Arthur Schnitzlers Werk „Traumnovelle“ ist seit seinem Erscheinen viel diskutiert und gedeutet worden. Ich werde mich in meiner Arbeit darauf beschränken, eine narratologische Analyse der Traumnovelle anzufertigen und zu diskutieren, inwieweit sie der Gattung Novelle entspricht.
Im ersten Teil werde ich die Vorrausetzungen für die Analyse schaffen, indem ich die Gattung Novelle bespreche und Bezug auf den Text nehme.
Im zweiten Teil werde ich mit Hilfe der im Einführungsseminar erarbeiteten Arbeitstechniken den Text der Novelle nach den Strukturen Zeit, Modus und Stimme analysieren.
Abschließend werde ich dies Ergebnisse diskutieren und Überlegungen zur Interpretation anstellen.
Inhalt
Einleitung
1. Voraussetzungen für die Textanalyse
1.1 Erscheinungsort der Traumnovelle
1.2 Gattung Novelle und intertextuelle Bezüge
2. Narratologische Textanalyse
2.1 Subjekt und Adressat des Erzählens
2.2 Erzählzeitpunkt, Zeitstruktur und Gliederung
2.3 Stellung des Erzählers zum Geschehen
2.4 Distanz
2.5 Fokalisierung
3. Diskussion der Analyseergebnisse (Überlegungen zur Interpretation)
Einleitung
Arthur Schnitzlers Werk „Traumnovelle“ ist seit seinem Erscheinen viel diskutiert und gedeutet worden. Ich werde mich in meiner Arbeit darauf beschränken, eine narratologische Analyse der Traumnovelle anzufertigen und zu diskutieren, inwieweit sie der Gattung Novelle entspricht.
Im ersten Teil werde ich die Vorrausetzungen für die Analyse schaffen, indem ich die Gattung Novelle bespreche und Bezug auf den Text nehme.
Im zweiten Teil werde ich mit Hilfe der im Einführungsseminar erarbeiteten Arbeitstechniken den Text der Novelle nach den Strukturen Zeit, Modus und Stimme analysieren.
Abschließend werde ich dies Ergebnisse diskutieren und Überlegungen zur Interpretation anstellen.
1. Voraussetzungen für die Textanalyse
1.1 Erscheinungsort der Traumnovelle
Die „Traumnovelle” erschien erstmals 1926 als Buchausgabe bei S. Fischer in Wien, nachdem sie schon vorab in der Zeitschrift "Die Dame" veröffentlicht worden war. Sie nimmt zwar nicht in der Thematik, aber doch in ihrer Ausführung eine Sonderstellung im Werk Arthur Schnitzlers ein; thematisch erinnert die „Traumnovelle” stark an die Erzählung „Die Hirtenflöte“, die 1911 erschienen ist.
Beide Erzählungen handeln von einem Ehepaar, das mit unterschiedlichen Wünschen und Vorraussetzungen diese Verbindung eingegangen ist, und in beiden Ehen gibt es ein Moment, in dem der eine Partner aus dieser Verbindung moralisch ausbricht oder auszubrechen versucht, wodurch die Ehe in eine Krise gerät. Der wesentliche Unterschied ist jedoch der Ausgang. Während in der Hirtenflöte am Ende die Trennung steht, finden Fridolin und Albertine in der „Traumnovelle” wieder zueinander, da sie ihre Probleme einander anvertraut und verarbeitet haben. Somit stellt die „Traumnovelle” einen Entwicklungsprozess dar, den wohl auch Schnitzler selbst in seinem Beziehungsbild durchlaufen hat.
Seit frühester Jugend war Arthur Schnitzler ein vielbeschäftigter Liebhaber. Erst im Alter von 41 Jahren, 1903, heiratete er seine langjährige Geliebte Olga Gussmann, die ihm 1902 seinen Sohn Heinrich geboren hatte. Die Ehe kriselte jedoch bald, da Schnitzler Olga immer wieder betrog und sie sich zudem in ihrer eigenen Karriere als Sängerin behindert fühlte. 1921 schließlich wurde die Ehe geschieden, nachdem Olga sich ihrerseits einen Liebhaber genommen hatte; die gemeinsame Tochter blieb bei Schnitzler, während der Sohn seine eigenen Wege ging.
Betrachtet man die vielen Affären Arthur Schnitzlers, so ist es verwunderlich, dass er selbst mit Eifersucht reagierte, wenn ihn eine seiner Geliebten betrog. Ein langes und leidenschaftliches Verhältnis mit der Schauspielerin Marie (Mizi) Glümer beendete er, nachdem er von ihrem Betrug erfahren hatte, die Ehe mit Olga Gussmann wurde geschieden, nachdem sie ein Verhältnis begonnen hatte. Doch ein Jahr nach seiner Scheidung traf er den Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud, und hatte mehrere intensive Gespräche mit ihm. Vielleicht hat er durch Freud diese Ebene der Problembewältigung kennen gelernt, wie sie in der „Traumnovelle” beschrieben ist, und auch in der Forschungsliteratur wird in Bezug auf die Interpretation der „Traumnovelle” immer wieder der Name Sigmund Freuds genannt.
1.2 Gattung Novelle und intertextuelle Bezüge
Die Gattung Novelle bezeichnet eine "zyklisch angelegte Kurzform offenen Erzählens mit betontem Geschehnismoment".“[1] Typisch für die frühen Novellen ist die zyklische Erzählweise und die Steigerung hin zu einem „markanten Mittelpunkterlebnis, das menschliches Verhalten als Kasus aufwirft.“[2] Oder wie Goethe es formulierte: Die Novelle erzählt eine „unerhörte Begebenheit“ (Goethe, Gespräche mit Ekkerman, 29. Januar 1827). Gattungstypisch umgesetzt wurde die Novelle durch den Erzählzyklus des Decamerone von Boccaccio: in einer fiktiven Rahmenhandlung erzählen zehn Personen an zehn Abenden jeweils zehn Geschichten (Decamerone = Das Buch der 100 Novellen). Hier kann man sehr gut den erzählerischen Charakter der Novelle feststellen, das Erzählen als der „mündliche Vortrag in Gesellschaft.“[3] Auch damals schon handelten die meisten Geschichten von den Konflikten, die der Einzelne in seinem Bestreben nach persönlichem Glück mit den Ansprüchen der Gesellschaft an ihn auszutragen hat, und bringen Grenzen zur Sprache, denen das menschliche Handeln unterworfen ist.
Nicht nur der Titel „Traumnovelle“ zeigt uns an, dass es sich bei Arthur Schnitzlers Werk um eine Novelle handelt, sondern auch inhaltlich und thematisch ist dies festzustellen.
Das Erzählen nimmt in der „Traumnovelle” eine wichtige Funktion ein: schon der erste Absatz handelt davon, wie das Kind den Eltern aus einem Mädchen vorliest. Weiterhin nimmt das Gegenseitige Erzählen eine wichtige Stellung in der Beziehungssituation und der Bewältigung der Eheprobleme ein. So z.B. als Albertine Fridolin ihren Traum erzählt[4] oder gegen Ende, als Fridolin nach der zweiten Nacht nach Hause zurückkehrt, weinend vor seiner Frau zusammenbricht und sagt "Ich will dir alles erzählen“[5].
2. Narratologische Textanalyse
2.1 Subjekt und Adressat des Erzählens
In der „Traumnovelle” finden wir eine extradiegetische, personale Erzählsituation vor. Der Erzähler der Geschichte ist uns nicht bekannt und kein Teil einer faktualen oder fiktiven Rahmen– oder Binnenhandlung; er enthält sich jeglicher Kommentare und Wertungen und beschränkt sich rein auf die Erlebnisse des Protagonisten.
2.2 Erzählzeitpunkt, Zeitstruktur und Gliederung
In der Geschichte finden sich nur bedingt zeitliche Angaben, die einen Schluss auf den Erzählzeitpunkt zulassen. Da währe zum einen die Redoute, das Ballfest, „an dem sie gerade noch vor Karnevalsschluss teilzunehmen sich entschlossen hatten.“[6], zum anderen die häufigen Anspielungen auf das Tauwetter und den nahenden Frühling (vgl. S.14, S.27). Somit kann man den Erzählzeitpunkt in etwa auf die Monate Februar oder März beschränken. Allerdings ist es nicht einfach, das Jahr zu bestimmen, da einerseits noch mit Kutschen und Droschken gefahren und das Treppenhaus mit Kerzen beleuchtet wird („Er leuchtete von unten aus so lange mit der Kerze, bis Fridolin im ersten Stockwerk geklingelt hatte.“[7] ), es aber andererseits schon ein Telefon gibt („Er [...] begab sich [...] auf die Poliklinik und telefonierte vor allem nach Hause [...].“[8] ). Geht man vom Veröffentlichungsdatum aus, ist es gut möglich, dass die Novelle in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts angesiedelt ist. Sieht man allerdings von diesen wenigen Indizien ab, kann die Geschichte ebenso gut zu jeder anderen Zeit des 20. Jahrhunderts spielen, da keinerlei geschichtliche Bezüge auftreten und die Traumnovelle somit an keine Zeit gebunden ist.
Der Erzählzeitpunkt liegt eindeutig nach den Geschehnissen, die erzählt werden, wie viel Zeit jedoch zwischen dem Erzähltem und dem Erzählen liegen, kann man nicht bestimmen.
[...]
1 Fricke, Harald (Hsg.): Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Berlin, New York: Walter de Gruyter, 2000, S. 725
[2] Ebda., S. 726
[3] Ebda., S. 727
[4] Schnitzler, Arthur: Traumnovelle. München: SZ Bibliothek, 2004, S. 57ff.
[5] Ebda., S. 92
[6] Ebda. S. 5
[7] Ebda. S. 35
[8] Ebda. S. 68
- Quote paper
- Katharina Eichler (Author), 2005, Narratologische Analyse von Schnitzlers "Traumnovelle", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/439462
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