Als Ausgangspunkt für die Frage nach der Vertretbarkeit von Abtreibung und Euthanasie stellt sich für Singer die Frage nach der Tötung von nichtmenschlichen Tieren. Schon in der Bezeichnung des nichtmenschlichen Tieres ist enthalten, dass Singer den Mensch als menschliches Tier sieht und somit keine klare hierarchische Struktur präferiert, wie sie beispielsweise das Christentum propagiert. Im Gegensatz zu diesem stellt er die Frage, ob ein nichtmenschliches Tier eine Person sein kann.
Seine Argumente sollen im Folgenden dargestellt und hinterfragt werden. Des Weiteren wird ein aktuelles Beispiel gegeben, welches seiner Theorie folgt, sowie eine Gegentheorie dargestellt. Abschließend wird in einem Fazit die Überzeugung von Singers Darlegung abgewogen.
1. Kurze Einleitung
Als Ausgangspunkt für die Frage nach der Vertretbarkeit von Abtreibung und Euthanasie stellt sich für Singer die Frage nach der Tötung von nichtmenschlichen Tieren.[1] Schon in der Bezeichnung des nichtmenschlichen Tieres ist enthalten, dass Singer den Mensch als menschliches Tier sieht und somit keine klare hierarchische Struktur präferiert, wie sie beispielsweise das Christentum propagiert.[2] Im Gegensatz zu diesem stellt er die Frage, ob ein nichtmenschliches Tier eine Person sein kann.
Seine Argumente sollen im Folgenden dargestellt und hinterfragt werden. Des Weiteren wird ein aktuelles Beispiel gegeben, welches seiner Theorie folgt, sowie eine Gegentheorie dargestellt. Abschließend wird in einem Fazit die Überzeugung von Singers Darlegung abgewogen.
2. Kann ein nichtmenschliches Tier eine Person sein?
Die Frage, ob ein nichtmenschliches Tier eine Person sein kann, stellt neben dem Utilitarismus das grundlegende Element von Singers Argumenten dar.[3] Wie in den ersten Kapiteln der Praktische Ethik aufgezeigt wurde, besteht nach dem Autor die Ansicht, dass das Töten einer Person schwerwiegender ist, als das Töten eines nichtpersonalen Wesens,[4] da laut dem Präferenz-Utilitarismus deren in die Zukunft gerichteten Wünsche und Präferenzen durch diesen Akt beendet werden,[5] oder nach dem hedonistischen Utilitarismus die Konsequenzen für das Umfeld der getöteten Person negativ wären und das mögliche zukünftige Glück des Toten nicht mehr von diesem erfahren werden kann.[6] Auch der autonome Wunsch nach Leben sowie das Wissen um Vergangenheit und Zukunft sind Gründe, die gegen das Töten von Personen sprechen.[7] Definiert man ein Wesen als Person, hat dieses eine Unersetzbarkeit als Individuum.[8] Bereits in diesem Abschnitt wechselt Singer von der Bezeichnung nichtmenschlich zu nichtpersonal und bereitet den Leser auf seine folgende Theorie vor: Ein nichtmenschliches Tier kann eine Person sein. Gewissen Menschen wie Säuglingen oder schwer geistig behinderten hingegen spricht er diesen Status ab und schätzt damit das Leben eines Menschenaffen als wertvoller ein, als das eines geistig stark geschädigten Menschen.[9] Geklärt werden muss nun, wie Singer eine Person definiert, der den Leser sensibilisieren soll und nicht, wie im alltäglichen Sprachgebrauch oft getan, als Synonym zu Mensch verwendet wird.[10] Im vierten Kapitel erarbeitet Singer seinen Begriff der Person. Diese kann zur Spezies des Homo Sapiens gehören, oder nach Fletcher Indikatoren des Menschseins wie Selbstbewusstheit und -kontrolle, einen Sinn für Zukunft und Vergangenheit, das Vermögen, Beziehungen zu anderen zu erstellen, diese zu umsorgen, zu kommunizieren sowie Neugier aufweisen. Menschliche Wesen besitzen diese Indikatoren in stark ausgeprägter Weise. Bereits an dieser Stelle unterscheidet Singer die beiden Definitionen und nutzt für letztere das Wort Person, welche er in Anlehnung an John Locke als rationales und selbstbewusstes Wesen definiert.[11] Und genauer, ebenfalls nach Locke, stellt Singer eine Person wie folgt dar: „Ein selbstbewusstes Wesen ist sich seiner selbst als einer distinkten Entität bewusst, mit einer Vergangenheit und einer Zukunft.“[12] Kann also ein nichtmenschliches Tier eine Person sein? Dass nichtmenschliche Tiere über ein Gespür für sich selbst verfügen, zeigt Singer anhand der Schimpansin Washoe, welche vom Ehepaar Gardner Zeichensprache erlernte und auf die Frage, wer das sei, als sie in einen Spiegel blickte, mit Ich, Washoe. antwortete.[13] Hinzu kam, dass sie die Zeichensprache einem Adoptivschimpansen beibrachte. Auch Bonobos, Orang-Utans und Gorillas sind dazu in der Lage, Zeichensprache zu erlernen. Menschenaffen nutzen die Zeichen auch, um sich auf die Vergangenheit oder Zukunft zu beziehen und lassen so den Schluss zu, dass sie über ein Zeitgefühl verfügen.[14] So fragte die Schimpansin Tatu, als nach Thanksgivings Day noch kein Weihnachtsbaum mit Süßigkeiten aufgestellt war, was sonst üblich war, durch Zeichensprache nach: Süßigkeiten-Baum? Sie konnten sich also an die Jahreszeit und das Ereignis, das zu dieser gewöhnlich stattfand, erinnern.[15] Auf die Fähigkeit, Geschehnisse in der Zukunft schon in der Gegenwart wahrzunehmen und danach planend und vorausschauend zu handeln, was laut diversen Philosophen und Wissenschaftlern, auf die Singer nicht weiter eingeht, die exklusive Fähigkeit des Menschen ist, geht Singer erst gegen Ende des ersten Unterkapitels ein.[16] Sinnvoll wäre diese Theorie ebenfalls an der Stelle der zeitlichen Dimensionen. Dass Eichhörnchen Nüsse für den Winter verstecken, könnte laut Singer auch zu Instinkten statt zu antizipierendem Verhalten gezählt werden. Ein deutlicheres Beispiel wird erneut bei Menschenaffen beobachtet: Dort entfernte sich ein Schimpanse, um sich durch seinen momentanen Wunsch nach Essen nicht zu verraten, verzichtete auf eine direkte Befriedigung dessen und sicherte sich so eine vergessene und von einem anderen Schimpansen übersehene Banane. Schimpansen, und auch Schweine, gehen nur dann zu begehrtem Futter, wenn kein stärkerer Konkurrent in der Nähe ist. Scheinbar ist ihnen bewusst, dass sie dieses dann verlieren könnten. Auch Buschhäher können zukünftige Bedürfnisse in der Gegenwart vorwegnehmen und planvoll handeln, wobei sie auch wahrnehmen, dass sich zukünftige Wünsche von den gegenwärtigen unterscheiden können.[17]
Auch stellt sich für Singer in Bezug auf die Kommunikationsfähigkeit die Frage, ob nichtmenschliche Tiere, die über eine (Zeichen-)Sprachfähigkeit verfügen, eine Besonderheit darstellen oder als Beispiel für andere Tiere mit Selbstbewusstsein fungieren können. Genauer: Erfordert Denken Sprache? Stuart Hampshire geht davon aus. Er behauptet, dass das Denken unmöglich ist, wenn man dies nicht verbalisieren kann.[18] Singer widerlegt seine Gedanken mit der eben genannten Fähigkeit von Menschenaffen zu Zeichensprache. Falls, so Singer weiter, Hampshires Argumentation treffend ist, „[…] dann kann kein Wesen ohne Sprache eine Person sein.“[19] Dies träfe dann auf junge Menschen ebenso zu, wie auf Tiere ohne sprachliches Ausdrucksvermögen. Die übliche Kommunikation zwischen Tieren als Sprache zu bezeichnen, hält Singer für fraglich und führt seine Gründe nicht weiter aus.[20] Diese Aussage ist bedenklich. Menschen kommunizieren untereinander und nennen dies Sprache, obwohl kaum ein nichtmenschliches Tier mit ihnen durch die menschliche Sprache kommunizieren kann. Sie gilt also hauptsächlich innerhalb der Spezies, mit Ausnahmen wie beispielsweise Befehle an Hunde. Wenn man diesen Gedanken auf nichtmenschliche Tiere überträgt, kann man dann je innerhalb einer Spezies von Sprache sprechen? Abgesehen von diesem Argument führt Singer aus, dass Tiere sehr wahrscheinlich auch ohne Sprachfähigkeit in Begriffen denken und damit komplexe Denkprozesse vollziehen können. Als Beleg führt er das Beispiel der Schimpansin Julia ein, welche vom Ziel ausgehend rückschließend ermittelte, wie sie an eine Banane gelangen konnte. Zudem spricht er den nichtmenschlichen Tieren die Fähigkeit zu, nach bestimmten Absichten gezielt gemeinsam zu handeln.[21] Zudem können nichtmenschliche Tiere andere auch irreführen. Um dazu fähig zu sein, müssen sie sich laut Singer, der sich bei diesem Beispiel an De Waal orientiert, das Vorhaben anderer erschließen können.[22]
Zu Beginn des zweiten Unterkapitels zieht Singer denn Schluss, dass nach seiner Definition einige nichtmenschliche Tiere Personen sind.[23] Inwieweit dies vom Menschen feststellbar ist, ist fraglich. Der Kreis der nichtmenschlichen Tiere, die nach Singers Definition zu Personen zählend, wird durch Forschungsergebnisse stetig erweitert. Singer präferiert daher, bei Zweifel für das Tier zu handeln.[24]
Bei der Frage nach dem Personenbegriff lässt sich die Frage danach stellen, nach welchen Kriterien Singer diese aufgestellte. Da seit dem Mittelalter verschiedene philosophische Konzepte über die Intension und Extension des Personenbegriffs erarbeitet wurden,[25] würde deren ausführliche Darstellung den Umfang dieser Ausarbeitung überschreiten. Ein Beispiel aber ist die diametral zu Lockes Begriff stehende Auffassung von Leibniz. „Er definiert die Person als ein moralisch verantwortliches, zurechnungsfähiges Wesen, das durch Selbstbewusstsein und Identität bestimmt ist.“[26] Nutzt man diesen Personenbegriff, gelten andere Kriterien für die Anerkennung von Tieren als Person und diese Sichtweise mag eher angreifbar sein, wie im Folgenden mit Cohens Gegenthese, welche sich auf den Aspekt der Moral stützt, gezeigt wird. (Locke selbst legt sich nicht fest, ob auch Menschen ohne Selbstbewusstsein zu Personen zählen. Für deren Recht auf Leben argumentiert er nicht mit seinem Personenbegriff, sondern nutzt einen theologischen Artbegriff.[27] )
Geht man darüber hinaus auf Benthams Aussage ein: „Die Frage ist nicht: Können sie denken? Können sie sprechen? Sondern: Können sie leiden?“[28] Also die Leidensfähigkeit zu einem wichtigen Kriterium erhebt, so stellt sich die Frage, ob man Tieren einen Personenstatus zugestehen muss oder ob alleine ihre Leidensfähigkeit Grund genug sein sollte, ihre Interessen zu berücksichtigen. „Denn dass ein Wesen keine Sprache gebraucht oder keine Werkzeuge herstellt, ist kein Grund dafür, seine Leiden zu missachten, betonte schon Bentham.“[29] (Kann das ins Fazit? Oder weglassen? Brauche ich die Originalquelle oder reicht zit. Nach?)
[...]
[1] Warum Singer dies als Grundlage sieht, wird nicht dargelegt und bleibt unklar.
[2] Vgl. Singer (2013), S.421f..
[3] Vgl. Schlegel (2007), S.39.
[4] Vgl. Singer (2013), S.137ff., S.145, S.174.
[5] Vgl. Singer (2013), S.152.
[6] Vgl. Singer (2013), S.146ff.
[7] Vgl. Singer (2013), S.157ff.
[8] Vgl. Flury (1999), S. 124 f.
[9] Vgl. Singer (2013), S.141.
[10] Vgl. Schlegel (2007), S.69.
[11] Vgl. Singer (2013), S.140ff..
[12] Singer (2013), S.145.
[13] Vgl. Singer (2013), S.175.
[14] Vgl. Singer (2013), S.176.
[15] Vgl. Singer (2013), S.176.
[16] Vgl. Singer (2013), S.181.
[17] Vgl. Singer (2013), S.181ff.
[18] Vgl. Singer (2013), S.177.
[19] Singer (2013), S.178.
[20] Vgl. Singer (2013), S.178.
[21] Vgl. Singer (2013), S.179.
[22] Vgl. Singer (2013), S.180.
[23] Vgl. Singer (2013), S.184.
[24] Vgl. Singer (2013), S.218.
[25] Vgl. Schlegel (2007), S.39.
[26] Schlegel (2007), S.46.
[27] Vgl. Schlegel (2007), S.46.
[28] Wolf (2012), S.35.
[29] Singer (2013), S.126.
- Citation du texte
- Marie Welsche (Auteur), 2015, Kann ein nichtmenschliches Tier eine Person sein?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/435412
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