Für das Bildungsministerium und auch für ganz Deutschland waren die Ergebnisse der PISA-Studie ein Schock. Dies ist jedoch nicht nur auf die Halbtagsschulen zurückzuführen. Schulen, wie zum Beispiel in Finnland und Kanada, haben eine bessere Ausstattung als die deutschen Schulen und die Lehrer-Schüler Relation ist dort besser. Die kleineren Klassen und die Förderung von Problemfällen würden die Leistungen der Schülerinnen und Schüler verbessern. Das ist jedoch in Deutschland nicht umsetzbar. Die PISA-Studie hat dazu geführt, dass Ganztagsschulen eingeführt wurden, die jedoch nicht vollends durchdacht sind.
Essay: Ganztagsschulen in Deutschland
Für das Bildungsministerium und auch für ganz Deutschland waren die Ergebnisse der PISA-Studie ein Schock. Dies ist jedoch nicht nur auf die Halbtagsschulen zurückzuführen. Schulen, wie zum Beispiel in Finnland und Kanada, haben eine bessere Ausstattung als die deutschen Schulen und die Lehrer-Schüler Relation ist dort besser. Die kleineren Klassen und die Förderung von Problemfällen würden die Leistungen der Schülerinnen und Schüler verbessern. Das ist jedoch in Deutschland nicht umsetzbar. Die PISA-Studie hat dazu geführt, dass Ganztagsschulen eingeführt wurden, die jedoch nicht vollends durchdacht sind.
Oft wird die bildungspolitische Diskussion von einem Thema dominiert: die Ganztagsschule. Das deutsche Bildungssystem wird, aufgrund des schlechten Abschneidens deutscher Schülerinnen und Schüler im internationalen Vergleich der PISA-Studie, kritisiert.
Die Ganztagsschulen werden unterschieden zwischen offenem und geschlossenem/gebundenem Ganztag. In einer offenen Ganztagsschule wird die Betreuung am Nachmittag, nach dem regulären Unterricht, von einem pädagogischem Personal (Erzieher, Sozialpädagogen, etc.) übernommen. Die wesentlichen Bausteine der Betreuung sind, das gemeinsame Mittagsessen, eine Hausaufgabenbetreuung, sowie ein variierendes Freizeitangebot. Bei einer offenen Ganztagsschule kann die Nachmittagsbetreuung für einzelne Wochentage gebucht werden.
In einer geschlossenen/gebundenen Ganztagsschule ist der Unterrichtstag rhythmisiert. Übungs- und Lernzeiten stehen im Wechsel mit sportlichen, musischen, künstlerischen, sowie Sozialkompetenz fördernden Angeboten. Auch in einer geschlossenen Ganztagsschule wird den Schülerinnen und Schülern ein Mittagessen angeboten. An drei bis vier Nachmittagen haben die Schülerinnen und Schüler am nachmittags Schule, an denen eine Anwesenheit verpflichtend ist. Dabei wird die geschlossene Ganztagsschule in der Verantwortung der Schule organisiert (vgl. Behörde für Schule und Berufsbildung/Serviceagentur Ganztägig lernen).
Um eine sachlich ausgewogene Entscheidung treffen zu können, werden nun einige Vor- und Nachteile für eine Einführung der Ganztagsschule angeführt.
Für Eltern, die alleinerziehend sind, ist es oftmals ein Problem das Kind rechtzeitig nach der Schule abzuholen, da der Elternteil Vollzeit arbeiten muss, um das Leben finanzieren zu können.
Die Erwartungshaltung der Eltern dürfte durchaus davon bestimmt sein, dass sie durch die Ganztagsschule mehr Entlastung und Freizeit zur Entfaltung der eigenen Lebens- und Arbeitszeit haben können. Somit können die Eltern beruhigt Arbeiten gehen und wissen, dass ihr Kind eine warme Mahlzeit bekommt und die Hausaufgaben erledigt werden. Die Schülerinnen und Schüler hingegen befürchten, dass durch die langen Schulzeiten, bis in den späten Nachmittag, erhebliche Einschränkungen in der Freizeit erfahren werden.
Als positives Argument führen Eltern an, dass ihre Kinder von befähigten Lehrern ganztägig pädagogische betreut und beaufsichtigt werden. Die pädagogische Betreuung kann die individuellen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler gezielt fördern oder fordern. Lernschwache Schüler erhalten gezielt Förderung und leistungsstarke Schüler können gefordert werden. Die Lernmittel, die die Schülerinnen und Schüler benötigen, befinden sich in der Schule und stehen ihnen zur Verfügung. Damit haben die Schülerinnen und Schüler mehr Möglichkeiten die Lern- und Arbeitstechnik zu nutzen, was ein wichtiger Beitrag ist, um ihre Eigen- und Selbstständigkeit individuell zu entwickeln. Das heißt, dass die Schülerinnen und Schüler in ihrem Tempo mit ihren Arbeitstechniken arbeiten können. In der Ganztagsbetreuung wirkt sich auf das Lernverhalten der Schülerinnen und Schüler fördernd aus, da im Klassenkontext ein sozialer Rahmen zur Leistung gegeben ist. Außerdem wird gewährleistet, dass in der Schule die Hausaufgaben gemacht werden, die durch Hausaufgabenbetreuung stattfinden, was für die Schülerinnen und Schüler mit positiven Lerneffekten und für die Eltern mit einer Entlastung verbunden ist.
Für die Schülerinnen und Schüler steht primär die Zeit im Fokus, die in der Schule verbracht wird bzw. verbracht werden muss. Die Schülerinnen und Schüler fühlen sich somit von früh bis spät beobachtet und organisiert. Das Gefühl einer „Aufbewahrungsstätte“ entsteht, da mindesten drei Tage pro Woche von früh bis spät der Aufenthaltsort die Schule ist. Die anderen zwei Tage haben die Schülerinnen und Schüler nach der 6. Stunde Schluss. Es bleibt keine Zeit mehr für Erholung, Freundeskreise, Hobbys, Sport oder die Freizeit. In der Ganztagsschule wird, an Stelle von eigenständigem und häuslichem Lernen, ein verordnetes und verschultes Lernen durchgeführt.
Der Verbleib in der Klassengemeinschaft kann auch ein Nachteil für Schülerinnen und Schüler sein. Schülerinnen und Schüler die es schwer haben, sich in die Gemeinschaft einzubringen, laufen Gefahr, an einer Ganztagsschule gemobbt oder ausgegrenzt zu werden. Für viele Schülerinnen und Schüler besteht an einer Ganztagsschule jedoch die Chance, eine Freundschaft zu anderen Mitschülerinnen und Mitschülern aufzubauen.
Der persönliche Lebensrhythmus geht verloren, vor allem die persönliche Zeit für Ruhe, Erholung und Alleinsein. Nach der Schule möchten die Eltern Zeit mit ihren Kindern verbringen oder die Schülerinnen und Schüler gehen ihrem Hobby nach. Auswirkungen zeigen sich im Familienleben der Schülerinnen und Schüler mit ihren Eltern, Geschwistern und schulischen, sowie außerschulischen Freunden. Die Auswirkungen zeigen sich auf emotionaler und sozialer Ebene. Die gemeinsame Freizeitgestaltung der Familie ist nur noch an Abenden oder am Wochenende möglich. Hobby, Musikschulen oder Sportvereine sind schlechter mit der Schule kombinierbar bzw. es verschieben sich solche Aktivitäten noch weiter in den Abend hinein.
Für die Lehrer ergeben sich ähnliche Auswirkungen, die der ganztägige Schulaufenthalt mit sich bringt, besonders Einschnitte im Freizeitbereich. Vor- sowie nachmittags in gleicher Weise konzentriert sein und Höchstleistungen bringen? Sonst hatte man am Nachmittag Zeit sich zu erholen und den nächsten Tag vorzubereiten, doch durch den Unterricht bis in den Nachmittag kann der Unterricht nicht mehr kreativ und sorgfältig vorbereitet werden. Für die Notengebung würde das bedeuten, dass zusätzliche Hausaufgaben erteilt werden müssen zur weiteren Vorbereitung von Tests und Arbeiten. Lernen für Vokabeltests, Klassenarbeiten oder Vorträge müssen von den Schülerinnen und Schülern nach der Schule erfolgen. Die Korrektur von Arbeiten und Tests müssen an den Abenden und Wochenenden geschehen. Insgesamt würde das Engagement der Lehrkräfte und damit die Ausbildung und Erziehung der Schülerinnen und Schüler leiden (vgl. Kultusministerkonferenz: 2015).
In einem offenen Ganztagsmodell haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, nach den wesentlichen Bausteinen das gemeinsame Mittagessen und der Hausaufgabenbetreuung, eines der Angebote zu nutzen. Die Vorlieben eines Kindes können hier berücksichtig werden. Die Schülerinnen und Schüler haben eine größere Chance an bestimmten Tagen ihrem Hobby nachzugehen, da keine Tage verpflichtend sind.
Die Eltern können ihre Kinder an einzelnen Wochentagen für die Nachmittagsbetreuung anmelden. Vollzeitarbeitende Eltern haben die Möglichkeit, das Kind an gewählten Tagen anzumelden und die Kinder müssen nicht alleine zuhause sein oder in eine andere Betreuungseinrichtung gehen. Die Schülerinnen und Schüler kennen sich untereinander und können, nach den festen Bausteinen, gemeinsam Spielen oder eines der Angebote besuchen.
Das offene Ganztagsmodell wird vom außerschulischen Personal übernommen. Für die Lehrinnen und Lehrer ergibt sich nicht mehr Unterricht. Nach der regulären Schulzeit müssen die Lehrkräfte keine Betreuung der Schülerinnen und Schüler vornehmen.
In einem offenen Ganztagsangebot entscheiden die Eltern, ob ihr Kind in die Nachmittagsbetreuung geht oder nach der regulären Schulzeit nach Hause kann. Nicht alle Kinder einer Klasse müssen in die Nachmittagsbetreuung. Schülerinnen und Schüler die nicht in der Nachmittagsbetreuung können sich ausgeschlossen fühlen, da viele Kinder in der Nachmittagsbetreuung sind.
Das Ziel einer Ganztagsschule ist es, eine Lernkultur, die individuelle Förderung und ein vielfältiges längeres Lernen und sich damit eine größere Chancengleichheit herzustellen, kann mit einer offenen Ganztagsschule nicht realisiert werden (Lehren und Lernen: 26). Nicht alle Eltern melden ihre Kinder in der Nachmittagsbetreuung an, wodurch die Klasse nicht als Gemeinschaft komplett ist.
In einer gebunden Ganztagsschule sind die Kinder an drei bis vier Tagen verpflichtend am Nachmittag in der Schule. An diesen Tagen ist das Ziel eine Balance aus fachlichem und überfachlichem Lernen zwischen gebundener Freizeit und offenen Phasen herzustellen. Wodurch die Schule als Lebens- und Erfahrungsraum und nicht nur als Lernraum anzusehen werden soll (vgl. Lehmann 2014: 26). Es wird probiert, den Tag nach den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler zu gestalten. Die Fördermöglichkeit können besser und individueller angeboten werden, was zu einem Abbau herkunftsbedingter Unterschiede beim Bildungserfolg führt (vgl. Züchner/Fischer 2014: S. 349).
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kann mit einer gebundenen Ganztagsschule vorgebeugt werden.
Mit der gebundenen Ganztagsschule kann der Zusammengang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg vermindert werden. Die Ganztagschule wirkt sich positiv auf das soziale Lernen der Schülerinnen und Schüler aus (vgl. Züchner/Fischer 2014: S. 350).
Die vorher aufgeführten Pro und Kontraargumente können jeweils auf die offenen- oder geschlossenen Ganztagsschulen bezogen werden.
Es gibt viele Argumente für und gegen die Ganztagsschule, welche nicht alle aufgeführt wurden. Jedoch wird eine generelle Reform der Schulpolitik nicht betrachtet. Länder mit einem hohen pädagogischen Erflog zeigen, dass eine gute Ausbildungsquote nicht von der Ganztagsschule abhängt, sondern von einer individuellen Betreuung der Schülerinnen und Schüler und Entwicklung ihrer persönlichen Fähigkeiten.
Als angehende Lehrerin, würde ich eine offene Ganztagsschule bevorzugen, um den Unterricht für die Schülerinnen und Schüler kreativ und abwechslungsreich gestalten zu können. Ein weiterer, wichtiger Punkt ist für mich, dass die Schülerinnen und Schüler die Nachmittage frei gestalten können. Einerseits im Ganztag mit abwechslungsreichen Angeboten und andererseits ihren Hobbys nachgehen können.
Einen klaren Standpunkt zu diesem Thema habe ich nicht, da es viele Aspekte für und gegen eine Ganztagsschule gibt. Ihren Hobbys nachzugehen und auch Freunde außerhalb der Schule zu treffen, sollte für Schülerinnen und Schüler am Nachmittag möglich sein und damit einen Ausgleich zur Schule darstellen. Auch durch die offene Ganztagsschule kann die Schule ein Lebens- und Erfahrungsraum sein. Des Weiteren kann der Abbau herkunftsbedingter Unterschiede beim Bildungserfolg auch an einer offenen Ganztagsschule verfolgt werden. Fördermöglichkeiten können während der Schulzeit geschehen. Für Eltern und Kinder bietet die Ganztagsschule die Möglichkeit, nicht jeden Nachmittag in der Schule zu sein, sondern nur an den benötigten Tagen.
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- Citation du texte
- Sarah Wulff (Auteur), 2017, Die Einführung von Ganztagsschulen in Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/436983