Drei Jahrzehnte lang arbeitete der 1998 verstorbene Niklas Luhmann, als der Begründer der modernen Systemtheorie geltend, an seinem zentralen Werk, einer interdisziplinär wirksamen Theorie der Gesellschaft. 1997, ein Jahr vor seinem Tod, legte er mit "Die Gesellschaft der Gesellschaft" sein opus magnum vor, welches den hohen Anforderungen einer modernen Soziologie gerecht werden sollte. Dazu entwarf Luhmann einen komplexen und differenzierten Begriffsapparat, den er für die Soziologie seit langem forderte, und ließ seine Analysen auf Prämissen basieren, die Paradoxien nicht aus- und den Faktor Selbstreferenz ständig einschließen. Luhmanns Ausgangspunkt ist die Beobachtung der Unwahrscheinlichkeit der Stabilität so vieler sozialer Systeme. Dabei nimmt er gegenüber eher klassischen theoretischen Ansätzen wie z.B. die Talcott Parsons' oder Jürgen Habermas' oftmals eine sehr kritische Position ein.
Die vorliegende Arbeit kann nicht die gesamte Wiedergabe oder gar eine weitere Analyse des luhmann'schen Theorienkonstrukts mit seinen vielfältigen interdisziplinären Facetten leisten; sie soll vielmehr einen Einblick geben in den von Niklas Luhmann in "Die Gesellschaft der Gesellschaft" etablierten Gesellschaftsbegriff, um im Folgenden seine Konzeption der Funktionssysteme und der sozialen Systeme Interaktion und Organisation vorzustellen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Niklas Luhmanns Gesellschaftsbegriff
3. Funktions- und Sozialsysteme in der Gesellschaft
3.1. Entstehung funktionaler Differenzierung
3.2. Funktionssysteme
3.3. Interaktion
3.4. Organisation
4. Fazit
Literatur
1. Einleitung
Drei Jahrzehnte lang arbeitete der 1998 verstorbene Niklas Luhmann, als der Begründer der modernen Systemtheorie geltend, an seinem zentralen Werk, einer interdisziplinär wirksamen Theorie der Gesellschaft. 1997, ein Jahr vor seinem Tod, legte er mit „Die Gesellschaft der Gesellschaft“ sein opus magnum vor, welches den hohen Anforderungen einer modernen Soziologie gerecht werden sollte. Dazu entwarf Luhmann einen komplexen und differenzierten Begriffsapparat, den er für die Soziologie seit langem forderte, und ließ seine Analysen auf Prämissen basieren, die Paradoxien nicht aus- und den Faktor Selbstreferenz ständig einschließen. Luhmanns Ausgangspunkt ist die Beobachtung der Unwahrscheinlichkeit der Stabilität so vieler sozialer Systeme. Dabei nimmt er gegenüber eher klassischen theoretischen Ansätzen wie z.B. die Talcott Parsons’ oder Jürgen Habermas’ oftmals eine sehr kritische Position ein.[1]
Die vorliegende Arbeit kann nicht die gesamte Wiedergabe oder gar eine weitere Analyse des luhmann’schen Theorienkonstrukts mit seinen vielfältigen interdisziplinären Facetten leisten; sie soll vielmehr einen Einblick geben in den von Niklas Luhmann in „Die Gesellschaft der Gesellschaft“ etablierten Gesellschaftsbegriff, um im Folgenden seine Konzeption der Funktionssysteme und der sozialen Systeme Interaktion und Organisation vorzustellen.
2. Niklas Luhmanns Gesellschaftsbegriff
Luhmann selbst erklärt, er wage den Übergang zu einem „radikal antihumanistischem, einem radikal antiregionalistischen und einem radikal konstruktivistischen Gesellschaftsbegriff“[2], bei dem der Modus der Selbstbeobachtung vorherrscht, ausgehend vom Konstrukt autopoietischer Systeme und zahlloser struktureller Kopplungen.[3] So kann nach Luhmann eine Gesellschaftstheorie nur eine Selbstreflexion bzw. Selbstbeschreibung der Gesellschaft liefern, da niemand die Gesellschaft von außen betrachten kann. Es kann niemanden geben, der außerhalb der Gesellschaft steht, um sie vollständig objektiv zu analysieren.[4] Darum ist der ist die Erkenntnis der selbstreferentiellen Beobachtung, bei der die Operation der Beobachtung stets in das Bezeichnete eingeschlossen bleibt (wie es beim Entwurf einer Gesellschaftstheorie ja der Fall ist) für Luhmann so wichtig.[5]
Eine Gesellschaftstheorie muss nach Luhmann die Theorie des umfassenden sozialen Systems sein, das alle anderen sozialen Systeme in sich einschließt.[6]
Nun definiert Luhmann entgegen den traditionellen Ansätzen Gesellschaft nicht als basierend auf Individuen oder sozialen Beziehungen, sondern stellt in seinem Entwurf gänzlich auf den Faktor Kommunikation ab. Ohne Kommunikation kann es keine Gesellschaft geben, und ohne Gesellschaft auch keine Kommunikation, es herrscht sozusagen ein zirkuläres Verhältnis vor. Ebenso sind die Grenzen der Gesellschaft nicht territorialer Natur. „Die Grenzen der Gesellschaft sind [...] die Grenzen der Kommunikation“, außerhalb der Gesellschaft gibt es keine Kommunikation.[7] Der Mensch, die physischen Körper, sind bei Luhmann Umwelt der Gesellschaft.[8]
Die Kommunikationen selbst sind dabei ständig strukturell an Bewusstsein gekoppelt, da nur das Bewusstsein zu sinnlicher Wahrnehmung imstande ist[9], und sie implizieren einen reflexiven Selbstbezug; Luhmann formuliert dies in dem anfangs verwirrenden Ausspruch „Kommunikation kommuniziert immer auch, dass sie kommuniziert“.[10]
Überhaupt nimmt das Bewusstsein in den von Luhmann vorgestellten Außenbedingungen der Autopoiesis eine Sonderstellung ein, da es durch seine hochselektive Wahrnehmung erst einen Zugang jeglicher Außeneinflüsse auf die Kommunikation und damit eine differenzierte Kommunikation ermöglicht. Denn: Kein natürlich-physikalischer Faktor von außen kann direkt auf Kommunikation zugreifen oder sie direkt beeinflussen. Dies kann nur durch die Wahrnehmung und Selektion des Bewusstseins geschehen, dass die folgende Kommunikation entsprechend kontrolliert und modifiziert. So sind Bewusstseinssysteme und Kommunikationssysteme also direkt strukturell aneinander gekoppelt.[11]
Kommunikation besteht bei Luhmann aus den drei Elementen Mitteilung, Information und Verstehen. Die Komponente Verstehen sorgt dafür, dass Kommunikation mehr als das bloße Wahrnehmen des Verhaltens anderer ist. Bei Kommunikation wird selektiert, durch die Unterscheidung von Mitteilung und Information wird es möglich, Bedeutungen zu erkennen bzw. zuzuweisen.[12]
„Im operativen Vollzug [...] reproduziert die Kommunikation die Geschlossenheit des Systems“[13], und zwar eben durch die ständige Unterscheidung von Information und Mitteilung, auf die sich jede Anschlusskommunikation dann beziehen kann.
Die operative Geschlossenheit des autopoietischen Systems, als welches Luhmann die Gesellschaft definiert, hat zur Folge, dass die Gesellschaft als Kommunikationssystem ausschließlich in sich selbst, sicherlich auch über sich, aber keinesfalls mit sich selbst kommunizieren kann. Das gleiche gilt, betrachtet man das Verhältnis zur Umwelt: Die Gesellschaft kann über ihre Umwelt kommunizieren, nicht aber mit ihrer Umwelt.[14]
Die Reduktion aller Vorgänge in den sozialen Systemen auf den Faktor Kommunikation ist bedeutendes Basiselement der luhmann’schen Theorien. Generell ist das Reduzieren komplexer Phänomene und Sachverhalte auf basale, dafür begrifflich ausdifferenzierte Erklärungen eines von Luhmanns Zielen. So ist die Gesellschaft bei Luhmann auch nur ein Typus sozialer Systeme. Abstellend auf das Phänomen der funktionalen Differenzierung präsentiert er ferner die sozialen Systeme der Interaktion und der Organisation. Dies soll im folgenden Kapitel behandelt werden.
3. Funktions- und Sozialsysteme in der Gesellschaft
3.1. Entstehung funktionaler Differenzierung
In seinen Ausführungen über die Entstehung dessen, was er nunmehr als „Weltgesellschaft“[15] bezeichnet, beschreibt Niklas Luhmann den Übergang einer stratifikatorischen zu einer funktional differenzierten Gesellschaft.
Dabei stellt Luhmann fest, dass lange Phasen der Geschichte der menschlichen Gesellschaft geprägt sind durch die soziale und kulturelle Formung der stratifikatorischen, das heißt auf Rangordnung wie die Dominanz des Adels und Klerus’ basierenden, Gesellschaft. Eine solche ständisch gegliederte, auf Herkunft abstellende und stark hierarchisch gegliederte, religiös legitimierte Gesellschaftsform ist im vormodernen Europa bis ins 16. Jahrhundert hinein zu beobachten. Durch das ansteigen der Komplexität der Gesellschaft ab diesem Zeitraum, durch die Entstehung einer weiteren Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Teilsysteme, die spezielle Funktionen übernehmen, und die damit verbundene gesteigerte Trennung von Staat, sprich: politischem System, und Kirche, also religiösem System, durch die Entdeckung des gesamten Erdballs von Europa aus und die in den folgenden Jahrhunderten ausgeweitete „interkontinentale“ Kommunikation wurde das Bild einer streng nach Ständen organisierten Gesellschaft allmählich verdrängt durch den „neuen“ Typus einer funktional differenzierten Gesellschaft, in der spezielle Qualifikationen und Befähigungen und spezialisierte, sich ergänzende Aufgabenbereiche (und letztlich auch individueller Erfolg) über Status und Position eines Menschen entschieden, und weniger der Ort der Geburt oder die Standeszugehörigkeit des Vaters.[16] Anfänglich freilich ein regionaler Prozess, entwickelte sich das Phänomen der funktionalen (Aus)Differenzierung mit der Zeit universaler und globaler.[17]
[...]
[1] vgl. LUHMANN, Niklas, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1997, S. 16 ff.
[2] LUHMANN, GG, S. 35
[3] Den Begriff der Autopoiesis übernimmt Luhmann vom chilenischen Biologen Humberto Maturana und überträgt sie auf geschlossene Systeme, die sich dadurch kennzeichnen, dass spezifische Operationen nur in ihnen stattfinden. So bezeichnet er Autopoiesis als „Produktion des Systems durch sich selber“ (LUHMANN, GG, S. 97); vgl. BARALDI, Claudio, CORSI, Giancarlo, ESPOSITO, Elena, GLU: Glossar zu Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme, 3. Auflage, Frankfurt a. M. 1999, S. 29 ff. und S. 186 ff.
[4] vgl. LUHMANN, GG, S. 86 f.
[5] vgl. GLU, S. 163
[6] LUHMANN, GG, S. 78
[7] GLU, S. 63
[8] Die Unterscheidung zwischen System und Umwelt spielt eine zentrale Rolle bei Luhmann: Systeme grenzen sich durch interne Operationen von ihrer Umwelt ab, wodurch eine Unterscheidung möglich wird. Umwelt und System entstehen also immer gleichzeitig, jedes System hat seine „eigene“ Umwelt; vgl hierzu LUHMANN, GG, S. 60 ff. und GLU, S. 195 ff.
[9] vgl. LUHMANN, GG, S. 103
[10] vgl. LUHMANN, GG, S. 14
[11] LUHMANN, GG, S. 114
[12] GLU, S. 89 ff.
[13] LUHMANN, GG, S. 97
[14] LUHMANN, GG, S. 96
[15] vgl. LUHMANN, GG, S. 145
[16] vgl. hierzu LUHMANN, GG, S. 145 ff., S. 678 ff. und 707 ff., sowie KARLE, Isolde, Seelsorge in der Moderne. Eine Kritik der psychoanalytisch orientierten Seelsorge, Neukirchen- Vluyn 1996, S. 8 ff.
[17] LUHMANN, GG, S. 712
- Citar trabajo
- Roman Möhlmann (Autor), 2003, Die Gesellschaft, ihre Funktions- und ihre Sozialsysteme bei Niklas Luhmann, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44122
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