Die überblickshafte Kurzdarstellung liefert einen Einblick in eine qualitative Methode der Sozialforschung zur Erhebung von Verbaldaten, die das Wie und damit das Erleben des Biographieträgers in den Blick nimmt. Es wird zunächst darauf eingegangen, was Biographieforschung eigentlich ist und im Anschluss daran wird dem Leser, dass narrative Interview als Erhebungsinstrument vorgestellt und in einem daran anschließenden Abschnitt die Erhebungssituation beschrieben.
Inhaltsverzeichnis
1. Was ist Biographieforschung?
2. Das narrative Interview als Erhebungsinstrument
3. Zur Erhebung von Verbaldaten mit dem narrativen Interview
4. Bibliographie
1. Was ist Biographieforschung?
Als qualitativer Forschungsansatz in der Soziologie und Erziehungswissenschaft ist der Biographieforschung daran gelegen, Lebensgeschichte zu rekonstruieren (vgl. Fritz, Schütze,2016:56) sowie Sinnkonstruktionen und Handlungen aus dem Erleben der Subjekte nachzuzeichnen (vgl. Jakob, Gisela,2010:219). Biographieforschung tut dies im Bewusstsein, dass jeder Mensch sich Konstrukte über das So-Sein von Wahrheit oder Wirklichkeit gebildet hat, die für ihn persönlich vor dem Hintergrund seiner Vorerfahrungen ein schlüssig sind und ihn der Wahrheit und Wirklichkeit im besten Falle nähergebracht, aber niemals als allgemein-gültig anzusehen sind (vgl. Ernst von Glasersfeld,2009:12-34). Zur Erhebung dieser Verbaldaten wird das narrative Interview als Methode herangezogen (vgl. Fritz, Schütze,2016:56). Es ist als Erhebungsmethode entstanden, im Rahmen eines Projekts zur Analyse kommunaler Entscheidungsprozesse und Machtstrukturen und maßgeblich vom Soziologen Fritz Schütze in den 1970igern eingeführt worden (vgl. Uwe, Flick:2010:228). Das narrative Interview lieferte einen wesentlichen Beitrag zur Etablierung biographischer Forschungsansätze geleistet, weil es einen Verfahrensvorschlag für den Umgang mit lebensgeschichtlichen Daten lieferte und andererseits hat die Herausbildung einer erziehungswissenschaftlichen Biographieforschung, die Rezeption und Verbreitung der prozess-und biographieanalytischen Methode befördert und zu ihrer Etablierung beigetragen (vgl. Gisela, Jakob,2010:219). Dies liegt daran, dass durch lebensgeschichtliche Darstellungen im narrativen Interview, sich Prozesse der Identitätsbildung-und Veränderung von Einzelpersonen oder Kollektiven im Zusammenhang mit gesammelten Erfahrungen in den Lebensverläufen herausarbeiten lassen und so ein Aufschluss kollektiver und individuellen Veränderungs-und Wandlungsprozessen möglich wird. Darüber hinaus vermag eine biographische Darstellung im Rahmen eines narrativen Interviews auch die Reflexion beruflicher Praxis zu ermöglichen, da professionelles Handeln und pädagogische Intervention immer Einfluss nehmen auf Lebensbiographien von Klienten, die mit ihrer Beteiligtenperspektive einen Beitrag dazu leisten, Differenzen zwischen professionellem Handeln und ihrer Eigenerfahrung sowie scheinbare Widersinnigkeiten pädagogischer Interventionen aufzudecken. Biographische Darstellungen haben außerdem, wie pädagogisches Handeln, dass Ziel sich einem Verständnis der Lebenswelt des Interviewten anzunähern und seine Äußerungen vor dem Hintergrund des Eigenerlebten und der gemachten Erfahrungen zu verstehen, um einen Zugang zu dessen Wirklichkeit und den individuellen Deutungsmustern zu erhalten (vgl. Gisela, Jakob,2010:220).
2. Das narrative Interview als Erhebungsinstrument
Eine forschende Fragestellung, die nicht darauf ausgerichtet ist, Begründungszusammenhänge, also dasjenige zu beleuchten, was auf das Warum eine Antwort erteilt, sondern sich für das subjektive ,,Wie“ und demnach für das Erleben eines Biographieträgers interessiert (vgl. Gisela, Jakob,2010:222) benötigt eine Methode der Datenerhebung welche Primärdaten erfasst, deren Analyse auf die zeitlichen Verhältnisse, und die sachliche Abfolge, der von ihnen repräsentierten lebensgeschichtlichen Prozesse zurückschließen lässt (vgl. Fritz, Schütze,2016:56). Ein derartiges prozessanalytisches Verfahren ist das narrative Interview, welches einen Einblick in die Geschichte sozialer und biologischer Prozesse (vgl. Gisela, Jakob,2010:221), aus der subjektiven Sicht des Einzelnen gewährt, u.a. in die Bewältigung von Lebensphasen oder die Prozessierung der eigenen Biographie durch Institutionen der Öffentlichkeit bzw. in das Coping mit gesellschaftlichen Umwandlungsprozessen (vgl. Gisela, Jakob,2010:222), und damit über die punktuelle Erfassung eines Ereignisses hinausgehend ist (vgl. Gisela, Jakob, 2010: 221). Entsprechend schreibt Schütze:
,,Das autobiographische narrative Interview erzeugt Datentexte, welche die Ereignisverstrickungen und die lebensgeschichtliche Erfahrungsaufschichtung des Biographieträgers so lückenlos reproduzieren, wie das im Rahmen systematische sozialwissenschaftlicher Forschung überhaupt nur möglich ist. Nicht nur der „äußerliche“ Ereignisablauf, sondern auch die ,,inneren“ Reaktionen, die Erfahrungen des Biographieträgers mit den Ereignissen und ihre interpretative Verarbeitung in Deutungsmustern, gelangen zur eingehenden Darstellung.“ (Fritz, Schütze,2016:57).
Lebensgeschichten, Ausschnitte und biografische Ereignisse entstehen im Kontext gesellschaftlicher und institutioneller Rahmenbedingungen und der darin interagierenden Individuen und Gruppen, was sie zu sozialen Prozessen macht, als die sie untersucht werden Durch die eingehende Analyse werden soziale Rahmen (z.B. Beziehungen auf der Mikroebene, Institutionen auf der Mesoebene, Gesetze, politische Entscheidungen oder kulturelle Gepflogenheiten auf der Makroebene) und kollektiv-historische Abläufe (z.B. Ermordung von über 6 Millionen Juden in der Zeit des Nationalsozialismus), in ihren Auswirkungen auf die Lebensführung und die Biographie des Einzelnen sichtbar. Darüber hinaus lässt sich rekonstruieren wie der äußere Ereignisablauf von den Biographieträgern erlebt und interpretiert worden ist und wie er sich in der Erfahrungsaufschichtung und in der biographischen Darstellung abgelagert hat. Soziale Phänomene, aus der Perspektive der einzelnen Untersuchungsperson, sollen keines Falles eine bloße Wiedergabe subjektiver Sichtweisen darstellen, sondern das Forschungsinteresse ist dabei darauf gerichtet, wie die Akteure und zugleich Betroffenen soziale Wirklichkeit erfahren mit dem Ziel bestimmte Sinnmuster und Prozessstrukturen, die in biographischen Darstellungen enthalten sind auszumachen, die dem Biographieträger in aller Regel, selbst jedoch nicht als theoretisches Wissen zu seiner eigenen Person und die Motive des eigenen Handels verfügbar sind (vgl. Gisela, Jakob,2010:221-222).
3. Zur Erhebung von Verbaldaten mit dem narrativen Interview
Der Anfang, dieser durch den Interviewer zu gestaltenden sozialen Interaktion, ist ein Aushandlungsprozess in dem die Anforderungen an die Interviewperson transparent gemacht und die Besonderheiten des narrativen Interviews erläutert werden müssen. Erst wenn dies deutlich genug und von der interviewten Person akzeptiert worden ist, kann mit dem Interview auf die noch anzuführende Art und Weise begonnen werden (vgl. Gisela, Jakob,2010:225). Im Rahmen des erzählgenerierenden Erhebungsverfahrens- narratives Interview, werden keine standardisierten Fragen gestellt, sondern freies Erzählen befördert. (vgl. Fritz, Schutze,2016:56). Unterbrechungen einer solchen unvorbereiteten ,,Steigreiferzählung“, wie sie auch in der Alltagskommunikation entstehen kann, aber durch das narrative Interview gezielt hervorgebracht und bei der Analyse von narrativem Text nützlich wird (vgl. Gisela, Jakob,2010:224), sind von Seiten des Interviewers möglichst zu unterlassen (vgl. Fritz, Schütze,2016:57). Narrative Interviews zeichnen sich dadurch aus, dass sie das Prinzip der Offenheit verfolgen bei dem konsequent auf hypothesengeleitete Datenerhebung zu Gunsten des größtmöglichen Raumes für alltagsweltliche Konstruktionen der Befragten, die die Präsentation ihrer Erfahrungen selbst gestalten und ihren eigenen Blick auf das angesprochene Thema und ihre Biographie entwickeln, sowie eigene Handlungsabläufe [aus ihrer Vergangenheit] möglicherweise besser oder überhaupt nachvollziehen können (vgl. Gabriele, Rosenthal,2014:151). Das Prinzip soll sicherstellen, dass eine theoretische Strukturierung des Forschungsgegenstandes zurückgestellt wird, bis sich die Strukturierung durch die erhobenen und ausgewerteten Materialien herausgebildet hat. Neue theoretische Kategorien und Modelle ergeben sich als Ergebnis eines abduktiven Prozesses, in welchem Erkenntnisse fortwährend mit dem empirischen Material kontrastiert werden und dabei nach und nach Theorie entsteht (vgl. Gisela, Jakob, 2010:223). Optimaler Weise befindet sich Erzählende von Anfang bis zum Ende seiner autobiographischen Schilderungen in einem Erzählfluss, den es mittels des narrativen Interviews aufrechtzuerhalten gilt (vgl. Fritz Schütze,2016:56). Die Gegenstandsbereiche können dabei sein:
- Ereignisverstrickungen des Biographieträgers, die dieser erleidet und deren Ablauf (z.B. Verlust des Arbeitsplatzes, Klinikaufenthalte, Heimunterbringung)
- Lebensgeschichtlich bedeutsame Erfahrungen und Schlüsselerlebnisse
- Deutungsmuster des interviewten Interpreten
- Verläufe und Entwicklungen im Leben eines Interviewten
(vgl. Gisela, Jakob, 2010:221-222 i.V.m. Fritz, Schütze, 2016: 57-58)
Ein narratives Interview lässt sich nach Schütze in drei zentrale Teile untergliedern, als da wären:
[...]
- Citation du texte
- Bachelor of Arts Stephan Walk (Auteur), 2018, Biographieforschung und narratives Interview, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/437154
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