Musiklehrer, Poet, Komponist. Jean Jacques Rousseau war vieles, aber vor allem eines – Staatsphilosoph. In diesem Essay soll es um sein Wirken als solcher gehen. Im Speziellen, um Rousseaus Demokratietheorie und inwiefern diese auf das heutige, westliche Demokratieverständnis angewandt werden kann. Einleitend wird Rousseaus Hauptthese vorgestellt. Anschließend wird seine Staatsphilosophie in einem kurzen Abriss dargestellt. Des Weiteren wird ein exemplarischer Vergleich von Rousseaus Demokratietheorie mit dem heutigen Demokratieverständnis gezogen. Den Schluss bildet ein Fazit, dass die dargestellte Forschungsfrage beantwortet wird.
Entspricht Rousseaus Demokratietheorie dem heutigen Demokratieverständnis?
Musiklehrer, Poet, Komponist. Jean Jacques Rousseau war vieles, aber vor allem eines – Staatsphilosoph (vgl. Schmidt 2010: 80). In diesem Essay soll es um sein Wirken als solcher gehen. Im Speziellen, um Rousseaus Demokratietheorie und inwiefern diese auf das heutige, westliche Demokratieverständnis angewandt werden kann. Einleitend wird Rousseaus Hauptthese vorgestellt. Anschließend wird seine Staatsphilosophie in einem kurzen Abriss dargestellt. Des Weiteren wird ein exemplarischer Vergleich von Rousseaus Demokratietheorie mit dem heutigen Demokratieverständnis gezogen. Den Schluss bildet ein Fazit, dass die dargestellte Forschungsfrage beantwortet wird.
Rousseaus These besagt, dass die Zivilisation nicht den Fortschritt bringt, sondern die Gesellschaft in Unheil und Verderben stürzt (vgl. Schmidt 2010: 81). So kritisiert er beispielsweise in seinem „Discours sur les Sciences et les Arts“ den Fortschrittsglauben der Aufklärung. Dieser verforme den ursprünglichen und guten Menschen zu einem lasterhaften und sittenlosen Wesen. Die Institutionen der modernen Gesellschaft korrumpieren und versklaven den, für ihn, von Natur aus guten Menschen. Die Lehre des Naturzustands ist demnach die Basis seiner Überlegungen. „Der Mensch ist frei geboren und überall liegt er in Ketten.“ So beginnt Rousseau seine Betrachtung des Menschen.
Aber inwiefern ist der Mensch frei? Die „natürliche Freiheit“ ist der ursprüngliche Zustand des Menschen. In ihr besitzt er drei primäre Fähigkeiten: Die Liebe zu sich selbst („amour de soi meme“), die Fähigkeit, sich selbst zu vervollkommnen („perfectibilité“) und die Fähigkeit Mitleid zu empfinden („pitié“). Trotz physiologischer Differenzen seien die Menschen doch grundsätzlich gleich, frei und unabhängig. In diesem Zustand besitzt der Mensch keinerlei politische Ambitionen, sondern erfüllt schlicht seine Bedürfnisse ohne dabei anderen zu schaden.
Rousseau rechnet den Menschen im Naturzustand dies, als fundamentale Verhaltensdeterminanten zu (vgl. Herb 1989: 78).
Gleichzeitig, klagt er durch den Naturzustand die Gesellschaft seiner Zeit an und erhebt Widerspruch an Hobbes These vom Naturzustand, in der der Mensch als Bestie beschrieben wird (vgl. Schmidt 2010: 81). Des Weiteren dient Rousseaus Definition des natürlichen Zusammenlebens der Menschen als Ausgangsbasis für den Vertragsschluss. Die Annahmen, dass der Mensch in diesem Urzustand nur nach Selbsterhaltung strebt und unschuldig sei, erlaubt Rousseau, das Bild eines emotional autarken und somit freien Menschen zu zeichnen. Erst durch ein gesellschaftliches Zusammenleben mit Institutionen und Zwängen, die sich wie Ketten um Arme und Beine der freiheitsliebenden Seele schmiegen, verliert der Mensch seine Freiheit und Gleichheit. Verstärkt werden diese Ketten durch Abhängigkeitsverhältnisse und Eigentumsbildung. Der sich so selbst entfremdete Mensch kann niemals wieder den Naturzustand erlangen. Rousseaus Gesellschaftsvertrag soll ihm allerdings als Möglichkeit dienen, die verlorene natürliche Freiheit durch eine gesellschaftliche Freiheit zu ersetzen. „Der Gesellschaftsvertrag […] will folgendes Problem lösen: Wie können Staat und Gesellschaft so geordnet werden, dass sie das Zusammenleben von `Freiheitswesen` gewährleisten, wenn doch das Miteinander normalerweise die Freiheit beschränkt?“ (Schmidt 2010: 82). Ermöglicht wird dies nur durch eine Assoziationsform, die mit aller Kraft die Person und die Güter jedes der Assoziierten verteidigt und schützt und durch die jeder, indem er sich mit jedem vereint, nur sich selbst gehorcht und somit genauso frei bleibt wie zuvor (vgl. Taureck 2009: 103).
Diese natürliche Freiheit will Rousseau durch eine bürgerliche Freiheit ersetzen, welche er durch die Schaffung einer legitimen politischen Ordnung anstrebt. Durch den Inhalt des Contrat Social soll diese neue gesellschaftliche Ordnung gerechtfertigt werden. Rousseau entwirft daher ein Vertragsmodell, welches zwischen allen Menschen einer Gesellschaft geschlossen wird. Entscheidend dabei ist, dass das Volk erst zum Volk werden und die ihm selbst auferlegten gesellschaftlichen `Ketten` akzeptieren kann, wenn zur Gründung der Gesellschaft Konsens herrscht. Voraussetzung für die Funktionalität dieses Vertrages ist somit die vollständige Abgabe aller Rechte eines jeden Mitgliedes der Gesellschaft an das Kollektiv. Die damit erlangte Homogenität
Die benötigte Gleichheit aller Menschen wird durch die vollständige Entäußerung und somit die Unterwerfung eines jeden Bürgers unter den Gemeinwillen gesichert. Rousseau unterscheidet hierbei zwischen Gemeinwillen (volonté générale), Sonderwillen (volonté particulière) und Gesamtwillen (volonté de tous). Wobei der Gemeinwille den aufs Gesamtwohl ausgerichteten hypothetischen Volkswillen darstellt, während der Gesamtwille lediglich die Summe der Einzelinteressen oder der Sonderwillen widerspiegelt.
Der Gesellschaftsvertrag ist somit mehr als die Summe der Teile des Zusammenschlusses. Er bringt eine Gesamtheit hervor. Der Einzelne, zuvor isolierte Bürger verwandelt sich in ein Mitglied der politischen Gemeinschaft. Im Gegensatz zu Hobbes erfordert Rousseaus Gesellschaftsvertrag eine Veränderung der menschlichen Natur. Sein Demokratiemodell setzt somit einen tugendhaften Bürger voraus, der als Teil des Souveräns gemäß dem Gemeinwillen handeln muss und als Ergebener eben diesem Gehorsam leistet. Diese utopische Vorstellung sowie weitere schwer realisierbare Voraussetzungen einer praktikablen Demokratie nach Rousseaus Entwurf führten zu einer skeptischen Beurteilung bezüglich dessen Funktionalität. „Nur, wenn es ein Volk von Göttern gäbe, würde es sich demokratisch regieren […] doch eine so vollkommene Regierung passt für Menschen nicht“ (Schmidt 2010: 90).
Diesem Gedankengang folgend wird nun der Demokratieentwurf von Rousseau mit der heutigen Demokratievorstellung verglichen.
Die heute in westlichen Staaten gelebte Demokratie entspricht in einigen Überlegungen dieser Gesellschaftsform, divergiert in anderen Punkten jedoch stark von ihr. Im Folgenden sollen Übereinstimmungen und Unterschiede herausgestellt werden, wobei die Gegebenheiten in der Bundesrepublik Deutschland dabei im Fokus stehen soll. Auf Grund der formalen Länge eines Essays, fällt dieser Vergleich jedoch sehr kurz aus.
„Der Mensch ist frei geboren und überall liegt er in Ketten.“ (Rousseau 1995: 61). Rousseaus Hauptanliegen war es, die Freiheit des Bürgers zu schaffen und zu garantieren. Als Wegbereiter sollte dafür der Gesellschaftsvertrag dienen. Freiheit in jeglicher Form – Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit oder auch das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, wie sie im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert sind, nimmt auch in der heutigen Demokratie einen großen Stellenwert ein. Allerdings lassen sich trotz dieser oberflächlichen Übereinstimmung bei genauerem Hinsehen Divergenzen feststellen. So sprach Rousseau, wenn er von Bürgern oder Menschen sprach, deren Freiheit er schaffen wollte, ausschließlich von Vollbürgern, welche nach seinem Verständnis nur volljährige Männer waren. Dies widerspricht natürlich den heutigen Vorstellungen und Gesetzen, die Männer und Frauen als gleichstellen. Außerdem ist es interessant zu betrachten wie Rousseau sein Ziel der Freiheit sichern wollte. „Denn zur Freiheit gehört für Rousseau der Zwang zur Freiheit. Er ergänze seine Überlegungen daher mit dem Konzept der Zivilreligion, das dem Gesellschaftsvertrag und seinen Gesetzen Heiligkeit zuspricht und Verstöße im Extremfall sogar mit der Todesstrafe sanktioniert. Dieses gedankliche Konstrukt widerspricht der heutigen Vorstellung demokratischer Gesetzgebung und –vollstreckung, sowie der vorherrschenden Säkularisierung.
Jede Macht geht in Rousseaus Überlegungen vom Volke aus, das Volk ist Souverän und trifft alle Entscheidungen in Form von Volksabstimmungen. Eine solche radikale Direktdemokratie ist für größere Gemeinschaften jedoch nicht praktikabel. Eine repräsentative Demokratie, wie die Bundesrepublik Deutschland, war für ihn jedoch unvorstellbar, denn sobald ein Volk Vertreter wählt, ist es nicht mehr frei. Die von Rousseau gewünschte radikale Direktdemokratie, ist generell in heutigen Demokratien, wie der Bundesrepublik, unmöglich umzusetzen. Allerdings besteht die Möglichkeit, Volksentscheide zu politischen Sachfragen durchzuführen. Auch wenn das in der Praxis sehr selten Anwendung findet. Ein weiterer entscheidender Unterschied ist darin zu sehen, dass der Gesellschaftsvertrag zwar Bürgerrechte, jedoch keine Grundrechte kennt. Rousseaus Theorie fehlen somit die Absicherungen der Bürger gegen staatliche Gewalt und Herrschaft. Gegensätzlich dazu ist die Verankerung und Tragweite des deutschen Grundgesetzes, was den Schutz der Bürger*innen garantiert.
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- Martin Gramm (Autor), 2018, Entspricht Rousseaus Demokratietheorie dem heutigen Demokratieverständnis?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/434827