Nicht etwa ein wirtschaftlicher Aufschwung und auch nicht die Verbesserung der Lebensbedingungen sind Ursachen der verklärten Meinung, die Zwanziger Jahre seien ein goldenes Zeitalter gewesen. Was hiermit gemeint ist, sind vielmehr die rasanten Entwicklungen der Unterhaltungsindustrie. Sie ist das Hauptmerkmal dieses Jahrzehnts. Eine grundlegende Voraussetzung hierfür war ein Kontinente übergreifendes, sich verbreitendes Lebensgefühl und das Aufkommen neuer Medien. Lange Zeit erzwungene Prüderie macht der sexuellen Freizügigkeit Platz, die sich in vielen Formen der Kunst widerspiegelt. Seien es die Schlagertexte, die großen Nacktrevuen oder Darbietungen der kleinen Kabaretts. Es werden exotisch-expressionistische Tänzerinnen gefeiert, das Theater zieht mit seinen neuen Ausstattungsrevuen Massen an. Arrangeure wie Eric Charell, Hermann Haller und James Klein lassen berühmte Mädchentanzgruppen wie die Tiller-Girls ihre Beine wackeln, an denen sich das Publikum ergötzt. Auch die Kleinkunst kommt zur Blüte ihres Daseins, die Stars treten oft nach ihren regulären Abendvorstellungen in den pittoresken Kleinkabaretts auf. Komponisten wie Friedrich Hollaender, Texter wie Klabunt, Ringelnatz, Mehring und Sängerinnen wie Claire Waldorf oder Trude Hesterberg sind die angesagten Stars.
Im Rahmen des Hauptseminars Literatur in der Weimarer Republik referierte ich bereits zum Thema: „Kabarett und Revuen: Ringelnatz, Tucholsky, Mehring“ .
Den Titel meiner Präsentation „Die Goldenen Zwanziger. Kunst zwischen Kaiserreich und Diktatur“ wählte ich, da man, um einen tieferen Einblick in die Epoche der Zwanziger Jahre zu bekommen vorherige und folgende sozialgeschichtliche, historische, kulturelle, kulturpolitische und epochale Entwicklungen der verschiedenen künstlerischen Zweige miteinbeziehen muss. Hier möchte ich auch in dieser Arbeit anknüpfen. Zunächst werde ich auf verschiedene Gattungen, wie Kabarett, Revue, Varieté, Film, Operette, Schlager und deren charakteristischen Merkmale eingehen. Im Anschluss daran komme ich noch auf die großen Lyriker und Satiriker Mehring, Ringelnatz und Tucholsky zurück und werde ihr Wirken ausschnitthaft beleuchten.
Inhaltsverzeichnis
Deckblatt
Einleitung
KABARETT
DAS KABARETT „DIE ELF SCHARFRICHTER“
REVUEN
ERWIN PISCATOR UND DIE POLITISCHE REVUE ROTER RUMMEL
REVUE ROTER RUMMEL
VARIETE
DAS VARIETE WINTERGARTEN
FILM– DAS MASSENMEDIUM
DER DEUTSCHE FILM IN DER WEIMARER REPUBLIK
Die Musikszene der zwanziger Jahre
SCHLAGER IN DEN ZWANZIGERN
COMEDIEN HARMONISTS
NONSENS SCHLAGER
JAZZ - DAS RHYTMISCHE DELIRIUM
OPERETTE
JOACHIM RINGELNATZ
KURT TUCHOLSKY
WALTER MEHRING
LITERATURVERZEICHNIS
Einleitung
Nicht etwa ein wirtschaftlicher Aufschwung und auch nicht die Verbesserung der Lebensbedingungen sind Ursachen der verklärten Meinung, die Zwanziger Jahre seien ein goldenes Zeitalter gewesen. Was hiermit gemeint ist, sind vielmehr die rasanten Entwicklungen der Unterhaltungsindustrie. Sie ist das Hauptmerkmal dieses Jahrzehnts. Eine grundlegende Voraussetzung hierfür war ein Kontinente übergreifendes, sich verbreitendes Lebensgefühl und das Aufkommen neuer Medien. Lange Zeit erzwungene Prüderie macht der sexuellen Freizügigkeit Platz, die sich in vielen Formen der Kunst widerspiegelt. Seien es die Schlagertexte, die großen Nacktrevuen oder Darbietungen der kleinen Kabaretts. Es werden exotisch-expressionistische Tänzerinnen gefeiert, das Theater zieht mit seinen neuen Ausstattungsrevuen Massen an. Arrangeure wie Eric Charell, Hermann Haller und James Klein lassen berühmte Mädchentanzgruppen wie die Tiller-Girls ihre Beine wackeln, an denen sich das Publikum ergötzt. Auch die Kleinkunst kommt zur Blüte ihres Daseins, die Stars treten oft nach ihren regulären Abendvorstellungen in den pittoresken Kleinkabaretts auf. Komponisten wie Friedrich Hollaender, Texter wie Klabunt, Ringelnatz, Mehring und Sängerinnen wie Claire Waldorf oder Trude Hesterberg sind die angesagten Stars.
Im Rahmen des Hauptseminars Literatur in der Weimarer Republik referierte ich bereits zum Thema: „Kabarett und Revuen: Ringelnatz, Tucholsky, Mehring“ .
Den Titel meiner Präsentation „Die Goldenen Zwanziger. Kunst zwischen Kaiserreich und Diktatur“ wählte ich, da man, um einen tieferen Einblick in die Epoche der Zwanziger Jahre zu bekommen vorherige und folgende sozialgeschichtliche, historische, kulturelle, kulturpolitische und epochale Entwicklungen der verschiedenen künstlerischen Zweige miteinbeziehen muss. Hier möchte ich auch in dieser Arbeit anknüpfen. Zunächst werde ich auf verschiedene Gattungen, wie Kabarett, Revue, Varieté, Film, Operette, Schlager und deren charakteristischen Merkmale eingehen. Im Anschluss daran komme ich noch auf die großen Lyriker und Satiriker Mehring, Ringelnatz und Tucholsky zurück und werde ihr Wirken ausschnitthaft beleuchten.
KABARETT
Der Begriff Kabarett stammt von dem französischen Begriff „Cabaret“ (Schenke, Kneipe) ab. Dieser Ausdruck bezeichnet eine Kleinkunstbühne, auf der verschiedene Formen und Ausdrucksmittel des Theaters, der Literatur und der Musik miteinander verbunden werden. Das Kabarett stellt eine Mischung aus Kunst und Unterhaltung dar. Die Aufführungen beinhalten Travestie-, Parodie-, Karikatur- und Tanznummern aber auch artistische Kunststücke. Man kann hier Ähnlichkeiten zum Varieté feststellen, wie z.B. die lockere und bunte Programmfolge der einzelnen Nummern. Der Unterschied determiniert sich jedoch in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Zeitgeschehen.
Als Anfangspunkt der Kabarett-Tradition setzt man die Eröffnung des „Chat Noir“ in Paris am 18. November 1881 durch den Maler Rudolphe Salis. Salis bezeichnete sein Kabarett als „Cabaret artistique“ (Künstlerkneipe) um den Gegensatz zu den gewöhnlichen „Cabarets“ (Kneipen ohne Künstlerdarbietungen) hervorzuheben. Auf der Bühne des „Cabaret artistique“ fand man Sänger, Dichter, Komponisten sowie Amateure, die sozialkritische Chansons, Volks- und Liebeslieder vortrugen oder Kommentare und Stellungnahmen zu politischen und gesellschaftlichen Zuständen in Form von Gedichten, Parodien, Pantomimen und Schattentheatern darboten.
Das politisch-literarische Kabarett kommt nach und nach von Frankreich nach Deutschland. Im Deutschen Reich entstanden erste Kabaretts um die Jahrhundertwende. Ernst von Wolzogen gründet 1901 das „Überbrettl“ gefolgt von „Schall und Rauch“ in Berlin. In München wird die Kabarett-Bühne „Elf Scharfrichter“ gegründet und 1903 aus dem „Simplicissimus“-Kreis um Wedekind und den Karikaturisten Th. Heine entsteht das „Simpl“. Im deutschsprachigen Wien finden sich ab 1906 das „Nachtlicht“ und die „Fledermaus“ als Vertreter dieser Gattung.
Wolzogen sagt über die Ziele seines Theaters: „Wir brauchen die soziale Satire, den politischen Witz; aber wir können verzichten auf die galligen Ausbrüche gekränkter Partei-Interessen.“
Im deutschen Sprachraum vollzieht sich schnell eine Wendung vom Kneipenbrettl zum theaterartigen Kabarett mit täglichem Programm und festen Sitzplätzen. Die Darbietungen und die Programmfolge ähnelten stark dem französischen Vorbild. Bestandteile sind Couplets, Moritate, Kabarettchansons, Tänze, Musiksstücke und Parodien auf literarische Werke, die ein „Conferencier“ miteinander verbindet.
DAS KABARETT „DIE ELF SCHARFRICHTER“
Das Kabarett „Die elf Scharfrichter“ war eines der ersten Kabaretts in Deutschland. Die Eröffnung fand am 13. April 1901 in München statt.
Die Elf Scharfrichter waren:
1. Otto Falckenberg alias Peter Luft
2. Marc Henry alias Balthasar Starr
3. Leo Greiner alias Dionysius Tod
4. Willy Rath alias Willibaldus Rost, der durch Frank Wedekind ersetzt wurde.
5. Max Langheinrich alias Max Knax
6. Wilhelm Hüsgen alias Till Blut
7. Victor Frisch alias Gottfried Still
8. Willi Oertel alias Serapion Grab
9. Ernst Neumann alias Kaspar Beil
10. Hans Richard Weinhöppel alias Hannes Ruck
11. Robert Kothe alias Frigidus Strang
Um durch die ansteigende Zahl der Mitwirkenden einem ständigen Namenswechsel vorzubeugen entschied man sich alle weiteren Mitwirkenden als Henkersknechte zu bezeichnen.
Die Henkersknechte waren:
Marie Biller
Hanns von Gumpenberg
Waldemar Hecker
Heinrich Lautensack
Reinhard Piper
Hans Richard
Ernst Stern
Als Ursachen für dieses verstärkte Interesse an dieser neuen Kabarettkunst kann man französische Gastspiele und mit der Pariser Weltausstellung einsetzender Bürgertourismus ansehen.
Revuen
Der Begriff Revue leitet sich aus dem Französischen ab und bedeutet Rückblick, Rundschau oder Parade.
Die Revue geht aus dem französischen Jahrmarktstheater des 18. Jahrhunderts hervor. Insbesondere fanden erste wichtige Ausprägungen der Revue in der Revue de fin d´annee statt. Hier wurden frivole und lustige Gesangs- sowie Tanznummern dargeboten, welche die Ereignisse des vergangenen Jahres in satirisch-kritischer Form wiedergaben. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde diese politisch-gesellschaftskritische Form von der Ausstattungsrevue abgelöst. Die großen Ausstattungsrevuen gaben dem Paris des Fin de Siecle ihr unterhaltsames Gepräge. Diese Revuen waren, wie ihr Name schon verrät, prunkvoll ausgestattet, oft erotisch und anzüglich. Sie stellten eine Synthese zwischen theatralischen Darstellungsformen begleitet von Musik, Dekoration und leicht bekleideten „Girls“ dar, welche eine lockere Reihung von Szenen, Sketchen, Bildern, Tänzen und Solonummern präsentierten[1]. Spielorte dieser Revuen waren in Paris beispielsweise das Folies-Bergére, das Moulin Rouge oder das Casino de Paris. Die französischen Vorreiter fanden bald Nachahmer in New York, London und Wien. Dort ließen sich Musical und Operette von Revueelementen beeinflussen und übernahmen diese teilweise. Im Jahr 1907 wurden die große Tanzrevue Ziegfeld Follies von Florenz Ziegfeld in Amerika gegründet. Die Revue hatte bereits vor 1914 in Deutschland Fuß gefasst. In Berlin fanden während des 1. Weltkrieges patriotische Revuen statt, welche die Moral und den Durchhaltewillen des Volkes stützen und aufrecht erhalten sollten. Nach dem Krieg folgten in Berlin große Ausstattungsrevuen im Admiralspalast und in der Komischen Oper. Friedrich Holländer schuf im Theater des Westens eine Revue mit kabarettistischen Einlagen, wo unter anderem auch Josephine Baker große Erfolge feierte. In den Revuen werden verschiedene Programmnummern meist ohne inhaltlichen Zusammenhang aneinandergereit. Diese Programmnummern bestehen aus Gesangs-, Sprech- und Tanznummern, die artistische Einlagen beinhalten können. Die Darsteller, meist Frauen, sind mit prachtvollen Kostümen ausgestattet, die Bühne ist prächtig dekoriert und es wird mit aufwendiger Bühnentechnik gearbeitet. Die Revuen waren vor allem auf den Schau- und Reizeffekt ausgerichtet und erreichten nicht nur ein breites Durchschnittspublikum, sondern auch große Teile des intellektuellen Publikums. * S.225 Aktueller Bezug!
Im Berlin der Zwanziger Jahre dominierten drei Produzenten die Ausstattungsrevueszene Eric Charell, Hermann Haller und James Klein.
Eric Charell setzt zwischen 1924 und 1927 drei große Revuen „An Alle!“, „Für Dich!“ und „Von Mund zu Mund“.
Charells erste große Ausstattungsrevue „An Alle!“ hatte 1924 im Großen Schauspielhaus in Berlin Premiere. Als Publikumsmagnet waren die „Tiller Girls“ aus London engagiert, die vor allem die Männerwelt mit ihren makellosen Beinen in Scharen anzogen. Für die Besucher war die Girlreihe der Höhepunkt der Revuen. Charell konnte für die Revue „Von Mund zu Mund“ sogar Marlene Dietrich verpflichten. Im weiteren Verlauf von Charells Karriere ging er zur Revuoperette über, die dem „Trend zur Abkehr der von der bloßen szenischen Reihung“[2] folgte. Aus der Vorkriegszeit war dem Publikum im außereuropäischen Ausland das einzelne Girl bereits durch den Choreografen Gibson bekannt oder zumindest ein Begriff. Erst in den Zwanzigern schwappte das Phänomen der Girls über den Ozean nach Europa. Die Girls wurden im Verlauf des Jahrzehnts auch auf Zelluloid gebannt, es wurden unzählige Revuefilme wie „Es leuchten die Sterne“, „Und abends in die Scala“ oder der Eis-Revuefilm „Der weiße Traum“ gedreht und im Kino gezeigt. Hier waren die „Girls“ der Höhepunkt oder bloßer Schmuck für Stars wie Marika Rökk.
Die Konkurrenz von Charell lässt nicht lange auf sich warten, ab Mitte der Zwanziger, setzen Hermann Haller im Admiralspalast und James Klein in der Komischen Oper ebenfalls auf die tanzenden Mädchen. Im Vordergrund ihrer Revuen stehen ebenfalls Tanz und Gesang, Haller übernimmt die „Original Laurence-Tiller-Girls“ in „Noch und Noch“ wohingegen Charell die „John-Tiller-Girls“ entgegensetzte. James Klein schuf in dieser Zeit die Revue „Tausend süße Beinchen“, die wie der Titel schon vermuten lässt, ebenfalls von anmutigen „Girls“ mit nahezu preußischer Disziplin geschwungen wurden. Die Stars dieser Revuen waren z. B., Trude Hesterberg, Fritzi Massary oder Claire Waldorf. Wichtige Revuekomponisten zu dieser Zeit waren Rudolf Nelson und Friedrich Hollaender.
Rudolf Nelson war mit seinen „Kleinen Revuen“ Vorreiter einer Kombination von mondäner Ausstattungsshow und aktuell-satirischen Nummern mit zugkräftigen Couplets von z.B. Mehring, Peter Panter oder Weinert.
Friedrich Hollaender wurde 1896 als Sohn des bekannten Berliner Komponisten und Kapellmeisters Victor Hollaender in London geboren. Er studierte in Berlin Musik bei Engelbert Humperdinck. Nach dem Studium wandte sich der junge Komponist der Unterhaltungsmusik zu und arbeitete u. a. für Max Reinhardt am Deutschen Theater in Berlin. Während der zwanziger Jahre avancierte Friedrich Hollaender zu einem der erfolgreichsten deutschen Schlagerkomponisten. Zu seinen bekanntesten Titeln gehören die für Marlene Dietrich geschriebenen Lieder „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ und „Ich bin die fesche Lola“ beide aus dem Film Der blaue Engel, 1929, Regie Josef von Sternberg.
Friedrich Hollaender verstand es wie kaum ein anderer die Lieder auf die individuellen Fähigkeiten der Interpreten abzustimmen, z. B. „Wenn ick mal tot bin“ für Blandine Ebinger oder Guck doch nicht immer nach dem Tangogeiger hin für Curt Bois. Hollaender komponierte aber nicht nur, vor seiner Emigration in die USA führte er im Film „Ich und die Kaiserin“ die Regie. Er inszenierte 1926 im Berliner Renaissancetheater „Laterna Magica“ und 1927 „Bei uns um die Gedächtniskirche“ als Autor und Komponist und landete mit diesen zeitkritischen Kabarettrevuen Publikumserfolge.
[...]
[1] Vgl. Hermand, Jost/Trommler, Frank. Die Kultur der Weimarer Republik. Frankfurt.1988. S.224ff.
[2] Hermand, Jost/Trommler, Frank. Die Kultur der Weimarer Republik. Frankfurt.1988. S.225
- Arbeit zitieren
- Carsten Hoffmann (Autor:in), 2005, Die Goldenen Zwanziger, Kunst zwischen Kaiserreich und Diktatur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43863
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