. Diese Netze sind selbst wiederum eine Ausprägung greifbarer Objekte oder abstrakter Gebilde, die in systematischen Zusammenhängen stehen (Böhme 2004: 17). Durch den strukturellen Aufbau spiegeln Netze und Netzwerke an sich schon eine räumliche Ebene wider. Diese ist jedoch keineswegs auf den physischen Raum zu beschränken. Somit bieten sie eine geeignete Grundlage geographischer Forschung. „Netze sind Raumorganisationen, selbst wenn sie im immateriellen Raum des Cyberspace operieren. Es macht deswegen Sinn von Netz-Geographien zu sprechen“ (Böhme 2004: 25).
Die zentrale Frage ist jedoch, worin der Unterschied zwischen Netzen und Netzwerken besteht. Entsteht allein durch Vernetzung ein Netzwerk? Nach Sebastian Gießmann definieren sich Netzwerke in einem gewissen Mehrwert gegenüber Netzen. So liegt ihnen eine Handlungsbedeutung inne, die durch Aufbau und Gebrauch geschaffen wird: „Netzwerke können als solche verstanden werden, wenn Netze im performativen Vollzug als Handlungs- wie Beschreibungsmodell soziale und kulturelle Wirkungskraft gewinnen“ (Gießmann 2006: 18). Weiterhin, so zeigt Faßler (2001: 68ff.) bezogen auf medientechnologische Verbindungen, lässt sich auch eine dritte Ebene aufbauen, nämlich die der Netzkultur. Demnach beschreibt die erste Ebene das Netz als Strukturgebilde, das aus der mathematisch-algorithmischen Sprache besteht, die sich über binäre Schaltungen in eine für den Anwender verständliche Sprache und Zeichen übersetzen lässt (Formel). Die zweite Ebene ist das Netzwerk, das durch die Nutzung der Infrastruktur des Netzes bestimmte Medienformate wie ein digitales Buch, Foto oder Video erzeugt (Format). Die Netzkultur als dritte Ebene zeichnet sich durch den ausgewählten Gebrauch der medialen Kommunikationsoptionen nach speziellen Interessen, Medienkompetenz, ökonomischen oder rationalen Aspekten aus (Form). Damit spielt auf erster Ebene die Einheit „Daten“, auf zweiter Ebene die Einheit „Informationen“ und auf dritter Ebene die Einheit „Wissen“ eine Rolle (vgl. Abbildung 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Netz, Netzwerke, Netzkultur (Faßler 2001: 70).
Netzwerke müssen nicht immer im Zusammenhang abstrakter Komponenten gesehen werden. So kann man Netzwerkbildung auch auf grundlegende soziale Prozesse beziehen. Bei der Vernetzung von Menschen untereinander entsteht auch ein Raum sozialer Beziehungen. Dies kann die alltägliche Pflege sozialer Kontakte in der physischen Welt ebenso wie die digitale Vernetzung mittels Computertechnologie in sozialen Netzwerken einschließen.
2.3.2 Soziale Netzwerke
Soziale Netzwerke sind Kommunikations- und Interaktionsräume auf virtueller Ebene. Sie beschäftigen sich mit der Bildung und Pflege von sozialen Kontakten. Dies bezieht sich auf soziale Beziehungen der physischen Welt und auf Beziehungen, die nur online bestehen. Oftmals werden soziale Netzwerke auch benutzt, um andere Menschen zu finden und mit ihnen in Verbindung zu treten. Kontaktaufnahme und Suche sind elementare Bestandteile. Beziehungen und Interaktionen der Nutzer werden dabei meist transparent dargestellt. Allerdings lassen sich aufgrund von Diskussionen zur Privatsphäre die Sichtbarkeiten solcher Aktivitäten heutzutage oftmals individuell anpassen.
Die ersten Ausläufer von sozialen Netzwerke entstanden in etwa Mitte der 1990‘er Jahre. Sie orientierten sich an Chatrooms und Internetforen, die sie erweitern und verbessern wollten. Strukturell waren sie nach dem Modell einer Online-Community[4] aufgebaut. Theglobe.com, 1994 von zwei Studenten der Cornell-Universität gegründet, war eines der ersten sozialen Netzwerke. Die Internetseite bot digitale Räume zur Präsentation und zum Austausch von Informationen und Interessen. Genauso intensiv und schnell wie die Webseite ihren Erfolg feierte, ging es jedoch auch wieder bergab, da sich andere Webseiten etablierten. 1995 kam mit Beverly Hills Internet, welches wenig später in GeoCities umbenannt wurde, ein Webdienst auf, der Leute dazu aufforderte, ihre eigenen Webseiten zu erstellen. GeoCities baute damit nicht nur auf nutzergenerierte Inhalte (User-generated content) auf, sondern hatte auch einen starken räumlichen Bezug. Die erstellten Webseiten wurden inhaltsbezogen in bestimmten Online-Cities angesiedelt, wodurch Nachbarschaftbeziehungen dargestellt wurden. So wurden beispielweise Seiten mit dem Inhalt Film und Fernsehen in „Hollywood“ angesiedelt und Seiten, die sich mit Finanzen, Investitionen und Ökonomie beschäftigten, in der „Wallstreet“[5] (Chatfield 2013: 104). Als erstes soziales Netzwerk, in dem Sinne wie wir es heute kennen, mit dem üblichen Ablauf einer Registrierung, Erstellung einer Profilseite, der Auskunft über Interessen und Tätigkeiten und der Darstellung von Beziehungen zu anderen Menschen, auch soziale Beziehungen der realen Welt, kam Sixdegrees 1997 auf (Ebersbach, Glaser und Heigl 2011: 96). Gegen Ende der 1990‘er und Anfang der 2000‘er Jahre entstanden vermehrt soziale Netzwerke. Viele waren zunächst auf den Kontakt mit alten oder aktuellen Klassenkameraden ausgelegt, so zum Beispiel Classmates.com oder Friends Reunited sowie im deutschen Raum StayFriends, StudiVZ und SchülerVZ. Darüber hinaus entwickelte sich eine neue Generation an sozialen Netzwerken, die zusätzlich auch auf eine breitere Vernetzung aller Kontakte der realen Welt, der virtuellen Welt und der popkulturellen Welt abzielte. So wurden die Verbindung und der Austausch von gemeinsamen Interessen sowie die Nutzung von medialen Inhalten wie Filme oder Musik gefördert. Besonders die Plattform MySpace wurde bekannt dafür, geeignet zum Entdecken von neuer Musik und Bands zu sein. Das im Jahr 2004 von Mark Zuckerberg gegründete Facebook lief MySpace jedoch schnell den Rang ab. Damals ebenfalls als Webseite für Collegestudenten entwickelt wurde es im Jahr 2006 für jedermann zugänglich und erlebte fortan einen Triumphzug (Chatfield 2013: 104ff.). Mit fast 1,5 Milliarden aktiven Nutzern ist es eines der größten sozialen Netzwerke weltweit (Facebook 2015). Neben den umfassenden Kommunikationsmöglichkeiten, zu denen auch Instant Messaging gehört, integrierte es unter anderem Gruppen, Fanseiten, Einladungen für Events, Spiele und Apps.
Neben Facebook sind als weitere heutzutage sehr erfolgreiche soziale Netzwerke vor allem Twitter, Instagram und YouTube zu nennen. Diese haben sich jeweils auf einen bestimmten Bereich spezialisiert. Twitter ist ein Mikroblogging-Dienst, der es erlaubt in 140 Zeichen Nachrichten, die sogenannten Tweets, abzuschicken und dadurch mit anderen Nutzern zu kommunizieren. Instagram ist hauptsächlich auf das Teilen und Bearbeiten von Fotos fokussiert. YouTube stellt eine Videoplattform dar. Hierauf wird in Kapitel 5 dieser Arbeit noch ausgiebig eingegangen.
3. Globalisierte (Medien-) Gesellschaft
Unsere Gesellschaft ist ein global vernetztes Gebilde, in dem Medien eine zentrale Rolle einnehmen. Sie besitzen einen enormen Stellenwert, da sie uns auf viele Weisen beeinflussen. Sie prägen unser Denken sowie den Umgang mit und die Wahrnehmung von Menschen und Objekten. Selbst unsere Identitäten, einhergehend mit unserem individuellen Weltbild, sind stark medial berührt. Der Prozess des Zusammenwachsens der Welt ist nicht neu. Marshall McLuhan prägte bereits den Begriff des „globalen Dorfes“. Diese Metapher hat ihre Aktualität nicht verloren. Das Zeitalter der Neuen Medien ist noch nicht abgeschlossen. Betrachtet man die Raum-zeitlichen Gegebenheiten, so hat sich durch die Macht der Medien einiges verändert. Früher reisten beziehungsweise verbreiteten sich Nachrichten, Menschen und Waren gleichmäßig. Es galten dieselben Wege, die mit einer identischen Geschwindigkeit überbrückt werden mussten. Durch die Medien wurde dieser Einklang aufgebrochen. Raum und Zeit wird überwunden (Winkler 2004: 312). Der Informationsfluss breitet sich global aus und überquert nationale Grenzen. Ebenso zeichnet sich die Verbreitung des Empfangs und der Produktion der Medien durch eine Grenzenlosigkeit aus.
3.1 Technisierung und Medialisierung der Gesellschaft
Die Distanzüberwindung, die von den Medien ausgeht, ist eng verknüpft mit der technischen Entwicklung. Technik ist den Menschen allgegenwärtig und wird in vielen Situationen als selbstverständlich angesehen. Aus nahezu allen Lebensbereichen ist diese nicht mehr wegzudenken. Wenn man gezielt darauf achtet, was einem bei einem normalen Einkauf an Technik begegnet, was inzwischen längst als trivial erachtet wird, so fällt auf, wie sehr die Technik schon ein Teil des menschlichen Lebens geworden ist. Die Nutzung von Computern, auf die niemand mehr verzichten möchte oder kann, sowie die Technisierung von Arbeitsvorgängen und die Abhängigkeit von der Leistung der Maschinen in der Industrie sind starke Indizien hierfür. Handlungsabläufe und Entscheidungsprozesse werden mit Hilfe der Informatik modelliert und analysiert, um zu einem optimierten Ergebnis zu gelangen. In der Medizin wird Technik angewandt, um Heilungsprozesse zu fördern oder um den menschlichen Körper künstlich zu erweitern und zu verbessern (Belliger und Krieger 2006: 13ff.).
Mediale Technik entsteht hauptsächlich durch Innovation. So ist beispielsweise das Fernsehen aus dem Hörfunk und der Idee des Übertragens bewegter Bilder hervorgegangen. Dem Radio wurde das Medium Bild addiert. Bei der Technik der Stummfilme kam der Ton dazu. Medientechnik entwickelt sich durch Kenntnisse bestehender Medien und deren Erneuerung, Weitergestaltung oder Kombination. Die Nutzungserfahrung im Umgang mit den Medien leistet ihren festen Beitrag zu diesem Prozess. Auch ein öffentlicher Diskurs über mögliche neue Medienformen trägt mit neuen Impulsen dazu bei. Ohne Kapital industrieller Forschung ist ein solcher Ablauf jedoch schwerfällig (Hickethier 2003: 45ff.).
Nach der Entstehung eines neuen Mediums findet dieses allmählich seinen Weg in die alltägliche Lebenswelt der Menschen. Dadurch entsteht, wie selbstverständlich, eine Integration in soziale Handlungsabläufe. Mit der Nutzung des Mediums können sich auch bestimmte Gebrauchsweisen entwickeln, die seitens der Industrie und Politik nicht erkannt wurden, durch die Anwender eine gesellschaftliche Implementierung vorantreiben können (Hickethier 2003: 48). Dies zeigt, dass die technische Entwicklung nicht der einzige Faktor zur Herausbildung eines neuen Mediums ist. Zwar dient sie als Voraussetzung. Es ist jedoch nicht gesichert, dass automatisch auch eine sozial-kulturelle Akzeptanz in der Gesellschaft stattfinden wird. Sofern die potentiellen Nutzer nicht zufrieden mit der Verwendung sind oder keine Motivation zur Nutzung haben, wird das Medium sich nicht durchsetzen können. Letztlich kann auch eine gekonnte Vermarktungsstrategie ausschlaggebend sein (Hickethier 2003: 50).
Das Internet wurde nicht nur aus mehreren vorher bestehenden Medien weiterentwickelt, sondern hat eine übergeordnete Stellung eingenommen. Es fungiert als umfassendes Medium, das es schafft, alle möglichen Medienformen in sich zu vereinen. Sie werden in verschiedenen Ebenen integriert und bilden eine neue multimediale digitale Lebenswelt. Das Bedeutendste ist die Komponente, die im Netz noch zusätzlich eine Rolle spielt: der soziale und interaktive Aspekt (Stiegler 2015: 15f.). Durch die unbegrenzte Vielfalt und die Herausprägung zu einem sozialen Medium konnte das Internet sich eine elementare Position im heutigen Alltag erarbeiten. Jedoch sah dies zur Anfangsstunde des Internets noch anders aus. Der soziale und interaktive Charakter kristallisierte sich erst beim Nutzungsprozedere heraus. Das Web 2.0 ist dabei das Schlüsselwort zur partizipativen sozialen Gesellschaft des World Wide Webs. Mit dem Web 2.0 wird, wie der Name schon vermuten lässt, nicht eine komplett neue technologische Errungenschaft beschrieben, sondern vielmehr eine neuere Version des World Wide Webs. Es geht um eine neue Nutzungsweise des Internets. Diese Entwicklungsstufe zielt darauf ab, dass nicht nur reine Informationen von Webseiten abgerufen werden können und somit der Webseitenbetreiber allein bestimmt, welche Informationen präsentiert werden. Vielmehr kommt der soziale Aspekt zum Tragen. Die Internetnutzer sind nicht nur als Konsumenten vorhanden, sondern beteiligen sich aktiv am Informationsaustausch, wodurch neuer Content und ein Mehrnutzen erzeugt werden.
In den Anfangsjahren des World Wide Webs, wies dieses statistische Aspekte auf. Man musste sich nicht nur zu einem festen Ort begeben, an dem man Zugang hatte, sondern konnte auch nur auf festgelegte Informationen (Bilder, Texte, Videos etc.) des Webseitenbetreibers ohne direkten Ortsbezug zugreifen. Nach Gordon (2009: 398) ist dies mit einer reinen Repräsentation, welcher die Verbindung zum weltlichen Ort und zum sozialen Leben des Nutzers fehlt, vergleichbar:
„In the 1990s, cyberspace was commonly referred to as a map – a layer of data and nodes and connections that existed outside of everyday life. It was a visible representation separate from the territory it was ordering“.
Dieser Status hat sich durch die technischen Fortschritte, welche einen mobilen Internetzugang und eine akkurate Ortsbestimmung erlauben, sowie durch die aktive Einbeziehung des Nutzers geändert. Es entstand ein dynamisches Web, in dem jeder Informationen bearbeiten, ergänzen sowie diskutieren konnte. Blogs, Wikis, Diskussionsforen und soziale Netzwerke sind nur einige Beispiele, die stellvertretend für die Veränderung des Web von einem einseitigen Informationsdienst zu einem interaktiven Mitmach-Netz, das sich durch User-generated content auszeichnet, da jeder dran teilnehmen kann, stehen (Jers, Gölz und Taddicken 2013: 18).
Ebenso spielt der Raum eine wichtigere Rolle als zuvor. Begriffe wie Geoweb, Geomedien, Geoinformationssystem und Augmented Reality sind Bestandteile des Web 2.0. Die medientechnischen Entwicklungen, die für die Breite der Kartierung und Geokodierung in allen Lebensbereichen verantwortlich sind, haben stark zu dieser räumlichen Tendenz des Webs beigetragen. Die durch die Technik gegebene Mobilität wirkt als Verstärkungsfaktor für eine aktive Beteiligung. Die räumliche Mobilisierung im physischen Raum bewirkt, dass man von überall auf die Anwendungen und Inhalte des Web 2.0 zugreifen kann.
O’Reilly (2005) versucht, die Besonderheiten des Web 2.0 mit charakteristischen Merkmalen zu definieren:
1. Das Web als Plattform, in dem es Servicefunktionen anbietet, die die Nutzer aktiv einbinden.
2. Die Verwendung kollektiver Intelligenz, die sich in der gemeinschaftlichen Aktivität und im Sammeln von Informationen der Internetgemeinschaft widerspiegelt, sodass ein Netzwerk-Effekt entsteht.
3. Daten als nächstes „Intel Inside“ in dem Sinne, dass Kerndaten für Anwendungen und Dienste zugeliefert werden, wodurch Wechselbeziehungen stattfinden und man nicht zwangsweise auf eigene Datenbanken angewiesen sein muss.
4. Das Ende des Zyklus von Software-Veröffentlichungen, da durch Service-Dienstleistungen ein Status permanenter Updates hergestellt wird, bei dem intensiv und zeitnah aufs Nutzerverhalten eingegangen wird.
5. Das Modell einer leichten Programmgestaltung, durch welche den Nutzern die Anwendung intuitiv fällt und ihnen keine Steine in den Weg gelegt werden, die Anwendungen und Dienste aktiv weiterzugestalten.
6. Software, die nicht auf einzelne Geräte begrenzt ist, sodass durch mobile Endgeräte der Zugriff überall möglich ist, diese aber auch von überall Daten für das Web 2.0 liefern können.
7. Eine ergiebige Benutzerführung, die Erfahrungen der Anwender für ein verbessertes Nutzungserlebnis verwendet.
Dies stellt eine gute Übersicht dar. Es wird zudem verdeutlicht, dass es sich um ein Kollektiv von Prinzipien und Praktiken handelt und dass dabei keine klare Eingrenzung möglich ist. Der für den Autor wichtigste Aspekt, nämlich die sozialen Kontakte und Beziehungen, die sich durch das Kommunikationsverhalten in der Internetgemeinschaft ausdrücken und einen Pluspunkt gegenüber dem Web 1.0 oder klassischen Medien bilden, soll dabei noch einmal hervorgehoben werden. Dieser findet sich besonders in den ersten beiden Punkten wieder, da die Nutzer aktiv zur Teilnahme gefordert und in einen Produktionsprozess integriert werden. Es spiegelt ein neues Rollenverständnis der Nutzer wieder, welche vorher lediglich passiv Inhalte konsumiert haben, die ihnen von den Webseitenbetreibern zur Verfügung gestellt wurden.
Eine Technologie, die stark zu der Entwicklung von Anwendungen des Web 2.0 beigetragen hat, ist das Asynchronous Javascript and XML (Ajax). Es ermöglicht auf technischer Ebene eine Interaktion zwischen Nutzer und Webseite, die im Hintergrund abläuft, sodass eine Webseite verändert werden kann, ohne neu geladen werden zu müssen. Ajax ist eine Zusammensetzung mehrerer Webtechnologien, die bereits vorher bekannt waren, in ihrer Kombination allerdings erhebliche Vorteile für Nutzerinteraktionen liefern. Dabei wird unmittelbar auf die Nutzereingabe reagiert. Bekannt ist diese Technik unter anderem beim Verschieben von Elementen durch das Drag-and-Drop oder bei Suchmaschinen, die bereits während des Eintippens des Nutzers in die Suchleiste Vorschläge und Suchergebnisse liefern, bevor die Suchanfrage abgeschickt wurde (Ebersbach, Glaser und Heigl 2011: 163ff.). Als nächstes soll betrachtet werden, wie, aufbauend auf dieser netztechnologischen Infrastruktur, die Medienräume zu einem Umfeld kultureller Vernetzung werden können.
3.2 Kulturelle Globalisierung
Globalisierung ist ein Schlagwort, das in der heutigen Gesellschaft oft Anwendung findet, wenn es darum geht, Entwicklungen der zunehmenden Vernetzung der Welt zu erläutern. Insbesondere die Handelsverbindungen der Weltwirtschaft werden häufig als Beispiel aufgeführt. Aber Globalisierung findet nicht nur auf wirtschaftlicher Ebene in der Expansion von Finanzmärkten und transnationalen Unternehmen (TNC)[6] ihren Ausdruck. Die Freiheit des grenzenlosen Austausches von Kommunikation und kulturellem Handeln ist ebenfalls ein Merkmal dieser. Dabei kommt sowohl der Faktor der Individualisierung als auch der Faktor der Homogenisierung gleichermaßen bei der Einbindung in globale Kommunikationsstrukturen zum Tragen, da Selbstentfaltung mit technisch-medial vermittelten Praktiken der Angleichung und Reproduktion kombiniert wird (Bublitz 2010: 172).
Im heutigen Diskurs wird Globalisierung besonders auch mit sozialer Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung in Zusammenhang gebracht (Krotz 2006: 21). Sobald es Menschen erleichtert wird, in Kontakt zu treten und miteinander zu interagieren ohne sich mit großen Hindernissen wie räumlichen Distanzen beschäftigen zu müssen, kann ein produktiver Austausch von Kultur stattfinden.
Die geschichtliche Identifikation von Kulturen über physische Lebensräume und Ländergrenzen ist längst veraltet. Durch die Globalisierung überspannen zuvor geographisch beschränkte Lebensbereiche mittlerweile den gesamten Globus. Der Kontakt auf die andere Seite der Welt ist sowohl physisch als auch medial-technologisch möglich. Durch die kulturelle Globalisierung kann es zu unterschiedlichen regionalen Aneignungen von Medien kommen. So steht der Begriff Glokalisierung als Ausdruck für die Einbindung globaler Medien in kulturelle Nutzungskonzepte (Hickethier 2003: 51).
Nicht nur Medien sind global zugänglich, sondern auch ihre Inhalte. Dabei sind die medialen Inhalte, die transportiert werden, auch kulturell zu verstehen. Das Internet bietet digitale Räume zum Austausch von Kultur. Dies schließt Kulturgüter wie Kunst, Musik, Fotos und Videos ebenso wie kulturelle Wertvorstellungen und Verhaltensweisen ein. Kultur bildet auch einen Teil der eigenen Identität. Sie hilft beim Bilden und Ausdrücken eines eigenen Selbstverständnisses. Der Zugang zu freien kulturellen Entfaltungsräumen sorgt dafür, dass Tradition und Religion einen geringeren Einfluss auf das kulturelle Verhalten haben und man sich individuell in seinen Kulturkreis einordnen kann. Auch politische Bezüge von kulturellem Verhalten finden dabei weltweiten Anklang. Bei kulturellen Begegnungen im Internet kann man von einer Netzkultur sprechen. Diese ist für den Menschen genauso wichtig wie das kulturelle Miteinander in der physischen Welt und nimmt verschiedene Funktionen ein:
„Kommunikation, Inszenierungs-, Diskussions- und Vernetzungsplattform, Partizipationsspielfeld, Wissensgenerator und –speicher, Information und Unterhaltung bis hin zur eigenen sozialen Welt, die zwar Ähnlichkeiten zur Offline-Welt aufweisen kann, aber doch nach ihren eigenen Maßstäben und Regeln funktioniert“ (Stiegler, Breitenbach und Zorbach 2015: 8).
So werden immer häufiger kulturelle Prozesse, die ehemals im physischen Raum stattfanden, in den digitalen Raum verlegt. Dieser bietet eine andere, weitere Ausdrucksform von Kommunikation, Interaktion und Produktion.
Die Ausprägungen der Kultur sind dabei uneingeschränkt zu betrachten. Jedoch finden sich größtenteils Elemente, die der Populärkultur zuzuordnen sind. Populärkultur ist für die durchschnittliche Gesellschaft gemacht und bezieht sich auf deren Interessen, weist aber beim persönlichen Bezug zu ihr und der Anteilnahme an ihr nicht unbedingt Unterschiede zwischen sozialen Schichten auf. Als wesentlicher Bestandteil der Populärkultur beeinflussen die Medien das individuelle und soziale Empfinden der Umwelt. Sie üben einen starken Einfluss auf die Menschen aus und sind daher elementar wichtig, um Beziehungen zwischen Mensch und Ort zu formen (Burgess und Gold 1985: 1). Die Umgebung, beziehungsweise die Wahrnehmung dieser Umgebung, ob weltlich oder digital, prägt das Bewusstsein eines Menschen und lässt in ihm ein eigenes individuelles Bild von Realität entstehen, welches zwangsweise auch Auswirkungen auf sein Verhalten und seine Entscheidungen hat. Wie in der physischen Alltagswelt finden sich genauso Subkulturen und szene-interne Kulturformen wieder.
Im Sinne der Medium-Theorie nach Innis, McLuhan und Meyrowitz wird davon ausgegangen, dass die Medien die Kultur prägen. Es entstehen gesellschaftliche Differenzen je nachdem welche Medien Verwendung finden. Als Beispiel führen die Wissenschaftler an, dass eine Gesellschaft, die nur mit Printmedien agiert, andere Merkmale zeigt, als eine Gesellschaft, in der das Medium Fernsehen alltäglich ist. Dabei spielen die vermittelten Inhalte keine Rolle, sondern das Medium an sich ist ausschlaggebend. Es wird nicht als reiner Übermittler von Informationen, sondern als formende Umwelt angesehen. So wirken sich die Medien auch auf die Teilnehmer der Gesellschaft aus, die sie gar nicht aktiv verwenden (Dittmar 2010: 58). Getreu dem Motto „das Medium ist die Botschaft“, werden die Medien als Ausweitung der menschlichen Sinne betrachtet (Jäckel 2010: 283). Bei der Ausweitung wird zwischen kühl und heiß unterschieden. Kühle Medien erfordern vom Rezipienten eine aktive Beteiligung zur Vervollständigung der Informationen. Heiße Medien erfordern nicht weiter große Aktivitäten des Nutzers, da ihre Inhalte auch so gut zugänglich sind (ebd.).
3.3 Medienkonsum und Medienkompetenz
Zum Konsum von Medien wird die These vertreten, dass die Gesellschaft sich in einem Wandel hinsichtlich des Konsumverhaltens, im Konkreten hinsichtlich des Bewegtbildkonsums, befindet. Durch die Anhäufung an Online-Videotheken und -Videoportalen selbst, aber auch an deren Inhalten, wird der Konsum immer attraktiver. Auch in sozialen Netzwerken, wie Instagram (Ritter 2013) oder Twitter (Firsching 2015), wird zunehmend die Integration von Videofunktionen oder die Verbesserung von Video-Features gesetzt. Facebook versuchte sogar aggressiv eine Steigerung seiner Videoquote durchzusetzen, um somit eine Konkurrenz zu YouTube zu bilden (Kucharz 2014).
Aus eigenen Erfahrungen kann der Autor berichten, dass sich sein Medienkonsum im Hinblick auf Bewegtbildformate geändert hat. Durch den individuellen Tagesablauf vieler Menschen sind diese grundsätzlich schon nicht ins lineare Prinzip des Fernsehens einzuordnen. Auch wenn es Alltagsabläufe gibt, die bedingt durch gesellschaftliche Normen (Schule, Beruf) vermehrt auftreten und bei denen es große zeitliche Überschneidungen gibt, sind diese nicht allumfassend. Man müsste Kompromisse eingehen und auf Fernsehprogramme verzichten oder sich seinen Alltag, sofern möglich, entsprechend strukturieren. Die Möglichkeit, seinen Medienkonsum zeitlich frei und individuell auf Abruf einzuteilen, gilt jedoch als willkommene Option. Klassische Fernsehabende, bei denen man sich zu festgelegten Zeiten vor dem TV-Gerät versammelt, gibt es nur noch zu vereinzelten Sendungen wie zur Tagesschau oder zum Tatort. Auch live übertragene Sport-Events, wie die Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft, besitzen noch einen Sonderstatus. Gewisse Inhalte lassen sich als popkulturelle Phänomene verstehen. Die junge Generation möchte ihre Lieblingsformate vermehrt gerne zeitungebunden schauen und den Bewegtbildkonsum individuell nach dem eigenen Tagesablauf richten (zum Beispiel wenn man erst nachts von der Arbeit nach Hause kommt, aber sich nicht mit dem teilweise sehr gewöhnungsbedürftigen Nachtprogramm zufrieden geben möchte). Auch das eigene Sehverhalten des Autors, speziell hinsichtlich YouTube, hat sich verändert. So ist YouTube dem Autor zwar schon länger bekannt und wurde zum Anschauen von Videos genutzt. Allerdings hat sich das Interesse für die Inhalte geändert. Früher hat der Autor größtenteils Musikvideos, sowohl die klassischen, professionell produzierten Videos, die man in den 1990‘ern und 2000‘ern noch hauptsächlich auf VIVA oder MTV gefunden hat, angeschaut; ebenso Konzertaufnahmen oder Ausschnitte aus Sendungen, die zuvor im Fernsehen ausgestrahlt wurden. Erst in den letzten zwei bis drei Jahren ist auch eigenproduzierter hochwertiger Content in den Fokus geraten, der durchaus in Konkurrenz zu dem im Fernsehen ausgestrahlten Content von Produktionsfirmen stehen kann. Inzwischen ist dies die Hauptgruppe seiner Abonnements und seines regelmäßigen Konsums geworden. Der Grund dafür sind nicht nur etwa Urheberrechtsstreitigkeiten oder Einigungsprobleme mit der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA), sondern vielmehr ein anderes Verständnis von Videokonsum und von Bewegtbildkonsum im Allgemeinen. Der Fernsehkonsum ist zurückgegangen. Immer häufiger hört man von Leuten, dass diese ihren Fernsehkonsum eingeschränkt haben und teilweise keinen Fernseher mehr besitzen. Dass dies keine Einzelfälle sind, sondern sich ein regelrechter Trend entwickelt, zeigen Statistiken zum Konsum von linearem Fernsehen und Internetvideos. Zwar sind die Zahlen zur Nutzung von linearem Fernsehprogramm in den letzten Jahren im Durchschnitt relativ konstant geblieben. Allerdings ist besonders in der jungen Zielgruppe von 14 bis 29 Jahren ein Rückgang der durchschnittlichen Sehdauer zu erkennen. Dies wirft Befürchtungen auf, dass den TV-Anbietern früher oder später der Nachwuchs verloren geht (Hansen 2014). Schauten die jungen Leute im Jahr 2007 noch 133 Minuten täglich das Fernsehprogramm, so waren es 2014 bereits nur noch 124 Minuten. Besonders kritisch aufzufassen ist diese Entwicklung, wenn man sie in Vergleich zu den anderen Altersgruppen setzt, welche durchweg ein Wachstum der durchschnittlichen Sehdauer im genannten Zeitraum zu verbuchen haben (Mediendaten Südwest 2015).
Das Streaming von Onlinevideos dagegen befindet sich immer mehr im Aufschwung und hat sich bereits als fester Teil des Medienkonsums etabliert. 42 Millionen Menschen greifen in Deutschland zum Videostreaming. Dies stellt einen Zuwachs von zwei Millionen im Vergleich zum Vorjahr dar (Hampe 2015). Dass man auf die Videostreaming-Angebote zu jeder Zeit und an jedem Ort mit einem internetfähigen Gerät zurückgreifen kann, ist ein gewaltiger Vorteil. Dadurch hat sich der Medienkonsum der Menschen grundlegend verändert (Rohleder zit. nach Hampe 2015).
Es prägen sich neue Fernseh- und Nichtfernsehgewohnheiten heraus. So ersetzt bereits jeder dritte Nutzer von Videostreaming-Angeboten das klassische Fernsehen ganz oder teilweise durch die Möglichkeit des Streamings. Mit 44 % schaut fast jeder zweite Nutzer weniger TV-Inhalte über Kabel oder Satellit. Nahezu ein Fünftel der Nutzer von Streaming-Diensten (18 %) gibt sogar an, dass man sich vorstellen könne, in Zukunft ausschließlich auf das Streaming zurückzugreifen und auf das lineare Fernsehen komplett zu verzichten (Grimm 2014).
Zunächst soll eine Übersicht über die audiovisuellen Angebote geschaffen werden, damit deutlich wird, mit welchen Gegenstandsbereichen sich diese Arbeit beschäftigt und welche außerdem nebeneinander zu differenzieren sind. Diese Arbeit beschäftigt sich im Besonderen mit den online-abrufbaren Videoportalen, zu denen auch YouTube gehört (vgl. Abbildung 2).
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Abbildung 2: Audiovisuelle Angebote (Hasebrink 2009: 7).
Das Angebot an audiovisuellen Medieninhalten im Internet ist riesig und findet vermehrt Anklang. Für die meisten Menschen ist es heutzutage selbstverständlich eine oder mehrere der zahlreichen Möglichkeiten zu nutzen. Hierzu gehören das Angebot der Mediatheken der Fernsehsender, Videos, die über Social Media untereinander geteilt werden, Videos auf Informations- und Nachrichtenseiten oder die Inhalte von Videoplattformen wie YouTube. Die Videoplattformen nehmen dabei den größten Teil der Nutzungsrate ein – nicht zuletzt, da sich die dort hochgeladenen Videos auch zumeist in andere Webseiten einbinden lassen und sie somit zu einer noch stärkeren Reichweite gelangen können. So zeigt eine Statistik der ARD/ZDF-Onlinestudie, dass im Jahr 2014 62 % der Onlinenutzer die Dienste von Videoportalen im Internet in Anspruch genommen haben. In der Gruppe der 14- bis 29-Jährigen liegt der Wert sogar bei 88 %. Das Onlineangebot von Fernsehsendern, das größtenteils aus deren Fernsehsendungen besteht, liegt mit 36 % nur auf dem zweiten Rang der Nutzung im Jahr 2014. Bei den 14- bis 29-Jährigen liegt mit 64 % sogar die Bewegbildnutzung innerhalb von Online-Communitys vor dem Angebot der Fernsehsender mit 49 % (vgl. Tabelle 1).
Tabelle 1: Nutzungsorte Bewegtbild 2013 und 2014 (ARD/ZDF-Onlinestudie 2014).[7]
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Unter den Videoportalen im Internet ist YouTube die bedeutendste Plattform hinsichtlich der Nutzung von Videoinhalten. Dies unterstreichen die folgenden Statistiken. Nach dem Anteil der Unique User[8] hat YouTube einen Marktanteil von 61,4 % an der Nutzung der Videoplattformen in Deutschland im Jahr 2014. Gefolgt wird sie von der zu der ProSiebenSat. 1-Gruppe gehörenden Plattform MyVideo, welche mit 8,8 % bereits weit abgeschlagen ist. Die anderen Videoportale sind vom Marktanteil nahezu vernachlässigbar. T-Online Bewegtbild kommt noch auf 5,6 %, während die anderen Anbieter jeweils weniger als 4 % Markanteil erreichen (vgl. Abbildung 3).
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Abbildung 3: Marktanteile von Videoplattformen (Nielsen NetView, BLM 2014: 27).
YouTube ist somit die am meisten frequentierteste Videoplattform in Deutschland. Schaut man sich die Altersgruppe der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren an, sind die Nutzerstatistiken im Vergleich zum Gesamtdurchschnitt bei weitem höher. Beinahe zwei Drittel der 12- bis 14-Jährigen sind täglich auf der Videoplattform aktiv. Des Weiteren nutzen neun von zehn Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 19 Jahren YouTube mindestens einmal pro Woche (vgl. Abbildung 4). So konstantieren Schenk, Jers und Gölz (2013: 210), dass die Anwendungen des Web 2.0 mit ihrem partizipativen Charakter, wie es YouTube auch aufweist, besonders durch jüngere, gebildete und gut vernetzte Personen vorangetrieben wird. Diese sind zudem auf kommunikationstechnologischer Ebene kompetent und zeigen Innovationsbereitschaft.
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Abbildung 4: YouTube Nutzungsstatistik bei Jugendlichen (Bauer Media Group 2015).
Wie im Kapitel 3.1 bereits herausgestellt wurde, ist der technische Fortschritt nicht der einzige Faktor bei der Entstehung neuer Medien. Die Durchsetzung in der Gesellschaft steht auch in einem weiteren Zusammenhang mit dem kulturellen Verhalten der Menschen. So ist zu berücksichtigen, dass die Menschen sich die neuen Möglichkeiten, die die Technik bietet, erst einmal aneignen müssen. Diese Tatsache wirkt sich auch auf den Medienkonsum aus und scheint in der obigen Statistik Ausdruck zu finden.
Der Prozess der Aneignung wird durch mehrere Faktoren beeinflusst. Als Beispiele sind die Akzeptanz der neuen Technik (sowohl die persönliche Akzeptanz eines Individuums als auch die gesellschaftliche Akzeptanz, welche zweifelsohne auch Einfluss auf die persönliche Akzeptanz nehmen kann) oder die Fähigkeit zur Aneignung zu nennen. Es ist denkbar, dass sich das kulturelle Verhalten einer Person oder Gruppe aus Akzeptanzproblemen heraus, welche zumeist eng mit dem Begriff der Tradition verknüpft sind, nicht an den technischen Errungenschaften orientiert. Aussagen wie „so einen neumodischen Schnickschnack benötige ich nicht“ oder „bisher habe ich es auch ohne gut geschafft“ wären charakteristisch dafür. Eine weitere Möglichkeit ist, dass aus mangelnder technischer Tauglichkeit eine Aneignung nicht stattfindet. Der Umgang mit den Medien will gelernt sein. Somit kommt auch der Faktor Medienkompetenz zum Tragen. Im Hinblick auf die Generation der digital natives, welche vollends in der digitalen Welt aufgewachsen sind und die Aneignung technischer Neuheiten quasi in die Wiege gelegt wurde, kann man bei dem Punkt der Aneignungsschwierigkeiten davon ausgehen, dass er insbesondere oder sogar nahezu exklusiv älteren Menschengruppen zuzuschreiben ist. In Bezug auf diese Arbeit lassen sich damit die höheren Nutzungsdaten der Bewegtbildangebote bei jungen Leuten aus Tabelle 1 interpretieren. Eine Erklärung von sozialen Wandlungsprozessen sieht Ogburn (1969: 134ff.) in seiner Theorie der kulturellen Phasenverschiebung[9], welche besagt, dass die Gesellschaft nicht mit der Geschwindigkeit des technischen Fortschritts mithalten kann und es somit zu Asymmetrien und Konflikten in eben dieser kommt. So gesehen wäre der Aneignungsprozess von neuen Medien, der in der Gesellschaft seine Zeit braucht, und nicht jedem gleich leicht oder schwer fällt, in Ogburns Theorie begründet. Die gewohnten Konventionen der Mediennutzung müssen erst durchbrochen werden.
So findet im Konkreten auch vom exklusiven, klassischen Fernsehgucken hin zum Nutzen neuer Medien, wie Videodiensten im Internet, ein sich entwickelnder Prozess statt. Auch wenn dieser Trend von Statistiken belegt ist[10], so ist dennoch nicht von einem Verdrängungsprozess auszugehen. Vielmehr ist dieser mit der damaligen Erfindung des Fernsehens zu vergleichen. Das Fernsehen hat das Medium Radio ebenfalls nicht komplett verdrängt. Nichtsdestotrotz eröffnet sich dadurch eine neue Dimension, die auf das kulturelle Verhalten, sprich den Medienkonsum, Auswirkung hat.
Mit Medienkompetenz bezeichnet man die Fähigkeit in der technisierten Welt, einen qualifizierten Umgang mit den Medien zu beherrschen. Nach Schorb (2005: 259) besteht Medienkompetenz aus drei Komponenten bzw. Hauptkategorien: zum einen das Medienwissen, unter welches ein Wissen über Funktion, Struktur und Orientierung fällt; zum anderen die Medienbewertung, welche eine Ebene der kritischen Auseinandersetzung mit den Inhalten erfordert; und zuletzt dem Medienhandeln, welches nicht nur eine Nutzung, sondern auch eine aktive Gestaltung und Aneignung der Medien, einschließt (vgl. Tabelle 2).
Tabelle 2: Medienkompetenz (Schorb 2005: 259).
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Im Hinblick auf die digitalen Medien geht es darum, einen kompetenten und reflektierten Umgang der partizipatorischen Teilhabe, wie das Erstellen, Verbreiten und Kommentieren von Informationen zu erlangen; ebenso im Umgang mit Mitteln der Selbstdarstellung im digitalen Raum wie Avatare als digitale Identität und die Verwendung sozialer Medien. Bei der Nutzung digitaler Medien handelt man in einem sozialen Raum, der nicht anders als ein analoger Raum auch, einen geschulten Umgang mit anderen Nutzern erfordert. Es werden verschiedene mediale Realitäten kreiert und auf unterschiedliche Weise mit den anderen Teilnehmern kommuniziert (Stiegler 2015: 22). Es muss also sowohl eine kompetente Handhabung eigener Informationsdarstellungen als auch des Beziehungs- und Kommunikationsverhältnisses zu anderen Partizipanten im digitalen Raum sichergestellt werden.
[...]
[1] Marek unterscheidet dabei (1) die scheinbar identische Wiederholung, (2) die ikonoklastische Wiederholung und (3) die nachahmende Wiederholung (Marek 2013: 304ff.).
[2] Hierzu zählen beispielweise Kommentare und positive oder negative Bewertungen der Videos.
[3] Der Produtzer (Wortzusammensetzung aus Produzent und Nutzer) ist ein Konsument, der als Teil einer Netzwerk-Gemeinschaft aktiv an der Inhaltsgestaltung beteiligt ist.
[4] Näheres zu Online-Communitys in Kapitel 4.3 dieser Arbeit.
[5] Siehe zur Auflistung der Nachbarschaften unter http://www.bladesplace.id.au/geocities-neighborhoods-suburbs.html (27.09.2015).
[6] Engl.: transnational corporation.
[7] Basis der Tabelle: Deutsch sprechende Onlinenutzer ab 14 Jahren (2014: n=1 434; 2013: n=1 389).
[8] Als Unique User (UU) wird laut der Arbeitsgemeinschaft Online Forschung e. v. (AGOF) der einzelne Nutzer bezeichnet, der innerhalb eines bestimmten Zeitraums mindestens einen Kontakt mit einem Werbeträger bzw. einzelnen Belegungseinheiten hatte. Er gilt als Grundlage für die Berechnung von Reichweiten und Strukturen von Online-Werbeträgern (AGOF 2015).
[9] Engl. „Cultural Lag“.
[10] Siehe hierzu (GRIMM 2014).
- Citation du texte
- Markus Balitzki (Auteur), 2015, Kommunikationsprozesse im digitalen Raum am Beispiel von YouTube, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/441911
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