Die Stromausfälle in europäischen und amerikanischen Metropolen im Sommer 2003 werfen die Frage auf, in wie fern die Energie-Versorgungssicherheit trotz (oder gerade auf Grund von) Deregulierung und Liberalisierung zukünftig gegeben sein wird. Diese Fragestellung ist von großem wirtschaftlichem Interesse, da in einer modernen arbeitsteiligen Gesellschaft eine sichere und kontinuierliche Energieversorgung von außer-ordentlicher Wichtigkeit ist.
Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Konformität von Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit auseinander. Zunächst soll dazu im Abschnitt B. das energiepolitische Zielsystem im Einzelnen vorgestellt werden. Abschnitt C. stellt die europäische Rahmengesetzgebung sowie die Umsetzung in Deutschland dar. Eine Zusammenfassung und Bewertung folgt in Abschnitt D.
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
B. Das Zieldreieck der Energieversorgung
I. Einleitung
II. Wettbewerbsfähigkeit
1. Sonderrolle der Energieversorgung
2. Natürliches Monopol und Bottlenecks
3. Disaggregierte Betrachtung des Stromsektors
4. Wettbewerbspolitische Eingriffe
III. Versorgungssicherheit
1. Ausgangspunkt
2. Preisregulierung und Versorgungssicherheit
3. Ansätze der Preisregulierung
4. Preisregulierung und Qualität
IV. Umweltschutz
C. Aktuelle gesetzliche Situation und Entwicklung
I. Rechtlicher Rahmen durch die EU
II. Ausgestaltung in Deutschland
D. Zusammenfassung
E. Literaturverzeichnis
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Tab. 1: Lokalisierung monopolistischer Bottleneck-Einrichtungen
Abb. 1: Natürliches Monopol durch subadditive Kostenfunktion
Abb. 2: Disaggregierte Betrachtung des Strommarktes
A. Einleitung
Die Stromausfälle in europäischen und amerikanischen Metropolen im Sommer 2003 werfen die Frage auf, in wie fern die Energie-Versorgungssicherheit trotz (oder gerade auf Grund von) Deregulierung und Liberalisierung zukünftig gegeben sein wird. Diese Fragestellung ist von großem wirtschaftlichem Interesse, da in einer modernen arbeitsteiligen Gesellschaft eine sichere und kontinuierliche Energieversorgung von außerordentlicher Wichtigkeit ist.
Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Konformität von Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit auseinander. Zunächst soll dazu im Abschnitt B. das energiepolitische Zielsystem im Einzelnen vorgestellt werden. Abschnitt C. stellt die europäische Rahmengesetzgebung sowie die Umsetzung in Deutschland dar. Eine Zusammenfassung und Bewertung folgt in Abschnitt D.
B. Das Zieldreieck der Energieversorgung
I. Einleitung
Die europäische Energieversorgung sieht sich mit einem Zieldreieck konfrontiert, dessen drei „Ecken“ von aktueller Bedeutung sind:
1. In den letzten Jahren vollzog sich in vielen Wirtschaftsbereichen ein politischer Paradigmenwechsel von der staatlichen Regulierung hin zur Liberalisierung, um ökonomischeres und kundenfreundlicheres Wirtschaften zu ermöglichen. Für die Energieversorgung bedeutet dies, historisch begründete Monopole abzubauen und den ehemaligen Monopolisten sowie potenziellen Marktneulingen ein faires Wettbewerbsumfeld zu bieten. Doch ist die Energiewirtschaft überhaupt wettbewerbsfähig? Und wenn dies partiell nicht der Fall sein sollte, verhindert dies dann Wettbewerb auf dem Gesamtmarkt?
2. Ferner spielt die Versorgungssicherheit eine wichtige Rolle: Angesichts der großen Wichtigkeit einer zuverlässigen Energieversorgung für die Wirtschaft muss es Ziel der Energieversorger sein, Energie kontinuierlich zur Verfügung zu stellen. Dies betrifft einerseits die Verfügbarkeit geeigneter (i.d.R. fossiler) Energiequellen (Primärenergie), andererseits die zuverlässige Produktion und Distribution von Strom (Sekundärenergie) zu den Endverbrauchern.[1] Dabei stellt sich die wichtige Frage, wie für ein sicheres, d.h. modernes und hinreichend leistungsstarkes Netz gesorgt werden kann.
3. In Anbetracht der engen Verknüpfung von Energiegewinnung und Umweltbelastung[2] muss eine moderne Klimapolitik stets auch den Umweltschutz als Ziel vor Augen haben. Durch die Anerkennung von Umweltschutz als Staatsziel[3] und das geplante Kyoto-Abkommen wird dieses Ziel unterstrichen. Aber was bedeutet dies für die erstgenannten Ziele?
Die aktuellen Herausforderungen der Strompolitik können nur bewältigt werden, wenn alle drei Zieldimensionen – trotz teilweiser Widersprüche - gemeinsam und gleichrangig verfolgt werden[4]. Die nachfolgende Betrachtung wird den Schwerpunkt auf die beiden erstgenannten Dimensionen legen.
II. Wettbewerbsfähigkeit
1. Sonderrolle der Energieversorgung
Im Rahmen einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland herrscht, gilt die Grundmaxime, Wirtschaftsprozesse dezentral und privat organisieren zu lassen. Somit hat der Staat „lediglich“ die Aufgabe, einen geeigneten rechtlichen Rahmen sicherzustellen. Wenn aber der „(...) Marktmechanismus aus Angebot und Nachfrage nicht zu den volkswirtschaftlich wünschenswerten Ergebnissen führt und die Produktionsfaktoren nicht so verwendet werden, dass sie den größtmöglichen Ertrag für die Gesamtwirtschaft bringen (...)“[5], spricht man von Marktversagen. Dies dient dem Staat als Legitimation für Interventionen.
Im Energiesektor fanden solche Interventionen lange Zeit umfangreich statt. Die Präambel des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) von 1935[6], das bis zur Marktöffnung 1998 galt, gab die Richtung vor: „(...) den notwendigen öffentlichen Einfluss in allen Angelegenheiten der Energieversorgung zu sichern und volkswirtschaftlich schädliche Auswirkungen des Wettbewerbs zu verhindern (...)“. Auch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen von 1957 macht bezüglich der Stromversorgung Ausnahmen. Begründet wurde diese Jahrzehnte andauernde ordnungspolitische Sonderstellung nicht nur mit der besonderen Bedeutung einer zuverlässigen Energieversorgung (dies wäre wohl kaum ausreichend), sondern mit einigen technisch-ökonomischen Besonderheiten[7]:„
- Netzgebundenheit: Auf Grund der Notwendigkeit des netzgebundenen Energietransports vom Kraftwerk zum Verbraucher werden die grundsätzlichen Netzeffekte, vor allem Größeneffekte und Durchmischungseffekte, wirksam.
- Spitzenlastprobleme: Auf Grund der Nichtspeicherbarkeit muss Energie im Moment des Verbrauches in ausreichender Menge produziert und transportiert werden. Im Hinblick auf die starken Schwankungen im Tages- und Jahresablauf (Grundlast vs. Spitzenlast) stellt dies hohe Ansprüche an Kraftwerke und Netzkapazitäten.
- Größenprobleme: Auf Grund der technischen Komplexität findet sowohl hinsichtlich der Erzeugung als auch des Netz-Transports eine hohe und langfristige Kapitalbindung statt.
Während diese technischen Rahmenbedingungen zweifelsfrei gegeben sind, stellt sich jedoch teilweise die Frage, ob sie ordnungspolitische Ausnahmeregelungen rechtfertigen. Als Beispiel sei auf die Automobil- oder Chemieindustrie verwiesen, die ebenfalls kapitalintensive und zuverlässige Produktionsstätten benötigen, i.d.R. jedoch ohne staatliche Sonderregelungen auskommen müssen[8]. Die weitere Betrachtung soll sich daher ausschließlich mit der (anerkannten) Auswirkung der Netzgebundenheit auf die Wettbewerbsfähigkeit der Energieversorgung beschäftigen.
2. Natürliches Monopol und Bottlenecks
Von einem natürlichen Monopol wird i.d.R. gesprochen, „(...) wenn die gesamte am Markt nachgefragte Gütermenge am kostengünstigsten von einem einzigen Anbieter hergestellt werden kann. Die Kosten der gesamten Produktion durch einen Anbieter sind also geringer als die, die sich bei einer Aufteilung auf mehrere Anbieter ergeben würden.“[9] Man spricht von einer strikt subadditiven, monoton fallend verlaufenden Kostenfunktion.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Natürliches Monopol durch subadditive Kostenfunktion
Quelle: In Anlehnung an Knieps, 2001, S.24
In Bezug auf Netze (Ein-Produkt-Fall) entsteht diese Kostenfunktion durch Bündelungsvorteile (economies of scale), die zu permanent sinkenden Grenz- und Durchschnittskosten führen[10]. Somit kann nur ein Monopolist die Nachfrage zu den volkswirtschaftlich geringsten Kosten befriedigen – es liegt Wettbewerbsversagen vor. Es stellt sich die Frage der Notwendigkeit wirtschaftspolitischer Maßnahmen, um der Marktmacht des Monopolisten entgegen zu wirken.
Das Vorhandensein von Netzstrukturen stellt aber nicht zwangsläufig einen Grund für das Vorliegen von Marktmacht und somit für die Notwendigkeit staatlicher Regulierung dar. Nach der Theorie der contestable markets[11] liegt Marktmacht des natürlichen Monopols nur dann vor, wenn die bereits erwähnten Bündelungsvorteile auf irreversible Kosten[12] stoßen. Letztere sind für das eingesessene Monopol – anders als für potenzielle Wettbewerber - nicht mehr entscheidungsrelevant. Trotz ineffizienter Produktion entfällt so möglicherweise die disziplinierende Wirkung potenzieller Wettbewerber, da für diese Hit-and-run -Aktionen nicht möglich sind[13]. Man spricht dann von monopolistic bottlenecks oder Engpassressourcen .[14]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Lokalisierung monopolistischer Bottleneck-Einrichtungen
Quelle: Knieps, 2003, S. 15
Bei den hier behandelten Energienetzen ist auf Grund der Gebundenheit an einen bestimmten lokalen Markt i.d.R. von irreversiblen Kosten auszugehen. Fraglich ist aber, ob das Vorliegen von Marktmacht in einem Teil der Wertschöpfungskette regulatorische Eingriffe in den gesamten Sektor rechtfertigen.
[...]
[1] Wenngleich die Erschließung von Energiequellen ein zukünftig immer wichtigeres Thema sein wird (bereits heute deckt die EU ihren Energieverbrauch zu 50% durch eingeführte Energieträger, Tendenz steigend), konzentriert sich diese Arbeit auf die Sicherheit der Distribution von elektrischer Energie mit Hilfe von Transportnetzen
[2] Ca. ¾ der CO2-Emissionen sind auf die Verbrennung fossiler Energielieferanten zurückzuführen.
[3] Art. 20a Grundgesetz.
[4] Adamowitsch (2003), S. 692.
[5] Duden (2001).
[6] Die Tatsache, dass das Gesetz zur Zeit des Dritten Reiches verabschiedet wurde, sollte zwar beachtet werden, hat nach Ansicht diverser Autoren jedoch keine wirtschaftspolitische Bedeutung (z.B. Renz (2001), S. 64).
[7] Renz (2001), S.65.
[8] Eickhof (1993).
[9] Bögelein (1990), S.183.
[10] Ausführungen zu den einzelnen Netzeffekten z.B. bei Köster (1999) S.9 ff.; Knieps (2001) S.24 ff..
[11] Ausführlich z.B. bei Knieps (2002), S.
[12] Bei der Abwesenheit von irreversiblen Kosten ist der Marktaustritt ohne größeren finanziellen und zeitlichen Aufwand möglich.
[13] Knieps (2001), S.28-35.
[14] Ähnlich dem Konzept des natürlichen Monopols ist das Konzept der Wesentlichen Einrichtung (essential facility), das den Betreiber der Einrichtung aber als vertikal integriertes Unternehmen auffasst (ausführlicher z.B. bei Schulze (1999)).
- Quote paper
- Jörg Thurm (Author), 2004, Die leitungsgebundene Energieversorgung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43902
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