Zusammenfassung in Stichpunkten zur Übung "Historische Textkulturen" - Literatur im Mittelalter, erste schriftliche Zeugnisse, Epiküberlieferung, Entstehung des Drucks, Flugschrift - Zeitschrift - Zeitung, [...]
Literatur im Mittelalter
- Wichtigste Epiker:
- Wolfram v. Eschenbach (1200) – Parzival
- Hartmann v. Aue (vor 1200) – Iwein
- Gottfried v. Straßburg – Tristan u. Isolde
- Wichtigste Lyriker:
- Walther v. d. Vogelweide
- Reinmar
- Neidhart
- Periodisierung:
- AHD 750-1050
- MHD 1050-1350 (früh 1050-1170, klass. 1170-1250, spät 1250-1350)
- FNHD 1350-1650
- NHD ab 1650
- Texte im MA vorgetragen/gesungen – auch epische Texte (Aufführungskultur), lesen/erzählen als sozialer Akt, s. Beginn Iwein: Fest v. König Artus, Ritter erzählt selbst Erlebtes, Zitat Königin „Nicht nur mit Ohren sondern m. Herzen zuhören“, Lob des Erzählens v. idealer Vergangenheit (laus temporis acti)
- Litera (lat.) = Buchstabe, Schrift
- Literatur im MA bei Mönchen/im Kloster à bibl./kirchl. Texte, Übersetzung f. besseres Verständnis u. um Latein zu lernen (Mönche D als Muttersprache, Lat. im Rechtsbereich: Urkunden, Verwaltung)
- Überlieferungsträger im MA: Buch aus Pergament (gegerbte Tierhaut) à Material teuer, Buchschmuck, handschriftl. v. Mönchen (Unikat!) à später gedrucktes Buch, leicht zu vervielfältigen (Buchdruck Gutenberg ca. 1450)
- „Erec“: Entstehung ca. 1180, 300 Jahre später überliefert à Auftrag v. Kaiser Maximilian I im Heldenbuch (Handschrift m. Prestigewert)
Anfänge volkssprachl. Schriftkultur
- MA Doppelmedialität mündl.-schriftl.
- Leitliteratur Latein (Gelehrtensprache, Kirchensprache) – Hochmittelalter frz. Literatur (volkssprachl.) – Erec u. Iwein nach Chretien de Troyes (= Übersetzungsliteratur, Bearbeitungstendenz)
- keine normierte überregionale Sprache (viele Dialekte), aber überregionale Literatursprache à Texte dialektal angepasst (Sprache d. Dichters vs. Schreibers vs. Lesers)
Erste Zeugnisse schriftl. Überlieferung
- Marginalglossen = Übersetzung zu lat. Begriff, Randbemerkung
- Interlinearglosse = zwischen d. Zeilen, teilw. jedes lat. Wort übersetzt (eig. Übersetzung m. eig. Satzbau u. Syntax)
- Interlinearversion = Mittelding zw. Glosse u. Übersetzung
- Geheimschriftl. Glossen
- Glossar: s. Abrogans – eig. Zusammenstellung v. Übersetzungen (Abrogans = demütig, später Lexikon/Wörterbuch, Auftrag d. Dame aus Bescheidenheit, Vermutung dass Frauen Rezipienten)
- Beispiele:
- Kasseler Glossen = Gesprächsglossen, lat. Wörter durch dt. erklärt
- Pariser Gespräche (Schreiber nicht dt. Muttersprache)
- AHD Tatian (Bilingue) – 1.Hälfte 19.Jhd. aus lat. Evangelienharmonie, geht zurück auf griech. Text, wie Interlinearglosse aber gegenübergestellt (Rabanus Magnus: Theologe im Kloster Fulda à karoling. Minuskelschrift, Otfried f. Weißenburg an Übersetzung beteiligt)
- Schriftentwicklung:
- Gotische Minuskel nicht gut lesbar, Vorgänger d. Frakturschrift
- Karolingische Minuskel = Antiqua-Typus, Vorgänger d. heutigen Schrift
- Textualis Formata = Textura, schwer lesbar
- Gotische Kursive = Schreibschrift
- Bastarda = Mischung aus got. Schriften
- Frakturschrift im 2.WK verboten (jüd. Schrift, Normalschrifterlass 1941) à Antiqua
- Humanist. Minuskel (Antiqua)
- Kurrentschrift
- Heute: Hochliteratur als abgeschl. Kunstwerk, freie Autorschaft – 18.Jhd: Gefahren d. Lesens v.a. für Frauen (Emanzipation, körperl. Schlecht, Liebesromane)
- Paratext = Text zum eigentl. Text (Klappentext, Autorname, Titel, Rezension)
- Unterschied Ausgabe/Handschrift: Anordnung drückt Wertigkeit aus (links wichtiger, rechts Hilfstext)
- Tatian v. Otfried v. Weißenburg: Wiener HS V, Heidelberger HS P, Evangeliendichtung in Versen, keine Übersetzung = erstes eigentl. Buch d. dt. Literatur, mehrere Widmungen, frühroman. Kunst (weil Kreuzigung m. paralleler Beinhaltung)
Wiener Handschrift: Korrektureinträge, Betonungen v. Otfried v. Weißenburg (Schriftvergleich), Kapitelüberschriften, rote Schrift, Kennzeichnung jedes 2. Anfangsbuchstabens, Langverse in sich gereimt (Endvers nach Bsp. lat. Lit., wobei dt. Vers eigentl. Stabreim), Marginalglossen auf Lat., Anapher (Wiederholung d. Versanfangs, immer selbes Wort)
Joh. bezieht sich auf Genesis verkürzt, Otfried holt Text wieder herein (Bezug zu AT; Bezug NT/AT = Typologie, Verhältnis Verheißung-Erfüllung, im AT Typus als Vorstufe, NT Antitypus als Entsprechung, Adam-Christus)
5 Bücher – 5 Sinne: mehrfacher Schriftsinn, Verweisfunktion, Reinigung weil Einfallstor d. Sünde
- corectio: bereinigtes, schönes Latein à eig. Schriftform karoling. Minuskel als Hauptschrift (Oberlängen extram, keulenförmige Verdickungen)
- früheste Schriftzeugnisse aus Sbg: St.Peter u. Mondsee – Fragmente aus 8.Jhd., Übersetzung Matthäusevangelium (jetzt in Wien)
- Probleme bei Edition: Initialen fallen weg, Zeichenverwendung, Übersetzung d. Reims, Auflösung v. Kürzeln od. Erklärung, mehrere Überlieferungsstränge, Lücken
Merseburger Zaubersprüche
- heidn. Gottheiten direkt angesprochen: Idisen (Walküren) befreien Gefangene v. Fesseln, Götter (Wotan) reiten durch Wald, Pferd verletzt
- Aufbau: kl. Geschichte (wann anwenden), dann Zauberspruch
- german. Religionsvorstellung? durch Verschriftlichung u. christl. Kontext beeinflusst
- Zaubersprüche christianisiert = Segen (offensichtl. christl. Schreiber)
- handschriftl. in Codex niedergeschrieben ca. 10.Jhd.
Trierer Teufelsspruch
- BFK-Geheimschrift = Vokale durch Folgebuchstaben ersetzt; Punkt-Geheimschrift = Vokale durch Punkte ersetzt
- Hl. Bonifatius – Skrupel wg. Inhalt (Angst vor Teufel), will Missbrauch vorbeugen
Hildebrandslied (heroisches Kurzlied)
- erste u. letzte Seite lat. Handschrift (Bibelübersetzungen)
- sprachl. Mischung, Schrift ungelenk à Anfängerschreiber
- Codex aus Kassel ausgelagert, verloren, 1950er in NY aufgetaucht, erstes Blatt 1970er in Philadelphia
- Dietrich = Theoderich, König d. Ostgoten; Odoaker = König d. Westgoten (Dietrich tötet Odoaker b. Friedensverhandlungen – literar. Odoaker vertreibt Dietrich)
- einige Endreime u. Stabreime
- 2. Lautverschiebung nur tw.
- Inhalt: 2 ausgewählte Kämpfer (Vater u. Sohn) im Zweikampf entscheiden Krieg – 2 Bindungen: Heer u. Familie; einer vollzieht Wiedererkennen (= Anagnorisis), Vater tötet Sohn
- Einhardt: früheste Biografie Karls d. Großen – ließ alte heidn. Lieder aufschreiben, nichts erhalten, ev. Hildebrandslied eines davon
- 15.Jhd. jüngeres Hildebrandslied m. Happy End (Wiedererkennung)
- Hochmittelalterl. Heldendichtung: Nibelungenlied als Großepos
Wessobrunner Gebet
- Signatur: CLM (Codex Latein in München), CGM (Codex Germanicus)
- geschrieben 814, eigentl. alter german. Text v. Mönch bearbeitet
- optisch 2 Teile: Vorschöpfungsbericht, dann Gebet im Stabreim/Prosa
- inhaltl. 3 Teile (durch Initialen): was nicht war, Gottespreis, Gebet
- planvoller Eintrag auf Doppelseite, aufwändig gestaltet, Überschrift, Reihenfolge wie Schöpfungsbericht (Genesis)
- erster Text in Stabreimen (mündl. german. Dichtung – Edda aus Skandinavien auch in Stabreimen)
- tironische Note – Tiro = röm. Schriftsteller, entwickelt Stenografie
- Sternrune
Datierung von Werken
- zeithistorische Anspielungen
- Widmungsempfänger
- 2 Termini zur Begrenzung: post quem (nach), ante quem (vor)
- Datierung d. Entstehung vs. Datierung d. Überlieferung: „Erec“ v. Hartmann v. Aue – Entstehung 1200, Überlieferung 1506-1514
Otfried v. Weißenburg, ca. 865
- Genaue Gliederung, Initialen jeder 2.Vers, Marginalglossen, redigierte Handschrift, ausgeprägte Gestaltungsmuster, Randglossen Latein
- Leseallegorie: übertragener Sinn, Immunisierung d. Sinne gegen Sünde, lautes Lesen unter Beteiligung alles Sinne (Ivan Illich – Körperlichkeit d. Lesens – Klang, Meditation, Gemeinschaft, monastische Lesekultur, Murmeln), Kardinaltugenden: fortitudo (Stärke), temperantia (Mäßigung), sappientia (Weisheit), justitia (Gerechtigkeit), geistl. Tugenden = Glaube, Liebe, Hoffnung
- 4facher Schriftsinn (Bedeutungsebenen): sensus litteralis (konkreter histor. Sinn), sensus allegoricus (übertragener Sinn), sensus moralis (moralischer Sinn f. einzelnen), sensus anagogicus (Weltende, Apokalypse)
Edition
- Rekonstruktionsphilologie: Lachmann, Autorgenie dichtet Textoriginal, histor.-krit. Methode, Rekonstruktion d. Archetypus (1.Abschrift) aus mehreren Handschriften
- Kollation = Zusammentragen
- Recensio = Beurteilen
- Emendation = Korrektur, Textherstellung
- Konjektur = Ergänzung
- Leithandschriftenprinzip (Annäherung): Orientierung an guter Handschrift, Berücksichtigung d. anderen
- New Philology: 1980 entstanden, radikales Prinzip, alle Überlieferungen ernst nehmen, im MA kein fixer Text, lebt v. Varianz à alle Handschriften sollen gezeigt werden
- Klassifizierung v. Handschriften: Zeit/Datierung, Abhängigkeiten v. Handschriften (Leitfehler – Haplografie = Auslassen v. Zeilen, Diplografie = Zeile/Wort doppelt à wenn in A und in B, dann abhängig), Qualitätskriterien (optisch ordentlich, Gebrauch/Funktion à Prachthandschriften vs. Gebrauchshandschriften)
- Siglen f. Handschriften chronolog. vergeben (A, dann B,…) – entweder eine älter od. Zusammenhang über andere HS (Stemma = Stammbaum), A = kleine Heidelberger LiederHS, B = Stuttgarter LiederHS, C = gr. Heidelberger LiederHS (Codex Manesse)
- Lyriküberlieferung: keine Verse sondern Strophen abgesetzt (Strophe = zentrale Einheit), höf. Roman: Reimpaarverse abgesetzt, Reime durch Punkte markiert, Lit. durch soziales Milieu bestimmt (Kaiser Heinrich VI als erster in HS C)
- Edition: Verse abgesetzt, Satzzeichen, Zäsur; diplomat. Abdruck = Übertragung auf moderne Typografie
- Autograph = v. Autor stammende Handschrift
- 2 zentrale Handschriften: Codex Buranus (Buch; Carmina Burana = Lieder), gr. Heidelberger LiederHS C
- Carmina Burana: themat. Gliederung (moral.-didakt. Lieder, Liebeslieder, Trink- u. Spiellieder), hauptsächl. Mittellateinisch, auch dt. u. roman. (volkssprachl.) Texte, Trägerschicht Kleriker/Akademiker, letztes Liebeslied enge Verbindung v. Text u. Bild à HS = Kunstwerk, MA Kultur bildbezogen, Bildlichkeit in Texten u. bildn. Kunst reagiert auf Lit.
- Codex Manesse (gr. Heidelberger LiederHS C): nach Autoren gegliedert, ganzseitiges Autorenporträt zur Einleitung (Autorschaft ist zentrale Kategorie), Autoren erst nach Stand dann chronolog. geordnet, Reihung d. Texte – religiöse Dichtung dann polit. Dichtung
Palästinalied
- versch. Fassungen à mehrere Autoren? Bestätigt gilt nur Walther v. d. Vogelweide (Lachmann meint, Strophen seien dazu gedichtet worden; New Philology: existierte bereits in mehreren Fassungen, Aufführungskultur, 6 Originale)
- Varianz = Flexibilität d. MA Textes – auf Melodie geschrieben
- HS A dichteste Version, HS C Maximalversion
„Iwein“ v. Hartmann v. Aue
- Methode: Geschichte in d. Geschichte (Doppelungseffekt)
- Stellenwert d. Erzählens: Befehl d. Königin, hören m. Ohren und Herzen
- Burghof: Tochter liest Eltern vor, frz. Buch (Status d. Sprache, Bildung wichtig)
- auch bei Tristan u. Isolde Bildung wichtig, können mehrere Sprachen, dichten selbst
Epiküberlieferung
- Münchner HS = „Werkausgabe“, meiste HS bieten ganze Geschichte, Gesamtausgabe Wolfram v. Eschenbach, großteils Parzival (ca. 1210 entst., datiert 1230), Illustrationen v. Schluss d. Textes – auf MA Bildern werden wichtigste Personen identifiziert
Ambraser Heldenbuch (1504-1516)
- HS u. Buchdruck laufen parallel à HS mehr Prestige
- Nibelungenlied m. eig. Titel „Das Buach Krimhild“
- Verzierungen Blumen u. Tiere
- Hartmann v. Aues 1.Artusroman „Erec“ (ca. 1190, Überlieferung 1510)
- Auftrag Kaiser Maximilian I (letzter Ritter, neuzeitl. orientiert)
Druck
- Entwicklung d. Buchdrucks als Prozess à versch. Akteure u. Methoden
- Voraussetzungen:
- Papier als günstiges Material (früher Pergament = gegerbte Tierhaut)
- Xylografie = Schrifterzeugung durch Holzmatrizen (Bsp. Einblattdruck Buxheimer Christopherus, Schrift spiegelverkehrt, Coloration im Nachhinein), eingebettet in abergläub. Kulturen
- Konfessionelle u. polit. Krisensysteme à erster gr. Druck = Luther-Bibel; Reformation à Ideen bekanntmachen, ohne Druck keine moderne Öffentlichkeit! (heute: Radio 1920er Jahre - NS-Regime, Fernsehen 1950er/60er Jahre à Medien u. Politik bedingen sich wechselseitig!)
- Literalisierung d. Bevölkerung à früher nur Adelige u. Klerus gelesen, Nachrichten durch lautes Lesen vermittelt (Ontogenese spiegelt sich in Phylogenese)
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- Quote paper
- Bianca Lehner (Author), 2016, Historische Textkulturen. Zusammenfassung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/437830