Das Gebot Gott zu lieben ist kein neues. Es existiert von jeher seit Gott existiert. So einfach diese Forderung klingt, umso schwieriger scheint für die Menschen die Umsetzung zu sein, betrachtet man die verschiedenen Wege, Gott die eigene Liebe zu zeigen. Das vielfältige Verständnis von Gottesliebe über Jahrhunderte hinweg führte zu verschiedenen theologischen Konzepten.
Eines dieser Konzepte soll hier dargestellt und diskutiert werden – das Werk Marguerite Porètes. Die französisches Mystikerin „ließ sich von nichts und niemandem den Mund verbieten, bis der französische Generalinquisitor Wilhelm von Paris sie am 1. Juni 1310 als „rückfällige Ketzerin“ verurteilte und auf dem Scheiterhaufen verbrennen ließ.“ Porète brach mit ihrem mystischen Buch „Der Spiegel der einfachen Seelen“ mit allen gängigen Konventionen der katholischen Kirche. Sie offerierte einen neuen Weg mit Gott in Einklang zu sein und ihm die eigene Liebe zu schenken. Bevor in dieser Arbeit auf Marguerite Porètes Werk eingegangen werden soll, folgt zunächst eine kurze Darstellung des Begriffs der Mystik, gefolgt von einer Skizzierung Porètes Lebensweg.
״ Und wir haben erkannt und geglaubt die Liebe, die Gott zu uns hat: Gott ist Liebe,
und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm. ul
Das Gebot Gott zu lieben ist kein neues. Es existiert von jeher seit Gott existiert. So einfach diese Forderung klingt, umso schwieriger scheint für die Menschen die Umsetzung zu sein, betrachtet man die verschiedenen Wege, Gott die eigene Liebe zu zeigen. Das vielfältige Verständnis von Gottesliebe über Jahrhunderte hinweg führte zu verschiedenen theologischen Konzepten. Eines dieser Konzepte soll hier dargestellt und diskutiert werden - das Werk Marguerite Porètes. Die französisches Mystikerin ״[...] ließ sich von nichts und niemandem den Mund verbieten, bis der französische Generalinquisitor Wilhelm von Paris sie am 1. Juni 1310 als ״rückfällige Ketzerin“ verurteilte und auf dem Scheiterhaufen verbrennen ließ.“2 Porète brach mit ihrem mystischen Buch ״Der Spiegel der einfachen Seelen“ mit allen gängigen Konventionen der katholischen Kirche. Sie offerierte einen neuen Weg mit Gott in Einklang zu sein und ihm die eigene Liebe zu schenken. Bevor in dieser Arbeit auf Marguerite Porètes Werk eingegangen werden soll, folgt zunächst eine kurze Darstellung des Begriffs der Mystik, gefolgt von einer Skizzierung Porètes Lebensweg.
Die christliche Mystik
Der Begriff Mystik bezeichnet im allgemeinen eine ״Sonderform religiöser Anschauung und religiösen Verhaltens, die einen bestimmten Frömmigkeitstypus hervorbrachte.“3 Es geht um ״eine Beziehung zwischen Mensch und Gott [...], die sich als Vereinigung mit Gott, genauer [...] mit Gott selbst kennzeichnen läßt.“4 Diese besondere Form religösen Lebens zeigt sich in den ״beiden Wesenselementefn] Loslösung von der Außenwelt ... und der unmittelbaren Berührung des einsam gewordenen Menschen mit dem Göttlichen.“5 Meist geschieht jegliche Praxis fernab der institutionalisierten Religion und dient dem Ziel, Gottes Nähe zu spüren. Das höchste Ziel stellt eine Vereinheitlichung mit Gott dar, wobei der Mensch dennoch immer ein Mensch bleibt. Mit dieser unio mystica kommt nun auch der Aspekt der Liebe ins Spiel, da die Mystiker vielmals das Bedürfnis verspüren, Gott so zu lieben, wie Gott die Menschen liebt.6
Die Ursprünge der Mystik vermutet man nicht unbegründet in biblischen Texten, begleitet sie das Christentum doch von Anfang an. Dennoch wird man kaum fündig auf der Suche nach Hinweisen. Das Christentum definierte die Beziehung zu Gott meist über eine christozentrische und sakrale Herangehensweise. Von dieser Idee distanziert sich erstmals explizit Pseudo-Dionysius Areopagita, der die Selbstoffenbarung Gottes und damit ein göttliches den Menschen Entgegenkommen betont.7 Die Liebe, wie sie bei Marguerite Porète ins Zentrum aller Betrachtungen rückt, spielt erstmals 400 Jahre später im 11./12. Jahrhundert bei Bernhard von Clairvaux eine Rolle. Die Idee das die Vereinigung mit Gott über die Liebe zu Gott passiert, prägt vor allem die weiblichen Mystikerinnen. Sie stellten das Gefühl über alles und präsentierten die Liebe zu Gott als eine grenzenlose, unbeschreibliche Größe.
Besonders auffällig ist die Entwicklung der Beginen um 1200, deren Entstehung vermutlich in Zusammenhang mit dem wachsenden Interesse an Mitsprache der Laien in religiösen Belangen Stand. Gekennzeichnet war das Leben der Beginen durch Armut, Einfachheit, Demut und Buße. Sie verkörperten in ihrem unorganisierten und nicht normierten Zusammenleben jedoch auch den Gegensatz zum kirchlich organisierten religiösen Leben normaler Bürger und Ordensmitgliedern. Genau aus diesem Grund wurde die Bewegung oftmals der Ketzerei bezichtigt und mit Mißtrauen und Argwohn betrachtet.8 Dennoch erfuhren die Beginen mindestens genau soviel Zuspruch wie Ablehnung, sonst hätten sie kaum bis ins 15. Jahrhundert Bestand gehabt, wenngleich sie zum Teil anderen Konventen angegliedert wurden.9 Auch Marguerite Porète schloss sich früh in ihrem Leben den Beginen an, da sie sich mit dem religiösen Verständnis der katholischen Kirche, trotz willentlicher Versuche, nicht zu identifizieren wusste.
Marguerite Porète - Skizzen eines Lebens
Über Marguerite Porètes Leben ist wenig bekannt und nur das Ende historisch dokumentiert. Aufgrund ihres Wirkens und Schreibens lässt sich jedoch auf eine gebildete Frau schließen, die theologische Schriften in Latein liest und ebenso vertraut mit den Formen höfischer Dichtung ist. Allgemein wird angenommen, dass Porète zwischen 1250 und 1260 in Valenciennes als Tochter von Eltern, die dem städtischen Patriziat angehörten, geboren wurde. Ihr standen somit verhältnismäßig viele Bildungsangebote zur Verfügung, die sie auch nutzte. Sie wurde in eine Zeit geboren, die von sozialen Unruhen gezeichnet war. Die Unruhen rührten j edoch nicht ausschließlich von der Zuspitzung sozialer Gegensätze her, sondern wurzelten in der Sehnsucht nach einer Beziehung zu Gott, wie sie die katholische Kirche nicht bieten konnte. Auch Marguerite Porète suchte nach einem eigenen authentischen Weg Christ zu sein und schloss sich früh den Beginen an - eine Bewegung von Frauen, die allein und in Gemeinschaft einen Pfad zu Gott jenseits der religiösen Konventionen der Kirche suchten. Um 1300 schrieb Porète dann ihr Buch im Auftrag Gottes, wie sie selbst sagte und war sich über das Risiko, welches sie mit der Veröffentlichung einging, bewusst. ״Ach, mein Freund, was werden die Beginen sagen und die Herren Theologen, wenn sie das vortreffliche Lied von der göttlichen Liebe vernehmen ? Sie werden sagen, dass ich mich irre, darum, weil ich vom Wesen schreibe der vollendeten Liebe. “[10] Und ihre Sorge blieb nicht unberechtigt. ״Marguerite lässt einfach die Divine Amour, Gottes Liebe in sich wohnen - und ist glücklich dabei: Keine Le istung sfrömmigke it mehr, kein fremdbestimmter, normierter Glaube, sondern Vertrauen auf die eigene spirituelle Erfahrung führt sie die Stufen zu Gott empor.“11 Sie war überzeugt, Gott spreche in ihrem Buch als Frau zu den Menschen und stellte sich selbst dem Starren und dogmatischen Konstrukt der Kirche gegenüber. Porètes Gegner merkten schnell, dass die Ideen und Theorien der mystisch angetriebenen Beginen nicht in konventionellen, moralischen Kategorien zu begreifen seien. Sie störten sich daran, wie Porète mit der Vernunft ins Gericht geht und alles, was die Kirche als erstrebens- und lobenswert preist, als fern von Gott bezeichnet. ״Gott zu finden, sei keine Angelegenheit von äußerlichen Fähigkeiten, von genialer Wissenschaft und moralischer Tugend, sondern eine Frage der Liebe, also der inneren Haltung. [...] Wenn Gott nur über die Liebe gefunden werden kann, gibt es keine objektive Ordnung mehr, die aufrecht erhalten werden muss.“12 Und so rief sie die Inquisition auf den Plan. Der Bischof von Cambrai verurteilte Marguerite Porètes Schrift 1306 als häretisch und ließ sie öffentlich verbrennen. Marguerite lässt sich davon zunächst nicht beirren, da sie von mehreren Theologen ein positives Gutachten eingeholt hat. Sie verliest weiter ihr Buch in der Öffentlichkeit, bis sie 1308 verhaftet wird. 21 Theologen werden beauftragt, das Buch zu prüfen und entscheiden aufgrund einzelner plakativer Ausschnitte einstimmig, die Schrift sei Häresie. So folgte am 30. Mai die endgültige Verurteilung, die Porète am 01. Juni 1310 auf den Scheiterhaufen führte. Während der gesamten Zeit der Inhaftierung steift sie sich den Richtern stur entgegen und wollte sich nur vor Gott für ihr Denken und Tun verantworten. Auch hier zeigt sich, dass wir es mit einer selbstbewussten und intelligenten Denkerin des Mittelalters zu tun haben. Bis heute bleibt die Frage offen, ob das zweifelhafte Urteil auf Grundlage weniger Textauszüge, nur ein Exempel statuieren sollte, um andere Beginen und Denker zu warnen. Diese Annahme ist nicht unwahrscheinlich, da bereits ein Jahr nach Porètes Tod eine regelrechte Beginenverfolgung und -Verurteilung folgte.
Der Spiegel der einfachen Seelen - von der Liebe/ Gott, der Seele und dem Verstand
״ Gott ist mir innerlicher als ich mir selbst und ist weit höher über meinem
Höchsten. “[13]
Ihr Buch ״Der Spiegel der einfachen Seelen“ verfasste Porète in altfranzösisch und hebt sich damit in ihrer Motivation des Schreibens von anderen ab. Wird oftmals die Ideenwelt der Mystikerinnen in Visionen verpackt, die in entrücktem Zustand demütig vom Himmel empfangen und aufgezeichnet wurden, so steift sie sich in den Dienst Gottes. Sie beschreibt ihre eigenen Ideen in Form eines Streitgesprächs zwischen der Liebe (Amor) und der Seele (Amino) einerseits und dem Verstand (Ratio) als Gegenpart. Sie unterteilt ihr Buch in 139 Kapitel, die losgelöst voneinander und zugleich synthetisch verstanden werden müssen. Das Streitgespräch ist durch Marguerite dialogisch angelegt, sodass die Redeanteile auf die unterschiedlichen Sprecher/innen verteilt sind. Da sie ihr Buch, wie bereits erwähnt, in altfranzösisch schrieb, kann man vermuten, dass es auch für jederman zugänglich sein sollte und nicht nur an Gelehrte adressiert war. Trotz seines Verbots existieren sowohl lateinische Abschriften als auch altitalienische und mittelenglische Übersetzungen.14 ״Marguerite steilt in ihrem Spiegel der einfachen Seelen dar, wie die Seele, also der Mensch, die mystische Vereinigung mit Gott erreichen könne.“15 Sie greift dabei auf Augustinus oben angeführten Satz zurück und konstituiert, dass Gott nur erreicht werden könne, wenn das eigene Ego aufgegeben wird. Normen, Konventionen und Abhängigkeiten müssen hinter einem liegen und werden ganz unwichtig, wenn der Mensch auf Gott vertraut. Sie blieb aber nicht an der Überwindung des eigenen Ich Stehen, sondern trieb ihre Überlegungen so weit, zu sagen, dass wenn man ganz auf Gott vertraue, sich ihm ganz hingebe, sei man gegenüber jeglicher Moral und Tugend autark und souverän. So beschrieb ״Marguerite den mystischen Aufstieg der Seele auf den Berg der Liebe [...], ein[en] Aufstieg, der so einsam ist, dass man dort nur Gott sieht.[16] Wie bereits die kurze Skizzierung einzelner Fragmente Porètes Lebens zeigte, lehnte sie es ab, Gott durch sakrale und asketische Handlungen, wie von der katholischen Kirche propagiert, nah zu sein. Diese Lebensweise widersprach dem aufkommenden Wunsch nach Freiheit und Individualität, denn es schloss Freude und Leiblichkeit von Grund auf aus. Porète sieht den einzigen Weg frei zu sein darin, ihren Willen gleich mit dem Gottes zu machen, sodass nur noch Gottes Prinzipien in ihren wirkten und damit keine normativen Grundsätze mehr Gültigkeit besitzen.
״Ich tat wie einer, der [...] die Sonne durch eine Stocklaterne oder Fackel Intention selbst, das Wollen, das sich auf Gott richtet, erst der Abstand zu Gott entsteht: [...] soviel mehr bringt dieses Nichtwollen in Gott als das Gutwollen um Gottes Willen ein.17
An diesem Punkt braucht die Seele nichts mehr zu fürchten, denn sie ist in Gottes Hand. ״[...] solange ich nichts will, spricht diese Seele, bin ich allein in ihm, ohne mich, ganz ledig. Doch wenn ich etwas will, bin ich bei mir und nicht bei ihm.“18 Porètes Suche rührte nicht allein aus einem inneren Widerstand gegen bestehende Konventionen. Sie versuchte, vorschriftsmäßig ihrer Religion nachzugehen, fand darin jedoch keine Erfüllung, da sie Gott bei allem Tun nicht näher kam.
[...]
11.Johannes 4,16. URL: https://www.bibleserver.eom/text/LUT/l.Johannes4 (Stand: 16.08.2017)
2 Sieck (2011): s. 128.
3 Meyers Großes Universallexikon (1983): s. 584
4 Louth (1994): Mystik, s. 548 (s. v. ״II. Kirchengeschichtlich“)
5 Gerlitz (1994): s. 534
6 Vgl. Figura (1989): Unio mystica, s. 503.
7 Vgl. Louth (1994): Mystik, s. 570.1 Vgl. Hauschild (1995): s. 280.
8 VgL Ruh (1984): Š. 239.
9 Vgl. zur mittelalterlichen Ständeordnung vgl. Z.B. Seiht (1999): Glanz und Elend des Mittelalters, s. 126-136
10 Porète, Marguerite: Der Spiegel der einfachen Seelen.
11 Sieck (2011): S.132.
12 Ebd.: S.133.
13 Sieck (2011): S.128. Zitat von Augustinus.
14 Vgl. Ruh (1993): S.345.
15 Sieck (2011): S.128.
16 Ebd.: S.129.
17 Sieck (2011): S.138.
18 Ebd.: S.138.
- Citation du texte
- Juliane Richter (Auteur), 2017, Marguerite Porète "Der Spiegel der einfachen Seelen“. Eine Frau ein Werk, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/434719
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