Organisationen aller Größen und Branchen stehen vor der Herausforderung des stetigen Wandels. In Zeiten der Digitalisierung sind effiziente Unternehmensabläufe nur durch den Einsatz einer passenden Software umzusetzen. Die Einführung dieser wird oftmals unterschätzt, weshalb viele Softwareeinführungen scheitern. Ausgangspunkt ist, dass Softwareeinführungen als Change Management Prozess angesehen werden sollten. Die vorhandenen Modelle werden jedoch als unzureichend eingestuft, da diese alle Mitarbeiter als homogene Masse ansehen. Aus diesem Grund wird die Betrachtung einer Softwareeinführung als Change Management Prozess in Verknüpfung zur Entwicklungspsychologie untersucht und findet sich in folgender Fragestellung wieder:
„Welche Aspekte spielen bei einer Softwareeinführung eine Rolle und inwiefern sind diese durch entwicklungspsychologische Altersstufen geprägt?“
Im Rahmen des explorativ gestalteten Mixed Methods Studiendesign, welches sich aus einer qualitativen und darauf aufbauenden quantitativen Teilstudie zusammensetzt, werden betroffene Anwender zu ihren Erfahrungen und Meinungen befragt. Ergebnis dieser empirischen Untersuchung ist ein Change Management Prozessmodell, welches die relevanten Aspekte einer Softwareeinführung aus Mitarbeitersicht beinhaltet.
Altersbedingte Unterschiede können tendenziell aufgezeigt, jedoch nur in wenigen Fällen signifikant nachgewiesen werden. Erkenntnisse zur unterschiedlichen Wahrnehmung der einzelnen Variablen lassen jedoch auf vorhandene altersbedingte Unterschiede schließen, die es weiter zu erforschen gilt.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Softwareeinführung als Change Management Prozess
2.1.1 Systematische Ansätze
2.1.2 Meta-Modell Change Management
2.2 Entwicklungspsychologie
2.2.1 Das Konzept der Entwicklungsaufgaben
2.2.2 Eingrenzung und Definition der Altersstufen
3 Methodische Herangehensweise
3.1 Forschungsdesign: Mixed Methods
3.2 Problemzentrierte Interviews
3.2.1 Grundlage und Stichprobe
3.2.1 Gesprächsleitfaden und Durchführung
3.2.2 Datenauswertung und Analyse
3.3 Befragung per Onlinefragebogen
3.3.1 Grundlage und Stichprobe
3.3.2 Fragebogenerstellung
3.3.3 Datenauswertung und Analyse
3.4 Gütekriterien
4 Empirische Untersuchung
4.1 Qualitative Untersuchung
4.1.1 Datenanalyse und -codierung am Beispiel von Interview II
4.1.2 Datenauswertung und Zusammenführung der Erkenntnisse
4.2 Quantitative Untersuchung
4.2.1 Probandenstichprobe
4.2.2 Deskriptive Auswertung
4.2.3 Inferenzstatistische und explorative Verfahren
4.3 Zusammenführung und Diskussion der Ergebnisse
5 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Acht-Stufen Modell des Change Managements nach Kotter
Abbildung 2: Das Zusammenwirken der Erfolgsfaktoren im Zeitablauf
Abbildung 3: Change Management Meta-Modell
Abbildung 4: Übersicht über die definierten Altersstufen
Abbildung 5: Als Mindmap visualisierter Gesprächsleitfaden
Abbildung 6: Beispielhafte Darstellung eines Fragebogenitems
Abbildung 7: Multidimensionale Skalierung der Ähnlichkeiten, Testgruppe 18-35 Jahre
Abbildung 8: Multidimensionale Skalierung der Ähnlichkeiten, Testgruppe 50-65 Jahre
Abbildung 9: Multidimensionale Skalierung der Ähnlichkeiten ohne die Variablen ByDoing & ArbSchnell, Testgruppe 18-35 Jahre
Abbildung 10: Multidimensionale Skalierung der Ähnlichkeiten ohne die Variablen ByDoing & ArbSchnell, Testgruppe 50-65 Jahre
Abbildung 11: Change Management Prozessmodell
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Überblick der psychosozialen Krisen des Erwachsenenalter nach Erikson
Tabelle 2: Übersicht der Entwicklungsaufgaben im Erwachsenenalter nach Havighurst
Tabelle 3: Auszug aus Interview II
Tabelle 4: Zusammensetzung der Stichprobe
Tabelle 5: Gruppenstatistik sowie ANOVA der Kategorie Auswahl und Software
Tabelle 6: Gruppenstatistik sowie ANOVA der Kategorie Führung
Tabelle 7: Gruppenstatistik sowie ANOVA der Kategorie Kommunikation
Tabelle 8: Gruppenstatistik sowie ANOVA der Kategorie Zielbild
Tabelle 9: Gruppenstatistik sowie ANOVA der Kategorie Beteiligung
Tabelle 10: Gruppenstatistik sowie ANOVA der Kategorie Umsetzung
Tabelle 11: Gruppenstatistik sowie ANOVA der Kategorie Befähigung
Tabelle 12: Gruppenstatistik sowie ANOVA der Kategorie persönliche Einstellung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abstract
Organisationen aller Größen und Branchen stehen vor der Herausforderung des stetigen Wandels. In Zeiten der Digitalisierung sind effiziente Unternehmensabläufe nur durch den Einsatz einer passenden Software umzusetzen. Die Einführung dieser wird oftmals unterschätzt, weshalb viele Softwareeinführungen scheitern. Ausgangspunkt ist, dass Softwareeinführungen als Change Management Prozess angesehen werden sollten. Die vorhandenen Modelle werden jedoch als unzureichend eingestuft, da diese alle Mitarbeiter als homogene Masse ansehen. Aus diesem Grund wird die Betrachtung einer Softwareeinführung als Change Management Prozess in Verknüpfung zur Entwicklungspsychologie untersucht und findet sich in folgender Fragestellung wieder:
„Welche Aspekte spielen bei einer Softwareeinführung eine Rolle und inwiefern sind diese durch entwicklungspsychologische Altersstufen geprägt?“
Im Rahmen des explorativ gestalteten Mixed Methods Studiendesign, welches sich aus einer qualitativen und darauf aufbauenden quantitativen Teilstudie zusammensetzt, werden betroffene Anwender zu ihren Erfahrungen und Meinungen befragt. Ergebnis dieser empirischen Untersuchung ist ein Change Management Prozessmodell, welches die relevanten Aspekte einer Softwareeinführung aus Mitarbeitersicht beinhaltet.
Altersbedingte Unterschiede können tendenziell aufgezeigt, jedoch nur in wenigen Fällen signifikant nachgewiesen werden. Erkenntnisse zur unterschiedlichen Wahrnehmung der einzelnen Variablen lassen jedoch auf vorhandene altersbedingte Unterschiede schließen, die es weiter zu erforschen gilt.
1 Einführung
Die Umwelt verändert sich immer schneller und Veränderungen prägen unser Leben. Unternehmen aller Größen und Branchen stehen vor der Herausforderung des Wandels. Zielvorgaben seitens der Gesellschafter, starke Zunahme an gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen im einhergehen mit Absatzrückgängen und Wettbewerbsdruck, aber auch die fortschreitende Digitalisierung zwingen die Unternehmen dazu umzudenken. Effiziente Unternehmensabläufe sind nach Klemmer (2014, S. 1) heutzutage nur noch mit dem Einsatz einer passenden Software möglich. Prozesse müssen daher neu strukturiert und an die veränderten Umweltbedingungen angepasst werden. Der Versuch, immer mehr Prozesse mit einer Software zu unterstützen und die ständige Weiterentwicklung der Softwaretechnologie zwingt die Unternehmen dazu sich immer wieder zu verändern.
Die Change Management Modelle von Kotter (2011) und Lauer (2014) beschreiben den Ablauf von Veränderungsprozessen, die nachhaltig die Akzeptanz der Mitarbeiter sicherstellen. Auch wenn diese Modelle, aufgrund ihrer Entstehungsjahre, nicht für Veränderungen durch Digitalisierung konzipiert sind, lassen sie sich dennoch auf eine Softwareeinführung transferieren. Ullrich, Vladova, Thim, und Gronau (2014, S. 769) merken zusätzlich an, dass ein erfolgreicher und schneller Wandel nur gemeinsam mit den Mitarbeitern vollzogen werden kann. Da die Mitarbeiter eine wichtige Schlüsselrolle einnehmen, ist es umso problematischer, dass diese, in den bis dato existierenden Change Management Modellen, als homogene Masse dargestellt werden. Stattdessen können und sollten Mitarbeiter nach unterschiedlichen Kriterien geclustert werden.
Wirft man einen Blick auf die Entwicklungspsychologie, ergibt sich die Möglichkeit der Kategorisierung nach Altersstufen. Die entwicklungspsychologischen Modelle von Erikson (1959) und Havighurst (1972) beschreiben, dass sich die Entwicklung und Veränderung des Denkens, Erlebens und Verhalten des Menschen über die Lebensspanne hinweg verändert. Eine Differenzierung hinsichtlich der psychologischen Entwicklungsstufen der Mitarbeiter findet allerdings in keinem Modell Berücksichtigung. Die Betrachtung einer Softwareeinführung als Change Management Prozess in Verknüpfung zur Entwicklungspsychologie scheint ein bisher unbehandeltes Gebiet zu sein und weißt keinen veröffentlichten Forschungsstand vor – dieses Forschungsdesiderat wird in der vorliegenden Arbeit aufgegriffen. Ullrich et al. (2014, S. 769) unterstreichen die Notwendigkeit einer explorativen Annäherung mit der Aussage, dass bestehende Ansätze des Change Managements für den synchronen Technologie- und Aufgabenwandel unzureichend sind und entsprechend erweitert und an die jeweilige Zielgruppe angepasst werden müssen. Um eine Software erfolgreich einzuführen, sollte der Change Management Prozess hinsichtlich der entwicklungspsychologischen Stufen erweitert werden.
Die vorliegende Arbeit verfolgt daher das Ziel, relevante Aspekte für eine erfolgreiche Softwareeinführung im Rahmen eines Change Management Prozesses zu identifizieren und des Weiteren explorativ zu untersuchen, ob und wenn ja, inwiefern dabei entwicklungspsychologische Altersstufen eine Rolle spielen. Daraus lässt sich folgende Forschungsfrage ableiten:
„Welche Aspekte spielen bei einer Softwareeinführung eine Rolle und inwiefern sind diese durch entwicklungspsychologische Altersstufen geprägt?“
Auf Basis der entwicklungspsychologischen Theorien und der qualitativen Teilstudie wird schließlich die Hypothese aufgestellt, dass der Grad der Zustimmung zu den Aspekten einer Softwareeinführung abhängig von der jeweiligen Altersstufe des Anwenders ist.
Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage sind verschiedene Teilschritte nötig. Zunächst werden in Kapitel 2 die theoretischen Grundlagen erläutert. In Kapitel 2.1 wird die Notwendigkeit, eine Softwareeinführung mithilfe bestehender Change Management Ansätze zu begleiten, dargestellt. Anschließend werden verschiedene theoretische Change Management Modelle erläutert, aus denen ein Change Management Meta-Modell für eine Softwareeinführung abgeleitet wird. Um einen Einblick in die Entwicklungspsychologie zu erhalten, wird in Kapitel 2.2 das Konzept der Entwicklungsaufgaben beschrieben. Für ein einheitliches Verständnis, werden darauf aufbauend entwicklungspsychologische Altersstufen definiert. In Kapitel 3 wird die methodische Herangehensweise, der dieser Arbeit zugrundeliegenden Studie, vorgestellt. Zunächst wird das Forschungsdesign Mixed Methods (Kapitel 3.1) erklärt und anschließend die qualitative (Kapitel 3.2) und quantitative (Kapitel 3.3) Teilstudie detailliert erläutert. Dabei werden jeweils die Grundlagen der Untersuchung, das Instrument der Datenerhebung sowie die Datenauswertung und -analyse dargestellt. Mit der Diskussion der Gütekriterien (Kapitel 3.4) schließt die Darlegung der methodischen Herangehensweise ab. In dem darauf folgendem Kapitel 4 werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung ausgeführt. In Kapitel 4.1 werden zunächst die Ergebnisse der qualitativen Überprüfung und Erweiterung des Change Management Meta-Models vorgestellt. Diese bilden die Grundlage für die quantitative Studie und werden in einem Fragebogen operationalisiert. Die Ergebnisse der quantitativen Überprüfung werden in Kapitel 4.2 dargestellt. In Kapitel 4.3 werden die Ergebnisse beider Teilstudien schließlich zusammengeführt, kritisch hinterfragt und diskutiert. Abschließend folgt in Kapitel 5 ein Fazit sowie ein Ausblick.
2 Theoretischer Hintergrund
In dem folgenden Kapitel wird dargestellt, weshalb eine Softwareeinführung als Change Management Prozess zu betrachten ist. Dabei werden verschiedene systematische Change Management Ansätze erläutert sowie ein Change Management Meta-Modell entwickelt. Anschließend wird das Konzept der Entwicklungsaufgaben als entwicklungspsychologische Grundlage beschrieben. Auf Grundlage dessen werden entwicklungspsychologische Altersstufen definiert, die im Zuge der empirischen Untersuchung benötigt werden.
2.1 Softwareeinführung als Change Management Prozess
Unternehmen sind immer wieder mit der Entscheidung konfrontiert, hinsichtlich der Geschäftsanforderungen, die richtige Software einzusetzen. Dies kann sowohl die Ablösung einer bisher eingesetzten Software betreffen, aber auch Prozesse im Unternehmen, die bis dahin nicht digital unterstützt wurden. Unabhängig von dieser Ausgangssituationen ist eine Softwareeinführung nach Feichtenschlager und Schoderböck (2013, S. 43) ein großer Eingriff in den betrieblichen Ablauf. Chies (2016, S. 9) beschreibt die Einführung einer neuen Software als Neustrukturierung des elektronischen zentralen Nervensystems einer Organisation - was grundlegende Auswirkungen sowohl auf den operativen Alltag als auch auf die strategische Führungsebene hat. Trotz deren Relevanz werden Softwareeinführungen nach Klemmer (2014, S. 3) von Unternehmen oft als „notwendiges Übel“ eingestuft, da sie das Kerngeschäft nur mittelbar unterstützen. Nach Schauf und Glass (2012, S. 1) ist jede Veränderung mit einem Aufwand verbunden und die Zeiten des Wandels wirken sich negativ auf die Produktivität der Organisation aus. Die Komplexität, die Bedeutung, der Aufwand und die Folgewirkungen werden oft massiv unterschätzt, was fatale Auswirkungen auf den Erfolg hat. Dies hat zur Folge, dass weit mehr als die Hälfte aller Softwareeinführungen scheitern (vgl. Klemmer, 2014, S. 3). Denn die optimale Nutzung einer neuen Software ist ohne organisatorische Anpassung der betrieblichen Prozesse nicht möglich. Dementsprechend ist Klemmer (2014, S. 5) der Meinung, dass Software, Arbeitsprozesse und die Organisation des Auftraggebers in Einklang gebracht werden müssen. Je mehr Arbeits- und Prozessschritte von der neuen IT-Lösung tangiert werden und damit je mehr Mitarbeiter betroffen sind, umso notwendiger ist es nach Chies (2016, S. 9) eine solche Einführung als Change Management Prozess zu betrachten. Ein effizient gesteuerter Change Management Prozess wird dabei als wettbewerbsentscheidend angesehen.
In der Literatur wird als Einstieg in das Change Management häufig der Satz „Nichts ist so beständig wie der Wandel“ genannt. Diese Erkenntnis ist zwar nicht neu, jedoch nimmt nach Schauf und Glass (2012, S. 1) die Geschwindigkeit spürbar zu. Die Abstände in denen technische beziehungsweise digitale Neuerungen und Weiterentwicklungen den Markt verändern und Unternehmen sich diesen anpassen müssen, werden immer kürzer. Mithilfe der theoretischen Change Management Ansätze können Veränderungen professionell umgesetzt und nachhaltig gestaltet werden. Kosta und Mönch (2009, S. 9) beschreiben Change Management mit der Planung, Initiierung, Realisierung, Reflektion und Stabilisierung von Veränderungsprozessen auf Unternehmens- und persönlicher Ebene. Das Change Management beschäftigt sich demnach mit der optimalen Steuerung des Unternehmenswandels. Dieser kann Lauer (2014, S. 5) zur Folge, proaktiv veranlasst sein, um sich neuen Herausforderungen zu stellen oder reaktiv, was häufiger der Fall ist, aufgrund einer Krise. Daraus lässt sich schließen, dass sich das Change Management mit dem Weg zum Ziel beschäftigt - das Ziel selbst aber an anderer Stelle durch das strategische Management festgelegt wird.
Ein erfolgreicher Wandel kann nur gemeinsam mit den Mitarbeitern umgesetzt werden (vgl. Ullrich et al. 2014, S. 769). Aus diesem Grund sollte gemäß Lauer (2014, S. 3 f.) der Wandel auf die beteiligten Mitglieder der Organisation ausgerichtet sein, um die strategischen Maßnahmen zielgerichtet umsetzen zu können. Veränderte Prozesse bringen Veränderungen für die Mitarbeiter in ihren Erwartungen, Bedürfnissen und ihrem sozialen Umfeld mit sich, weshalb gute Führungsarbeit bei der Ausgestaltung der Veränderung sehr wichtig ist. Aus diesem Grund sehen Kostka und Mönch (2009, S. 12) es als Voraussetzung an, dass Führungskräfte verstehen, wie sich psychologische Reaktionen von Menschen bei Veränderungen gestalten können. Hintergrund ist, dass Führungskräfte in der Lage sein müssen aus Betroffenen Beteiligte zu machen.
2.1.1 Systematische Ansätze
Die bisherigen Ausführungen verdeutlichen wie enorm wichtig es ist, Veränderungen richtig zu gestalten und die betroffenen Mitarbeiter daran zu beteiligen. Um eine Organisation nachhaltig zu wandeln ist ein langwieriger und oftmals schwieriger Veränderungsprozess notwendig. Es existieren unterschiedliche systematische Ansätze des Change Managements, um Veränderungen erfolgreich umzusetzen. Kotter (2011) schlägt einen achtstufigen Veränderungsprozess vor. Die einzelnen Stufen können auch als Erfolgsfaktoren angesehen werden, wobei nach Kotter keine der Stufen im Prozess ausgelassen werden darf. Anhand der Abbildung 1 wird der Prozess graphisch veranschaulicht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1. Acht-Stufen Modell des Change Managements nach Kotter (eigene Darstellung in Anlehnung an Kotter, 2011).
Die in der Abbildung dargestellten acht Stufen werden im Folgenden genauer erläutert. Bei der ersten Stufe geht es darum die Dringlichkeit und Notwendigkeit einer Veränderung herauszustellen, mit dem Ziel den Ist-Zustand zu durchbrechen und die Organisation zu verändern. In der darauffolgenden zweiten Stufe geht es darum, eine Gruppe aus den verschiedenen Einheiten zusammenzustellen, die zusammen genügend Einflussmöglichkeiten besitzt und aus Personen besteht, die Veränderungen umsetzen wollen, um die Organisation zukunftsträchtig auszurichten. Dabei ist zu beachten, dass meistens mehrere Einheiten der Organisation bei Veränderungen beteiligt sind, weshalb es notwendig ist eine Führungskoalition aufzubauen. Gemeinsam werden in einem weiteren Schritt Ziele und eine Vision des Wandels entwickelt. Zur Realisierung der dritten Stufe muss eine klar erkennbare Vision für alle Beteiligten im Unternehmen entwickelt werden.
Der nächste Schritt besteht darin, diese Vision positiv im Unternehmen zu kommunizieren. Dabei muss das von den Mitarbeitern erwartete Verhalten von den Führungskräften vorgelebt werden. Doppler und Lauterburg (2014, S. 116) unterstreichen diesen Ansatz und fügen an, dass es wichtig ist, den Ausgangszustand aller Beteiligten zu kennen, um sie korrekt „abholen“ zu können. Ist den Mitarbeitern nicht klar, warum der Wandel erfolgen soll und wohin dieser das Unternehmen führen wird, wird vermutet, dass die Wahrscheinlichkeit der Verweigerung sehr hoch ist. Nachdem in der vierten Stufe die Vision kommuniziert wurde, müssen in der nun folgenden fünften Stufe alle Hindernisse, die dieser Veränderung im Weg stehen, beseitigt werden. Dies kann auf der einen Seite durch weitere Anpassung der Strukturen, aber auch durch Befähigung der Mitarbeiter beispielsweise durch Weiterbildung oder bewusste Kommunikation geschehen. Sobald alle Hindernisse beseitigt sind, können und sollten erste kurzfristige Ziele festgesetzt werden. Wenn diese realisiert werden, ist die Wertschätzung und die Belohnung der dafür verantwortlichen Person von besonderer Relevanz. Erste, für alle sichtbare positive Auswirkungen helfen, um aus „Gegnern“ „Befürworter“ zu machen. Dabei gilt: Je mehr Verweigerer sich dem Wandel des Unternehmens entgegenstellen, desto wichtiger ist die Planung kurzfristig sichtbarer Verbesserungen.
In den beiden letzten Stufen geht es darum, die Veränderungen nachhaltig umzusetzen und zu erhalten. Dafür sollen Erfolge konsolidiert und ferner Veränderungen zur stetigen Verbesserung daraus abgeleitet werden. Dadurch wächst die Glaubwürdigkeit des Veränderungsprozesses, wodurch die Möglichkeit für die Führungskräfte besteht, alle Systeme, Strukturen und Regeln zu ändern, die noch nicht mit der Vision übereinstimmen. Um den Fortbestand der Veränderung zu sichern, braucht es neben einer Steigerung der Leistung, eine verbesserte Mitarbeiterführung, ein wirksames Management und eine Übertragung von Verantwortung auf breiter Basis. Das Aufzeigen der Verbindung zwischen dem neuen Verhalten und dem Erfolg ist schließlich der Schlüssel dazu den Wandel in der Unternehmenskultur zu verankern und somit die achte und letzte Stufe des Modells zu bewältigen.
Ein weiteres systematisches Change Management Modell stammt von Lauer (2014). In diesem Modell wird nicht von Erfolgsfaktoren sondern von Kern- und flankierenden Faktoren gesprochen. Diese finden jedoch nicht wie im vorherigen Modell ausschließlich nacheinander statt sondern teilweise auch parallel. Abbildung 2 zeigt den Change Management Prozess nach Lauer (2014, S. 66), in welchem zwischen Kernfaktoren und flankierenden Faktoren unterschieden wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 . Das Zusammenwirken der Erfolgsfaktoren im Zeitablauf (eigene Darstellung in Anlehnung an Lauer, 2014, S. 67).
Die Veränderung beginnt mit einer Person, die durch eine Auffälligkeit, eine Idee oder veränderten Rahmenbedingungen einen Wandel initiieren möchte. Diese Person muss nicht zwingend aus dem Vorstand oder der Geschäftsführung kommen, ist aber meistens im Top-Management ansässig (vgl. Lauer, 2014, S. 66 ff.). Analog zu dem Modell von Kotter (2011) steht nachfolgend die Erstellung einer Vision von der soeben beschriebenen Person. Diese Vision darf jedoch keine Utopie sein, sondern sollte realistisch sein und zugleich herausfordernde Zukunftsbilder enthalten. Grundlage dieser Vision sollten immer nüchterne Analysen des Unternehmens und des Unternehmensumfeldes sein. Damit eine Vision erfolgreich umgesetzt werden kann, muss sie unternehmensspezifisch und verständlich formuliert sein, konkrete Anhaltspunkte enthalten und die Betroffenen begeistern (vgl. Lauer, 2014, S. 66 ff.). Diese Vision gilt es den Betroffenen des Wandels zu kommunizieren. Die Kommunikation ist der wichtigste Erfolgsfaktor, da diese in allen anderen Faktoren enthalten ist. Kommunikation schafft Orientierung und Transparenz im Wandel, dient aber auch zur Beilegung von Wiederständen.
Nach den genannten Kernfaktoren folgen die weiteren Kernfaktoren Partizipation, Integration und Re-Edukation, die parallel ablaufen. Schon ab diesem Moment ist es nach Lauer (2014, S. 66 ff.) sinnvoll, sowohl einen Prozessberater als auch eine Projektorganisation heranzuziehen, die als flankierende Faktoren bezeichnet werden. Das hat den Hintergrund, dass der Change Prozess einer professionellen und neutralen Moderation benötigt um zielorientiert abzulaufen. Nach der Kommunikation werden möglichst viele der Betroffenen direkt in die weitere Ausformung und Konkretisierung der Vision eingebunden. Partizipation erhöht in der Regel die Motivation und die Widerstände nehmen ab. Ebenfalls steigt die Qualität der erarbeiteten Vision durch das Nutzen des Wissens vieler (vgl. Lauer, 2014, S. 66 ff.). Auch an dieser Stelle sollte auf einen externen Prozessberater zur Konsultation zurückgegriffen werden, da die Einbindung der Beteiligten oftmals mit einer neutralen Moderation emotionsneutraler verläuft. Damit die Partizipation zielgerichtet abläuft, muss diese durch eine geeignete Projektorganisation begleitet werden. Ebenfalls nach der Kommunikation und zeitgleich zur Partizipation gilt es neben den bisher beteiligten Mitarbeitern die bisher unbeteiligten Organisationsgruppen in den Veränderungsprozess zu integrieren. Ziel dabei ist es, ein harmonisch-kooperatives Miteinander zu schaffen, bei dem nach Lauer (2014, S. 66 ff.) keine Gruppe zu dominant auftreten sollte. Auch hier sollte ein neutraler Berater mit entsprechender Methodenkompetenz sowie, für ein ausreichendes Maß an Orientierung, die Projektorganisation eingebunden werden. Zeitlich Parallel zur Partizipation und zur Integration werden Kompetenz- und Einstellungsdefizite proaktiv im geplanten Wandel aufgedeckt und durch umfangreiche Personalentwicklungsmaßnahmen abgebaut. Ziel der Re-Edukation ist es, die Mitarbeiter auf die zusätzlichen Anforderungen optimal vorzubereiten. Ein weiterer positiver Aspekt ist die motivierende Wirkung von Weiterbildungsmaßnahmen. Die notwendige Evolution als Basis des Models beschreibt Lauer (2014) wie folgt:
Nährboden für das gute Gelingen des laufenden und aller künftigen Change Prozesse ist eine änderungsoffene Unternehmensorganisation, die möglichst selbstständig und permanent lernt. (S. 68)
2.1.2 Meta-Modell Change Management
Die dargestellten systematischen Ansätze verdeutlichen die Komplexität von Veränderungsprozessen. Auf Grundlage dieser Modelle wird ein Change Management Meta-Modell entwickelt, welches im weiteren Verlauf dieser Arbeit hinsichtlich der Eignung für eine Softwareeinführung empirisch überprüft und erweitert wird. Abbildung 3 zeigt dieses Modell, welches bewusst auf einer relativ hohen Flughöhe angesiedelt ist. Die Kategorien sind als Überschriften für durchzuführende Aufgaben zu verstehen. Das Modell folgt dem zeitlichen Ablauf der Softwareeinführung und liest sich von unten nach oben.
Die waagerechten Balken stehen für Aufgaben, die im Idealfall einmal durchgeführt und auch abgeschlossen werden. Erst nachdem eine Aufgabe abgeschlossen wird, sollte die Nächste begonnen werden. Rückschläge, wie auch immer sich diese ausgestalten, können dieses stringente Vorgehen verhindern. In diesem Fall kann auch in einer bereits abgeschlossenen Kategorie nachjustiert werden.
Die senkrechten Balken hingegen stehen für Aufgaben, die während des gesamten Einführungsprozesses bestehen. Diese können erst abgeschlossen werden, wenn sich die Einführung fest im Unternehmen verankert hat. Diese Aufgaben beginnen jedoch nicht alle gleichzeitig, sondern nacheinander in Abhängigkeit einer vollendeten waagerechten Aufgabe.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3. Change Management Meta-Modell (eigene Darstellung).
Grundlage für eine erfolgreiche Softwareeinführung ist die Unterstützung der obersten Leitung. Diese gilt als Basis und muss gesichert sein, bevor die weiteren Kategorien umgesetzt werden können. Sobald dies geschehen ist, sollte ein allgemeines Zielbild entwickelt werden. Zeitgleich muss mit der Kommunikation der Veränderung begonnen werden. Die Kommunikation ist die wichtigste Aufgabe und wird als Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche Softwareeinführung verstanden. Ebenso ist es die anspruchsvollste und umfangreichste Aufgabe, die den gesamten Veränderungsprozess begleitet. Nachdem das Zielbild entwickelt wurde, sind die betroffenen Mitarbeiter zu beteiligen. Die Beteiligung der Betroffenen ist dabei nicht als einmaliges Ereignis sondern als regelmäßiger Austausch von Meinungen, Ideen und auch Kritik zu verstehen. Gemeinsam mit den Betroffenen gilt es anschließend Maßnahmen zu definieren. Um diese Maßnahmen umsetzen zu können, muss mit der Befähigung der betroffenen Mitarbeiter begonnen werden. Die Schulung der Mitarbeiter ist nur ein Teil dieser Aufgabe. Ebenso müssen Hindernisse aus dem Weg geräumt und Wiederstände abgebaut werden. Abschließend müssen auch die bisher nicht betroffenen Mitarbeiter an der Veränderung beteiligt werden, um die Veränderung langfristig in die Kultur des Unternehmens zu überführen.
Damit dieser Prozess zielgerichtet abläuft, ist dieser durch eine neutrale Projektorganisation zu begleiten. Insbesondere die Aufgaben Zielbild entwickeln, Maßnahmen definieren und Maßnahmen umsetzen sind dabei als eine Art messbare Meilensteine des Projektmanagements anzusehen. Dabei ist es Aufgabe des Projektmanagements ausreichend Zeit für den Veränderungsprozess einzuplanen, um die Beteiligten nicht zu überfordern, da dies Widerstände zur Folge haben könnte. Neben der Erreichung der Meilensteine ist es ebenfalls Aufgabe der Projektorganisation ein gutes Klima für Veränderungen zu schaffen. Die Aufgaben Kommunikation, betroffene Mitarbeiter beteiligen und betroffene Mitarbeiter befähigen müssen ebenfalls erreicht werden, sind jedoch nicht messbar und verfolgen eher das Ziel die gesamte Organisation einzubinden und zu befähigen.
Dieser Prozess kann eine erfolgreiche Softwareeinführung und die damit einhergehenden Veränderungen nachhaltig etablieren und sicherstellen. Durch das Fortführen der Kommunikation, der Beteiligung sowie Befähigung der betroffenen Mitarbeiter und die Beteiligung der bisher nicht betroffenen Mitarbeiter können diese positiven Effekte der Veränderung in die Unternehmenskultur überführt werden und damit nachhaltig weitere Veränderungen positiv beeinflussen.
2.2 Entwicklungspsychologie
Die Entwicklungspsychologie befasst sich mit der Entwicklung und Veränderung des Denkens, Erlebens und Verhalten des Menschen. Eine der zentralen Fragen der Entwicklungspsychologie ist nach Freund (2007, S. 367) die Frage danach, wie Entwicklungsverläufe in Hinblick auf Lebenswege einzelner Personen und deren Funktionsniveau einzelner Lebensphase erklärt werden. Es geht ferner darum welche Konstrukte sich übergeordnet als Organisationsstruktur für die Richtung und das Niveau der Entwicklung eignen.
Der Betrachtungszeitraum beginnt mit der pränatalen Entwicklung und reicht bis ins hohe Alter. In dieser Arbeit wird jedoch nur jener Zeitraum betrachtet, im dem der Mensch in der Regel erwerbstätig ist – das Erwachsenenalter. Das Erwachsenenalter ist nach Falltmaier, Mayring, Saup und Strehmel (2014, S. 11) im Gegensatz zum Kindes- und Jugendalter ein relativ junges Gebiet der Entwicklungspsychologie. Bisher liegen nur recht vorläufige Wissensstände und Systematiken vor, in denen noch einige Forschungsdesiderate zu erkennen sind.
2.2.1 Das Konzept der Entwicklungsaufgaben
Ein bekannter Ansatz der Entwicklungspsychologie ist das Konzept der Entwicklungsaufgaben. Freund und Baltes (2005, S. 35 ff.) beschreiben dieses Konzept als Aufgaben, die sich aus der Verknüpfung biologischer, gesellschaftlicher und persönlicher Einflussfaktoren für eine Person in einer bestimmten Lebensphase ergeben. Diese Aufgaben beeinflussen unter Berücksichtigung sozialer Erwartungen die individuelle Zielsetzung sowie Zielverfolgung und strukturieren damit den Lebenslauf entscheidend. Besonders relevant sind nach Falltmaier et al. (2014, S. 40) dabei die Arbeiten von Erikson (1959) und Havighurst (1972), da diese den Lebenslauf einer Person in seiner Gesamtheit auf einer wissenschaftlichen Grundlage beschreiben. Auch wenn Erikson und Havighurst ihre Werke bereits zwischen 1955 und 1985 publizierten, haben sie eine große Bedeutung und gelten als Grundlage für die heutige Entwicklungspsychologie.
Konzept der psychosozialen Krisen
Erikson (1959) beschreibt in seiner Theorie der psychosozialen Krisen acht Alterungsphasen, die acht psychosozialen Krisen entsprechen. Diese Phasen sind als Entwicklungsstufen anzusehen und verlaufen unidirektional und hierarchisch aufeinander aufbauend. Nach Freund und Baltes (2005, S. 41) ist jede Lebensphase von einem Konflikt mit einem systolischen und einem diastolischen Pol gekennzeichnet. Die Auseinandersetzung mit diesen Polen stellt dabei jeweils eine psychosoziale Krise dar. Durch Synthese der gegensätzlichen Pole in einer höheren Entwicklungsstufe kann die Krise gelöst werden. Eine Person steigt nach diesem Modell in die nächsthöhere Lebensphase auf, um sich mit dem nächsthöheren psychosozialen Konflikt auseinanderzusetzen. Pinquart (2012a, S. 152) begründet die erfolgreiche Bewältigung eines Konflikts mit dem Erwerb neuer Kompetenzen und Eigenschaften, die zu einer Stabilisierung der Persönlichkeit und der psychosozialen Funktionalität beitragen. Eine unzureichende Lösung des Konflikts kann dagegen zu einer schlechteren Anpassung an die persönlichen und gesellschaftlichen Erfordernisse führen.
Von diesen acht Phasen beziehen sich drei auf das Erwachsenenalter: frühes Erwachsenenalter, Erwachsenenalter, spätes Erwachsenenalter. Tabelle 1 liefert einen Überblick über die drei, hinsichtlich der Zielsetzung dieser Arbeit relevanten, Phasen des Modells und die jeweiligen psychosozialen Konflikte.
Tabelle 1 Überblick der psychosozialen Krisen des Erwachsenenalter nach Erikson (1959) (eigene Darstellung in Anlehnung an Faltermaier et al. 2014, S. 45).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im frühen Erwachsenenalter gilt es den Konflikt zwischen Intimität und Isolierung aufzulösen. Berk (2005, S. 618) beschreibt diesen Konflikt als Reflexion der Gedanken und Gefühle eines jungen Menschen bezüglich seiner möglichen dauerhaften Verpflichtung einem Partner gegenüber. Um Intimität zu erreichen, muss ein Teil der in der vorherigen Phase erreichten Unabhängigkeit wieder aufgegeben werden. Um einen Einklang von Wertvorstellungen und Interessen zweier Personen zu erlangen, müssen auch ihre Identitäten neu definiert werden. Menschen, die diesen Identitätsverlust fürchten, neigen zu Isolation, was nach Faltermaier et al. (2014, S. 46) im schlimmsten Fall zu Vereinsamung führt.
Auf der Grundlage der Erfahrung von Intimität folgt im Erwachsenenalter der Konflikt zwischen Generativität und Stagnation. Berk (2005, S. 711) interpretiert Generativität als Zusammenbringen von persönlichen Wünschen und kulturellen Anforderungen. Auf der persönlichen Seite haben die Menschen in dieser Phase das Bedürfnis gebraucht zu werden. Sie möchten sich einbringen und etwas zur Gesellschaft beitragen. Auf der kulturellen Seite fordert die Gesellschaft jedoch auch, dass soziale Verantwortung übernommen wird. Fehlen diese Erfahrungen, droht nach Faltermaier et al. (2014, S. 46) Stagnation und damit die Verarmung der Persönlichkeit.
Der letzte Konflikt in dem Modell von Erikson ist die Ich-Integrität versus Verzweiflung im späten Erwachsenenalter. Pinquart (2012a, S. 154) beschreibt diesen Konflikt als Rekapitulation des zurückliegenden Lebens. Es wird erkannt, dass vergangene Erfahrungen eine notwendige Mischung aus positiven und negativen Erlebnissen und Beziehungen waren. Die gewonnen Erkenntnisse über getroffene Lebensentscheidungen stehen im Einklang mit der Zufriedenheit und dem Wohlbefinden in dieser Phase.
An den Phasen des Erwachsenenalters kritisiert Pinquart (2012a, S. 154), dass die Stufen und die einhergehenden Krisen nicht zwingend in zeitlicher Abfolge auftreten. Beispielweise wird aufgeführt, dass der Konflikt der Stagnation versus Generativität eine Person im gesamten Erwachsenenalter begleiten kann. Ebenfalls wird bemängelt, dass die Theorie nicht darauf eingeht, welche Mechanismen und Ressourcen notwendig sind, um die Konflikte bewältigen zu können. Nichtsdestotrotz wird Eriksons Theorie der psychosozialen Krisen als wegweisend für die weitere Forschung in der Entwicklungspsychologie angesehen.
Das Konzept der Entwicklungsaufgaben
Havighurst (1972) strukturiert in seinem Konzept der Entwicklungsaufgaben den Lebenslauf eines Menschen ebenfalls in acht aufeinander aufbauenden Stufen, in denen jeweils unterschiedliche Entwicklungsanforderungen zu bewältigen sind. Faltermaier et al. (2014, S. 49) beschreiben das Konzept der Entwicklungsaufgaben als Weiterentwicklung und Konkretisierung von Eriksons Konzept der psychosozialen Krisen. Im Unterschied zu Erikson beschreibt Havighurst jedoch nicht nur einen Konflikt pro Phase, sondern eine Reihe von mehr oder weniger konkreten Aufgaben, die eine Person zu lösen hat.
Eine Entwicklungsaufgabe wird dabei als eine Aufgabe, die zu einem bestimmten Zeitpunkt im Leben auftritt, verstanden. Eine erfolgreiche Bewältigung führt zu Zufriedenheit und zu Erfolg bei späteren Aufgaben, während Misserfolge zu Unzufriedenheit, Missbilligung der Gesellschaft und zu Schwierigkeiten bei späteren Aufgaben führt (vgl. Havighurst, 1972, S. 2). In dem Modell werden drei Quellen von Entwicklungsaufgaben angenommen: altersbezogene gesellschaftliche Erwartungen, altersassoziierte biologische Veränderungen und Persönlichkeitsbildung im Sinne von Werten und Ansprüchen.
Die Einteilung in insgesamt acht Alterungsstufen in denen jeweils bestimmte Herausforderungen im Vordergrund stehen, folgt nach Freund und Baltes (2005, S. 39) einem eher deskriptiven Ansatz. Dieser basiert auf der Hypothese, dass Entwicklung in Form von geordnet aufeinander aufbauenden Stufen abläuft. Dabei wird der Entwicklungsprozess nicht auf einen anzustrebenden Endzustand hin konzeptioniert, sondern als erfolgreiche Auseinandersetzung mit den jeweiligen Entwicklungsaufgaben verstanden. Nach Pinquart (2012b, S. 32) ermöglicht nur die positive Lösung der Anforderungen es einer Person, sich mit den Anforderungen der nächsten Stufe auseinanderzusetzen. Darüber hinaus beschreiben Freund und Baltes (2005, S. 39) die erfolgreiche Adaption einer Person an seinen soziokulturellen, biologischen und persönlichen Kontext als eine Art Meta-Entwicklungsaufgabe.
Von diesen acht Stufen beziehen sich wieder drei auf das Erwachsenenalter: frühes Erwachsenenalter, Erwachsenenalter, spätes Erwachsenenalter. Die Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Entwicklungsaufgaben in den jeweiligen Stufen.
Tabelle 2 Übersicht der Entwicklungsaufgaben im Erwachsenenalter nach Havighurst (1972) (eigene Darstellung in Anlehnung an Pinquart 2012b, S. 34).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Laut dem Modell sind im frühen Erwachsenenalter die Partnerwahl und Familiengründung die wesentlichen Entwicklungsaufgaben. Des Weiteren werden die jungen Erwachsenen auch mit der Aufgabe des Berufseinstieg und der Sorge um das Gemeinwohl konfrontiert. Nach Leipold (2015, S. 63) ist insbesondere die Vereinbarkeit der genannten Aufgaben untereinander eine besondere Herausforderung.
Physiologische Veränderungen zu akzeptieren und sich ihnen anzupassen ist eine zentrale Aufgabe im Erwachsenenalter. Ebenfalls geht es auch darum eine berufliche Leistung erreichen und halten zu können. Nach Faltermaier (2014, S. 49) spielen in dieser Phase gesellschaftliche Anforderungen und selbst gesetzte Ziele eine größere Rolle. Aus diesem Grund erlangen neben der Beziehung zum Ehepartner das Aufbauen von Freizeitaktivitäten und die Übernahme von sozialer Verantwortung besondere Relevanz.
Das späte Erwachsenenalter ist durch die Anpassung an das zunehmende Nachlassen physischer Stärken und Gesundheit geprägt. Außerdem gilt es die Aufgabe der Pensionierung und damit den einhergehenden Umgang mit vermindertem Einkommen zu bewerkstelligen. Eine weitere Anforderung ist das Aufbauen des altersgerechten Wohnens.
Nach Faltermaier (2014, S. 50) ist das Modell aufgrund der relativ konkreten Formulierungen der Entwicklungsaufgaben empirisch fassbarer als das Modell von Erikson. Auch die Benennung der Einflüsse einer Gesellschaft auf die Ziele von Entwicklung können positiv hervorgehoben werden. Allerdings kritisiert Pinquart (2012b, S. 35) die postulierte Universalität der Entwicklungsaufgaben, die so nicht zutrifft und dass das Konzept zwar Aussagen über die Inhalte der Entwicklungsaufgaben macht, nicht aber darüber, wie diese erfolgreich zu bewältigen sind. Freund und Baltes (2005, S. 41) stellen anhand der Häufigkeit der Zitierungen fest, dass das Konzept der Entwicklungsaufgaben sich zwar einer großen Beliebtheit erfreut, die weitere Forschung zu den Entwicklungsaufgaben jedoch relativ gering ist.
2.2.2 Eingrenzung und Definition der Altersstufen
Wie bereits erwähnt, betrachtet die Entwicklungspsychologie das Individuum über die gesamte Lebensspanne. Auch wenn diese Arbeit nur das Erwachsenenalter behandelt, ist es sinnvoll diesen Altersbereich weiter zu unterteilen. In den beschriebenen Modellen wird das Erwachsenenalter zwar bereits unterteilt, es wird jedoch darauf verzichtet den verschiedenen Stufen Altersangaben zuzuweisen. In der Literatur sind dazu verschiedenste Ansätze zu finden. Nach Pinquart (2012b, S. 18) wird oft eine Einteilung in das frühe, mittlere und höhere Erwachsenenalter vorgenommen. Das frühe Erwachsenenalter startet demnach mit der Volljährigkeit, während das höhere Erwachsenenalter mit dem Ruhestand beginnt. Für den Beginn der mittleren Phase gibt es weniger klar definierte Altersgrenzen, wobei oft das 40. - 45. Lebensjahr angegeben wird. Hoff und Straps (2007, S. 198) beschreiben die Dauer für das frühe Erwachsenenalter vom 18. bis zum 29. Lebensjahr, weisen jedoch darauf hin, dass auch über 30-jährige noch als junge Erwachsene bezeichnet werden können. Wird davon ausgegangen, dass das mittlere Erwachsenalter mit dem 30. Lebensjahr beginnt und mit der Pensionierung im circa 65. Lebensjahr endet, resultiert eine Altersspanne von 35 Jahren. Nach Martin (2007, S. 208) sollte aufgrund von phasenspezifischen Besonderheiten von Kompetenzverläufen sowie Umweltfaktoren eine weitere Differenzierung des mittleren Erwachsenenalters in das frühe mittlere Alter (35 bis 50 Jahre) sowie späte mittlere Alter (50 bis 65 Jahre) vorgenommen werden. Ebenfalls sollte das höhere Erwachsenenalter in die Phasen Alter (65 -80 Jahre), hohes Alter (80-100 Jahre) und extrem hohes Alter (über 100 Jahre) aufgeteilt werden.
Mit Blick auf die Ausrichtung dieser Arbeit, werden die Phasen nach Eintritt des Pensionsalters nachfolgend nicht weiter berücksichtigt. Um im weiteren Verlauf ein einheitliches Verständnis der unterschiedlichen Entwicklungsphasen zu gewährleisten, werden folgende drei Phasen, wie in Abbildung 4 dargestellt, festgelegt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 . Übersicht über die definierten Altersstufen (eigene Darstellung).
Die erste Phase ist das frühe Erwachsenenalter, welches mit der Volljährigkeit beginnt und bis zum 35. Lebensjahr andauert. In dieser Phase gilt es seine Identität zu definieren und seine Wertvorstellungen und Interessen in Einklang zu bringen. Im Zentrum dieser Stufe steht der Berufseinstieg in der es sich zu beweisen gilt. Nach Marten (n.d., S. 3) ist diese Stufe auch als Leistungsphase zu bezeichnen, in der der Mensch Kompetenzen entwickelt, diese demonstriert und dabei sowohl gefördert als auch gefordert werden will um seine (beruflichen) Ziele zu erreichen.
Danach beginnt das frühe mittlere Erwachsenenalter welches nach dem 50. Lebensjahr endet. In dieser Phase werden die erworbenen Kompetenzen weiter ausgebaut, um beispielsweise selbst gesetzte Karriereziele erreichen und halten zu können. Ebenfalls gilt es in dieser Stufe persönliche Wünsche und kulturelle Anforderungen zusammenzubringen. Es beginnt der Wunsch nach Übernahme sozialer Verantwortung.
Die letzte Phase der Erwerbstätigkeit ist das späte mittlere Erwachsenenalter, welches mit der Pensionierung endet. Für diese Phase wird das 65. Lebensjahr als Zeitpunkt der Pensionierung angenommen. Marten (n.d., S. 3) bezeichnet diese Zeit im Leben als Settlement 50+, in der erworbene Kompetenzen genutzt und bisherige Strukturen verfeinert und erweitert werden. Diese Phase wird auf der einen Seite durch Selbstbestimmtheit und „Lebenssicherheit“ bestimmt, auf der anderen Seite aber auch durch nachlassende physische Stärke und Gesundheit geprägt. Der Mensch beginnt die Rekapitulation des zurückliegenden Lebens und übernimmt verstärkt soziale Verantwortung, um der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Ebenfalls wird sich auf eine Zeit nach der Pensionierung vorbereitet.
3 Methodische Herangehensweise
In dem folgenden Kapitel wird der Forschungsprozess detailliert erläutert, um die Nachvollziehbarkeit zu gewähren, was nach Hussy, Schreier und Echterhoff (2013, S. 278) ein zentrales Gütekriterium der Sozialforschung ist. Nach Flick, Kardorff und Steinke (2012, S. 15) ist hierzu eine genaue Dokumentation des Forschungsprozesses notwendig. Unter diesem Gesichtspunkt wird im Folgenden das Mixed Methods Design inklusive der qualitativen und quantitativen Teilstudien detailliert erläutert. Dabei werden jeweils die Grundlagen der Untersuchung, das Instrument der Datenerhebung und die Datenauswertung dargestellt. Abschließend werden die Gütekriterien und deren Sicherstellung für diese Studie beschrieben.
3.1 Forschungsdesign: Mixed Methods
In der empirischen Sozialforschung existieren unterschiedliche wissenschaftstheoretische Paradigmen. Insbesondere das quantitative und das qualitative Paradigma standen sich bisher konträr im sogenannten Paradigmenstreit gegenüber (vgl. Döring & Bortz, 2016, S. 9). Nach Baur und Blasius (2014, S. 49) wird vermehrt davon ausgegangen, dass sich die Paradigmen in der Forschungspraxis deutlich ähnlicher sind, als bisher behauptet wurde und dass sich eine Kombination der Methoden anbietet, um aussagekräftigere Erkenntnisse zu erhalten. Forscht, Angerer und Swoboda (2009, S. 249) verstärken dies und schreiben, dass gerade die gezielte und systematische Kombination beider Methoden für eine tiefgründige Beantwortung der Forschungsfrage zielführend ist. Aus diesem Ansatz resultiert die Mixed Methods Forschung, die qualitative und quantitative Forschungsmethoden kombiniert. Die Mixed Methods Forschung wird in der Literatur bereits als weiteres Forschungsparadigma diskutiert, jedoch teilen nicht alle Experten diese Meinung. Döring und Bortz (2016, S. 73f) fassen verschiedene Standpunkte zum Paradigma Mixed Methods zusammen. Diese reichen von „völliger Ablehnung“ über sinnvolle Ergänzung bei „jeweils vollständigen qualitativen und vollständigen quantitativen Teilstudien“ oder „parallelen Durchführung“ bis hin zur „eigenen wissenschaftlichen Grundlage“.
Losgelöst von der Frage ob die Mixed Methods ein eigenes Forschungsparadigma darstellt, wird dieser Ansatz als zielführend für die Problemstellung der vorliegenden Arbeit angesehen. Diese Ansicht wird dadurch gestützt, dass in der aktuellen Literatur der überwiegende Anteil der Autoren dieser Methodik aufgrund ihrer Vorteile sehr positiv gegenüberstehen. Die Mixed Methods eignet sich nach Kelle (2014, S. 157) besonders, da qualitative und quantitative Methoden komplementär eingesetzt werden und durch diese wechselseitige Ergänzung ein umfassenderes Bild des Forschungsgegenstandes entsteht. Auch Kuckartz (2014, S. 53) vertritt die Meinung, dass insbesondere komplexe Probleme besser zu verstehen sind, wenn sowohl die qualitative Seite des Sinnverstehens als auch die quantitative des Zählens beleuchtet wird. Ebenfalls sieht Kuckartz (2014, S. 53) in der Methode eine große Chance zur Generalisierung der Ergebnisse, fügt aber hinzu, dass dieses Design deutlich mehr Zeit und Ressourcen, sowie umfangreichere Kompetenzen und Fertigkeiten vom Forschenden verlangt.
Die Festlegung der Reihenfolge, sowie der zeitliche Ablauf in denen die qualitativen und quantitativen Forschungsschritte durchgeführt werden, sind zentrale Entscheidungen, die beim Design einer Mixed Methods Studie getroffen werden müssen. Die der Arbeit zugrundeliegende Forschungsstudie ist sequentiell aufgebaut und folgt einem qualitativ-quantitativen Verallgemeinerungsdesign. Der sequentielle Aufbau bietet nach Foscht et al. (2009, S. 256) den Vorteil, dass die Ergebnisse und Schlussfolgerungen des ersten Forschungsteils in die Konzeptionsphase des zweiten Teils einfließen können. Dieser Aufbau findet häufig in der Marktforschung Anwendung, da so zunächst Hypothesen generiert und daraufhin generalisiert werden können (vgl. Hildebrandt, 2000, S. 44). Der Beginn mit dem qualitativen Teil ermöglicht, dass die Studie auf Exploration hin ausgelegt werden kann, was sich nach Kuckartz (2014, S. 81) besonders eignet wenn ein bisher weitgehend unbekanntes Phänomen, wie im Fall dieser Arbeit, erforscht werden soll. Kelle (2014, S. 161) sieht darin zusätzlich den Vorteil, dass sich durch dieses Vorgehen das Problem strukturieren lässt. Erst nachdem die qualitative Studie komplett abgeschlossen und ausgewertet ist, dürfen die Ergebnisse nach Mayring (2001) im zweiten Schritt in die Konzeption des zweiten Teils einfließen und mit quantitativen Mitteln verallgemeinert, abgesichert und gegebenenfalls differenziert werden.
Die Problemstellung dieser Arbeit ist bisher nur wenig erforscht, weshalb die Exploration einen besonders großen Stellenwert einnimmt. Aus diesem Grund liegt bei der Gewichtung der Forschungsteile der Fokus auf dem qualitativen Teil. Dies wird durch die Basisnotation ausgedrückt, welche in diesem Fall QUAL à quant lautet, wobei die Großbuchstaben die Priorität verdeutlichen.
Der qualitative Teil dieser Arbeit wird als fallorientierte, deskriptive Studie aufgebaut. In diesem Studienteil soll, das theoretisch entwickelte Change Meta-Modell (vgl. Kapitel 2.1.2) empirisch erweitert werden. Durch problemzentrierte Interviews wird der Prozess einer Softwareeinführung grob konzeptioniert sowie eine Ausgangsmenge an Indikatoren für dessen Operationalisierung festgestellt (vgl. Forscht et al., 2009, S. 256). Ziel ist es, mögliche relevante Aspekte für eine erfolgreiche Softwareeinführung zu identifizieren und darauf basierend eine Hypothesenstruktur herauszubilden. Im quantitativen Teil werden diese Ergebnisse einer empirischen Überprüfung unterzogen, um die Hypothesen zu prüfen und die Ergebnisse zu generalisieren. Dazu werden sowohl deskriptive, inferenzstatistische und explorative Verfahren genutzt.
Bei dem gewählten sequentiellen Verallgemeinerungsdesign sind bei der Stichprobenbildung, auch Sampling genannt, einige spezielle Überlegungen erforderlich. Sowohl im qualitativen als auch im quantitativen Bereich existieren eine Vielzahl von Samplingstrategien. Im Wesentlichen wird nach Diekmann (2007, S. 84) zwischen folgenden drei Haupttypen von Stichprobenauswahl unterschieden: Wahrscheinlichkeitsauswahl (random sampling), gezielte Auswahl (purposive sampling) und willkürliche Auswahl (convenience sampling). Im qualitativen Teil geht es primär um die Sättigung des zu explorierenden Themas. Es wird die Methode des purposive Samplings gewählt. Diese bewusste Auswahl ist nach Kuckartz (2014, S. 85) typisch und angemessen für das gewählte Forschungsdesign. Im folgendem quantitativen Teil wird geprüft, ob sich die Ergebnisse verallgemeinern aber auf weiter Differenzieren lassen. Aus diesem Grund muss die Stichprobe größer sein. Da eines der Ziele die Verallgemeinerung ist, ist streng genommen nur bei einer Zufallsauswahl eine zuverlässige Schätzung von der Stichprobe auf die Grundgesamtheit möglich ist. Dient die qualitative Studie allerdings der Entwicklung des Instruments der quantitativen Studie, wie es in dieser Arbeit der Fall ist, gilt nach Kuckartz (2014, S. 86) aber auch für den quantitativen Teil eine bewusste Stichprobenauswahl als angemessen. Aus diesem Grund wird auch im zweiten Teil der Studie das purposive Sampling für die Stichprobenauswahl eingesetzt. Eine detaillierte Beschreibung der Stichprobenauswahl erfolgt in den jeweiligen Kapiteln der Teilstudien (vgl. Kapitel 3.2.1 und 3.3.1).
3.2 Problemzentrierte Interviews
Im qualitativen Teil der Mixed Methods Studie wird mit Hilfe von problemzentrierten Interviews eine Querschnittsanalyse durchgeführt. Seipel und Rieker (2003, S. 83 f.) beschreiben diese weit verbreitete Form des Leitfadeninterviews als Untersuchung der Gegenwart, mit welcher Aufschlüsse über soziale Aktivitäten, Handlungsmuster und Motivation der untersuchten Subjekte erzielt werden können. Durch die Verknüpfung der theoretischen Ansätze des Change Managements und der Entwicklungspsychologie existiert bereits ein Vorwissen beziehungsweise eine Vermutung zu dem Untersuchungsgegenstand. Kurz, Stockhammer, Fuchs und Meinhard (2009, S. 464) sehen das ideale Anwendungsgebiet für das problemzentrierte Interview in solchen Fällen, in denen die Fragestellung keinen rein explorativen Charakter hat, sondern bereits teilweise theoretische Grundlagen bestehen, die miteinander verknüpft werden. Demnach ist das problemzentrierte Interview die Schnittstelle zwischen Induktion und Deduktion.
3.2.1 Grundlage und Stichprobe
Als Methode zur Datenerhebung wird in dieser Studie das problemzentrierte Interview nach Witzel (1985) genutzt. Der Vorteil dieser offenen halbstrukturierten Befragung ist, dass die Probanden zentriert auf eine Problemstellung sehr frei zu Wort kommen (vgl. Kurz et al. 2009, S. 465). Nach Helfferich (2011, S. 51) ist das problemzentrierte Interview im Verhältnis zu den anderen qualitativen Interviewformen in Richtung „gemeinsames Erarbeiten“ angesiedelt.
Das problemzentrierte Interview basiert nach Witzel (2000, S. 2 f.) auf den folgenden drei zentralen Grundpositionen: Problemzentrierung, Gegenstandsorientierung und Prozessorientierung. Mit Problemzentrierung ist gemeint, dass der Forschende bereits vor den Interviews eine Problemstellung erarbeitet, die für die Befragten relevant ist und an deren Rekonstruktion sie mitarbeiten sollen. Die konkrete Ausgestaltung muss dem jeweiligen Forschungsgegenstandes angepasst, also gegenstandsorientiert sein. Unter Prozessorientierung versteht man die flexible Analyse des Problemfeldes und eine schrittweise Gewinnung von Daten, wobei sich die Zusammenhänge der einzelnen Elemente erst durch ständigen reflexiven Bezug herausstellen. Nach Kurz et al. (2009, S. 467) ist es dabei wichtig, dass der Forschende das theoretisches Konzept offen hält für die Modifizierung durch die Empirie.
Im Gegensatz zum klassischen strukturierten narrativen Interview wird die Interviewsituation als kommunikatives Geschehen verstanden. Die Fragen des Interviewenden werden nach Mey und Mruck (2010a, S. 425) als aktive und mitzugestaltende Explorationsfunktion genutzt, um das Interview zu steuern. Diese Fragen können auf allgemeine und fachliche Sondierungen, Sachnachfragen, Verständnisfragen oder Erzählaufforderungen abzielen.
Bei der Auswahl der Stichprobe wird die Methode „purposive samplings" angewendet, was soviel bedeutet wie bewusste Stichprobenbeziehung. Eine Zufallsstichprobe muss in dieser Arbeit nicht gezogen werden, da das Ziel nicht die Erhebung von repräsentativen Aussagen ist, sondern es um eine Erhebung zur empirischen Erweiterung des theoretischen Modells geht. Kurz et al. (2009, S. 468) stützen diese Entscheidung. Nach Hussy et al. (2013, S. 194) sollten in der qualitativen Forschung Stichproben generell nur nach bestimmten Kriterien ausgewählt werden. Zwei gängige Verfahren der bewussten Stichprobenbeziehung sind das Bottom-up- und das Top-down-Verfahren (vgl. Hussy et al. 2013, S. 195f.). Beim Bottom-up-Verfahren ergeben sich die Kriterien erst im Verlauf der Untersuchung, während beim Top-down-Verfahren die Kriterien bereits vor der Auswahl der Probanden festgelegt werden. Durch die Eingrenzung dieser Arbeit und die bereits bestehenden theoretischen Erkenntnisse, kann bereits vermutet werden welche Faktoren sich auf den Untersuchungsgegenstand auswirken. Aus diesem Grund wird das Top-down-Verfahren angewandt und folgende Kriterien für die Auswahl der Probandenstichprobe festgelegt: Der Proband muss Anwender einer Software sein, die den Arbeitsalltag bestimmt, dessen Einführung er miterlebt hat und deren Einführung nicht länger als fünf Jahre zurück liegt. Ebenfalls darf der Proband keine Führungsverantwortung besitzen und muss zwischen 18 und 65 Jahre alt sein.
Damit sind die Kriterien für die Auswahl der Probanden zwar fest definiert, bei der Anzahl der Interviews wird jedoch auf ein sequenzielles Vorgehen gesetzt. Dies bedeutet, dass kein Stichprobenumfang von vornherein definiert wird. Die Datenerhebung sowie die Datenauswertung werden nicht linear, sondern mehrfach zirkulär abgearbeitet bis der Eindruck entsteht, dass weitere Interviews keinen wesentlich neuen Informationsgewinn bewirken. Döring und Bortz (2016, S. 302) beschreiben diesen Punkt als theoretische Sättigung. Vorgabe dabei ist, dass die Probanden auf die aus entwicklungspsychologischer Sicht umrissenen Altersstufen und beiderlei Geschlechts verteilt sein sollten. Helfferich (2011, S. 175) gibt dabei zu bedenken, dass je weniger Probanden befragt werden, desto intensiver das Auswerteverfahren zu gestalten ist.
3.2.2 Gesprächsleitfaden und Durchführung
Ein Gesprächsleitfaden ist nach Kurz et al. (2009, S. 471) ein Werkzeug, um den Probanden an die Problemstellung des Interviews heranzuführen. Dieses Werkzeug hat den Vorteil, sein eigenes Wissen zu organisieren und zu explizieren (vgl. Mey & Mruck 2010a, S. 430). Aus diesem Grund wird ein Gesprächsleitfaden erstellt, der als Mindmap visualisiert und um eine Einleitungsfrage ergänzt wird. Dieser stellt neben den genannten Vorteilen insbesondere auch die Vergleichbarkeit der Interviews sicher.
Das problemzentrierte Interview ist nur grob strukturiert und gibt dadurch dem Interviewer die Möglichkeit früh einzugreifen. Der für das Interview erstellte Gesprächsleitfaden dient lediglich als Gedächtnisstütze. Im Folgenden wird der Ablauf der durchzuführenden problemzentrierten Interviews erläutert (vgl. Witzel, 2000, S. 5 ff.).
Im Vordergrund stehen dabei die Erfahrungen, die der Proband bei einer Softwareeinführung gemacht hat. In der Erklärungsphase wird die Zielsetzung der Untersuchung verdeutlicht und dem Probanden neben dem Kontext und der voraussichtlichen Dauer erläutert, dass seine individuelle Vorstellung und Meinung interessant sind - nicht die intellektuelle Leistung. Außerdem wird um die Unterzeichnung einer Einverständniserklärung gebeten. Das Interview beginnt mit einer vorformulierten Einleitungsfrage mit dem Ziel den Probanden zum Erzählen aufzufordern. Die Frage lautet wie folgt:
„Eine Softwareeinführung ist ja immer mit vielen Veränderungen verbunden. Du hast das ja schon einmal miterlebt. Wie lief das ab? Wie zufrieden warst du damit? Erzähl doch mal!“
Diese Einleitungsfrage wurde im Vorfeld durch vereinzelte Probeinterviews getestet und als gut nutzbar eingestuft. Nach dieser Einleitung folgt die eigentliche Interviewphase. Der als Mindmap visualisierte Leitfaden (Abbildung 5) dient dabei als Unterstützung. Nach Kurz et al. (2009, S. 471) ermöglicht diese Methode eine übersichtliche Abbildung des Leitfadens. Grundlage der Mindmap bilden die Annahmen des im Theorieteil entwickelten Change Management Meta-Modells. Durch die gleichrangige Anordnung der Kategorien kann flexibel, je nach Gesprächsverlauf, im Leitfaden gesprungen werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5 . Als Mindmap visualisierter Gesprächsleitfaden (eigene Darstellung).
Während des Interviews dienen allgemeine Sondierungen der sukzessiven Offenlegung der subjektiven Problemsicht. Offen gestellte Nachfragen ermöglichen es, getroffene Annahmen gemeinsam aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und zu erweitern. Gezielte Nachfragen stellen das korrekte Verständnis der Antworten sicher. Werden während des Gesprächs einige Themenbereiche vom Probanden ausgeklammert, werden mit Hilfe von Ad-hoc-Fragen die fehlenden Kategorien der Mindmap angesprochen.
Festgehalten werden die Interviews sowohl durch eine digitale Tonaufnahme als auch in parallel und nachträglich erweiterten Notizen und Anmerkungen, sowie thematischen Auffälligkeiten und Interpretationsideen.
3.2.3 Datenauswertung und Analyse
Bereits nach der Erhebung der ersten Daten gilt es diese auszuwerten. Das grundsätzliche Ziel aller Auswertungsmethoden besteht nach Hussy et al. (2013, S. 248) darin, die Bedeutung der erhobenen Daten zu verstehen. Dabei variieren die Methoden von wenig regelgeleitet und zugleich hochgradig flexiblen bis hin zu hochgradig systematischen und kaum individualisierbaren Vorgehensweisen. Als Ausgangspunkt für die Auswertung sind qualitativ hochwertige Daten notwendig. Nach Durchführung der Interviews liegen diese Daten jedoch nur in Form von Tonaufnahmen sowie Notizen und Anmerkungen zu diesen vor. Nach Höld (2009, S. 656) gelten Audioaufnahmen alleine aufgrund der Flüchtigkeit und Schnelligkeit der Rezipierbarkeit als keine umfassende Basis für die Datenauswertung. Aus diesem Grund gilt es, die Daten weiter aufzubereiten beziehungsweise zu verschriftlichen.
Wird die gesprochene Sprache in eine schriftliche Fassung gebracht, spricht man von Transkription. In der Literatur sind verschiedene Transkriptionssysteme zu finden. Während des Transkriptionsprozesses findet bereits eine erste Reduktion und Interpretation statt. Nach Höld (2009, S. 657) beeinflusst die Wahl des Transkriptionssystems deshalb die spätere Auswertung der Daten. Die Art des Transkriptionssystems ist demnach stark von der geplanten Analyse abhängig. Um das für die Forschung notwendige Transkriptionssystem zu finden, schlägt Kuckartz (2010, S. 46) vor, sich zunächst zu Fragen, was unbedingt Transkribiert werden muss und ob die festgehaltenen Phänomene später überhaupt in die Interpretation einbezogen werden sollen.
Im Kontext der vorliegenden Untersuchung liegt der Fokus auf den Aussagen der Probanden, mit dem Ziel den Prozess einer Softwareeinführung grob zu konzeptionieren, das theoretische Modell zu erweitern und die relevanten Aspekte herauszuarbeiten. Deshalb wird sowohl von der wörtlichen Transkription als auch der kommentieren Transkription abgesehen, da mit diesen Systemen Phänomene erfasst werden, die für die weitere Auswertung keine Relevanz haben. Für die Auswertung des Datenmaterials wird die Methode des datenreduzierenden Codierens gewählt. Dieses Auswertungsverfahren ist nach Hussy et al. (2013, S. 253) aufgrund seiner Flexibilität eines der am häufigsten verwendeten Verfahren in der Auswertung verbalen Materials. Ziel dieses Verfahrens ist es, die Gesamtbedeutung aus dem Material herauszuarbeiten.
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- Jan Speer (Author), 2018, Softwareeinführung als Change Management Prozess, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/438195
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