Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Thema der Global Corporate Citizenship. Im Zentrum der Überlegungen steht die Frage, wie Unternehmen durch die freiwillige Übernahme einer bürgerschaftlichen Verantwortung erfolgreich wirtschaften, den sich wandelnden Anforderungen von Politik und Gesellschaft gerecht werden und dem kapitalistischen Wirtschaftsmodell in Zeiten einer energischen Globalisierungsdynamik die gewünschte Nachhaltigkeit und somit Existenzberechtigung verleihen können.
Der weltumspannende Handel ist natürlich kein neuzeitliches Phänomen. Allerdings beinhalten der rasante Anstieg länderübergreifender Güter-, Geld-, Informations- und Menschenströme (Seitz, 2002, S. 1) sowie die hohe Geschwindigkeit, mit welcher sich vormals wirtschaftlich unbedeutende Staaten an das Wirtschaftssystem ankoppeln, ein enormes Konfliktpotenzial. Einem steigenden Lebensstandard auf der einen Seite stehen nicht selten soziale Ausbeutung und ökologisches Missmanagement gegenüber, welche in der Regel von Unternehmen getrieben und der Politik geduldet werden.
Die sich weltweit öffnenden Märkte erhöhen darüber hinaus zusehends den Konkurrenzdruck und unterspülen die etablierten Sozialsysteme. Im Gegensatz dazu wird seitens der Politik und der Gesellschaft aber auch gleichzeitig eine neue Balance zwischen okönomischen, ökologischen und sozialen Grundwerten gefordert. Die Unternehmen sollen in diesem Zuge aktiv an der Lösung der drängenden Probleme beteiligt werden.
Diese Widersprüche aufzulösen ist auch Teil der Global Corporate Citizenship- Diskussion. Die negativen Auswüchse des ungelenkten Kapitalismus sollen im Zaum gehalten und die Chancen einer globalisierten Wirtschaft so umfassend wie möglich genutzt werden. Die Ausarbeitung beschäftigt sich daher mit den Möglichkeiten, wie national und international operierende Unternehmen künftig ihre Rolle als verantwortungsbewußte Bürger verstehen, und somit zu einer umfassenden Wohlfahrtssteigerung beitragen können.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Aufbau der Arbeit
3. Definition
3.1 Entwicklung der Begrifflichkeiten
3.2 Corporate Citizenship
4. Die Stakeholder
4.1 Stakeholder-Engagement
4.2 Stakeholder-Analyse
5. Unternehmerische Effekte globaler Corporate Citizenship
5.1 Positive einzelbetriebliche Effekte
5.1.1 Reputationsaufbau/Imagegewinn
5.1.2 Arbeitnehmerbeschaffung
5.1.3 Arbeitnehmerentwicklung
5.1.4 Finanzielle Entwicklung
5.1.5 Begrenzung des Risikos
5.1.6 Ethische Fondsinvestments
5.1.7 Informationsgewinnung
5.1.8 Kommunikationskosten
5.1.9 Effektivität
5.2 Positive überbetriebliche Effekte
5.2.1 Schaffung und Stabilisierung von Absatzmärkten
5.2.2 Unternehmerfreundliches Klima
6. Das Spannungsfeld von Wirtschaft und Staat
6.1 Die Rolle des Staates
6.2 Neuer Partner Unternehmung?
6.2.1 Shareholder Value und Moral Capital
6.3 Unternehmerisches Engagement
6.3.1 Corporate Giving
6.3.2 Corporate Volunteering
6.3.3 Corporate Foundation
6.3.4 Stakeholder-Dialoge
6.3.5 Cause Related Marketing
6.3.5.1 Praxisbeispiel: American Express
6.3.6 Public Private Partnerships
6.3.6.1 Praxisbeispiel: Ford
7. Die Arbeit der NGOs
8. Internationale Standards und Rahmenbedingungen
8.1 Der UN Global Compact
8.2 GRI Guidelines
8.3 AA 1000
8.4 SA 8000
9. Praxisbeispiel: Bertelsmann AG
9.1 Daten und Fakten zum Unternehmen Bertelsmann AG
9.2 Corporate Responsibility bei Bertelsmann
9.3 Corporate Responsibility in der Praxis
9.3.1 Mitarbeiter
9.3.2 Gesellschaft
9.3.3 Soziales Engagement
9.3.4 Kultur- und Bildungsprojekte
9.3.5 Lokales Engagement
9.3.6 Umwelt
9.4 Reinhard-Mohn-Fellowship
9.5 Die Bertelsmann Stiftung
9.5.1 Die Organisation
9.5.2 Arbeitsfelder und Projekte
9.6 Der ökonomische Output
9.7 Die Instrumente
9.8 Die Verantwortung der Medien
9.9 Die Zukunft
10. Schlusswort
11. Literaturverzeichnis
12. Online-Quellen
13. Abbildungsverzeichnis
14. Erklärung
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Thema der Global Corporate Citizenship. Im Zentrum der Überlegungen steht die Frage, wie Unternehmen durch die freiwillige Übernahme einer bürgerschaftlichen Verantwortung erfolgreich wirtschaften, den sich wandelnden Anforderungen von Politik und Gesellschaft gerecht werden und dem kapitalistischen Wirtschaftsmodell in Zeiten einer energischen Globalisierungsdynamik die gewünschte Nachhaltigkeit und somit Existenzberechtigung verleihen können.
Der weltumspannende Handel ist natürlich kein neuzeitliches Phänomen. Allerdings beinhalten der rasante Anstieg länderübergreifender Güter-, Geld-, Informations- und Menschenströme (Seitz, 2002, S. 1) sowie die hohe Geschwindigkeit, mit welcher sich vormals wirtschaftlich unbedeutende Staaten an das Wirtschaftssystem ankoppeln, ein enormes Konfliktpotenzial. Einem steigenden Lebensstandard auf der einen Seite stehen nicht selten soziale Ausbeutung und ökologisches Missmanagement gegenüber, welche in der Regel von Unternehmen getrieben und der Politik geduldet werden.
Die sich weltweit öffnenden Märkte erhöhen darüber hinaus zusehens den Konkurrenzdruck und unterspülen die etablierten Sozialsysteme. Im Gegensatz dazu wird seitens der Politik und der Gesellschaft aber auch gleichzeitig eine neue Balance zwischen okönomischen, ökologischen und sozialen Grundwerten gefordert. Die Unternehmen sollen in diesem Zuge aktiv an der Lösung der drängenden Probleme beteiligt werden.
Diese Widersprüche aufzulösen ist auch Teil der Global Corporate Citizenship-Diskussion. Die negativen Auswüchse des ungelenkten Kapitalismus sollen im Zaum gehalten und die Chancen einer globalisierten Wirtschaft so umfassend wie möglich genutzt werden. Die Ausarbeitung beschäftigt sich daher mit den Möglichkeiten, wie national und international operierende Unternehmen künftig ihre Rolle als verantwortungsbewußte Bürger verstehen, und somit zu einer umfassenden Wohlfahrts-steigerung beitragen können.
2. Aufbau der Arbeit
Zu Beginn dieser Arbeit wird eine Grundlage geschaffen, indem gängige Definitionen zum Thema Global Corporate Citizenship diskutiert und abgegrenzt werden. Darauf aufbauend werden der Begriff der „Stakeholder“ näher differenziert und einzelbetriebliche Effekte beleuchtet, welche durch eine erfolgreiche Implementierung einer Global Corporate Citizenship-Strategie entstehen können. Im weiteren Verlauf werden der Bedeutungsgewinn von Unternehmen untersucht und eine Reihe von Instrumenten dargestellt, welche für die Umsetzung einer Global Corporate Citizenship-Strategie in Frage kommen. Die Arbeit von Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) sowie die Betrachtung einiger internationaler Standards und Rahmenbedingungen schließen den theoretischen Teil dieser ab.
In einem umfangreichen Praxisteil, welcher in Zusammenarbeit mit der Bertelsmann AG erstellt wurde, wird die Philosophie dieses Unternehmens aufgezeigt und Möglichkeiten der Implementierung und Umsetzung von Global Corporate Citizenship dargestellt. Dabei wird besonderer Wert auf eine detaillierte Darstellung der entsprechenden Tätigkeitsfelder und die gewählten Maßnahmen gelegt.
3. Definition
In der Literatur findet sich eine Reihe von Erläuterungen zur Definition von „Corporate Citizenship“ (CC). Historisch betrachtet entwickelte sich dieser Terminus aus dem Begriff „Corporate Social Responsibility“ (CSR). Werden diese beiden Begrifflichkeiten heute in der Literatur oft synonym verwendet, so soll doch an dieser Stelle eine kurze Abgrenzung zum besseren Verständnis stattfinden.
3.1 Entwicklung der Begrifflichkeiten
Die wissenschaftliche Diskussion um „Corporate Social Responsibility“ entwickelte sich Ende der 70er Jahre. Ausgegangen wurde vom sog. four-part-model (Carroll, 1979), welches die Verantwortung von Unternehmen auf vier Ebenen sieht. Die ökonomische Verantwortung im Hinblick auf die Profitabilität sowie die rechtliche Verantwortung – im Hinblick auf die Einhaltung geltender Bestimmungen – bilden darin den unabdingbaren Kern. Dazu kommt die ethische Verantwortung, wobei von den Unternehmen erwartet wird, das Richtige zu tun, auch wenn es nicht gesetzlich gefordert sein sollte. Dieser in der Vergangenheit viel diskutierte Bereich wird erweitert durch die Philantropie. Hierunter ist der Wunsch einer Gesellschaft zu verstehen, das Unternehmen möge sich in verschiedenen Bereichen sozial engagieren. Die letzten beiden, rein normativ ausgerichteten Erwartungen bildeten den Kern der CSR-Diskussion und konzentrierten sich in der Regel auf die Bestimmung der „Grenzen der Verantwortlichkeit“ von Unternehmen (Matten et al., 2003, 110).
Seit Beginn der 90er Jahre gewinnt der Begriff „Corporate Citizenship“ zusehends an Bedeutung. Im Kern sehr ähnlich zu CSR, fokussiert CC nicht so stark auf den ungeliebten Begriff der Wirtschaftsethik. Darin wurde den Unternehmen oftmals ein fehlendes Interesse an der Übernahme sozialer Verantwortung unterstellt, gerne mit dem Hinweis, was sie tun sollten oder müssten.
Der Begriff der Corporate Citizenship nähert sich dabei von einer anderen Seite. Er platziert die Unternehmung im Herzen der Gesellschaft, in welcher sie wirkt, von welcher sie abhängig ist und in welcher sie Rechte und Pflichten übernimmt. Auch so ließe sich erklären, warum dieser Begriff eher von Praktikern, also von Managern, Beratern und der Businesspresse verwendet wird (Matten et al., 2003, 111).
Im Laufe dieser Arbeit soll der Begriff der Corporate Citizenship mit dem Zusatz „Global“ Verwendung finden. Er impliziert somit eine Weiterentwicklung des bürgerschaftlichen Engagements der Unternehmen auch außerhalb der heimischen Staatsgrenzen und versucht den steigenden Bedarf an diesem Konzept genauso einzufangen wie die sich daraus ergebenden Entwicklungschancen. Die Übergänge vom nationalen zum multinationalen Unternehmen sind dabei fließend.
Im Folgenden soll zur besseren Einordnung der Begriff Corporate Citizenship weiter differenziert werden.
3.2 Corporate Citizenship
Im weitesten Sinne kann Corporate Citizenship als das gesellschaftliche und bürgerschaftliche Engagement von Unternehmen angesehen werden (Kaiser, 2004, S. 669), welches das gesamte gemeinwohlorientierte Handeln des Unternehmens umfasst (Habisch, 2003, S. 51) und dabei Austauschverhältnisse mit anderen Akteuren im Gemeinwesen eingeht (Dresewski, 2002, S. 62). Die Gestaltung der Gesamtheit der Beziehungen zwischen einem Unternehmen und dessen lokalem, nationalem und globalem Umfeld steht im Vordergrund (Grünbuch 2001, S. 28)
Dabei geht es um die Bündelung von Aktivitäten im Gemeinwesen und deren strategische Ausrichtung auf übergeordnete Unternehmensziele (Dresewski, 2004, S. 13). Das Unternehmen sieht sich als Bürger einer Gesellschaft, welcher die Probleme seines Umfeldes kennt, auf diese reagiert und im besten Fall verhindert bzw. abstellt. Somit ergibt sich automatisch die allgemeine Verpflichtung, sich aktiv an der Problemlösung innerhalb einer Gesellschaft zu beteiligen (Schmidpeter/Spence, 2001, S. 9). Dabei handelt das Unternehmen als selbstverantwortlicher Spieler, welcher auf der einen Seite seine Rechte in der Beziehung zu anderen einfordert, zum anderen aber auch bereit ist, Pflichten zu übernehmen und in wohl überlegtem Selbstinteresse sowie komplexem Maße in die Entwicklung der Gesellschaft investiert. (Seitz, 2001, S. 130). Sinnvoll und glaubwürdig können solche Strategien demnach nur sein, wenn sie auf einer langfristigen Basis geplant werden und nicht nur im Zusammenhang mit Katastrophen oder Unfällen in Erwägung gezogen werden. Corporate Citizenship ist demnach eher prophylaktischer Natur und keine Alternative zum Krisenmanagement (Meister/Lueth, 2001, S. 8).
Das Unternehmen DHL definiert Corporate Citizenship wie folgt: „Beim Corporate Citizenship geht es um den gesellschaftlichen Beitrag, den ein Unternehmen durch seine Kerngeschäftsaktivitäten, seine Sozialinvestitionen, seine philantropischen Programme und sein im weitesten Sinne politisches Engagement leistet. Der langfristige Erfolg eines Unternehmens hängt entscheidend davon ab, wie dieses Unternehmen seine wirtschaftlichen, sozialen und umweltbezogenen Aktivitäten sowie seine Beziehungen mit all denen, die ein Interesse am Unternehmen haben (wie z.B. Aktionäre, Mitarbeiter, Kunden, Geschäftspartner, Regierungen und Kommunen), gestaltet“.[1]
Corporate Citizenship möchte dabei nicht als Akt reiner Nächstenliebe verstanden werden, sondern unterliegt in vollem Umfang ökonomischen Überlegungen zur Zukunfts- und Entwicklungsfähigkeit der Unternehmung sowie der Leitidee der Gewinnmaximierung (Seitz, 2002, S. 64). Die drängenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und okölogischen Probleme – ob regional, national oder global – erhöhen den Druck auf die Unternehmen (Grünbuch 2001, S. 4) und fordern unternehmerische Kreativität und innovativen Ideenreichtum (Habisch, 2003, S. 58). Damit ergibt sich eine starke Verbindung zum normativen Konzept der „nachhaltigen Entwicklung“ (Sustainable Development) (McIntosh et al., 2003, S. 46), welche die Wahrung natürlicher Ressourcen sowie u.a. auch die Umverteilung von Reich zu Arm über die kommenden Generationen fordert (Renner et al., 2002, S. 9). Die Überlegungen zu CC versuchen im Hinblick auf diese Forderungen die Frage nach den gewünschten Kooperationsgewinnen zu beantworten, ohne die ein positives Ergebnis innerhalb bestehender Wirtschaftparadigmen wohl schwer zu realisieren ist.
Die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern[2] sind dabei ausschlaggebend. Im folgenden Kapitel soll auf diese zunehmend einflussreichere Gruppe näher eingegangen werden. Hier kann aber schon festgehalten werden, dass positives Engagement in diese Richtung der Zukunftsinvestition und einer Steigerung der Ertragskraft dient (Grünbuch 2001, S. 4). Es ist unbestritten, dass die Hälfte der unternehmerischen Verantwortung außerhalb der Unternehmung lagert und sich in der Umgebung niederschlägt, welche das operative Arbeitsgebiet bildet (Jeurissen, 2004, S. 94).
Gegenwärtig werden in der hiesigen Unternehmenskommunikation allerdings gerne Begriffe wie Charity und Philantropy zur Beschreibung solcher Investitionen verwandt. Dies ist nicht gänzlich falsch, trifft aber nicht in vollem Umfang den Anspruch der CC-Überlegungen. Vielmehr wird die Frage gestellt, welche Regeln die (globale) Unternehmung als Mitglied der Gesellschaft mitschaffen und mitunterhalten soll (Seitz, 2002, S. 2).
Corporate Citizenship setzt in diesem Zusammenhang auf die Entwicklung tragfähiger Konzepte aus eigenem unternehmerischen Antrieb (Seitz, 2002, S. VII) und baut weniger auf die gesetzgebende Hand des Staates. Das bürgerschaftliche Engagement wandelt sich als Reaktion auf weltweite Entwicklungen vom Mäzenatentum oder einer paternalistischen Fürsorge zu einer Managementaufgabe (Behrent, 2003, S. 22) zur Minderung gesellschaftlicher Probleme (Schrader, 2003, S. 2). Damit erhalten die Unternehmen einen „... ganzheitlichen Handlungshorizont für alle denkbaren Aspekte möglicher Beziehungen zu Stakeholdern und Shareholdern und für eine unternehmenspolitische Sinngebung“ (Behrent, 2003, S. 26).
Ganz freiwillig ist diese Entwicklung allerdings nicht, spielen doch einige gesellschaftliche Entwicklungen eine zunehmende Rolle (Grünbuch 2001, S. 5):
- Die Stakeholder, auf welche im nächsten Abschnitt näher eingegangen werden soll, stellen im Kontext der Globalisierung und des industriellen Wandels gestiegene Anforderungen an die Unternehmen.
- Investitionsentscheidungen werden von Einzelpersonen und Organisationen in ihrer Rolle als Verbraucher und Investoren zunehmend im Hinblick auf soziale Kriterien hinterfragt.
- Die zunehmende Schädigung der Umwelt aufgrund industrieller Tätigkeit wird mit Sorge betrachtet.
- Moderne Kommunikations- und Informationstechnologien sowie ein gestiegenes Medieninteresse fördern die Transparenz sowie einen zunehmenden Wunsch nach Informationen im Hinblick auf das Unternehmensverhalten.
Zusammenfassend kann daher die Definition von Habisch als gute Basis zur weiteren Bearbeitung des Themas dienen:
„Globalisierung und Individualisierung prägen das gesellschaftliche Umfeld von Unternehmen im 21. Jahrhundert. Auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene sind sie mit völlig neuen Problemstellungen und Herausforderungen konfrontiert, die sich nicht mehr mit den hergebrachten Instrumenten staatlicher Regulierung oder diplomatischer Vereinbarung bearbeiten lassen. Als unternehmerisches Bürgerengagement (Corporate Citizenship) bezeichnet man Aktivitäten, mit deren Hilfe Unternehmen selbst in ihr gesellschaftliches Umfeld investieren und ordnungspolitische Mitverantwortung übernehmen. Sie helfen mit, Strukturen bereichsübergreifender Zusammenarbeit und soziales Kapital aufzubauen, um zusammen mit Partnern aus anderen gesellschaftlichen Bereichen (Bildungs-, Sozial- und Kultureinrichtungen, Bürgerinitiativen und NGOs, Verbänden, Politik, anderen Unternehmen etc.) konkrete Probleme ihres Gemeinwesens zu lösen. In diesen Prozess bringen sie nicht nur Geld, sondern alle ihre Ressourcen – also Mitarbeiterengagement, fachliches Know-how und Organisationskompetenz, Informationen etc. ein“ ( Habisch, 2003, S. 58).
4. Die Stakeholder
Der Begriff „Stakeholder“ entwickelte sich in den 60er Jahren in Bezug auf die Shareholder-Value-Diskussion. Man gelangte zu der Ansicht, dass eine alleinige Fokussierung des Managements auf Aktionärsinteressen in Zukunft Probleme bereiten könne und die Anzahl der Anspruchsgruppen erweitert werden müsse. Unternehmen werden zudem für die Folgen ihrer Tätigkeit immer häufiger von den entsprechenden Gruppen belohnt bzw. bestraft.[3] Denn es ist unbestritten, dass Unternehmen einen enormen Einfluss auf ihr ökonomisches, ökologisches und soziales Umfeld ausüben und eine große Verantwortung für die positive Entwicklung der sog. „Triple Bottom Line“ tragen (Andriof/Waddock, 2002, S. 26).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb 1: Welleneffekt der Unternehmung[4]
Ein umfassendes Stakeholder-Engagement ist somit gefordert, welches zum einen die relevanten Anspruchsgruppen identifiziert, ihren Einfluss auf die Unternehmung bewertet und daraus entsprechende Handlungsempfehlungen ableitet.
4.1 Stakeholder-Engagement
Die anfangs rein unternehmensfokussierte Sichtweise betrachtete die Stakeholder als „Subjekte“, welche es zu „managen“ galt. Seit sich die Unternehmen zunehmend in der Kritik der Globalisierungsgegner sehen und eine höhere Transparenz und Berechenbarkeit gefordert wird, geht der Trend weg von einem rein reaktiven Verhalten hin zu einer netzwerkbasierten und prozessorientierten proaktiven Partnerschaft. Stakeholder-Engagements können daher definiert werden als: „ ... trust-based collaborations that build social capital between individual companies and other social institutions working on objectives that can only be achieved jointly and interactively“ (Andriof/Waddock, 2002, S. 19 ff.).
Um die gewünschte Bindung vom Unternehmen zum Stakeholder zu erreichen, ist die Bildung von „social capital“ unerlässlich. Es verbindet Individuen genauso wie Netzwerke und Gesellschaften. Die Qualität und somit die beiderseitigen Erfolgsaussichten der Partnerschaft bauen auf Vertrauen und Werte, welche eine wichtige Quelle für den Umgang mit sozialen Fragen darstellen. Je höher der Anteil sozialen Kapitals innerhalb der Unternehmen-Stakeholder-Beziehung, umso größer die Chance auf den Gewinn von wichtigen Informationen, Zugang zu wichtigen Netzwerken, die korrekte Außendarstellung etc. (Andriof/Waddock, 2002, S. 27-28).
In diesem Zusammenhang haben sich zwei Sichtweisen für die Definiton des Begriffs „Stakeholder“ herausgebildet. Die „enge“ Sichtweise bezieht sich ausschließlich auf die wirtschaftlich relevanten Gruppen wie Arbeitnehmer, Kunden, Zulieferer und Aktionäre, welche vom Stanford Research Institute (1963) betrachtet werden: „... on which the organization is dependent for its continued survival“. Sie sind bedeutsam für die zentralen ökonomischen Interessen der Unternehmung und werden auch als „Vertragspartner“ oder „Partner in Tauschbeziehungen“ bezeichnet. Dieser Ansatz ergibt sich in erster Linie aus der offensichtlichen Ressourcenknappheit, in welcher sich Unternehmen bewegen, fehlender Zeit und Aufmerksamkeit sowie der begrenzten Geduld von Managern, sich mit diesen externen Angelegenheiten zu beschäftigen (Mitchell et al., 1997, S. 856 f.).
Folgt man der „weiten“ Definition von Freeman (1984), so betrachtet man Stakeholder als „... any group or individual who can affect or who is affected by the achievement of the firm’s objectives“ (Andriof/Waddock, 2002, S. 30). Dieser Ansatz erfasst somit nahezu jeden als Stakeholder, welcher es dem Management erschweren kann, eine plausible Eingrenzung der relevanten Anspruchsgruppen vorzunehmen.
4.2 Stakeholder-Analyse
Daher fällt der Unternehmensführung die Aufgabe zu, einen umfassenden Überblick über die relevanten Anspruchsgruppen zu erhalten. Am Anfang steht die Aufgabe, die Gruppen entsprechend zu identifizieren sowie ihre Erwartungen ins Verhältnis zu der unternehmerischen Tätigkeit zu setzen (Zink, 2004, S. 14):
1. Wer sind die strategischen Anspruchsgruppen und wie sehen ihre Anforderungen aus? Dahin gehend sollte eine weitreichende Liste der unternehmensrelevanten Stakeholdergruppen erstellt und ihre Bedeutung ermittelt werden.
2. Welche organisatorischen Prozesse sind gefordert, um diesen Anforderungen entsprechend zu begegnen ?
3. Welche Transaktionen und Interaktionen sind erforderlich und in welchem Verhältnis stehen sie zum Portfolio der Stakeholder wie auch der Unternehmung ?
Eine Bewertung der Anspruchsgruppen im Hinblick auf die unternehmerische Relevanz kann anhand der Kriterien Wille (Power), Legitimität und Dringlichkeit durchgeführt werden. Unter Wille sind die Handlungsbereitschaft und die Fähigkeit des Stakeholders zu verstehen, das gewünschte unternehmerische Benehmen auf gewisse Art durchzusetzen. Dabei reichen die Handlungsoptionen von der einfachen Veränderung des Kaufverhaltens über den Entzug finanzieller oder materieller Ressourcen bis hin zu Gewalt. Legitimität erlangen diese Aktionen, wenn sie gesellschaftlich wünschenswert sind und angemessen (verhältnismäßig und legal) innerhalb eines Sozialsystems stattfinden. Je nach Situation und Ausmaß fordert der Stakeholder dann eine gewisse Dringlichkeit für die Ergreifung von Maßnahmen (Mitchell et al., 1997, S. 865 ff.).
Innerhalb dieser drei Bereiche lässt sich je nach Ausprägung der drei Kriterien eine Klassifizierung vornehmen, welche es der Unternehmensführung erleichtert, etwaige Anspruchsgruppen wahrzunehmen und entsprechende Prioritäten auch im Hinblick auf konfligierende Erwartungen zu setzen (Salience). Jede einzelne Kombination ausführlich darzustellen, würde in diesem Rahmen zu weit führen. Es kann aber festgehalten werden, dass sich basierend auf den eingangs erwähnten drei Kriterien Wille, Legitimität und Dringlichkeit sieben Stakeholder-Gruppen identifizieren lassen, welche in mehr oder weniger großem Ausmaß als unternehmensrelevant betrachtet werden müssen (Mitchell et al, 1997, S. 873 ff.):
„Latente“ Stakeholder: Die Gruppen erfüllen nur eines der drei Kriterien und werden daher nur mit einer geringen Salience bedacht (Felder 1, 2 und 3).
„Erwartende“ Stakeholder: Sie erfüllen zwei von drei Kriterien und stellen gewisse Erwartungen an das Unternehmen (Felder 4, 5 und 6).
„Definitive“ Stakeholder: Die Erfüllung aller drei Attribute weist diese Gruppe als ernst zu nehmende Anspruchsgruppe aus und lässt daher eine hohe Salience seitens des Managements erwarten (Feld 7).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Stakeholder Typology[5]
Stakeholdergruppen, welche keines der drei Attribute erfüllen (Feld 8), sind für die Unternehmung uninteressant und können auch als non-Stakeholder bezeichnet werden.
Wie immer allerdings die Einordnung der Stakeholder auch aussehen mag, so bleibt die Erkenntnis, dass jedes Unternehmen mit einem individuellen Set von Ansprüchen aus den verschiedensten Bereichen konfrontiert wird. Das heißt, die Unternehmen sind zum einen angehalten, sich mit den jeweiligen Wünschen auseinander zu setzen und sich im Rahmen einer Lösungsfindung entsprechend zu engagieren. Daraus folgt, dass Managementverhalten auch immer eine Funktion der Einflussgröße der Stakeholder darstellt (Andriof/Waddock, 2002, S. 30). Je mächtiger die Anspruchsgruppen werden bzw. je höher der erwartete Benefit für die Unternehmung ausfällt, desto wichtiger werden der Ausbau und die Aufrechterhaltung eines konstruktiven Dialogs. Gewünscht sind daher umfassendes Wissen über vertrauensbildende Maßnahmen im Hinblick auf die Bildung von „social capital“ sowie die Schaffung einer vertrauensvollen Atmosphäre zur gemeinsamen Weiterentwicklung und gegenseitigen Anpassung durch einen partnerschaftlichen Umgang (Andriof/Waddock, 2002, S. 36 ff.).
Die folgende Grafik verdeutlicht noch einmal die gesonderten Anspruchsgruppen einer Unternehmung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Die Stakeholder eines Unternehmens[6]
Welche Gründe könnten nun dafür sprechen, dass Unternehmen ihr bürgerschaftliches Engagement ausweiten? Oder viel wichtiger: Welches Austauschverhältnis führt zu einer Besserstellung der angesprochenen Parteien? In einer Marktwirtschaft werden Unternehmen nur dann zu freiwilligem Engagement greifen, wenn es sich betriebswirtschaftlich positiv auswirkt. Es muss also ein sog. business case“ vorliegen, welcher nachvollziehbare Wettbewerbsvorteile bringt (Schrader, 2003, S. 78).
5. Unternehmerische Effekte globaler Corporate Citizenship
Gerne wird im Hinblick auf die unternehmerischen Effekte von einer anzustrebenden „win/win“-Situation gesprochen. Der gegenseitige Nutzen soll in einer Wertschöpfung sowohl für das Unternehmen als auch für die Gesellschaft bzw. die Stakeholder (einschließlich der Umwelt) (Liikanen, 2004, S. 10) und nicht in der Umbenennung des traditionellen PR-Berichts resultieren. Die Profilierung eines „neuen unternehmerischen Selbstbewusstseins als aktiver Bürger und gesellschaftlicher Akteur“ soll im Mittelpunkt stehen (Habisch, 2003, S. 51). Daher ist einer der zentralen Ansatzpunkte der Corporate Citizenship-Überlegungen nicht zu verwechseln mit dem schon erwähnten Charakter der „Philantropie“. Es handelt sich um kalkulierte Maßnahmen, welche sich an klar definierten strategischen Unternehmenszielen ausrichten, um gewinnbringende Effekte zu erzielen. Lassen sich allerdings die positiven einzelbetrieblichen Effekte als höhere Gewinne oder verbesserte Absatzzahlen ermitteln, so sind die positiven überbetrieblichen Effekte wesentlich schwerer zu quantifizieren. Im Folgenden soll daher eine Aufschlüsselung stattfinden (Schrader, 2003, S. 78-98).
5.1 Positive einzelbetriebliche Effekte
Die positiven einzelbetrieblichen Effekte werden zum Teil der Wertschöpfungskette der Unternehmen und lassen sich aufgrund ihrer Wirksamkeit in außengerichtete und innengerichtete Effekte unterteilen. Die außengerichteten Effekte gelten den Umweltbeziehungen der Unternehmen, während die innengerichteten sich u.a. auf die interne Personalentwicklung konzentrieren.
5.1.1 Reputationsaufbau/Imagegewinn
An erster Stelle stehen Reputationsaufbau und Imagegewinn, um die Akzeptanz der Unternehmung bei den Stakeholdern zu sichern bzw. zu erhöhen. Dass ein positiver Imagetransfer für Unternehmen immer wichtiger wird, belegt unter anderem die Untersuchung von Debra King und Alison Mackinnon, die 2.200 zufällig ausgewählte Haushalten in Australien im März 2000 einbezog.
Die Haushalte wurden u.a. gefragt, bis zu welchem Grad das Bekanntwerden von Unternehmensverhalten die Reputation beeinflusst und inwieweit dieses Wissen Einfluss auf zukünftige Entscheidungen hätte (Produktwahl, Investition, Arbeitsplatz etc.) (Batson, 2002, S. 3-4). Im Ergebnis wurde festgestellt, dass die Gesellschaft sich in zunehmendem Maße für das „Corporate Behavior“ von Unternehmen interessiert und auch immer mehr gewillt ist, Verstöße z.B. durch eine Veränderung des Konsumverhaltens zu bestrafen.[7]
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Studie des imug-Institus Hannover, welche besagt, dass über die Häfte der Verbraucher bei gleichem Preis die Produkte eines Unternehmens bevorzugen würde, von welchem verantwortliches Verhalten bekannt ist. Über 66% zeigten sich in diesem Kontext sehr interessiert (27%) bzw. interessiert (39%) an Informationen über die sozialen und ökologischen Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit. Als wichtigste Themen wurden der Verzicht auf Kinderarbeit und die Entwicklung umweltfreundlicher Produkte (89%), der sparsame Umgang mit Rohstoffen und Energie (86%) und die Schaffung von Arbeitsplätzen (85%) genannt (imug-Studie, 2003, S. 5). Zur Untermauerung dieser These können des Weiteren die Ergebnisse des Unternehmensverbandes CSR Europe und des Instituts Markt-Umwelt-Gesellschaft herangezogen werden, auf welche hier aber nicht weiter eingegangen werden soll. Es ist somit zu vermuten, dass sich ein als „good corporate citizen“ positionierendes Unternehmen durch höhere Kundenzufriedenheit und Kundentreue belohnt werden kann.
Zweifellos lässt sich ein Konsumversprechen hin zum ökologisch wertvollen Produkt leicht bei einer unverbindlichen Umfrage äußern. Allerdings zeigt das Ergebnis auch, dass ein breites Interesse an diesem Thema besteht und die Verbraucher eine konkrete Einordnung etwaiger Problemfelder vornehmen.
5.1.2 Arbeitnehmerbeschaffung
Der Punkt Reputation bzw. Image spielt auch im Bereich der Rekrutierung von Arbeitnehmern eine wichtige Rolle. So gaben in einer Studie 42% der Befragten an, dass das Engagement und die verantwortliche Führung des Unternehmens ihre Jobwahl positiv beeinflusste (Heuberger et al., o.D., S. 9; Dresewski, 2004, S. 28). Dies ist besonders wichtig für Unternehmen in hart umkämpften Märkten, denn hier wird die Suche nach den sog. „high potentials“ zum strategischen Erfolgsfaktor. Und gerade dieser elitären Gruppe wird nachgesagt, „dass materielle Entlohnung allein bei der Arbeitsplatzwahl nicht ausschlaggebend sei, sondern dass sie nach Identifikations-möglichkeiten suchen, die „ ... ein guter Corporate Citizen eben besser vermitteln kann als ein schlechter“ (Schrader, 2003, S. 84). „Job satisfaction“ und „ethical behaviour“ stehen somit in einer positiven wechselseitigen Beziehung (Leisinger, 1999, S. 99).
5.1.3 Arbeitnehmerentwicklung
In Ergänzung zu den außengerichteten Effekten in Bezug auf die Arbeitnehmer (Reputation/Image–Identifikation-Jobwahl) konzentriert sich Corporate Citizenship innengerichtet u.a. auf die Entwicklung des Personals. Wie Studien belegen, können Investitionen in das „Humankapital“ einen sehr positiven Einfluss auf die Loyalitität, die Motivation und die Produktivität haben (Willmott, 2001, S. 85 f). Deutlich wird dies an einer aktuellen Umfrage, wonach 93% der deutschen Angestellten (Europa 87%) eine stärkere Loyalität zu einem sozial engagierten Unternehmen fühlen. Eine Förderung von „Motivation und Leistungsfähigkeit“ gaben zudem 30% der Befragten an (Dresewski, 2004, S. 28).
Glaubwürdige Corporate Citizenship führt darüber hinaus zu steigender Arbeitszufriedenheit und stärkerer Identifikation mit dem Unternehmen. Dabei soll der Mitarbeiter das Gefühl bekommen, Teil der Corporate Cititzenship zu sein und seiner „privat empfundenen moralischen Verantwortung auch im Arbeitsalltag nachgehen zu können“ (Schrader, 2003, S. 92). Das Unternehmen muss daher bemüht sein, transparent zu kommunizieren, ein positives internes Geschäftsklima zu bewirken und auch Konsensbereitschaft seitens der Geschäftsführung zu demonstrieren (Backhaus-Maul, 2003, S. 115). Denn es steht außer Frage, dass die Verlässlichkeit der Belegschaft gerade in Krisenzeiten einen entscheidenden Unterschied ausmachen kann (Backhaus-Maul, 2003, S. 114) .
Wird Corporate Citizenship in diesem Sinne weiter gefasst, können im Rahmen der Arbeitnehmerentwicklung folgende Punkte als Handlungsempfehlung herausgearbeitet werden (Grünbuch, 2001, S. 9 f.):
Die interne Arbeitnehmerpolitik soll durch die Möglichkeit lebenslangen Lernens, Empowerment, bessere Vereinbarkeit von Arbeit, Familienleben und Freizeit, größere Diversifizierung bei der Arbeit oder auch Gewinn- und Kapitalbeteiligungen Anreize schaffen.
Die Einstellungspolitik soll verantwortungsvoll und nicht diskriminierend sein. Ethnischen Minderheiten, älteren Arbeitskräften, Frauen sowie Langzeitarbeitslosen und benachteiligten Personen soll der Einstieg in das Berufsleben erleichtert werden.
Mit einer umfangreichen Kooperationspolitik soll eine aktive Zusammenarbeit mit den lokalen Akteuren ausgebaut werden. Aus den gewonnenen Informationen lassen sich u.a. der Bedarf an Lehrstellen und die Entwicklung von Bildungs- und Ausbildungsprogrammen ableiten.
Zum Ausbau der Mitarbeiterkompetenz verstärkt sich in Deutschland seit einiger Zeit der Trend der Mitarbeiterfreistellung zur Erfüllung ehrenamtlicher Aufgaben. Das sog. „Corporate Volunteering“ wird von rund jedem zweiten KMU und über 70% der Großunternehmen praktiziert (Maaß, 2003, S. 117; Habisch, 2003, S. 67). Im Vordergrund stehen dabei die Verbesserung der Teamfähigkeit und Kommunikations-kompetenz, die Erlernung besonderer Flexibilität, Kreativität und Organisations-fähigkeit beim Umgang mit ungewohnten Aufgaben sowie die Schulung des Einfühlungsvermögens (Schrader, 2003, S. 89 f). Speziell im Hinblick auf die Entwicklung von Führungskräften haben diese „soft skills“ nach wie vor Relevanz.
Die Glaubwürdigkeit speziell von Führungskräften hängt nämlich davon ab, dass sie nicht nur über Fach- und Managementwissen, sondern auch über persönliche und soziale Qualitäten verfügen (Myritz, 07/2002, S. 209).
5.1.4 Finanzielle Entwicklung
Auch bei der finanziellen Entwicklung kann Corporate Citizenship eine wichtige Rolle spielen. Viele Shareholder erkennen in zunehmendem Maße, dass bürgerschaftliches Engagement nicht gegen die Interessen des Unternehmens verstößt, sondern dass ein gesundes Umfeld der Unternehmung nutzt. So spielt z.B. bei der Kreditvergabe oft der moralisch gefestigte Charakter und das sozial verantwortliche Verhalten des Unternehmers eine wichtige Rolle. Erst danach werden Größen wie Kapazität oder Konditionen geprüft (Küng, 2001, S. 37). Eine ehrliche Herausarbeitung sowie eine vernünftige Gewichtung der strategischen Anspruchsgruppen kann somit dazu beitragen, das Unternehmensergebnis nachhaltig zu verbessern (Zink, 2004, 146). Allgemeiner ausgedrückt: „Wenn es überhaupt eine generelle Bedingung für langfristigen Erfolg gibt, dann ist das eine sich entwickelnde, wohlhabende Gesellschaft insgesamt“ (Seitz, 2002, S. 8). Somit können Shareholder sogar zum Beschleuniger geplanter CC-Aktivitäten werden.
5.1.5 Begrenzung des Risikos
Auf den Finanzmärkten wird die Begrenzung des Risikos für die Akteure zunehmend wichtiger. Man hofft, durch mehr Offenheit und Transparenz in der Kommunikation eine gute Verbindung zu den Stakeholdern aufzubauen. Diese Netzwerke erhöhen das Wissen der Unternehmung und können helfen, potenzielle Risiken eher zu erkennen und entsprechend abzufedern (Weiser/Tadek, 2000, S. 52). Außerdem kann die Generierung einer entsprechenden Datenlage helfen, etwaige Vorwürfe wirkungsvoll zu entkräften (Carlo, 2004, S. 8).
Als Beispiel kann hier die Vermeidung von illegalen oder sozial unverantwortlichem Benehmen von Managern und Angestellten dienen. Im Jahre 1996 musste z.B. die Daiwa Bank 340 Millionen US$ an Strafe zahlen, weil ein enormer Handelsverlust zu spät gemeldet wurde. Ebenfalls Mitte der 90er Jahre hatte Shell aufgrund ungenügender Transparenz und mangelnder Kommunikationsbereitschaft schwere Imageschäden hinzunehmen. Ausgangspunkt waren die Diskussionen um Brent Spar und die Verstrickungen in Nigeria. In einem späteren Kapitel soll auf das Thema Shell näher eingegangen werden. Es kann aber hier bereits erwähnt werden, dass das Unternehmen nach diesen Vorfällen eine offenere Unternehmenspolitik praktiziert. Seit 1999 bietet Shell ein offenes Online-Forum (General Forum) für alle interessierten Bürger an. Auf der website www.shell.com/tellshell können Beiträge unzensiert eingestellt werden. Das Unternehmen zeigt sich zudem bemüht, kritische Anmerkungen zu kommentieren und ggf. entsprechende Prüfungen und Handlungen vorzunehmen.
Dass sozial unverantwortliches oder illegales Verhalten schädlich für den Aktienkurs ist, belegt eine Ausarbeitung von Jeff Frooman aus dem Jahre 1997. Es wurden 27 Studien analysiert, welche den Impact von unsozialem Verhalten auf den Aktienwert ermittelten. Das Ergebnis zeigte, dass für Fehlverhalten sanktionierte Unternehmen Einbußen hinnehmen mussten, welche nie wieder aufgefangen werden konnten. Eine Studie der Harvard University belegt zudem, dass „stakeholder-balanced“ companies sich viermal schneller entwickeln und achtmal mehr Personal beschäftigen als rein shareholder-orientierte Unternehmen (Willmott, 2001, S. 17).
Dementsprechend übernimmt unternehmerisches Bürgerengagement eine Art Versicherungsfunktion, welches im Problemfall auf eine kooperativere Behandlung seitens der Öffentlichkeit, der NGOs oder auch der Medien hoffen lässt. Diese Stakeholdergruppen verfügen nämlich über bestimmte „Freiheitsgrade“ bei einer Reaktion z.B. auf ein eingetretenes Verschmutzungsproblem (Habisch, 2003, S. 75). Ergänzend dazu stellen mittlerweile Regierungen Strafmilderung für Good Corporate Citizens in Aussicht. Etwaige Verstöße gegen geltende Vorschriften können milder geahndet werden, wenn die Implementierung eines Corporate Citizenship-Programms vor dem zu verhandelnden Vergehen nachgewiesen werden kann (Weiser/Tadek, 2000, S. 54).
5.1.6 Ethische Fondsinvestments
Ethische Investmentfonds haben in der Gunst der Anleger in den letzten Jahren zugelegt. Auch als „Ökologische Geldanlage“, „Grünes Geld“ oder „Nachhaltige Geldanlage“ bezeichnet, beziehen diese Fonds umweltbezogene und soziale Aspekte in die Anlageentscheidung mit ein (Dresewski, 2002, S. 71). Zur Zeit sind rund 2,93 Milliarden Euro in solchen ethisch gelagerten Fonds in Deutschland investiert, was verglichen mit dem Jahr 2000 einer Verdopplung des Marktvolumens entspricht.[8] Diese Entwicklung wird ermöglicht durch Marktakteure, welche ihr Handeln in einen ganzheitlichen Kontext stellen und eine „ ... übergeordnete Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft in ihr individuelles und institutionelles Handeln integrieren“ (Schoenheit, 2004, S. 93).
Die Fondsgesellschaften müssen daher zweierlei berücksichtigen, um diesen Markt attraktiver zu machen. Zum einen müssen sie sicherstellen, dass „... die zugesagten „nachhaltigen Qualitäten“ der Kapitalanlage zutreffend sind, sie ständig überprüft und auch langfristig eingehalten werden“ (Schoenheit, 2004, S. 95). Zum anderen muss die Glaubwürdigkeit der Maßnahmen sichergestellt sein, denn „reine, altruistische Wohltätigkeit ohne betriebswirtschaftlichen Bezug wird Unternehmen kaum abgenommen, da es letztlich ihrer Existenzlogik widerspricht“ (Schrader, 2003, S. 78).
Um die gewünschte Glaubwürdigkeit zu erzielen, können Aktienindizes wie z.B. der Domini 400 Social Index oder der Dow Jones Sustainability Group Index (DJSGI) herangezogen werden. Diese wählen Unternehmen anhand standardisierter und nachprüfbarer Verfahren zur Messung ihrer ökologischen und sozialen Leistung aus.
Der Domini 400 Social Index hat seit seiner Einführung im Mai 1990 im Jahresgesamtergebnis und unter Berücksichtigung der Risikogewichtung den S&P 500 um mehr als 1% übertroffen. Er umfasst 400 US-amerikanische Großunternehmen, welche nach sechs verschiedenen Qualitätsbereichen bewertet werden: Corporate Citizenship, Vielfalt (Einbeziehung von Frauen, Minderheiten etc.), Mitarbeiterbeziehungen, Umweltschutz, Schutz der Menschenrechte und der Umwelt bei Produktionsstandorten außerhalb der USA sowie Sicherheit, Qualität und Nutzen der Produkte. Ausgeschlossen werden Unternehmen, die Alkohol, Tabak oder Rüstungsgüter produzieren, Atomkraftwerke betreiben oder überwiegend Umsätze durch Glücksspiele erwirtschaften (Dresewski, 2002, S. 72). Der Dow Jones Sustainability Group Index ist seit 1993 um 180% gestiegen, der Dow Jones Index im selben Zeitraum lediglich um 125% (Grünbuch, 2001, S. 9).
5.1.7 Informationsgewinnung
Informationen können im Zuge der bereits erwähnten Differenzierung der Gesellschaft als knappe und absolut notwendige Ressource für den unternehmerischen Erfolg gewertet werden. Zum einen kann es sich um strategisch wichtige Informationen der gesamten Unternehmensumwelt handeln sowie das Wissen um Partner zur Lösung anfallender Probleme (Andriof/Waddock, 2002, S. 42). Zum anderen ist für jedes gute Unternehmen das frühe Erkennen von Entwicklungstrends äußerst wichtig, um z.B. den sich wandelnden Kundenbedürfnissen gerecht werden zu können (Benkelberg, 2004, S. 32). Die verschiedensten Sichtweisen von Kunden, Geschäftspartnern und Entscheidungsträgern resultieren aber häufig aus der Verschiedenheit gesellschaftlicher Positionen und Erfahrungen sowie Wertesystemen und Kulturen. Dabei entwickeln die einzelnen Subsysteme ihre eigene Logik und kulturelle Wahrnehmung der Wirklichkeit (Habisch, 2003, S. 74).
Eine professionelle Beschaffung solcher Informationen ist allerdings äußerst schwierig, da es sich in erster Linie um lokales Wissen handelt, welches sich nur aus der Teilnehmerperspektive gewinnen lässt. Möchte man also „Betriebsblindheit“ verhindern und sozusagen am Puls der Gesellschaft und der Trends liegen, so kommt bereichsübergreifenden Corporate Citizenship-Projekten eine steigende Bedeutung zu. Die Erweiterung des Horizonts des Betriebsingenieurs durch die Arbeit mit potenziellen Nutzergruppen ist dabei genauso von Bedeutung wie die Zusammenarbeit mit Umweltgruppen und ökologischen Initiativen. Ihr Fachwissen zur Umweltverträg-lichkeit bestimmter Stoffe, der nachhaltigen Ausrichtung von Produktionsvorgängen oder auch den richtigen Maßnahmen im Problemfall kann für die Unternehmung von großem Nutzen sein (Habisch, 2003, S. 74).
[...]
[1] www.dhl.at/publish/at/de/about/citizenship.high.html
[2] Als Stakeholder bezeichnet man Einzelpersonen, Gemeinschaften oder Organisationen, die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens beeinflussen oder von ihr beeinflusst werden. Es gibt interne Stakeholder (z.B. Belegschaft) und externe Stakeholder (z.B. Kunden, Zulieferer, Anteilseigner, Investoren, lokale Gemeinschaften)
[3] www.pwcglobal.com/extweb/service.nsf/docid/86E529115CDFE5E585256D6B0074BEB7
[4] Andriof/Waddock (2002), S. 26
[5] Mitchell et al., 1997, S. 874
[6] Dresewski, Felix (2004), S. 38
[7] Sarre, Rick, http://www.maicsa.org.my/whats_new_cg_0412.htm (04.03.2005)
[8] imug Pressemitteilung: „Nachhaltige Finanzprodukte im Aufwind“ vom 14.11.2003
- Citar trabajo
- Martin Kleemann (Autor), 2005, Global Corporate Citizenship, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43313
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