Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Potential digitaler kryptographischer Währungen und nimmt dazu direkten Bezug auf das Modell des Parallelwährungssystems von Hayek. Genauer wird versucht werden, sein zur damaligen Zeit utopisches Konzept mit den heutigen technologischen Möglichkeiten umzusetzen. Die primäre Fragestellung hierbei ist: Wie lässt sich Hayeks Modell der entstaatlichten Parallelwährungen durch Einsatz moderner digitaler Kryptowährungssysteme in ein funktionierendes entstaatlichtes Modell umwandeln? Eine darin enthaltene Fragestellung ist, ob sich die Hürden aus Hayeks Modell mit den heutigen technischen Möglichkeiten überwinden lassen.
Als Einstieg in das Thema wird die derzeitige Situation des Zentralbankwesens beleuchtet. In Kapitel zwei wird dazu die Geschichte des Geldes und wichtiger Währungssysteme umrissen, um darüber auf die aktuell bestehenden Geldarten und ihrer Funktionen und Eigenschaften hinzuleiten. Im Anschluss wird das bestehende zentralstaatliche Geldsystem am Beispiel des Eurosystems vorgestellt. Zusätzlich werden dort wichtige Konzepte der Geldschöpfung und Geldwertstabilität erläutert. Das vierte Kapitel stellt Hayeks entstaatlichten Gegenentwurf eines Parallelwährungssystems dar, der die konzeptionelle Grundlage für das später entwickelte Modell kryptographischer Parallelwährungen bildet. Dazu werden seine Kritikpunkte am staatlichen System zusammengefasst und sein neu entwickeltes Modell wird beschrieben. Für das Verständnis der allgemeinen Funktionsweise und Umsetzung von Kryptowährungssystemen werden die wichtigsten technischen Verfahren in Kapitel fünf erklärt. Zusätzlich wird anhand des wertmäßig größten Kryptowährungssystems, dem Bitcoin, sowohl die Nutzung einer solchen Währung als auch die Kritik an einem solchen System erläutert. Auf dieses Wissen aufbauend werden alle vorgestellten Konzepte zu einem neu entwickelten Modell kryptographischer Parallelwährungen zusammengeführt. Beginnend mit der Entwicklung eines angepassten Grundmodells, entsprechend Hayeks Vorstellungen, werden danach die größten Hürden aufgezeigt und zu überwinden versucht. Darauffolgend werden die Übergangsphase und die langfristigen volkswirtschaftlichen Folgen dieses Modells skizziert, um dann die Erläuterung notwendiger Anpassungsmaßnahmen und die Kritik am vorgestellten Modell zu betrachten. Abschließend wird innerhalb des Fazits ein kurzer Rückblick gegeben und die primäre Fragestellung beantwortet.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einführende Diskussion
2. Evolution des geldbasierten Zahlungsverkehrs
2.1. Geschichte des Geldes und seiner Nutzung
2.1.1. Vom Tauschhandel zur Banknote
2.1.2. Vom Goldstandard zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion
2.1.3. Vom Buchgeld zum elektronischen Geld
2.1.4. Virtuelle Währungen als moderner Vertreter von Geld
2.2. Funktionen und Eigenschaften des Geldes
3. Das zentralstaatliche Geldsystem am Beispiel des Eurosystems
3.1. Gründe für eine staatliche Zentralbank
3.2. Aufbau, Aufgaben und Ziele der EZB im Eurosystem
3.2.1. Aufbau des Eurosystems
3.2.2. Aufgaben und Ziele der EZB
3.2.3. Unabhängigkeit der EZB
3.3. Geldschöpfung im Eurosystem
3.3.1. Geldmengendefinition
3.3.2. Geldschöpfung durch die Zentralbank
3.3.3. Giralgeldschöpfung durch die Geschäftsbanken
3.4. Die stabilitätsorientierte geldpolitische Strategie des Eurosystems
3.4.1. Das Konzept der Geldwertstabilität
3.4.2. Die Zwei-Säulen-Strategie der EZB
3.4.3. Quantitätstheorie
3.4.4. Geldpolitische Instrumente der EZB
4. Das entstaatlichte Geld: Konzept nach Hayek
4.1. Hayek und die „Entnationalisierung des Geldes“
4.1.1. Kritik am staatlichen System
4.1.2. Umsetzung eines entstaatlichten Systems
4.2. Hayeks Idee als Utopie des 20. Jahrhunderts
5. Kryptowährungen als moderner digitaler Vertreter von Geld
5.1. Allgemeine Funktionsweise 44
5.2. Eigenschaften dezentraler Kryptowährungssysteme
5.3. Technische Umsetzung
5.3.1. Peer-to-Peer-Netzwerk
5.3.2. Hash-Funktion
5.3.3. Private Key, Public Key und Public Address
5.3.4. Digitale Signaturen
5.3.5. Blockchain
5.3.6. Geldschöpfung im dezentralen Kryptowährungssystem
5.4. Verwahrung
5.5. Bitcoin als Initiator von Kryptowährungen
5.5.1. Durchführung einer Transaktion im Bitcoin-System
5.5.2. Kritik am Bitcoin-System
6. Kryptographische Parallelwährungen als entstaatlichte Alternative
6.1. Entwicklung des Grundmodells nach Hayek
6.2. Hürden des Modells
6.2.1. Geldwertstabilität
6.2.1.1. Geldsystem 1: Hybrides Adaptiv-Modell
6.2.1.2. Geldsystem 2: Dezentrales Adaptiv-Modell
6.2.2. Vertrauen in entstaatlichte Währungen
6.2.3. Nutzbarkeit und praktische Umsetzung
6.2.4. Gesetzlicher Rahmen
6.3. Übergangsphase
6.4. Langfristige volkswirtschaftliche Auswirkungen
6.5. Weitere Entwicklungen und notwendige Anpassungen
6.6. Kritik am Modell
7. Fazit und Forschungsausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Prozess der Giralgeldschöpfung durch Geschäftsbanken
Abbildung 2: Entwicklung des HVIP im Euroraum im Vergleich zur Zielvorgabe
Abbildung 3: Vergleich eines zentralen und dezentralen Netzwerkes
Abbildung 4: Prozess der digitalen Signatur und Verifikation
Abbildung 5: Darstellung eines Hash-Baumes
Abbildung 6: Aufbau der Blockchain
Abbildung 7: Inhalt eines Blocks
Abbildung 8: Darstellung des Mining-Prozesses
Abbildung 9: Entwicklung der Anzahl an Bitcoin-Einheiten
Abbildung 10: Google Trends zum Suchbegriff "Bitcoin"
Abbildung 11: Anzahl an Transaktionen im Bitcoin-System pro Tag
Abbildung 12: Preisentwicklung des Bitcoins in US-Dollar
Abbildung 13: Prozentuale Preisveränderung zum Vortag der drei größten Kryptowährungen .
Abbildung 14: Preisentwicklung der drei größten Kryptowährungen
Abbildung 15: Preisentwicklung der Rohstoffe des Warenkorbs
Abbildung 16: Preisentwicklung des KryptoCoins und des Warenkorbs
Abbildung 17: Austauschverhältnis zwischen Warenkorb und KryptoCoin bzw. StableCoin mit 1 Tag Verzögerung im Zeitraum von 500 Tagen
Abbildung 18: Austauschverhältnis zwischen Warenkorb und KryptoCoin bzw. verschiedenen StableCoins im Zeitraum von 500 Tagen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Klassifizierung virtueller Währungen
Tabelle 2: Aufbau des Eurosystems
Tabelle 3: Übersicht der Geldmengendefinitionen
Tabelle 4: Beispiele für SHA-256-Funktionen
Tabelle 5: Ausschnitt der Entwicklung des KryptoCoins ohne Anpassung der Wallet- Geldmenge
Tabelle 6: Ausschnitt der Entwicklung des StableCoins mit Anpassung der Geldmenge und einem Tag Verzögerung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einführende Diskussion
“For in every country of the world, I believe, the avarice and injustice of princes and sovereign states, abusing the confidence of their subjects, have by degrees diminished the real quantity of metal, which had been originally contained in their coins.”1
Diese mahnenden Worte schrieb der berühmte Ökonom ADAM SMITH bereits in seinem im Jahr 1776 erschienen Buch „An Inquire into the Nature and Causes of the Wealth of Nations“ nieder, welches bis heute zu den einflussreichsten ökonomischen Werken gehört. Damit wollte er auf einen herrschaftlichen Machtmissbrauch innerhalb des Geldwesens aufmerksam machen, der sich in der Geschichte des Menschen stetig wiederhole. Die Herrschenden nutzen ihr selbst gegebenes Monopolrecht in der Gelderstellung aus, um ihren Reichtum zu mehren, während die Bevölkerung den Preis der Inflation und Deflation zahlen müsse. Trotzdem gab es seitdem nur selten Zweifel an einem durch die Obrigkeiten kontrollierten System. Auch in der jüngeren Vergangenheit Europas ist das Zentralbankwesen in der Gesellschaft immer gleichbedeutend gewesen mit der Ausgabe und Verwaltung der geltenden Währungen. Obwohl die Geschichte häufiger die Probleme eines staatlichen Geldwesens aufzeigte und gleichzeitig die anderen Marktbereiche immer liberaler gestaltet wurden, ist für die meisten Individuen der Staat wei- terhin der einzig mögliche Emittent einer Währung geblieben. Dennoch wurden im Laufe der Zeit einige Ideen von Kritikern des staatlichen Geldmonopols entwickelt, die den potentiellen Missbrauch dieser Macht beenden sollten, um so eine neue Währung für das Volk zu kreieren. Zu den größten Gegnern des staatlichen Geldmonopols zählte der Ökonom FRIEDRICH VON HAYEK. In seinem Werk „Denationalisation of money“ aus den 1970er Jahren kritisiert er deut- lich genau dieses stetig währende staatliche Geldmonopol und beschreibt ein potentielles Mo- dell in Form von Parallelwährungen, das eine revolutionäre liberale Alternative dazu darstellen könne. Da er besonders vor einer weiteren Machtkonzentration durch den Zusammenschluss verschiedener Zentralbanken zu einem Währungsraum mit supranationaler Zentralbank warnte, ist sein Werk, im Hinblick auf das bestehende Eurosystem in der EU, heute aktueller denn je. Dennoch war eine Umsetzung seines Konzepts aufgrund verschiedener Hürden zum damaligen Zeitpunkt kaum vorstellbar.
Im Jahr 2008 erschien mit dem Whitepaper „Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System” von SATOSHI NAKAMOTO eine technisch neuartige Idee zur Emission von Währungen, die einen Grundbaustein für die Überwindung einiger Hürden von HAYEKs Konzept legen könnte. Das Ziel dieses Papers war die Kreierung einer von staatlichen Institutionen unabhängigen digitalen kryptographischen Währung mit dem Namen „Bitcoin“. Nachdem das Bitcoin-System im da- rauffolgenden Jahr gestartet wurde, erlangte es in den letzten Jahren eine stetig wachsende Me- dienpräsenz. Dies lag hauptsächlich an den enormen Wertsteigerungen der Bitcoin-Einheiten. Seitdem wurde eine Vielzahl weiterer sogenannter Kryptowährungen auf diesem Grundkonzept entwickelt und veröffentlicht. Zwar konnten sich diese aufgrund einiger Schwächen und Kri- tikpunkte zum heutigen Zeitpunkt nicht fest als Zahlungsmittel in der breiten Gesellschaft etab- lieren, dennoch ermöglichen sie neue Perspektiven bei der Gestaltung von Geldsystemen. Die Aktualität und das Fortschreiten dieses Themas im Finanzbereich machen gezielte Analysen erforderlich.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich genau mit diesem Potential digitaler kryptographischer Währungen und nimmt dazu direkten Bezug auf das Modell des Parallelwährungssystems von HAYEK. Genauer wird versucht werden, sein zur damaligen Zeit utopisches Konzept mit den heutigen technologischen Möglichkeiten umzusetzen. Die primäre Fragestellung hierbei ist: Wie lässt sich HAYEKs Modell der entstaatlichten Parallelwährungen durch Einsatz moderner digitaler Kryptowährungssysteme in ein funktionierendes entstaatlichtes Modell umwandeln? Eine darin enthaltene Fragestellung ist, ob sich die Hürden aus HAYEKs Modell mit den heuti- gen technischen Möglichkeiten überwinden lassen. Erkenntnisse dazu können die zukünftige Diskussion über die Entwicklung von vorhandenen und neuen Geld- und Währungssystemen beeinflussen und bereichern.
Als Einstieg in das Thema wird die derzeitige Situation des Zentralbankwesens beleuchtet. In Kapitel zwei wird dazu die Geschichte des Geldes und wichtiger Währungssysteme umrissen, um darüber auf die aktuell bestehenden Geldarten und ihrer Funktionen und Eigenschaften hin- zuleiten. Im Anschluss wird das bestehende zentralstaatliche Geldsystem am Beispiel des Eu- rosystems vorgestellt. Zusätzlich werden dort wichtige Konzepte der Geldschöpfung und Geld- wertstabilität erläutert. Das vierte Kapitel stellt HAYEKs entstaatlichten Gegenentwurf eines Pa- rallelwährungssystems dar, der die konzeptionelle Grundlage für das später entwickelte Modell kryptographischer Parallelwährungen bildet. Dazu werden seine Kritikpunkte am staatlichen System zusammengefasst und sein neu entwickeltes Modell wird beschrieben. Für das Ver- ständnis der allgemeinen Funktionsweise und Umsetzung von Kryptowährungssystemen wer- den die wichtigsten technischen Verfahren in Kapitel fünf erklärt. Zusätzlich wird anhand des wertmäßig größten Kryptowährungssystems, dem Bitcoin, sowohl die Nutzung einer solchen Währung als auch die Kritik an einem solchen System erläutert. Auf dieses Wissen aufbauend werden alle vorgestellten Konzepte zu einem neu entwickelten Modell kryptographischer Pa- rallelwährungen zusammengeführt. Beginnend mit der Entwicklung eines angepassten Grund- modells, entsprechend HAYEKs Vorstellungen, werden danach die größten Hürden aufgezeigt und zu überwinden versucht. Darauffolgend werden die Übergangsphase und die langfristigen volkswirtschaftlichen Folgen dieses Modells skizziert, um dann die Erläuterung notwendiger Anpassungsmaßnahmen und die Kritik am vorgestellten Modell zu betrachten. Abschließend wird innerhalb des Fazits ein kurzer Rückblick gegeben und die primäre Fragestellung beant- wortet.
Um den inhaltlichen Schwerpunkt auf das zu entwickelnde entstaatlichte Modell nicht zu ver- lieren, konzentriert sich diese Arbeit in der Funktionsweise der staatlichen Geldsysteme auf das Eurosystem, stellvertretend für weltweit alle Länder mit staatlichem Geldmonopol. Der Außen- handel zwischen den Euro-Ländern und dem weiteren Ausland wird nicht analysiert. Darüber hinaus wird mit dem System der „Blockchain“, als technische Grundlage des Bitcoin-Systems, nur das bisher am häufigsten etablierte System zur Sicherung von Transaktionsverläufen mit Kryptowährungen genutzt.
2. Evolution des geldbasierten Zahlungsverkehrs
Die heutigen Geldsysteme und ihre Eigenschaften sind das Ergebnis langjähriger evolutionärer Prozesse im Bereich Zahlungsverkehr und Handel. Geld selbst wird „in der Regel als das all- gemein akzeptierte Tauschmittel“ 2 definiert. Allgemein kann unter dem Begriff Geld alles ver- standen werden, was innerhalb einer Volkswirtschaft zur Bezahlung von Gütern, Dienstleistun- gen und anderen finanziellen Verpflichtungen verwendet wird. Die konkrete Erscheinungsform des Geldes veränderte sich daher im Zeitablauf entsprechend der geschichtlichen Vorausset- zungen und Anforderungen.3 In diesem Kapitel wird ein kurzer Überblick über den geschicht- lichen Entwicklungsprozess des Geldes gegeben. Außerdem erfolgt eine Kategorisierung der aktuellen Vertreter virtueller Währungen, um diese, im weiteren Verlauf der Arbeit, in den Ge- samtkontext der Währungen und Währungssysteme korrekt einordnen zu können. Anschlie- ßend werden die sich herausgebildeten Funktionen und Eigenschaften von Geld erläutert.
2.1. Geschichte des Geldes und seiner Nutzung
Die Motivation hinter der Entstehung von Geld in der Geschichte ist eine logische Konsequenz aus dem ständigen Warenhandel zwischen Individuen. Während zu Beginn der Menschheitsgeschichte der Handel noch keine Rolle spielte, da die damaligen Jäger und Samm- ler kaum die Möglichkeit zur Lagerung von Vorräten hatten, änderte sich dieser Sachverhalt spätestens vor etwa 10.000 Jahren mit dem Beginn der Sesshaftigkeit einiger Völkergruppen. Diesen war es durch Ackerbau und Viehzucht nun möglich, eine Menge an Nahrung zu produ- zieren, die über den eigenen Bedarf hinausging.4 Eine weitere Folge dieses Entwicklungspro- zesses war die Teilung und Organisation der Arbeit in den dort entstehenden Dörfern und Städ- ten, die man unter dem Begriff „Spezialisierung“ zusammenfassen kann. Zwar konnte durch Spezialisierung die Gesamtmenge an produzierten Waren weiter gesteigert werden, dennoch machte sie den Handel untereinander obligatorisch, da die Nachfrage der Individuen nach un- terschiedlichen Gütern weiterhin bestehen blieb.5 Auf Grundlage dieses geschichtlichen Pro- zesses werden in den folgenden Unterkapiteln die wichtigsten Phasen der Handelsentwicklung mit Geld näher beleuchtet.
2.1.1. Vom Tauschhandel zur Banknote
Die Naturalwirtschaft bildet den Vorgänger zur Geldwirtschaft. Um einen Tausch von Gütern durchzuführen, mussten sich zwei Individuen finden, deren gegenseitige Nachfragen und An- gebote an Gütern übereinstimmten. Wollte also ein Individuum sein Gut A gegen ein bestimm- tes Gut B tauschen, so musste es einen Tauschpartner finden, der genau dieses Gut B anbot und dessen Gut A nachfragte.6 Diese Problematik trägt die Bezeichnung „Doppelkoinzidenz der Bedürfnisse“, welche durch den Ökonomen JEVONS geprägt wurde.7 Darüber hinaus konnte eine Skalierung der beiden Güter problematisch sein, da häufig auch nicht-teilbare Güter, wie z.B. Tiere, gehandelt wurden.8
Um dem Zwang der doppelten Koinzidenz zu umgehen, wurde das „Warengeld“ als erste Form des Geldes eingeführt. Aus ökonomischer Sicht entsprach es einer Reihe von festgelegten und von der Gesellschaft dazu anerkannten Gütern, die von den einzelnen Individuen zum Erwerb anderer Güter und Leistungen genutzt wurden.9 Ihr Zweck lag hauptsächlich im Gebrauch als Tauschgut und weniger in ihrem eigentlichen materiellen Vorteil. Grundlage dafür war ihre intertemporale Funktionseigenschaft, die die Kaufkraft eines Referenzgutes auf die Zukunft übertragen konnte. Güter dieser Art traten in der Geschichte in unterschiedlicher Form auf, wie beispielsweise Muscheln, Metalle oder besondere Steine.10 Da durch die Nutzung eines Tauschgutes das Problem der notwendigen doppelten Koinzidenz aufgehoben wurde, verringerten sich die Transaktionskosten und Verhandlungskosten zwischen möglichen Tauschpartnern, wodurch die Entwicklung des Handels weiter vorangetrieben wurde.11
Im Laufe der Zeit übernahmen besonders Metalle wie Bronze, Silber und Gold die Rolle des Warengeldes, da sie viele nützliche Eigenschaften aufwiesen. Anders als Lebensmittel und Tiere waren sie nicht verderblich, korrodierten nicht, waren rar in ihrer Menge, konnten gut geschmiedet bzw. geteilt werden, und ihre Reinheit ließ sich selbst zu dieser Zeit relativ einfach überprüfen. Um die Verwendbarkeit des Metallgeldes weiter zu verbessern, wurden einheitlich genormte Stücke geschmiedet, welche zum Beweis ihrer Reinheit und ihres Gewichts entspre- chend der Münzordnung eine Prägung durch den jeweiligen Münzherrn erhielten, der das so- genannte Münzregal innehatte. Dieses bezeichnet das hoheitliche Recht zur Prägung und Ge- staltung der Münzen und unterlag üblicherweise dem Landesherrn. Der Wert der geprägten Münzen lag über dem reinen Metallwert, und stellte somit eine Prämie für den Präger da. Au- ßerdem konnte so sichergestellt werden, dass die erhaltenen Münzen nicht sofort wieder einge- schmolzen, sondern weiterhin für den Handel genutzt wurden.12,13,14 Mit der Ausbreitung des Handelsvolumens stieg die Nachfrage nach Münzen und folglich auch nach den genutzten Me- tallen. Eine steigende Knappheit dieser Metalle machte es nötig, die Reinheit der Münzen im- mer weiter zu verringern, indem der Anteil günstigerer Metalle darin erhöht wurde. Spätestens zu diesem Zeitpunkt begann der Wandel vom Warengeld zu unseren heutigen Scheidemünzen, deren Metallwert weit unter dem aufgeprägten Nennwert liegt.15
Im 17. Jahrhundert begannen Goldschmiede das Gold und Silber der Händler zu verwalten und gaben an diese im Austausch Wechselscheine aus. Die Schmiede verpflichteten sich damit, bei Erhalt eines Wechselscheins, die jeweilige Menge an Gold oder Silber auszuhändigen. Dies führte zu einer zusätzlichen Beschleunigung des Handels, da Kaufleute nun nicht mehr größere Mengen an Metallen und Münzen mit sich führen mussten, sondern ihre Zahlungen untereinander mit Wechselscheinen durchführen konnten.16
Bereits im Jahr 1644 begann die Ausbreitung der ersten Banknoten in Europa. Diese „Credityf- Zedel“ wurden von der Notenbank in Schweden im Austausch für 20 kg Kupferplatten ausge- geben. Damit wurde das Grundprinzip des Notenbankwesens ab dem 19. Jahrhundert festge- legt, wonach Notenbanken Edelmetalle und Wechselbriefe von Individuen ankauften und im Gegenzug Banknoten ausgaben mit dem Versprechen, den Gegenbetrag jederzeit in Edelmetal- len wieder auszuzahlen.17
2.1.2. Vom Goldstandard zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion
In den darauffolgenden Jahren entstanden in den westlichen Ländern unterschiedliche Geldsys- teme. Zu Beginn nutzten die meisten ein System bimetallischer Währungen aus Gold und Silber in einem festgelegten Umtauschverhältnis.18,19 Im Laufe der Jahre begann jedoch eine Verknap- pung des Silbers. Gleichzeitig wurden neue Goldquellen gefunden, sodass das Umtauschver- hältnis nicht mehr den wahren Wert der Metalle widerspiegelte.20 Unterbewertetes Silber wurde eingeschmolzen bzw. verließ das Land und wurde durch überbewertetes Gold verdrängt. Dieses Phänomen wird als „Greshamsches Gesetz“ bezeichnet, bei dem sich das minderwertigere Geld in einem festen Umtauschverhältnis immer gegen das höherwertige durchsetzt.21,22 Diese Wert- schwankungen hatten zur Folge, dass sich in den meisten Ländern die Goldwährung durch- setzte, die dann langfristig zum internationalen Goldstandard führte. Wichtig für einen funk- tionierenden Goldstandard waren die ungehinderte Konvertibilität von Geld in Gold und um- gekehrt, die ungehinderte Ein- und Ausfuhr von Gold, und die festen Regelungen zur Bindung der Geldmenge eines Landes an seine Goldreserven.23 Wurde der Wert der ausgegebenen Bank- noten in ihrem Umtauschverhältnis vollständig durch Gold gedeckt, so sprach man von einem „reinen Goldstandard“. Die Motivation hinter einem internationalen Goldstandard lag in der Stabilisierung der Wechselkurse durch den Goldautomatismus. Stieg der Kurs einer Währung an, so floss Gold aus dem währungsschwächeren in das währungsstärkere Land. Der Goldab- fluss führte zu einer Verringerung des Notenumlaufs, und dadurch zu einem Anstieg der Zinsen in dem einen Land, während der Goldzufluss im anderen Land den Notenumlauf erhöhte und die Zinsen verringerte. War ein bestimmtes Level erreicht, so drehte sich der Goldstrom um, und das Gold floss in das Land mit den höheren Zinsen und der somit höheren Noten- bzw.
Goldnachfrage. Dieses System funktionierte nur bedingt gut, da viele Zentralbanken sich nicht vollständig an die Regeln hielten und die notwendigen Anpassungen des Geldumlaufs entsprechend der Goldreserven nicht durchführten, oder den Goldabfluss bei Zahlungsbilanzdefiziten mit verschiedenen Maßnahmen versuchten zu unterbinden. Der größte Erfolg des internationalen Goldstandards in dieser Zeit lag in der Schaffung von Vertrauen innerhalb der Bevölkerung in die Konvertibilität zwischen Banknoten und Gold.24
Mit Beginn des Ersten Weltkriegs begannen die Regierungen der beteiligten Länder in großem Umfang ungedeckte Banknoten zu drucken, um einen hohen Anteil der Kriegskosten zu finan- zieren.25 Um eine Umtauschwelle der Banknoten gegen Gold durch die Bevölkerung zu ver- meiden, welche das Vertrauen in die Stabilität in die Währung gesenkt hätte, wurde die Einlö- sepflicht ausgesetzt.26 Eine Rückkehr zum Goldstandard und zur Einlösepflicht begann in den meisten Ländern erst nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Aufgrund teils sehr unterschiedli- cher wirtschaftlicher Entwicklungen, konnte sich die Stabilität des Systems in der Vorkriegszeit jedoch nicht durchsetzen.27 Große Leistungsbilanzunterschiede und die wirtschaftspolitischen Reaktionen darauf führten zu Konzentrationen von Gold in wenigen Ländern. Diese Unter- schiede zwangen wiederum andere Länder zu hohen Kreditaufnahmen am Weltmarkt, um ihre eigene Währung durch Gold decken zu können. Den entstandenen wirtschaftlichen Problemen durch Geldknappheit konnte dadurch aber nicht entgegengewirkt werden, da die Menge an Gold zu gering war. Dieser Mangel führte in vielen Regionen zu deflationären Tendenzen.28
Nachdem sich diese Entwicklung immer weiter fortsetzte, begannen die meisten Länder den Goldstandard aufzuheben, um so über eine freiere Geldpolitik als Werkzeug gegen die wirt- schaftlichen Krisen im eigenen Land zu verfügen, die nicht mehr durch zwingend notwendige Goldreserven eingeschränkt wird. Dies führte zu einem Abwertungswettbewerb der Währun- gen, da die Länder ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit wiedererlangen wollten. Der Ver- fall der Kaufkraft des Geldes, und eine einhergehende hohe Inflation waren die Folge.29
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erkannten die meisten Staaten, dass ein solches System wie der Goldstandard langfristig international den Volkswirtschaften mehr schadet als hilft. Um Fehler aus der Vergangenheit zu vermeiden, und den stark schwankenden Wechselkursen bzw. dem ständigen Abwertungsdruck der Währungen ein Ende zu bereiten, einigten sich die Vertreter von 44 Regierungen im Jahr 1944 in Bretton Woods (New Hampshire, USA) auf ein neues System zur Stabilisierung. Besonders die Siegermächte USA und Großbritannien sahen hier eine einmalige Möglichkeit, eine neue internationale Währungsordnung nach ihren Vor- stellungen zu etablieren. Das Ergebnis war das Bretton-Woods-System, das einen Überein- kunft aus den Vorstellungen des Ökonomen JOHN MAYNARD KEYNES und des amerikanischen Finanzministeriums unter HARRY D.WHITE darstellte.30 Ziel des Währungssystems war es, ei- nen Kompromiss aus Flexibilität in der Anpassung an wirtschaftliche Entwicklungen eines Lan- des und langfristiger Stabilität einzelner Währungen untereinander zu erreichen. Darüber hin- aus sollten ein ungehinderter Waren- und Kapitalverkehr, Vollbeschäftigung und eine engere Zusammenarbeit der Länder gefördert werden.31 Zur Umsetzung wurde der „Internationale Währungsfonds“ als gemeinsame Institution gegründet. Dieser half u. a. dabei, die durch Kre- ditvergabe kurzfristigen Zahlungsbilanzdefizite in den Mitgliedsstaaten zu überbrücken, da diese ihre Währung nicht mehr selbstständig als Reaktion abwerten konnten.32,33 Zur Umset- zung des Systems verpflichteten sich die einzelnen Mitgliedsstaaten auf einige wichtige Punkte:
- Fixierung des Wechselkurses der eigenen Währung zum US-Dollar innerhalb einer fest- gelegten engen Kursbandbreite von 1 Prozent,
- Fixierung des Tauschverhältnisses zwischen US-Dollar und einer Unze Gold auf 35:1,
- Verpflichtung der USA zum Kauf oder Verkauf des US-Dollar zum fixierten Goldkurs.
Es handelte sich beim Bretton-Woods-Abkommen demnach um ein Gold-Dollar-Standard. Zur Beseitigung von Restriktionen und einer Anpassung des Währungssektors an die Anforderungen wurde den Ländern eine Übergangszeit von 5 Jahren eingeräumt. In den meisten Fällen geschah die endgültige Umsetzung aber erst einige Jahre später.34,35
Das Bretton-Woods-System, und damit die Bindung an den US-Dollar, brach Anfang der 1970er Jahre ein, nachdem sich in den USA die Handels- und Leistungsbilanz aufgrund der Kapitalexporte über mehrere Jahre so drastisch verschlechtert hatten, dass aus Furcht vor einer erwarteten Abwertung große Mengen an Geld nach Westeuropa flossen. Da trotz Zinsverringe- rungen und Stabilitätskäufen durch die europäischen Notenbanken der Zufluss an Geld nicht gestoppt werden konnte, wurde zum Schutz vor einer hohen Inflation der feste Wechselkurs zum US-Dollar nach und nach durch die Mitgliedsländer aufgegeben. Im Jahr 1973 wurde das Bretton-Woods-System offiziell außer Kraft gesetzt.36,37
Parallel wurde in Europa im Jahr 1971 im Rahmen der damaligen Europäischen Wirtschafts- gemeinschaft zusätzlich die sogenannte „Währungsschlange“ eingeführt, die die Gründung ei- nes europäischen Wechselkursbundes darstellte. Darin wurde festgelegt, dass die Währungen der Mitglieder der EWG nur innerhalb einer Bandbreite von ± 2,25 Prozent zueinander schwan- ken dürfen. Aufbauend darauf wurde in den Ländern der EWG im Jahr 1979 das Europäische Währungssystem gegründet. Die Schwankungsbreite der Wechselkurse lag weiterhin bei 2,25 Prozent, wurde im Jahr 1993 aber aufgrund einer Krise auf dem Devisenmarkt auf 15 Prozent angepasst.38 Ziel des EWS war die Stabilisierung der Wechselkurse innerhalb der Mitglieds- staaten, um so international den Güter- und Kapitalverkehr zu erleichtern und eine Verbesse- rung der Stellung Europas im internationalen Währungssystem zu ermöglichen. Außerdem sollte langfristig der Weg zu einer gemeinsamen europäischen Währung geebnet werden, wel- che im Jahr 1999 in Form des Euro umgesetzt wurde, und bis heute in immer mehr europäischen Ländern die nationale Währung ersetzt. Sie wird seitdem durch die Europäische Zentralbank emittiert.39 EU-Mitglieder, die noch ihre eigene nationale Währung besitzen und sich langfristig in das EWS integrieren wollen, unterliegen dem „Wechselkursmechanismus II“, der eine Band- breite zwischen nationaler Währung und Euro von weiterhin 15 Prozent fordert und einem not- wendigen Konvergenzkriterium aus dem Vertrag von Maastricht entspricht.40,41
2.1.3. Vom Buchgeld zum elektronischen Geld
Spätestens seit dem Ende des Goldstandards sind die Länder immer mehr von einem hohen Deckungsgrad der ausgegebenen Banknoten durch beispielsweise Edelmetalle zu einer soge- nannten „Fiat-Währung“ übergegangen.42 Der Begriff „fiat“ leitet sich vom lateinischen Wort „es werde“ ab und bezeichnet eine Währung, die allein durch Beschluss der gesetzgebenden Organe eines Staates ihren Wert erhält, und dadurch als Zahlungsmittel dient.43 SOMBART (1987) verdeutlichte dies mit den Worten „Im Anfang ist ein Staatsakt.“44. Das Geld existiert also nur durch Legitimation und ohne Deckung.45 In der heutigen Realität ist nur ein geringer Teil des umlaufenden Geldes durch Währungsreserven gedeckt, die sich hauptsächlich aus Devisen und Gold zusammensetzen.
Parallel zur Verbreitung des Papiergeldes setzte sich in den großen Handelsstädten Europas mit dem Buch- oder Giralgeld eine weitere Form des Geldes durch. Dieses Geld wurde nur in den Kontobüchern der Banken verzeichnet. Kaufleuten wurde damit die Möglichkeit gegeben, Geld auf Konten zu lagern und zwischen diesen umzubuchen. Darüber hinaus hatten Banken nun eine erweiterte Möglichkeit, ihren Kunden Kredite zur Verfügung zu stellen, indem sie neues Giralgeld erschufen und gegen einen Zins verliehen.46 Seit den 1960er Jahren begann sich die elektronische Buchführung immer weiter durchzusetzen. Heutzutage wird die gesamte Buch- führung der Banken elektronisch abgewickelt.47 Dies führt zu Zeitersparnissen, Kostenredukti- onen und einer Erhöhung der Flexibilität im Zahlungsverkehr.48 Banknoten und Münzen bilden nur noch einen kleinen Anteil am gesamten Umlauf an Geld auf der Welt.49
Obwohl der elektronische Zahlungsverkehr in der Gesellschaft schon länger zum Standard gehört, sind diese Zahlungssysteme noch immer ein sich ständig weiterentwickelnder Innova- tionsbereich. Über die letzten Jahrzehnte haben sie sich vielseitig entwickelt und unterscheiden sich bezüglich ihrer Ziele, Einsatzfelder und Eigenschaften. Innerhalb der elektronischen Zah- lungssysteme stellen sie alle eine digitale Form ihrer eigentlichen Währung dar.50 Ihre Übertra- gung von einem Besitzer auf den nächsten erfolgt nur digital und nicht physisch, sodass weder das Kennen noch ein Treffen mit dem Transaktionspartner notwendig sind.51 Der Austausch erfolgt über digitale Informationsnetze, wie beispielsweise das Internet.52 Eine mögliche Un- terscheidung der Arten von elektronischen Zahlungssystemen erfolgte durch BRENIG. Er unter- teilte sie in Notationsgeld (engl.: „notational money), elektronisches Geld und virtuelle Wäh- rungen.53
Notationsgeld bezeichnet digitales Geld, das als Wert auf einem Computer bzw. innerhalb ei- nes Kontos verbucht ist.54 Dieses Konto und das Geld stehen unter der Kontrolle eines Finanzinstituts. Zahlungen können nicht vollständig anonym durchgeführt werden, da bei jedem Buchungsvorgang Daten über den Betrag, den Zeitpunkt, den Ort und die Kontonummer des Transaktionspartners gesichert werden. Zum Notationsgeld gehören neben den üblichen Bankkonten auch Kreditkarten und Online-Bezahldienste wie „Paypal“. Es stellt den größten Anteil aller elektronischen Geldtransaktionen dar.55
Elektronisches Geld, auch E-Geld genannt, ist die neugestaltete digitale Form einer eigentlich physischen Währung.56 Es soll die Vorteile von Bargeld wie geringe Transaktionskosten, hohe Geschwindigkeit der Besitzübertragung und Anonymität des Geldes vereinen, während die Nachteile der hohen Produktionskosten, der begrenzten Teilbarkeit und der Notwendigkeit der Lagerung des Geldes verdrängt werden. Zur Nutzung von elektronischem Geld gibt es hard- warebasierte Lösungen, z.B. Geldkarten, und softwarebasierte Lösungen, z.B. Millicent, das eine Art Inkassosystem mit elektronischen Gutscheinen darstellt, die als Zahlung per Computer oder Smartphone transferiert und wieder eingetauscht werden können.57 E-Geld wird ebenfalls von Finanzinstituten bereitgestellt und kontrolliert. In diesem Fall existiert hingegen keine Möglichkeit zur Geldschöpfung, da nur bereits geschöpftes Geld in digitaler Form genutzt wird.58,59
2.1.4. Virtuelle Währungen als moderner Vertreter von Geld
Virtuelle Währungen stellen laut EZB eine „digitale Repräsentation von Werten dar, die nicht durch eine Zentralbank, einem Kreditinstitut oder einem E-Geld-Institut emittiert werden und, unter bestimmten Umständen, als eine Alternative zu Geld verwendet werden können.“60. Ob- wohl der Begriff „virtuelle Währung“ in den letzten Jahren sehr durch das Thema Bitcoins in Erscheinung getreten ist, welches im späteren Verlauf der Arbeit näher betrachtet wird, exis- tierten bereits zuvor weitere Formen eines solchen elektronischen Zahlungssystems. Eine mög- liche Kategorisierung virtueller Währungen erfolgt entsprechend ihrer jeweiligen Konvertibili- tät und Verarbeitungsstruktur.61,62 Anschließend werden die Kategorien in Tabelle 1 zur Ver- anschaulichung gegenübergestellt.
Nicht-konvertible virtuelle Währungen existieren ausschließlich in geschlossen Systemen mit fest definierten Grenzen einer virtuellen Umwelt. Ein Austausch mit Währungen außerhalb des Systems ist nicht vorgesehen. Beispielhaft dafür sind Online-Videospiele, wie z.B. „World of Warcraft“, deren Währungen nur innerhalb des eigenen geschlossenen Ökosystems nutzbar sind.63,64,65,66 Mit konvertiblen virtuellen Währungen kann über das geschaffene System hinaus gehandelt werden. Sie sind sowohl als direktes Zahlungsmittel als auch zum Tausch gegen an- dere digitale Währungen einsetzbar.67 Ein Beispiel ist der ehemalige „Liberty Euro“, der von der Firma Liberty Reserve angeboten wurde. Es handelte sich hierbei um ein kontobasiertes Internet-Bezahlsystem für die von der Firma geschaffenen virtuellen Währungen. Das System selbst fungierte als Schnittstelle zum Austausch der innerhalb des Systems geschaffenen Wäh- rungen mit Währungen von außerhalb des Systems. So konnten z.B. mit Euros die Liberty- Euros erworben und dann an einen anderen Teilnehmer im System gesendet werden. Dieser konnte die erhaltenen Liberty-Euros wieder in reale systemfremde Währungen umtauschen. 68 Auch die bereits erwähnten Bitcoins fallen unter diesen Punkt, da eine ihrer Intentionen genau in dieser Konvertibilität als Zahlungsmittel liegt.69,70
Die Verarbeitungsstruktur kann grundsätzlich auf einer zentralen oder einer dezentralen Ebene stattfinden, wobei ebenfalls hybride Systeme möglich sind.71 Entscheidend beim Handel mit zentralen virtuellen Währungen ist das Vorhandensein einer dritten administrativen Instanz, die für die Bereitstellung der Währung, Aufrechterhaltung einer zentralen Buchführung für Zahlungen, Festlegung der Regelungen innerhalb des Zahlungssystems und Verarbeitung der Transaktionen zuständig ist. Sie kontrolliert zentral das gesamte Zahlungssystem dieser Wäh- rung. Beispiele hierfür sind wieder der „Liberty Euro“ mit der Firma Liberty Reserve oder das Online-Videospiel „World of Warcraft“ mit der Entwicklerfirma Blizzard Entertainment als dritte Instanz.72,73 Dezentrale virtuelle Währungssysteme benötigen diese dritte administrative Instanz nicht und sind somit unabhängiger. Sie werden im Regelfall allein durch ihre Teilneh- mer innerhalb eines „Peer-to-Peer“-Netzwerkes selbst initiiert und geleitet. Das Bitcoin-System ist der bekannteste Vertreter einer solchen dezentralen virtuellen Währung. Die genaue Funktionsweise eines solchen Systems wird in Kapitel 5 näher betrachtet. 74,75,76
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Klassifizierung virtueller Währungen Quelle: In Anlehnung an Brenig (2017), S. 35.
2.2. Funktionen und Eigenschaften des Geldes
In der Geschichte haben sich einige notwendige Funktionen und Eigenschaften des Geldes besonders herauskristallisiert, deren Bedeutung innerhalb der einzelnen Phasen der Geschichte jederzeit präsent waren. Die wichtigsten Funktionen lassen sich unterteilen in die Tauschmittelfunktion, die Wertaufbewahrungsfunktion und die Funktion als Recheneinheit.
Die ursprüngliche Tauschmittelfunktion stellt die wichtigste Funktion des Geldes dar. Sie be- ruht auf dem Vermögenswert, den ein Käufer einem Verkäufer als Austausch für den Erhalt einer Dienstleistung oder eines Gutes in Form von Geld überreichen kann und vereinfacht bzw. beschleunigt auf diese Weise den Tauschhandel. Wichtig ist die Zuversicht des jeweiligen Ver- käufers, dass dieses Tauschmittel für den Kauf einer breiten Vielzahl von Gütern und Dienstleistungen akzeptiert wird. Geld ist in diesem Fall das liquideste und universellste Zahlungsmittel, verglichen mit anderen Tauschgütern. 77,78,79,80,81 Die Zahlungsmittelfunktion geht noch über die Tauschmittelfunktion hinaus, indem Geld ebenfalls zur Tilgung von Schulden und zur Übertragung im Sinne von Krediten verwendet werden kann.82
Die Wertaufbewahrungsfunktion dient als Grundlage für die Funktion als Tauschmittel. Die zeitliche Trennung eines Kaufes und Verkaufes mit Geld ist nur möglich, da es den Wert der gehandelten Leistung bzw. des gehandelten Gutes „speichert“, so dass er zu einem späteren Zeitpunkt weiter übertragen werden kann. Sie verschiebt somit die Kaufkraft der Gegenwart als intertemporales Zahlungsmittel in die Zukunft. Genau diese zeitliche Differenz zwischen Geldeinnahme und Geldausgabe macht Geldreserven möglich. Wichtig ist eine geringe Schwankungsbreite und hohe Wertstabilität im Zeitverlauf. Beides ist bei konstanter Geld- menge hauptsächlich von der Preisentwicklung der Güter und Dienstleistungen auf dem Markt abhängig. Steigen die Preise, so spricht man von Inflation und der Wert des Geldes sinkt. Bei sinkenden Preisen, also einer Deflation, steigt der Wert des Geldes. Optimal zur Wertaufbe- wahrung ist ein konstantes Wertverhältnis zwischen Geld und Gütern.83,84,85,86,87
Geld als abstrakte numerische Einheit ermöglicht einen Vergleich unterschiedlicher Güter- und Vermögenswerte, welcher unter der Funktion als Recheneinheit zusammengefasst wird. Dazu wird Geld als „Standardgut“ definiert, zu dessen Verhältnis alle anderen Güter in dieser Be- zugsgröße ausgedrückt werden. Da Preise eines Gutes nicht mehr in anderen Gütern ausgege- ben werden müssen, steigt der Nutzen dieser Funktion mit der Komplexität und der Menge an unterschiedlichen Gütern innerhalb einer Wirtschaft.88 Existieren beispielsweise in einer Natu- ralwirtschaft n verschiedene Güter, so ist(−1)die Anzahl der Umtauschverhältnisse zwischen ihnen. Das Preissystem kennt in diesem Fall nur relative Preise. Bei einer Anzahl von 100 verschiedenen Gütern auf dem Markt liegt die Anzahl der Umtauschverhältnisse bei 4950. Wird nun eines dieser n Güter als „Standardgut“ definiert, so lässt sich der Wert jeden anderen Gutes als absoluter Preis in Einheiten des Standardgutes ausdrücken. Die Zahl der Preise sinkt dadurch auf െ 1. In dem genannten Beispiel mit = 100 gäbe es nur noch 99 Preise, welche alle in Einheiten des Standardgutes ausgedrückt werden. Dies erleichtert den Güteraustausch innerhalb der Wirtschaft.89,9,91
Neben den genannten Funktionen muss Geld zusätzlich noch einige Eigenschaften erfüllen, damit es als Tausch- und Zahlungsmittel effizient nutzbar ist. Laut MISHKIN sind dazu folgende Eigenschaften notwendig:
- Es muss eine Homogenität des Geldes durch Standardisierung vorliegen, um seinen Wert vereinfacht feststellen zu können und einen vollständigen Austausch der Einheiten untereinander zu gewährleisten.
- Das Geld muss weitreichend akzeptiert sein, so dass es nahezu überall als Zahlungsmit- tel dienen kann.
- Es muss wertverlustfrei und leicht zu teilen sein, so dass jede Summe gezahlt und ge- tauscht werden kann.
- Es muss für jedes Individuum leicht transportabel sein.
- Seine materielle Beschaffenheit muss langfristig haltbar sein. Es darf also weder ver- derben noch zerfallen, so dass ein Substanzverlust nicht zu einem Kaufkraftverlust führt.92
Daneben werden in der Literatur zwei weitere Eigenschaften von Geld genannt:
- Es muss selten sein, so dass eine relativ kleine Gewichtseinheit des Tauschmittels eine relativ hohe Kaufkraft aufweist.93
- Es muss Vertrauen in das Geld, also in seine Funktionen als Tauschmittel und Wertauf- bewahrung, bestehen.94
Diese Funktionen und Eigenschaften bilden in Summe die notwendige Grundlage für ein funktionsfähiges Geld als Zahlungsmittel.
3. Das zentralstaatliche Geldsystem am Beispiel des Eurosystems
In einem zentralisierten Geldsystem obliegt die Erschaffung und Steuerung der Währung einer zentralen Institution. Innerhalb der EWWU wird diese Aufgabe durch die EZB wahrgenom- men. Die Umsetzung der EWWU stellte eines der größten wirtschaftspolitischen Vorhaben in der Geschichte Europas dar.95 In diesem Kapitel werden die Gründe für eine gemeinsame staat- liche Zentralbank erläutert. Anschließend werden die Funktionsweise der EZB, der Geldschöp- fungsprozesses und die geldpolitische Strategie des Eurosystems analysiert, um eine Vergleich- barkeit mit dem nachfolgend vorgestellten entstaatlichten Währungsmodell zu ermöglichen.
3.1. Gründe für eine staatliche Zentralbank
In der Vergangenheit wurden durch die Ökonomie unterschiedliche Begründungen geliefert, die für die Gestaltung einer Zentralbank als staatliche Institution sprechen. Die wichtigsten von ihnen wurden von GISCHER ET AL. herausgearbeitet.
Die erste Begründung liege in dem natürlichen Vorteil einer begrenzten Anzahl an Währungen, die bereits von CARL MENGER in der Zeit zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hervorgehoben wurde. Obwohl Geld nur als Tauschmittel verwendet würde, stelle es dennoch ein Gut dar, in dessen Austauschverhältnis alle anderen Güter als Preis ausgedrückt würden. Seien mehr Wäh- rungen als Tauschgut vorhanden, so existierten auch mehr Tauschverhältnisse. Dies führe zu Kostensteigerungen und Verlangsamungen im Handel. Würde nur eine einzige Währung zuge- lassen, nämlich die Währung der staatlichen Zentralbank, so würde dieser Vorteil des Geldes als Tauschgut maximiert.96
Eine andere Begründung lieferte JOHN MAYNARD KEYNES während der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre. Massenarbeitslosigkeit und Preisschwankungen führten in dieser Zeit zur Instabilität vieler Volkswirtschaften. Um einem solchen Versagen des Marktes fortwährend entgegenzuwirken, sei eine staatlich gesteuerte Geldpolitik notwendig. Dazu benötigten die Staaten jeweils eine Zentralbank als Instrument zur langfristigen Stabilisierung.97
In eine ähnliche Richtung argumentierte WALTER EUCKEN nach dem Zweiten Weltkrieg. Ihm zufolge müsse ein staatlich gestalteter Ordnungsrahmen für die private Wirtschaft geschaffen werden. Das Ziel sei eine Stabilisierung der Geldversorgung, da nur sie die Funktionsfähigkeit des Preismechanismus in einer Marktwirtschaft sichern könne. Dabei müsse sich die ordnungspolitische Regierung diesem sachlichen Ziel unterwerfen.98
FRIEDRICH V. HAYEK betrachtet das Ganze unter einem opportunistischen Aspekt. Der größte Vorteil einer staatlichen Zentralbank liege demnach in der Möglichkeit hoher Staatseinnahmen durch Nutzung des Währungsmonopols. Während Bargeld dem Emittenten volle Kaufkraft ge- währe, koste es in seiner Herstellung nur einen Bruchteil seines Nominalwertes. Diese Diffe- renz wird als „Seignorage“ bezeichnet und stelle eine wesentliche Einnahmequelle für eine Zentralbank bzw. den übergeordneten Staat dar. Würde mehr Bargeld produziert, so stiegen die Einnahmen. Dies führe jedoch gleichzeitig zu Inflation, weswegen dieses Argument nicht im volkswirtschaftlichen Interesse sei, sondern nur im Interesse der politisch handelnden Ak- teure.99
RUDOLF RICHTER ET AL. zufolge müsse Geld als Gegenstand eines relationalen Vertragsverhält- nisses verstanden werden. „Rationale Verträge sind langfristige Vereinbarungen, die der Tat- sache unvollständiger Voraussicht Rechnung tragen, indem sie Lücken für künftige Kontingen- zen offenlassen.“100. Langfristig werde sich also immer nur das Geld von einem einzigen Emit- tenten durchsetzen. Dieser Emittent könne seine starke monopolistische Position ausnutzen und eine unerwartete Inflationierung durchführen. Um diese Sicherung des Geldwertes zu gewähr- leisten, müsse eine staatliche Zentralbank Emittent der Währung sein, da diese als staatliche Einrichtung einem impliziten Versprechen zur Geldwertstabilisierung unterworfen werden könne.101
Einige dieser Argumente sind besonders durch den geschichtlichen Rahmen der Zeit und der jeweiligen ökonomischen Denkweise der Ökonomen geprägt, doch begründen sie die Motivation für die Entstehung eines staatlichen Zentralbankwesens in den meisten Ländern der Welt, wie auch in der EWWU.
3.2. Aufbau, Aufgaben und Ziele der EZB im Eurosystem
Nachdem dargestellt wurde, welche Gründe es für eine staatliche Zentralbank gibt, wird im Folgenden das grundsätzliche Konzept der EZB im Eurosystem erklärt.
3.2.1. Aufbau des Eurosystems
Die EZB ist eines der Organe der Europäischen Union, welche sich aktuell aus 28 Mitglieds- ländern zusammensetzt. Sie wurde im Jahr 1998 als Währungsbehörde der EWWU gegründet, welcher zu diesem Zeitpunkt 19 Mitgliedsstaaten angehörten. Die EZB bildet zusammen mit den 19 nationalen Zentralbanken der EU-Länder das Europäische System der Zentralbanken. Die Mitglieder der EWWU sind Teil des Eurosystems, welches wiederum die Geldpolitik für diese Länder konzipiert und durchführt. Anders ausgedrückt, umfasst das Eurosystem die Ge- samtheit aller Institutionen, die im Rahmen genauer Festlegungen die Währungspolitik im Eu- roraum verantworten. Darin übernimmt die EZB die Rolle als Spitze dieses Systems neben den nationalen Zentralbanken. Die Entscheidungsträger in der EZB sind der EZB-Rat und das Di- rektorium. Der EZB-Rat ist das wichtigste Beschlussorgan, und setzt sich aus den Präsidenten der teilnehmenden nationalen Zentralbanken und den Mitgliedern des Direktoriums zusammen. Das Direktorium wird aus einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und vier weiteren Mit- gliedern gebildet, die nach Empfehlung der teilnehmenden Länder durch den EU-Rat mit qua- lifizierter Mehrheit gewählt werden. Die EZB stellt damit ein supranationales Institut mit eige- ner Rechtspersönlichkeit dar. Auf nationaler Ebene ist die Verfolgung der geldpolitischen Leit- linien und Ziele die Aufgabe der nationalen Zentralbanken. Ihre personellen Verantwortungs- träger werden durch die jeweilige Regierung bestimmt.102,103,104 In Tabelle 2 werden die Organe der EZB und ihre Aufgaben zusammengefasst.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Aufbau des Eurosystems
Quelle: In Anlehnung an Gischer et al. (2012), S. 47.
3.2.2. Aufgaben und Ziele der EZB
Um in der EWWU eine einheitliche Geldpolitik zu gewährleisten, wurden die Ziele und Auf- gaben der EZB bzw. des ESZB durch die EU im „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäi- schen Union“ definiert.105 Dabei gilt die Erreichung und Erhaltung der Preisstabilität als vor- rangiges Ziel. Diese wird definiert als ein Anstieg des Preisniveaus für das Eurowährungsgebiet unter, aber nahe 2 Prozent gegenüber dem Vorjahr.106 Ist dies sichergestellt, so unterstützt die Geldpolitik des ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik der EU bei der Umsetzung ihrer Ziele. Dabei handelt sie im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb.107,108
Zu den grundlegenden Aufgaben der EZB als Hauptorgan des ESZB gehören laut AEUV (Dritter Teil, Titel VIII, Kapitel 2, Art. 127)
- die Festlegung und Ausführung der Geldpolitik der Europäischen Union,
- die Durchführung von Devisengeschäften,
- das Halten und Verwalten der offiziellen Währungsreserven der Mitgliedsstaaten,
- die Förderung der reibungslosen Funktionsfähigkeit der Zahlungssysteme. Neben diesen Hauptaufgaben ist die EZB zuständig für
- die Beratung zuständiger Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union und gegenüber den nationalen Behörden,
- die Genehmigung der Ausgabe des Euro-Bargeldes,
- die reibungslose Durchführung der von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute und der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maß- nahmen,
- die Erstellung einer Zentralbankbilanz.109,110
Innerhalb der Aufgaben der EZB spiegeln sich die genannten Argumente für eine staatliche Zentralbank aus dem Unterkapitel 3.1. wieder. Die Umsetzung einer einheitlichen Geldpolitik soll dem primären Ziel der Preisniveaustabilität dienen. Da nicht alle Akteure innerhalb des Eurosystems die identischen Ziele verfolgen, kann es zwischen ihnen zu Interessenskonflikten kommen. Bei solchen Konflikten unterliegt das Eurosystem gesetzlich weiterhin seinem wichtigsten Ziel der Preisniveaustabilität.111,112
3.2.3. Unabhängigkeit der EZB
Die EZB ist, so wie alle Zentralbanken der Mitgliedsländer des Eurosystems, eine staatliche Institution. Gleichzeitig hat sie durch die Gesetzgebung der EU einen überparteiischen und un- abhängigen Status als eigenständige Rechtspersönlichkeit. Ihre geldpolitischen Aufgaben über- schneiden sich mit anderen wirtschaftspolitischen Zielen der einzelnen Länder und der EU, woraus sich ein Spannungsfeld zwischen den Zielen der EZB und der Wirtschaftspolitiken der EU-Länder und der EU selbst ergibt.113 Um die Unabhängigkeit der EZB von anderen Institu- tionen zu gewährleisten, und dadurch die Zielverfolgung der Preisniveaustabilität zu sichern, wurden einige wesentliche Regelungen im Vorfeld der Konzeptentwicklung der EZB festge- legt. So stützt sich die Unabhängigkeit der EZB auf fünf Säulen, die sich im rechtlich geschaf- fenen Rahmen der „Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken“ und des AEUV widerspiegeln:
1. Institutionelle Unabhängigkeit: Die EZB unterliegt keiner Weisungsbefugnis von au- ßerhalb. Sie darf dementsprechend keine Weisungen durch Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen entgegennehmen. Zusätzlich ist es den genannten Institutionen untersagt, Einfluss auf die Beschlussorgane der EZB auszuüben.
2. Personelle Unabhängigkeit: Mitglieder des EZB-Direktorium werden für eine Amts- zeit von acht Jahren ernannt, ohne Möglichkeit der Wiederernennung. Ein vorzeitiges Beenden ist nur aus schwerwiegenden Gründen möglich. Dies soll eine verantwortungsbewusste und objektive Entscheidungsfreiheit gewährleisten.
3. Funktionelle und operationelle Unabhängigkeit: Die EZB besitzt alle nötigen Kom- petenzen und Zuständigkeiten für die Umsetzung ihres Ziels der Preisniveaustabilität. Außerdem liegt die ausschließliche Zuständigkeit für die Geldpolitik des Eurogebietes beim Eurosystem. Darüber hinaus darf die EZB keine Kredite an öffentliche Haushalte gewähren, sodass möglicher Druck durch staatliche Stellen bereits im Ansatz verhindert wird.
4. Finanzielle Unabhängigkeit: Die EZB und alle nationalen Zentralbanken verfügen
über einen eigenen Haushalt, über welche die Organe jeweils eigenständig verfügen können. Dies gilt auch für die EZB. Somit besteht keine finanzielle Abhängigkeit zu weiteren Institutionen. Daneben ist es der EZB erlaubt zur Umsetzung ihrer festgelegten Ziele ihre interne Organisation autonom zu gestalten.
5. Rechtliche Unabhängigkeit: Die EZB besitzt eine eigene Rechtspersönlichkeit.
Dadurch kann sie den Europäischen Gerichtshof zur Durchsetzung ihrer Unabhängigkeit konsultieren.114
Eine absolute Unabhängigkeit kann niemals gewährleistet sein.115 Dennoch ermöglichen die fünf Säulen eine weitreichende Unabhängigkeit der EZB bei der Umsetzung ihrer Ziele.
3.3. Geldschöpfung im Eurosystem
Die Bereitstellung von Geld lässt sich in drei Vorgänge einteilen. Einer davon ist die Geldpro- duktion. Sie bezeichnet einen rein technischen Schritt der Entstehung physischen Geldes oder Buchgeldes. Physisches Geld entsteht durch die Verarbeitung und Prägung von Münzen bzw.
durch Bedruckung von Banknoten. Buchgeld wird durch die Einräumung von Sichtguthaben für Kunden von Banken produziert. Vereinfacht stellt es nur eine Information über die Betragshöhe auf einem Datenträger dar. Geldschaffung wiederum findet statt, wenn Geldproduzenten, wie z.B. die Zentralbanken oder Kreditinstitute, das von ihnen produzierte Geld aufgrund eines geschlossenen Vertrages an andere Wirtschaftseinheiten aushändigen. Dies kann als Bargeld oder als Einräumung eines Sichtguthabens erfolgen. Eine Geldschöpfung liegt vor, wenn durch diese Vorgänge die Geldmenge M1 in der Volkswirtschaft vermehrt wird. Dieser Prozess wird in den folgenden Unterkapiteln erläutert. Dabei wird zwischen der Geldschöpfung durch die Zentralbank und der Giralgeldschöpfung durch die Geschäftsbanken unterschieden. Zuvor wird die Geldmengendefinition der EZB kurz vorgestellt.116
3.3.1. Geldmengendefinition
Bevor geldmengenpolitische Entscheidungen durch die EZB getroffen werden können, muss die genaue Geldmenge festgestellt werden. Dazu ist wiederum eine Definition ihrer Zusam- mensetzung notwendig. Das Eurosystem nutzt dafür eine eigene Geldmengendefinition. Es un- terteilt den gesamten Bestand an Geld von Nichtbanken entsprechend ihrer Liquidität in drei Gruppen:
- Die Geldmenge M1 bezeichnet Geld im engeren Sinne. Sie umfasst das gesamte au- ßerhalb des Bankensektors zirkulierende Bargeld sowie alle täglich fälligen Einlagen von Nichtbanken, die jederzeit in Bargeld umgewandelt werden können.
- Die Geldmenge M2 enthält neben der Geldmenge M1 noch Termineinlagen mit einer vereinbarten Laufzeit von bis zu zwei Jahren und Spareinlagen mit einer Kündigungs- frist von bis zu drei Monaten.
- Die Geldmenge M3 entspricht einer weiten Geldmengenabgrenzung. In ihr sind neben der Geldmenge M2 zusätzlich Offenmarktgeschäfte der Zentralbank, Geldmarkt- fondsanteile und Geldmarktpapiere sowie Bankenschuldverschreibungen mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren enthalten.117,118
Einlagen mit längerfristigem Charakter werden zur weiteren Abgrenzung als Geldkapital definiert. Dazu zählen Termineinlagen mit einer Laufzeit von mehr als zwei Jahren, Spareinlagen mit Kündigungsfrist von mehr als drei Monaten, Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von mehr als zwei Jahren sowie das Kapital und die Rücklagen der monetären Finanzinstitute.119,120 Es ist zwar umstritten, auf Grundlage welcher Geldmenge geldpolitische Entscheidungen am optimalsten getroffen werden können, die EZB hat sich aber als Basis zur Beurteilung geldpolitischer Maßnahmen auf die Geldmenge M3 geeinigt. 121
Neben den genannten Geldmengen spielt noch eine weitere eine entscheidende Rolle. Dabei handelt es sich um das Zentralbankgeld, welches als Geldmenge M0 oder Geldbasis bezeichnet wird. Ganz allgemein versteht man darunter Geld, das nur von der Zentralbank geschaffen wer- den kann. Dieses setzt sich aus dem von der Zentralbank in Umlauf gebrachten Bargeld sowie den Sichteinlagen, die andere Kreditinstitute auf Zentralbankkonten lagern, zusammen. Diese Sichteinlagen sind zum einen für die Abwicklung des Zahlungsverkehrs notwendig, zum ande- ren entsprechen sie der Pflicht der Geschäftsbanken einen festgelegten Anteil ihrer Einlagen als Mindestreserve bei der Zentralbank zu hinterlegen.122,123 In Tabelle 3 sind alle Geldmengen veranschaulicht dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: Übersicht der Geldmengendefinitionen Quelle: Deutsche Bundesbank, eigene Darstellung.
[...]
1 Smith (1997), S. 43.
2 Hayek (1977), S. 39 f.
3 Vgl. Jarchow (2010), S. 1.
4 Vgl. Reichholf (2009), S. 9 ff.
5 Vgl. Brenig (2017), S. 20 f.
6 Vgl. Ametrano (2016), S. 2.
7 Vgl. Jevons (1875), S. 3.
8 Vgl. Brenig (2017), S. 24.
9 Vgl. ebd., S. 20 f.
10 Vgl. Deutsche Bundesbank.
11 Vgl. Brenig (2017), S. 21.
12 Vgl. Sombart (1987), S. 404 ff.
13 Vgl. Deutsche Bundesbank.
14 Vgl. Ametrano (2016), S. 3 f.
15 Vgl. Deutsche Bundesbank.
16 Vgl. ebd.
17 Vgl. Deutsche Bundesbank.
18 Vgl. Ametrano (2016), S. 22.
19 Vgl. Sombart (1987), S. 404 ff.
20 Vgl. North (1994), S. 146.
21 Vgl. Hayek (1977), S. 23 ff.
22 Vgl. Rolnick/Weber (1986), S. 185.
23 Vgl. North (1994), S. 150.
24 Vgl. North (1994), S. 143 ff.
25 Vgl. Sombart (1987), S. 427 ff.
26 Vgl. Borchert (2010), S. 11.
27 Vgl. Bordo (2007), S. 28.
28 Vgl. ebd., S. 28 f.
29 Vgl. Lechner (1988), S. 425 ff.
30 Vgl. North (1994), S. 192 f.
31 Vgl. Bordo (2007), S. 28.
32 Vgl. North (1994), S. 193.
33 Vgl. Bordo (2007), S. 35 f.
34 Vgl. North (1994), S. 198.
35 Vgl. Bordo (2007), S. 81.
36 Vgl. Bordo (2007), S. 74 ff.
37 Vgl. North (1994), S. 192 ff.
38 Vgl. ebd., S. 199.
39 Vgl. Scheller (2006), S. 19 f.
40 Vgl. ebd., S. 26 ff.
41 Vgl. Rübel (2013), S. 366 ff.
42 Vgl. Ametrano (2016), S. 4.
43 Vgl. Deutsche Bundesbank.
44 Sombart (1987), S. 402.
45 Vgl. Schnaas (2010), S. 11 f.
46 Vgl. Deutsche Bundesbank.
47 Vgl. Mishkin (2013), S. 49.
48 Vgl. Panurach (1996), S. 46.
49 Vgl. Deutsche Bundesbank.
50 Vgl. Financial Action Task Force (2014), S. 4.
51 Vgl. Panurach (1996), S. 47.
52 Vgl. Deutsche Bundesbank.
53 Vgl. Brenig (2017), S. 26 f.
54 Vgl. Camp et al. (1995), S. 1.
55 Vgl. Brenig (2017), S. 30.
56 Vgl. Financial Action Task Force (2014), S. 4.
57 Vgl. Mishkin (2013), S. 49.
58 Vgl. Europäische Zentralbank (2012), S. 16.
59 Vgl. Brenig (2017), S. 31.
60 Europäische Zentralbank (2015), S. 4.
61 Vgl. Financial Action Task Force (2014), S. 4.
62 Vgl. Brenig (2017), S. 33.
63 Vgl. Financial Action Task Force (2014), S. 4.
64 Vgl. Glaser et al. (2014), S. 3.
65 Vgl. Europäische Zentralbank (2012), S. 13.
66 Vgl. Brenig (2017), S. 33 f.
67 Vgl. Europäische Zentralbank (2012), S. 5.
68 Vgl. Brenig (2017), S. 33 f.
69 Vgl. Glaser et al. (2014), S. 3.
70 Vgl. Financial Action Task Force (2014), S. 4.
71 Vgl. He et al. (2016), S. 8.
72 Vgl. Financial Action Task Force (2014), S. 5.
73 Vgl. Brenig (2017), S. 34.
74 Vgl. Financial Action Task Force (2014), S. 5.
75 Vgl. Brenig (2017), S. 34.
76 Vgl. Rose (2015), S. 617.
77 Vgl. Lo/Wang (2014), S. 3.
78 Vgl. Brenig (2017), S. 22 f.
79 Vgl. Deutsche Bundesbank.
80 Vgl. Ametrano (2016), S. 2 f.
81 Vgl. Mishkin (2013), S. 44 f.
82 Vgl. Issing (2014), S. 1.
83 Vgl. Brenig (2017), S. 23.
84 Vgl. Ametrano (2016), S. 2 f.
85 Vgl. Deutsche Bundesbank.
86 Vgl. Issing (2014), S. 1 f.
87 Vgl. Mishkin (2013), S. 46 f.
88 Vgl. Brenig (2017), S. 23.
89 Vgl. Deutsche Bundesbank.
90 Vgl. Mishkin (2013), S. 45 f.
91 Vgl. Issing (2014), S. 2.
92 Vgl. Mishkin (2013), S. 45.
93 Vgl. Jarchow (2010), S. 3 f.
94 Vgl. Deutsche Bundesbank.
95 Vgl. Gischer et al. (2012), S. 41.
96 Vgl. ebd., S. 42 f.
97 Vgl. ebd., S. 43.
98 Vgl. Gischer et al. (2012), S. 43.
99 Vgl. ebd., S. 43 f.
100 Richter/Furubotn (1999), S. 520.
101 Vgl. Gischer et al. (2012), S. 44.
102 Vgl. Gischer et al. (2012), S. 44 f.
103 Vgl. Europäische Zentralbank (2018).
104 Vgl. Rübel (2013), S. 378 ff.
105 Vgl. Gischer et al. (2012), S. 48.
106 Vgl. Deutsche Bundesbank.
107 Vgl. Europäische Union (2009)
108 Vgl. Rübel (2013), S. 307.
109 Vgl. Europäische Union (2009)
110 Vgl. Gischer et al. (2012), S. 48 f.
111 Vgl. ebd., S. 49.
112 Vgl. Europäische Zentralbank (1999), S. 45 ff.
113 Vgl. Gischer et al. (2012), S. 53 f.
114 Vgl. Europäische Zentralbank (2017).
115 Vgl. Gischer et al. (2012), S. 59.
116 Vgl. Lechner (1988), S. 42.
117 Vgl. Gischer et al. (2012), S. 14.
118 Vgl. Deutsche Bundesbank.
119 Vgl. Deutsche Bundesbank.
120 Vgl. Gischer et al. (2012), S. 15.
121 Vgl. Deutsche Bundesbank.
122 Vgl. Lechner (1988), S. 49.
123 Vgl. Deutsche Bundesbank.
- Quote paper
- M.A. Michael Beniers (Author), 2018, Entstaatlichte virtuelle Geldsysteme als Alternative zu Zentralbankgeld, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/437296
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