Wir alle träumen. Wir wachen auf und wissen, dass wir geträumt haben. Doch was uns der Traum mitteilen möchte, bleibt uns weitgehend verborgen. Vielmehr stiftet er häufig nur Verwirrung. Der Traum macht doch gar keinen Sinn. An diese Stelle tritt die moderne Psychoanalyse mit ihrer Traumdeutung, welche durch Sigmund Freud begründet wurde. Der Traum ist, so Freud, ein Schlafhüter und Beseitiger von Schlafstörungen, indem er eine Reaktion auf einen Reiz darstellt und dessen Erledigung simuliert, damit der Schlaf fortgesetzt werden kann. Das Träumen wird von Freud als ein Mittel des Unterbewussten beschrieben, dass das Begehren eines Menschen in Form von unterdrückten, nicht realisierbaren Wünschen, ausgehend von der Libido, mehr oder minder deutlich und zusammenhängend in Form von halluzinatorischen Erlebnissen im Schlaf konstruiert. Der Traum stellt dabei eine Art Kompromissergebnis zwischen Wunsch und dem Unterdrücken des Wunsches dar. Ziel der Traumanalyse sei dabei das Deuten des manifesten Trauminhalts, um darauffolgend den latenten Traumgedanken herauszufiltern, denn hinter jedem Traumelement steht etwas Verborgenes, dass es zu ergründen gibt. [...]
Wir alle traumen. Wir wachen auf und wissen, dass wir getraumt haben. Doch was uns der Traum mitteilen mochte, bleibt uns weitgehend verborgen. Vielmehr stiftet er haufig nur Verwirrung. Der Traum macht doch gar keinen Sinn. An diese Stelle tritt die moderne Psychoanalyse mit ihrer Traumdeutung, welche durch Sigmund Freud begrundet wurde.[1] Der Traum ist, so Freud, ein Schlafhuter und Beseitiger von Schlafstorungen, indem er eine Reaktion auf einen Reiz darstellt und dessen Erledigung simuliert, damit der Schlaf fortgesetzt werden kann.[2] Das Traumen wird von Freud als ein Mittel des Unterbewussten beschrieben, dass das Begehren eines Menschen in Form von unterdruckten, nicht realisierbaren Wunschen, ausgehend von der Libido, mehr oder minder deutlich und zusammenhangend in Form von halluzinatorischen Erlebnissen im Schlaf konstruiert.[3] Der Traum stellt dabei eine Art Kompromissergebnis zwischen Wunsch und dem Unterdrucken des Wunsches dar.[4] Ziel der Traumanalyse sei dabei das Deuten des manifesten Trauminhalts, um darauffolgend den latenten Traumgedanken herauszufiltern,[5] denn hinter jedem Traumelement steht etwas Verborgenes, dass es zu ergrunden gibt.[6] Diese Traumdeutung ist jedoch durch Widerstande bzw. Entstellungen nicht immer ohne Weiteres zu meistern, aufier es handelt sich um infantile Traume in denen sich der manifester Trauminhalt dem latenten Trauminhalt fast, oder ganzlich gleicht. Dabei verweist Freud auf sein Modell zur Erklarung der menschlichen Psyche, nach dem der Mensch ein triebgesteuertes Wesen sei. Das Individuum wird laut diesem Modell von den ubergeordneten Norm- und Wertvorstellungen gemafiregelt und muss zwischen diesen und den innerlichen Trieben und Bedurfnissen standig verhandeln.[7] Oft werden so die individuellen Wunsche und Bedurfnisse verdrangt. Stattdessen werden sie, so Freud, innerhalb der Traumarbeit verarbeitet, modifiziert und auch durch Widerstande entstellt. Wie bereits angedeutet, unterscheidet Freud zwischen infantilen Traumen, die vor allem, aber nicht ausschliefilich, von Kindern getraumt werden und den verworrenen, entstellten Traumen, die es durch die Traumdeutung zu analysieren gilt. Die infantilen Traume zeichnen sich vor allem durch ihre Klarheit, Koharenz und Kurze aus,[8] wie z.B.
wenn ein Kind ein Bonbon mochte, es aber auch durch mehrmaliges Fragen, Zeigen und Betteln nicht bekommt und dann am Morgen nach dem Erlebnis berichtet, es habe getraumt, dass es im Bonbonland sei und Bonbons esse. Der unerfullte Wunsch (Bonbon essen) bzw. der latente Traumgedanke gleicht hier dem manifesten Trauminhalt (im Bonbonland sein und Bonbons essen). Es steckt dahinter nichts Verborgenes, dass zusatzlich gedeutet werden musste. Auch bei Traumen, die als Reaktion auf innere Korperreize eintreten, ist die Deutung meist einfach. Wenn jemand z.B. kaum etwas gegessen hat, so kann es passieren, dass diese Person von ausgiebigen Mahlzeiten traumt. Hier wird das Bedurfnis nach Nahrung im Traum verarbeitet und im halluzinatorischen Erlebnis befriedigt.[9] Das Bedurfnis von Sexualitat zahlt ebenso zu solchen inneren Korperreizen, wobei es durch das Unbewusste entstellt werden kann, so Freud. Er geht davon aus, dass eine Traumzensur bestimmte Inhalte des Traums undeutlich werden lasst. Diese Inhalte sind jedoch fur die Bedeutung des Traums essentiell.[10] Warum gibt es so etwas wie eine Traumzensur? Freud begrundet, dass ohne diesen Widerstand und der nachfolgenden Traumzensur, der Traum in ethischer, sozialer oder asthetischer Hinsicht verwerflich sein konnte. Ursache dieser Verwerflichkeit sei der schranken- und rucksichtslose Egoismus, den Freud „sacro egoismo“ nennt.[11] Denn im Traum ubernimmt das Individuum die Hauptrolle. Hier formuliert Freud eine gewagte These. Er behauptet, dass alle Traume von egoistischer Natur seien und innerhalb des Traums wurde der Mensch sich seinen ethischen Fesseln entledigen. Dadurch wurde er auch verbotene Wunsche zu lassen, wie Brutalitat, Hass- und Todeswunsche oder sexuelle Wunsche und Neigungen, die in der Gesellschaft als Tabu behandelt werden. Freud fuhrt hier auch inzestuose Geluste an.[12] Auch wenn diese Argumentation auf Widerstand von aufien stofit - diese These ist fur viele kaum vorstellbar, noch plausibel - so behauptet Freud dennoch, dass man eben demutig sein und seine Sympathien und Antipathien zuruckstellen musse, um die Wahrheit herauszufinden.[13] Mehr noch, er fragt seine Leserschaft direkt, ob sie hundertprozentig bestatigen konnen, ob das „Bose aus der seelischen Konstitution des Menschen“[14] ausgeschlossen werden kann und fuhrt Belege, wie den Krieg und dessen Brutalitat an, die seine These untermauern.[15] Mit der Frage nach dem Bosen im Menschen (oder zwischen den Menschen) im kulturellen und gesellschaftlichen Kontext beschaftigen sich seit jeher u. A. die Psychologiewissenschaften und philosophische Anthropologie, wobei viele verschiedene Thesen und Modelle existieren. Interessant ist in diesem Zusammenhang die These von Plato, die Freud mit der Funktion der Psychoanalyse verbindet:
Was tut die Psychoanalyse hier anderes als das alte Wort Plato bestatigen, daB die Guten diejenigen sind, welche sich begnugen, von dem zu traumen, was die anderen, die Bosen wirklich tun?[16]
Es stellt sich die Frage, ob der Traum hier als Wunschbefriedigung eintritt, um „boses“ zu tun und dadurch das Individuum in der Realitat bzw. im wachen Zustand schutzt, damit es gutes leisten und moralisch gut agieren kann. Was ist dann aber mit den Menschen, die in der Realitat „bOse“ handeln bzw. moralisch fragwurdig agieren? Ist das Traumen dieser Menschen dann pathologisch, wenn der Traum als Kompromissinstanz der Wunschbefriedigung wirkt?
Was verbindet Freuds wissenschaftliche Abhandlung aus dem Jahre 1916/17 und die Erzahlung Nussknacker und Mausekonig von E.T.A. Hoffmann, ein Kunstmarchen, was in dem Sammelband der Seperationsbruder abgedruckt wurde aus dem Jahre 1816? In der Erzahlung von E.T.A. Hoffmann: Nussknacker und Mausekonig[17], kommen allerlei Traumdinge vor, die durch genaue Analyse die Vielschichtigkeit und die verschiedenen Deutungsebenen dieser Erzahlung offenbaren.[18] Im Folgenden mochte ich mich einem, der unzahligen tiefgrundigen Motive diesen Kunstmarchens widmen, der Psychoanalyse betreffend der geschlechtlichen Identitatsbildung Marie Stahlbaums und der Rollenzuschreibung von Madchen und Frauen im 19. Jahrhundert und wie sie durch eben diesen Text durchbrochen und tangiert wird durch die Angste und Wunsche, die nicht von einem Individuum, sondern von einer ganzen Gesellschaft in der Erzahlung verhandelt werden. In diesem Kontext steht die Protagonisten, die siebenjahrige Marie Stahlbaum, welche von Hoffmann in ihrem entwicklungspsychologischen Prozess der Heranreifung zur Frau mit den Konventionen der Gesellschaft bricht und ihre Identitat als Subjekt wider aller gesellschaftlichen Erwartungen innerhalb einer Spiel- und Phantasiewelt entwickelt. Sie wird von Hoffmann mit dem romantischen Kindheitsbild in Verbindung gebracht, denn sie hat eine verklarte Sicht auf Alltagsgegenstande, besitzt die Fahigkeit zur Einbindung in die Phantasiewelt und ist unbefangen im Umgang mit dem Wunderbaren.
Dennoch wird betont, dass sich Marie nicht gleich den phantastischen Ereignissen hingibt, sondern durchaus die Diskrepanz zwischen realer und phantastischer Welt bemerkt.
Bin ich nicht ein toricht Madchen, dafi ich so leicht erschrecke, so dafi ich sogar
glaube, das Holzpuppchen da konne mir Gesichter schneiden![19]
Im weiteren Verlauf der Erzahlung wird Marie jedoch von den phantastischen Ereignissen vollkommen eingenommen. Katalysator dieser Entwicklung ist der Nussknacker, ein Holzspielzeug, dass die siebenjahrige Marie Stahlbaum an dem Weihnachtsabend hinter dem Weihnachtsbaum entdeckt. Sie bekommt die Aufgabe, sich um ihn zu kummern. Hier wird an die traditionelle Rolle der Frau, das Behuten und Umsorgen der Familie angeknupft. Diese spezielle Funktion findet sich ebenfalls im Kinderspiel mit Puppen, welche den Mutterinstinkt des Madchens stimulieren soll. Sofort ist Marie von dem Nussknacker fasziniert und entwickelt Behutungsgefuhle und Zuneigung zu ihm. In ihren Traumen, erweckt der Nussknacker zum Leben und auch alle anderen unbelebten Dinge, wie z.B. ihre Puppen werden lebendig. Faszinierend ist weiterhin die Funktionszuschreibung des Nussknackers (Funktion Nusse zu knacken), die durch Marie relativiert wird, so dass der Nussknacker als Gegenstand seinen Funktionscharakter durch Marie verliert. Durch die Liebe zum Nussknacker und dem Einzug in das Puppenreich werden Marie und der Nussknacker von der Gesellschaft losgelost und verlieren somit auch ihre Funktion innerhalb der Gesellschaft. Die weibliche Sozialisation Maries verlauft in dieser Erzahlung gegen die Erwartungen der Familie und der Gesellschaft. Anfang des 19. Jahrhunderts, als der Text Nussknacker und Mausekonig? 1816 veroffentlicht wurde, gab es fest verankerte gesellschaftliche Normen und Werte. So gab es genaue Regeln und Rituale, die dem Individuum von klein auf erzieherisch vermittelt wurden. Kinder dieser Zeit konnten oftmals ihre Kindheit nicht richtig ausleben, deshalb waren das Traumen und Phantasieren Zufluchtsmechanismen aus der starr wirkenden Realitat, um die Kindheit wenigstens in den Traumen auszuleben.[20] Die Jungen wurden zum Einen durch das Spielen mit Militarfiguren zu kampferischen, dem militarischen Habitus dienenden Mannern herangezogen, wahrend Frauen simultan primar zu „Behutern der Familie“ indoktriniert wurden. Maries Bruder Fritz entspricht seiner Rollenzuschreibung und wird durch das Kinderspiel mit den
[...]
[1] Vgl. Goetz, Joachim (1997): Klassische Traumtheorien und die Neurobiologie des Traumens. In: Aufklarung und Kritik, Bd.1, 1998. URL: http://www.joachim-goetz-nuernberg.de/goetz_freud.pdf. (Download vom 26.05.18). S. 95f.
[2] Vgl. Freud, Sigmund (1989): Vorlesungen zur Einfuhrung in die Psychoanalyse und Neue Folge (Studienausgabe) Bd.1, 6. Auflage, S. Fischer - Verlag. S. 128.
[3] Vgl. ebd., S. 144.
[4] Vgl. ebd., S. 143.
[5] Vgl. ebd., S. 134f.
[6] Vgl. ebd., S. 128 ff.
[7] Vgl. Freud, Sigmund (1982): Das Ich und das Es. In: Die Zeit Online, Bd. 41. URL: https://www.zeit.de/1982/41/das-ich-und-das-es. (Download vom 26.05.18)
[8] Vgl. Freud, Sigmund (1989): Vorlesungen zur Einfuhrung in die Psychoanalyse, S. 139ff.
[9] Vgl. ebd., S. 144f.
[10] Vgl. ebd., S 150ff.
[11] Vgl. ebd., S. 153ff.
[12] Vgl. ebd., S. 154f.
[13] Vgl. Freud, Sigmund (1989): Vorlesungen zur Einfuhrung in die Psychoanalyse, S. 156.
[14] Ebd., S. 157.
[15] Vgl. ebd., S. 157.
[16] Vgl. Freud, Sigmund (1989): Vorlesungen zur Einfuhrung in die Psychoanalyse, S. 157.
[17] Hoffmann, E.T.A. (1816): Nussknacker und Mausekonig?. In: Ursula Segebrecht, Wulf Segebrecht (Hrsg.) (2008): Die Seperationsbruder. Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch. Band 28. 2. Auflage, Frankfurt am Main.
[18] Vgl. Prof. Dr. Kummerling - Meibauer, Bettina (2012): Hoffmann, E.T.A.: NuBknacker und Mausekonig. In: Kinder- und Jugendliteratur. Eine Einfuhrung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
[19] Hoffmann, E.T.A. (1816): Nussknacker und Mausekonig?, S. 253.
[20] Vgl. Kocka, Jurgen: Burger und Burgerlichkeit im Wandel. In: Bundeszentrale fur politische Bildung. Politik und Zeitgeschichte. APUZ 9-10/2008. URL: http://www.bpb.de/apuz/31372/buerger-und-buergerlichkeit-im- wandel?p=all. (Download vom 28.05.18)
- Arbeit zitieren
- Nicole Lieber (Autor:in), 2018, Traumdinge. Manifester Trauminhalt und latente Traumgedanken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/441422
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