Die Revolution von 1918/19 gehört zu den am besten erforschten Abschnitten der neueren deutschen Geschichte. Im Gegensatz dazu hat die Rolle der USPD in der Revolutionszeit weniger Beachtung gefunden. Dabei erscheint die Klärung der Ideen, Handlungen und Ziele der USPD von besonderem Interesse, weil sich die programmatischen Perspektiven dieser von der SPD abgespaltenen Partei bis zur Revolution auf Frieden und Selbstbestimmung, ökonomische Modernisierung und Demokratie gerichtet hatten.
Der Autor stellt anhand zahlreicher Quellen das Entstehen und die Politik des unter dem Vorsitz Friedrich Eberts paritätisch aus Vertretern von MSPD und USPD bestehenden Rats der Volksbeauftragten, die Zielrichtung und das Wirken des aus Delegierten der Arbeiter- und Soldatenräte zusammengesetzten Vollzugsrats sowie die Aktionen der „Revolutionären Obleute“ und des linksradikalen Spartakusbundes mit Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg dar, die ebenfalls der USPD angehören. Nach einer Analyse des Beitrags der USPD zur Kabinetts- und Gesetzgebungsarbeit der Revolutionsregierungen im Reich und in einzelnen Ländern werden die auf dem Rätekongress Ende 1918 von der USPD vertretenen Positionen zum Verfassungssystem der Republik, zur militärischen Kommandogewalt und zur Sozialisierung der Wirtschaft beleuchtet.
Als Ursachen des Koalitionsbruchs identifiziert der Autor die innere Zerrissenheit der USPD, die Anpassung ihrer Volksbeauftragten an das formalistische Demokratieverständnis der MSPD bei gleichzeitiger Radikalisierung der USPD-Linken sowie die fehlende Bereitschaft zu Kompromissen auf der Grundlage einer sozialen Republik. Die Folgen sind die Spaltung der Arbeiterbewegung, die Auflösung der USPD mit der Klärung der Front zwischen Republikanern und Kommunisten sowie die Schwächung der Weimarer Republik durch den Aufstieg der KPD.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Rat der Volksbeauftragten, Vollzugsrat und Revolutionäre Obleute
2.1. Von der Übergabe der Kanzlerschaft zur Regierungsbildung
2.2. Machtkampf zwischen Vollzugsrat und Regierung
a) Rote Garde für den Machterhalt
b) Räterepublik statt Nationalversammlung
c) Ausübung exekutiver Befugnisse
2.3. Einigung über die Kompetenzen – Theorie und Praxis
3. Die Regierungspolitik der USPD bis zum ersten Rätekongress
3.1. Politische Akzente der USPD im Rat der Volksbeauftragten?
a) Machtverteilung
b) Kabinettsbeschlüsse
aa) Kontinuierliche Zurückdrängung der Macht des Vollzugsrats
bb) Demokratisierung von Verwaltung und Militär?
cc) Sozialisierungsgedanken
dd) Nationalversammlung
ee) Differenz zur MSPD?
c) Gegenkräfte
3.2. Die USPD als Regierungspartei in einzelnen Ländern
a) Preußen
b) Bayern
c) Baden
3.3. Die USPD in der Reichskonferenz
4. Der erste Rätekongress, der Zentralrat und die USPD
4.1. Kommandogewalt
4.2. Nationalversammlung oder Rätesystem
4.3. Kompetenzen des Zentralrats
4.4. Wahl des Zentralrats
4.5. Sozialisierung
5. Krise und Bruch der Koalition
6. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
I. Quellen und Quelleneditionen
II. Literatur
1. Einleitung
Die Revolution von 1918/19 gehört zu den wohl am besten erforschten Abschnitten der neueren deutschen Geschichte. Die zeitgeschichtliche Forschung setzte allerdings erst vergleichsweise spät ein. Während in den 1920er Jahren erste Biographien über den SPD-Vorsitzenden und seit 1919 amtierenden Reichspräsidenten Friedrich Ebert[1], Memoiren und historische Darstellungen von Akteuren und Zeitgenossen der Revolution[2] sowie frühe Quellensammlungen[3] publiziert wurden, richtete sich das Interesse der Historiker nach 1945 zunächst auf die Frage nach den Ursachen des Scheiterns der Weimarer Republik und damit vorrangig auf deren Endphase. Danach verlagerte sich der Forschungsschwerpunkt unter dem Aspekt struktureller, die Verfassungswirklichkeit und die gesellschaftlichen Machtverhältnisse der Republik von Anfang an prägender Belastungsmomente auf die Entstehungszeit mit der Fragestellung, ob die Belastungen bei Gründung der Republik als unvermeidlich hingenommen werden mussten oder ob eine Chance bestanden hätte, sie auf einem solideren Fundament zu errichten.[4]
Dabei waren die Interpretationen der Autoren je nach Quellenlage und eingenommener Perspektive durchaus verschieden. Nach den ersten Erklärungen angelsächsischer Historiker, die ein Versagen der MSPD-Führung im „Bündnis“ Eberts mit der OHL sowie in der Unterlassung einer Demokratisierung des Heers, einer öffentlichen Kontrolle der Schwerindustrie und einer Bodenreform erblickten,[5] deuteten westdeutsche Historiker in den 1950er Jahren die Politik der MSPD-Führung als Abwehrkampf gegen die „Übernahme des russischen Rätesystems und die Errichtung einer Diktatur des Proletariats“,[6] gegen die „Bolschewisierung Mitteleuropas“[7] und zugespitzt als das Ergebnis eines „sozialistisch-konservativen Zweckbündnisses“ in einer Entscheidungssituation, die sich „auf die Wahl zwischen einem konkreten Entweder – Oder“ beschränkt habe: „die soziale Revolution im Bund mit den auf eine proletarische Diktatur drängenden Kräften oder die parlamentarische Republik im Bund mit konservativen Elementen, wie dem alten Offizierskorps“.[8] Abweichende Positionen wie die Analyse Arthur Rosenbergs, dass 1918/19 Reformen in Verwaltung, Wirtschaft und Grundbesitz von einer Mehrheit der Arbeiterschaft für notwendig gehalten worden seien,[9] und die Untersuchung Walter Tormins, wonach die spontan entstandenen Arbeiter- und Soldatenräte sich mehrheitlich nicht als bolschewistische Kampforgane verstanden oder artikuliert hätten,[10] wurden von der pointiert durch Karl Dietrich Erdmann vertretenen herrschenden Meinung der 1950er Jahre nicht aufgegriffen. Erich Matthias kritisierte die These Erdmanns als eine „viel zu einfache Alternative“, die Rosenbergs Deutung der Kräfteverhältnisse während der Übergangszeit von November 1918 bis Januar 1919 missverstehe und Tormins Studie zu den Räten vernachlässige.[11] Das vorherrschende Verständnis der Revolution stand seinerzeit indessen „im Einklang mit der allgemeinen politischen Entwicklung der Bundesrepublik als einer antikommunistisch interpretierten pluralistischen Demokratie“.[12]
In den 1960er Jahren setzte mit den Arbeiten von Eberhard Kolb[13] und Peter von Oertzen[14] die Zeit einer grundsätzlichen Neuinterpretation der Revolution unter Berücksichtigung des demokratischen Potentials der Rätebewegung ein. In kritischer Abkehr von Erdmanns Alternative wurden auf der Grundlage zahlreicher Quelleneditionen und wissenschaftlicher Untersuchungen namentlich zu Zielsetzung und Struktur der Rätebewegung, den Chancen einer Sozialisierung im ökonomischen und politischen System eines Industriestaats und den Risiken einer Übernahme der Träger des alten Systems die in der ersten Phase der Revolution bestehenden Handlungsspielräume der Regierung erforscht[15]. Anstatt der überkommenen Formel „‘Weimarer System‘ oder Rätediktatur“ vertrat Eberhard Kolb anknüpfend an Rosenberg[16] die These einer „Offenheit der Situation“, die die ersten Monate seit dem Umsturz gekennzeichnet habe.[17] Ähnliche Positionen nahmen Reinhard Rürup[18] und Erich Matthias ein.[19] Damit „hörte die These Erdmanns auf, die ‚herrschende Lehre‘ zu repräsentieren“.[20]
Der in Einzelfragen differenzierte Stand der Forschung in den 1980er Jahren zur ersten Phase der Revolution, d.h. bis zum Austritt der USPD-Vertreter aus der Revolutionsregierung am 29. Dezember 1918, lässt sich in seiner vorherrschenden Tendenz dahin zusammenfassen, dass der von Friedrich Ebert geführte Rat der Volksbeauftragten durch ein unproduktives Selbstverständnis als „Konkursverwalter des alten Regimes“[21], fixiert auf eine rasche Wahl der Nationalversammlung sowie befangen in der Furcht vor Chaos und Bolschewismus, die Chance versäumt habe, die Verwaltung zu demokratisieren, ein republikanisches Volksheer aufzubauen und mit der Sozialisierung der Montanindustrie für die Arbeiterschaft ein Signal des Aufbruchs zu setzen. Demgegenüber stellte sich eine Minderheit Mitte der 1980er Jahre auf den Standpunkt, die Überwindung des Nachkriegschaos sei allein durch eine „konservative Republik“ im Bündnis von MSPD und Heer möglich gewesen.[22]
Die Revolutionsinterpretation der DDR-Geschichtswissenschaft folgte drei Jahrzehnte lang den 1958 beschlossenen Thesen des Zentralkomitees der SED über die „November-Revolution 1918 in Deutschland“.[23] Danach war diese eine „bürgerlich-demokratische Revolution, die in gewissem Umfange mit proletarischen Mitteln und Methoden durchgeführt wurde“ und scheitern musste wegen der „Politik der rechten Führer der SPD und der USPD“, die mit „Imperialisten und Militaristen“ als den „Kräften der Reaktion paktierten“. Ihr wichtigstes Ergebnis waren die Gründung der KPD als einer revolutionären Kampfpartei neuen Typs und die Erkenntnis, „dass ein schrittweises, ‚friedliches Hineinwachsen‘ in den Sozialismus unmöglich ist.“[24] Zum 50. Jahrestag 1968 bekräftigte das Zentralkomitee die Thesen und ergänzte sie durch Hervorhebung der Rolle der Arbeiterklasse als „Haupttriebkraft“, des deutschen Volkscharakters und der nationalen Bedeutung der Revolution.[25] In einer zugleich veröffentlichten „Illustrierten Geschichte“ erklärte das Zentralkomitee: „Die sozialistische DDR erfüllt das Vermächtnis der Kämpfer der Novemberrevolution.“[26]
Im vereinten Deutschland verlagerte sich der Fluchtpunkt von 1933 auf die Wende 1989. Die Revolution von 1918/19 blieb ein Feld der Kontroversen, doch das Interesse an der Erforschung der Revolutionsgeschichte ließ deutlich nach.[27] Mit der Wiedervereinigung waren die Nachkriegszeit beendet, die Ursachen für das Scheitern der Weimarer Republik nicht mehr aktuell und „Demokratisierung“ im Sinn einer sozialen Modernisierung kaum zeitgemäß. In ihrer Historisierung erscheint die Revolution von 1918/19, frei von politischen Bewertungen und kontrafaktischen Überlegungen, nun schlicht als Geburtsstunde der parlamentarischen Demokratie in Deutschland.[28]
Im Gegensatz zur Intensität und Breite der Revolutionsforschung im Allgemeinen hat die Rolle der USPD im Rat der Volksbeauftragten weniger Beachtung gefunden. Zwar fehlt es nicht an grundsätzlichen Darstellungen zur Geschichte der USPD[29], zu ihrer gespaltenen Auffassung in der Frage einer Beteiligung an der Revolutionsregierung mit der MSPD[30] sowie zu den fortgesetzten revolutionären Aktivitäten vor allem ihres linken Flügels und des ihr bis Ende 1918 formell zugehörigen Spartakusbunds.[31] Auch sind Dokumente zum Verhältnis der USPD zu den Berliner Arbeiter- und Soldatenräten in der Revolutionszeit[32], zu ihren Positionen auf dem (ersten) Allgemeinen Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte Ende Dezember 1918 in Berlin[33] und ihrem Verzicht auf Beteiligung an den Wahlen zum Zentralrat am 19. Dezember 1918[34] sowie zu ihrer Politik im Rat der Volksbeauftragten bis zum Rücktritt ihrer Vertreter am Jahresende 1918[35] in reichem Ausmaß vorhanden.
Jedoch ist die historische Forschung zur ersten Phase der Revolution eher auf Handlungsspielräume und verpasste Chancen der Regierung unter der dominierenden Führung Friedrich Eberts fokussiert. Was die USPD zur Regierungspolitik beigetragen und ob sie eigene Ideen zur Gestalt der Republik entwickelt hat, ist weitgehend im Hintergrund geblieben. Dabei erscheint die Klärung der politischen Ziele und Erfolge des linken Flügels, der sich wegen grundsätzlicher Ablehnung der Kriegs- und Annexionspolitik der Reichsleitung entschieden gegen die Burgfriedenspolitik der SPD gestellt, unter Anführung von Hugo Haase im März 1916 als „Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft“ von der Fraktion der Mehrheitspartei im Reichstag getrennt und im April 1917 auf dem Gothaer Gründungsparteitag als unabhängige sozialdemokratische Partei mit den Vorsitzenden Hugo Haase und Georg Ledebour formiert hatte, gerade deshalb von besonderem Interesse, weil die USPD im ersten Weltkrieg als Friedenspartei für das Selbstbestimmungsrecht der Völker, für ökonomische Modernisierung und Aufhebung des freiheitsbeschränkenden Belagerungszustands plädiert hatte und ihre führenden Politiker als Mitglieder des Rats der Volksbeauftragten in der Lage waren, dessen Zielrichtung mitzubestimmen. Blickte die USPD also programmatisch gleichsam nach vorn, so stellt sich die Frage, ob sie sich in der Revolutionsregierung ebenso wie Friedrich Ebert als „Konkursverwalter“ verstand oder ob sie als treibende Kraft für Demokratie und Sozialisierung agierte. Gleichfalls von Interesse erscheint die Position des linksradikalen Flügels der USPD um den am 1. Mai 1916 wegen einer Rede gegen den Krieg verhafteten und am 21. Oktober 1918 aus dem Zuchthaus entlassenen Karl Liebknecht, der sich seit Anfang 1916 als „Spartakusgruppe“ und nach der Revolution als „Spartakusbund“ bezeichnete. Bildete er die politische Speerspitze der Rätebewegung, oder gingen revolutionäre Impulse von den „Revolutionären Obleuten“ in Berlin aus, dem linken Flügel der USPD? Welches war das Zukunftskonzept des Spartakusbunds und der Revolutionären Obleute für die Republik in der revolutionären Systemkrise und wie verhielten sich diese Gruppen gegenüber der Politik des Rats der Volksbeauftragten?
Die vorliegende Arbeit unternimmt eine Analyse der Rolle der USPD in der ersten Phase der Revolution vor dem Hintergrund der vom Rat der Volksbeauftragten getroffenen Entscheidungen. Gefragt wird nach Zielen, Möglichkeiten und Ergebnissen des Wirkens der USPD innerhalb und außerhalb der Regierung, nach Anspruch und Wirklichkeit der Partei. Die Untersuchung kann sich nicht auf den Rat der Volksbeauftragten beschränken, da neben ihm der am 10. November 1918 gewählte Vollzugsrat des Arbeiter- und Soldatenrats von Groß-Berlin als provisorisches Kontrollorgan agierte, bis an dessen Stelle der Zentralrat trat. Um die Ereignisse möglichst entlang der Zeitleiste darzustellen, werden zunächst der Rat der Volksbeauftragten in seiner Entstehung, der Berliner Vollzugsrat und die Revolutionären Obleute betrachtet und Einflussschneisen der USPD festgehalten (II). Die USPD in der alltäglichen Kabinetts- und Gesetzgebungsarbeit des Rats der Volksbeauftragten bis zum Rätekongress, ihre Regierungsarbeit in einzelnen Ländern und ihre Nahtstellen zu gewaltsamen Aktionen sind Gegenstand des Mittelteils (III), bevor die Positionen der Partei bei den Diskussionen und Abstimmungen auf dem Rätekongress zum Verfassungssystem der Republik, zur militärischen Kommandogewalt und zur Sozialisierung der Wirtschaft beleuchtet werden (IV). Die Arbeit wird beschlossen mit Krise und Bruch der Koalition (V) sowie dem Fazit und einem Ausblick (VI).
2. Rat der Volksbeauftragten, Vollzugsrat und Revolutionäre Obleute
Jede politische Revolution bedarf, soll das Abgleiten in Anarchie und Chaos verhindert werden, einer Struktur der usurpierten staatlichen Herrschaft. Die zunächst widerrechtliche Machtergreifung erhält ihre Legitimation durch mehrheitliche Anerkennung der neuen Herrschaft im Volk. Diese Anerkennung geht im Idealfall von denjenigen Volksschichten aus, deren Verhältnisse die Revolution zu verbessern suchte. Dementsprechend wird die Herrschaft in Zeiten der Revolution regelmäßig durch ihre Träger wahrgenommen.[36] Die Revolution[37] 1918/19 hatte eine hiervon abweichende Erscheinungsform. Die Serie von Matrosenrevolten in norddeutschen Hafenstädten Anfang November 1918, die sich binnen weniger Tage in Gestalt von Angriffen der Soldaten gegen die Militär- und Staatsgewalt in den großen Städten fortsetzte und einen in Soldaten- und Arbeiterräten als spontan gebildeten Organen der revolutionären Bewegung institutionalisierten Massenimpuls auslöste,[38] wirkte als Initialzündung einer Kettenreaktion in einer Lage, die einerseits durch die gegen Kriegsende geschwächten staatlichen Kräfte sowie andererseits durch lange vorenthaltene Gewissheit über die Aussichtslosigkeit des Kriegs und entsprechend wachsende Einsicht der Bevölkerung in die Notwendigkeit politischer Veränderungen geprägt war. Das entstandene Machtvakuum der alten Gewalten wurde durch die in der Regel gewählten Räte provisorisch als Inhaber der politischen und militärischen Gewalt auf lokaler und regionaler Ebene ausgefüllt. Dauerhafte Herrschaft strebte die Mehrzahl der Räte nicht an, sie verstanden sich in der ersten Phase der Revolution als politische Organe in einer Übergangszeit. Entscheidend für den Fortgang der Revolution war die Entwicklung in Berlin.
2.1. Von der Übergabe der Kanzlerschaft zur Regierungsbildung
Die Mehrheit der MSPD hatte bis kurz vor der Matrosenrevolte einen innenpolitischen Burgfrieden befürwortet. Die Partei hatte mit der jahrelang eingeforderten Parlamentarisierung der Regierung durch die Oktober-Verfassung[39] eines ihrer wichtigsten politischen Ziele erreicht und trat für die Bewahrung der konstitutionellen Monarchie ein. Noch in einem Aufruf vom 4. November suchte der Parteivorstand alle auf Übergang zur Republik gerichteten Aktionen „von unten“ zu unterbinden.[40] Doch die fundamentale Änderung der Lage durch die von den Matrosen ausgelöste revolutionäre Welle zwang zu einer politischen Kehrtwende. Die Führer der MSPD „adoptierten“ die Revolution,[41] aber „mit wachsenden Ressentiments gegen ihre Träger“.[42]
Auf den von der Massenbewegung ausgehenden Druck reagierte die Parteiführung der MSPD mit einigen taktischen Schritten. Ihr Ultimatum vom 7. November, bei Nichterfüllung ihrer Forderungen u.a. nach sofortiger Abdankung des Kaisers und Verzicht des Kronprinzen aus der Regierung auszutreten, wurde durch die Bekanntgabe der kaiserlichen Abdankung[43] überholt. Darauf verlangte die zur Regierung entschlossene MSPD durch ihre am 9. November in die Reichskanzlei entsandte Deputation unter Führung Friedrich Eberts von dem Reichskanzler Max von Baden die Übergabe des Kanzleramts an den MSPD-Vorsitzenden. Ebert stimmte dem Reichskanzler zu, zur Entscheidung über die künftige Regierung Deutschlands eine Nationalversammlung zu wählen.[44] Mit der Übernahme des Kanzleramts, die in dieser Form der Reichsverfassung widersprach, wollte er die Kontinuität der bisherigen Regierung[45] sicherstellen, der ersten demokratisch legitimierten und der ersten mit sozialdemokratischer Beteiligung in der deutschen Geschichte. Die als Ressortchefs amtierenden Staatssekretäre sollten im Amt bleiben, ebenso sollte die Behördentätigkeit ungebrochen fortgesetzt werden. Ebert hatte aber nicht verkannt, dass die sofortige Regierungsbildung unter Berufung des erst wenige Stunden zuvor zurückgetretenen Staatssekretärs Philipp Scheidemann[46] und des MSPD-Abgeordneten Otto Landsberg in seine Regierung die Verhandlungsposition der MSPD gegenüber der USPD verbessern würde.
Die Initiative zur Regierungszusammenarbeit mit der USPD ging von vornherein von der MSPD aus, sie diktierte der USPD das Gesetz des Handelns. Schon am Morgen des 9. November hatte die MSPD, noch als Mitglied der Regierung der Mehrheitsparteien[47], durch Ebert, Scheidemann und Eduard David wegen einer Regierungsbildung Verbindung zur USPD aufgenommen, die in Abwesenheit von Hugo Haase durch Georg Ledebour, Ewald Vogtherr und Wilhelm Dittmann vertreten war[48]. Der Spartakusbund entrüstete sich über dieses „Einschmuggeln in die Revolutionsbewegung“,[49] Ledebour gab seiner Ablehnung einer Regierungsbeteiligung unverhohlen Ausdruck.[50] Bei einem eher zufälligen Treffen mit den USPD-Abgeordneten Oskar Cohn, Dittmann und Vogtherr in der Reichskanzlei unmittelbar nach seiner Ernennung teilte Ebert die Entschlossenheit seiner Partei zur Regierung mit und drängte die USPD zum Eintritt in ein paritätisch zusammengesetztes Kabinett. In der Frage, welche Personen die USPD in die Regierung entsenden werde, ließ ihr Ebert freie Hand.[51] Mit seiner Ausrufung der Republik[52] am Nachmittag aus einem Fenster des Reichstags legte sich Scheidemann auf die künftige Staatsform fest.[53] Kurz nach ihm proklamierte Karl Liebknecht vom Spartakusbund von einem Balkon des Hohenzollernschlosses „die freie sozialistische Republik Deutschland“ und verlangte eine Anspannung aller Kräfte, „um die Regierung der Arbeiter und Soldaten aufzubauen und eine neue staatliche Ordnung des Proletariats zu schaffen“.[54] Würden sich die beiden Positionen auf einen Nenner bringen lassen?
Die nachmittags begonnenen Beratungen der USPD über den Eintritt in die Regierung gestalteten sich angesichts ihrer heterogenen Zusammensetzung und in Abwesenheit des Vorsitzenden Haase schwierig. „Alles schrie Haase, wenn nur Haase da wäre, als ob von ihm das Heil der Welt abhinge.“[55] Nach dem Bericht Richard Müllers als eines der Protagonisten[56] konnte man sich weder über die Frage der Regierungsbeteiligung noch darüber einigen, was nach dem Umsturz zu geschehen habe. Müller, Ledebour und Emil Barth lehnten eine gemeinsame Regierung mit der MSPD ab. Die Neigung zur Zusammenarbeit mit der MSPD war beim linken Flügel gering, für den deren Führungspersonen als Verräter an der sozialistischen Sache galten. Die Bedingungen diktierte Liebknecht mit den Forderungen nach einer Vereinigung aller exekutiven, legislativen und jurisdiktionellen Gewalt in der Hand der Arbeiter- und Soldatenräte, einem Ausschluss der bürgerlichen Mitglieder aus der Regierung und einer Befristung der Regierungszusammenarbeit auf drei Tage. Zugleich verweigerte er seinen Eintritt in eine Regierung mit der MSPD. Haase, Dittmann und schließlich auch Barth erklärten sich dagegen zum Regierungseintritt bereit.[57] Die von Liebknecht vorgegebenen, von der Mehrheit der führenden USPD-Mitglieder akzeptierten Bedingungen wies der Vorstand der MSPD noch am Abend unter Beifügung eigener Bedingungen zurück.[58]
Im Plenarsaal des Reichstags hatte sich derweil ein „wilder Haufen“[59] von Soldatenräten versammelt, bei denen am späten Abend Barth sowie Ernst Däumig[60], Richard Müller und andere Vertreter der Revolutionären Obleute erschienen. Die von Richard Müller begründete, aus betrieblichen Vertrauensleuten der Arbeiterschaft hervorgegangene Gruppe der Revolutionären Obleute hatte sich im ersten Weltkrieg von einer Gewerkschaftsopposition zu einer Opposition innerhalb der Sozialdemokratie entwickelt und nach deren Spaltung fast ausnahmslos der USPD angeschlossen, ohne damit ihre Funktion als außerparlamentarische Arbeitervertretung der Parteiorganisation zu opfern[61]. Aus Verdruss über die wenig revolutionäre Einstellung der Soldatenräte und in der Absicht, die von MSPD und USPD vorgesehene Regierung zu verhindern, setzten die Obleute am Abend des 9. November eine von ihnen vorbereitete Resolution des Berliner provisorischen Arbeiter- und Soldatenrats zur erstmaligen Wahl von Delegierten und zu deren Zusammentreten am 10. November im Zirkus Busch durch.[62] Noch vor der Versammlung im Zirkus Busch rief der Spartakusbund die Arbeiter und Soldaten Berlins in einem „Kampfprogramm zur Weiterführung der Revolution“ dazu auf, Polizei und Offiziere zu entwaffnen und das Volk zu bewaffnen; alle militärischen und zivilen Behörden und Kommandostellen durch Vertrauensmänner des Arbeiter- und Soldatenrats zu übernehmen und diesen alle Waffen- und Munitionsbestände zu übergeben; Reichstag und alle Parlamente sowie die bestehende Reichsregierung zu beseitigen und bis zur Errichtung eines Arbeiter- und Soldatenrats des Reichs die Regierung zu übernehmen; durch das werktätige Volk in Stadt und Land Arbeiter- und Soldatenräte in ganz Deutschland mit der ausschließlichen Befugnis zu Gesetzgebung und Verwaltung zu wählen; sowie sofortige Verbindung mit den sozialistischen Bruderparteien des Auslands aufzunehmen und die russische Botschaft nach Berlin zurückzuberufen.[63]
Am frühen Nachmittag des 10. November unterbreitete der Vorstand der USPD dem Vorstand der MSPD auf dessen Koalitionsbedingungen vom Vorabend eine Antwort, die unter dem Vorsitz Haases in Abwesenheit der Revolutionären Obleute und Liebknechts zustande gekommen war. Er forderte ein rein sozialdemokratisches Kabinett, akzeptierte die Fachminister[64] als dessen „technische Gehilfen“, denen jeweils ein Mitglied der beiden Parteien mit gleichen Rechten beizuordnen sei, bekräftigte die paritätische Zusammensetzung des Kabinetts, verzichtete auf eine Frist für die Regierungsbeteiligung und stellte fest, dass die politische Gewalt in den Händen der Arbeiter- und Soldatenräte liege, die alsbald zu einer Vollversammlung aus dem ganzen Reich einzuberufen seien; die Frage der Konstituierenden Versammlung werde erst nach einer Konsolidierung der durch die Revolution geschaffenen Zustände aktuell und solle darum späteren Erörterungen vorbehalten bleiben.[65] Die MSPD stimmte diesen Bedingungen zu,[66] weil sie einerseits hoffte, die Verständigung zur politischen Gewalt der Räte und über den Zeitpunkt der Nationalversammlungswahl später rückgängig machen zu können, und andererseits einen großen Vorteil darin erkannte, dass die Einigung der beiden sozialistischen Parteien über die gemeinsame Regierung sie mit einer Autorität ausstattete, an der auch die bevorstehende Versammlung im Zirkus Busch nicht vorbeikommen würde. Die damit geschlossene Koalitionsvereinbarung vom 10. November konnte allerdings eine staatsrechtliche Legitimation der Regierung ebenso wenig ersetzen, wie der de facto aufgelöste Reichstag als Repräsentant des Ancien Régime diese Funktion hätte ausfüllen können[67]. Die Legitimation der Revolutionsregierung gründete diffus bestenfalls auf „der Revolution“.[68] Dass Ebert die Anerkennung von Revolutionsrecht missbilligte,[69] entsprach seinem wie auch dem der MSPD eigenen legalistischen Denken, aber auch der Vorstellung der großen Mehrheit der Räte, denen der Wille zur Souveränität fehlte.[70]
Mit dem Aufruf „Kein Bruderkampf“ hatte die Morgenausgabe des „Vorwärts“ vom 10. November[71] die Stimmung der Arbeiterschaft im Vorfeld der Versammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte im Zirkus Busch exakt getroffen. Die Arbeiter wünschten keinen Machtkampf unter den sozialistischen Parteien, sondern eine gemeinsame Regierung und paritätisch zusammengesetzte Räte. Dementsprechend gewannen die MSPD und der rechte Flügel der USPD um Hugo Haase bei den Delegiertenwahlen unter den Arbeitern und den Soldaten eine klare Mehrheit. Die um die Fortführung der Revolution besorgten Revolutionären Obleute hatten deshalb beschlossen, der Versammlung die Wahl eines Aktionsausschusses der Arbeiter- und Soldatenräte zu präsentieren, der ohne Debatte gewählt werden, nur aus Mitgliedern der Obleute und des Spartakusbunds bestehen und dessen Aufgabe im Dunkeln bleiben sollte.[72] In der am Nachmittag eröffneten Versammlung von rund 3.000 Arbeiter- und Soldatenräten wurde Barth zum Vorsitzenden gewählt. Er rief nach den Ansprachen von Ebert, Haase und Liebknecht zur Wahl des fortan als „Vollzugsrat“ firmierenden Aktionsausschusses auf. Nach kontroversen Diskussionen beschloss die überwältigende Mehrheit gegen die Vorstellung der USPD-Linken eine paritätische Zusammensetzung des Vollzugsrats. Gewählt wurden sieben Obleute – unter ihnen Barth, Däumig, Ledebour und Richard Müller –, sieben MSPD-Vertreter und vierzehn Soldaten.[73] Anschließend wurde die provisorische Regierung in der vorgeschlagenen Besetzung als Rat der Volksbeauftragten „bestätigt“. Die Frage der Kompetenzen von Vollzugsrat und Regierung blieb offen.
Die Bestätigung hätte die Legitimationslücke geschlossen, wenn darin der eigentliche Akt der Einsetzung der Regierung gesehen werden könnte.[74] Doch diese Ansicht geht an der Wirklichkeit ebenso vorbei wie diejenige Richard Müllers, die Versammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte sei von Regierung und Vollzugsrat deshalb als souverän anerkannt worden, weil beide ihr Mandat von ein und derselben Versammlung erhalten hätten.[75] Die Versammlung hatte bereits vor dem formellen Bestätigungsakt die Mitteilung Eberts über das Zustandekommen der Koalition mit stürmischem Beifall quittiert, die Regierung also quasi als existent vorausgesetzt. Die Regierungsparteien ihrerseits hatten unmittelbar nach Übergabe der Koalitionsbedingungen der USPD am frühen Nachmittag des 10. November ihre Einigung vollzogen. Die Regierung hatte darauf sogleich mit ihrer Arbeit begonnen, indem die drei USPD-Volksbeauftragten ihre Zustimmung zur Annahme der Waffenstillstandsbedingungen erklärten.[76] Sie war mithin schon konstituiert, als sie vom Vollzugsrat bestätigt wurde, und wurde von diesem nicht erst berufen.
Der linke Flügel der USPD hatte sich bei der Wahl des Vollzugsrats mit seiner Vorstellung, aus radikalen Kräften eine Basis für die Fortführung der Revolution zu schaffen, nicht durchsetzen können. Doch er sah sich nach wie vor in der Führungsrolle. In einer von der Versammlung einstimmig angenommenen Proklamation der USPD vom 10. November an das werktätige Volk, über deren Urheber keine Klarheit besteht,[77] wurden als „Träger der politischen Macht (…) Arbeiter- und Soldatenräte“ bezeichnet. Die Aufgabe der provisorischen Regierung werde es in erster Linie sein,
„den Waffenstillstand abzuschließen und dem blutigen Gemetzel ein Ende zu machen. (…) Die rasche und konsequente Vergesellschaftung der kapitalistischen Produktionsmittel ist nach der sozialen Struktur Deutschlands und dem Reifegrad seiner wirtschaftlichen und politischen Organisation ohne starke Erschütterung durchführbar. Sie ist notwendig, um aus den blutgetränkten Trümmern eine neue Wirtschaftsordnung aufzubauen, um die wirtschaftliche Versklavung der Volksmassen, den Untergang der Kultur zu verhüten. (…) Der Arbeiter- und Soldatenrat (…) erwartet mit Zuversicht, dass das Proletariat der anderen Länder seine ganze Kraft einsetzen wird, um eine Vergewaltigung des deutschen Volkes bei Abschluss des Krieges zu verhindern. Er gedenkt mit Bewunderung der russischen Arbeiter und Soldaten, die auf dem Wege der Revolution vorangeschritten sind, er ist stolz, dass die deutschen Arbeiter und Soldaten ihnen gefolgt sind und damit den alten Ruhm, Vorkämpfer der Internationale zu sein, wahren. Er sendet der russischen Arbeiter- und Soldatenregierung seine brüderlichen Grüße.“[78]
Eine ganz andere Diktion kennzeichnete den Aufruf des Rats der Volksbeauftragten an das deutsche Volk vom 12. November. Er setzte sich die Aufgabe, das sozialistische Programm zu verwirklichen, und verkündete mit Gesetzeskraft die Aufhebung des Belagerungszustands, die Gewährleistung von Vereins- und Versammlungs-, Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit, Amnestie für alle politischen Gefangenen, die Aufhebung der Gesindeordnungen und der Arbeitsverpflichtung durch das Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst sowie die Wiederinkraftsetzung der bei Beginn des Krieges aufgehobenen Arbeiterschutzbestimmungen.[79] Ferner stellte der Aufruf eine Reihe weiterer sozialpolitischer Maßnahmen wie die Einführung des Achtstundentags und den Eigentumsschutz gegen Angriffe Privater sowie freie und allgemeine Wahlen nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu allen öffentlichen Körperschaften und zur Nationalversammlung in Aussicht.[80]
Auffallend ist, dass in dieser von allen sechs Volksbeauftragten unterzeichneten „Magna Charta der Revolution“[81] keine Rede war von Arbeiter- und Soldatenräten und von der Sozialisierung der Wirtschaft, stattdessen vom Schutz des Eigentums gegen Privatleute und vom Wahlrecht für die Nationalversammlung. Das widersprach nicht nur der zwei Tage vorher von der Versammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte beschlossenen Proklamation, sondern auch der Koalitionsvereinbarung von MSPD und USPD. Das Zugeständnis der MSPD, die Arbeiter- und Soldatenräte als Träger der politischen Gewalt anzuerkennen und die Frage der Nationalversammlung späteren Erörterungen vorzubehalten, schien jetzt bereits gegenstandslos zu sein, wurde jedenfalls von den USPD-Volksbeauftragten nicht als Bestandteil des Regierungsprogramms eingefordert. Damit hatte sich die Position der MSPD zu zwei entscheidenden politischen Fragen in der Regierung durchgesetzt. Nimmt man hinzu, dass angesichts der Formel von den Fachministern als „technischen Gehilfen“ der Sache nach die bürgerlichen Mitglieder der Oktoberregierung auch künftig mitregierten, wird die Schwäche der USPD im Rat der Volksbeauftragten trotz dessen paritätischer Besetzung deutlich. Hugo Haase als Repräsentant des rechten Flügels der Partei scheint dies, wie aus einem Brief an seinen Sohn vom 26. November 1918 hervorgeht, vorausgesehen zu haben:
(…) „Die harten Waffenstillstandsbedingungen, die Notwendigkeit der überstürzten Demobilisierung, das Detail der Ernährungspolitik erheischen mehr als sonst die Aufrechterhaltung des eingearbeiteten Verwaltungsapparats. Die alten Beamten, die sich mit der Revolution abgefunden haben, da sie einsehen, dass das alte Regime unwiederbringlich dahin ist, sind im Innern radikalen Neuerungen auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet nicht geneigt, als bloße Techniker sind sie dennoch nicht zu entbehren. Die Scheidemänner haben aber Bürgerliche auch in wichtigen politischen Stellungen gelassen. So haben wir bis jetzt noch nicht die Entfernung Solfs aus dem Auswärtigen Amt durchgesetzt, der ohne meine Kenntnis ganz im alten Stil Erlasse veröffentlicht hat. Das zu verhindern geht nicht ohne Reibungen ab. Ich würde allein mit meinen Freunden die Regierung ergriffen haben, wenn nicht die Soldaten fast einmütig darauf bestanden, dass wir mit Ebert die Gewalt teilen sollten, und wenn nicht ohne Ebert ein erheblicher Teil der bürgerlichen Fachmänner Sabotage treiben würde. So müssen wir manches in Kauf nehmen, was uns contre cœur ist. Der revolutionäre Elan wird stark gedämpft. Der revolutionäre Prozess ist erst im Anfangsstadium. In welchen Formen er sich weiter vollziehen wird, hängt von der Arbeit ab, die die Regierung leisten wird.“[82]
„Aufrechterhaltung des eingearbeiteten Verwaltungsapparats“ und Weiterführung der Revolution – wie sollte das zusammenpassen? Der revolutionäre Prozess konnte allein unter Trennung von den überkommenen Machteliten fortgeführt werden. Diese waren indes nicht zuletzt an der Spitze der Verwaltung etabliert. Offenbar war für den USPD-Vorsitzenden die Entwicklung nicht nur „contre cœur“, sondern es mangelte ihm an Fortüne und Courage, die gleich am Anfang eines revolutionären Prozesses notwendigen durchgreifenden Änderungen zu verwirklichen.
2.2. Machtkampf zwischen Vollzugsrat und Regierung
Während die USPD-Führung um Haase und Dittmann mit der MSPD über die Regierungsbeteiligung verhandelte, hielten Revolutionäre Obleute vom linken USPD-Flügel und der linksradikale Spartakusbund Kontakt zu den Berliner Arbeiter- und Soldatenräten. Die USPD-Linken hatten zunächst auf die spontane Weiterentwicklung der Räte vertraut und noch keine Aufgaben der Organisation oder Leitung übernommen.[83] Auch hatten sich ihre diversen Gruppierungen nicht auf eine gemeinsame politische Konzeption verständigt. Trotz starker Verankerung der USPD in der Berliner Arbeiterschaft war es deshalb nicht gelungen, bei den Wahlen der Delegierten zur Versammlung am 10. November eine eigene Mehrheit zu erreichen. Umso wichtiger war dem linken USPD-Flügel die Wahl und die Dominanz des Vollzugsrats der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte. Zwar musste er sich der von der Versammlung beschlossenen Parität beugen, doch schien die Vertretung der USPD durch Revolutionäre Obleute deren maßgeblichen Einfluss im Vollzugsrat zu gewährleisten.
Schon bald zeigten sich indes Schwierigkeiten und Konflikte in der Frage der Kompetenzverteilung zwischen Vollzugsrat und Rat der Volksbeauftragten, die in der Versammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte offengeblieben war. Sie war nicht nur eine Machtfrage, sondern zugleich eine Richtungsentscheidung für die politische Entwicklung der Republik. Der Vollzugsrat verstand sich als Sachwalter der Revolution, seine Mitglieder aus dem Kreis der Revolutionären Obleute suchten die Räterepublik durchzusetzen, und generell beanspruchte das Organ Zuständigkeiten der Exekutive. Der Ausgang dieses Machtkampfs mit der Regierung musste sich in der politischen Praxis entscheiden. Schon in seiner ersten Sitzung am 11. November hatte der Vollzugsrat den Beschluss gefasst: „Die diktatorische Gewalt geht an den Vollzugsrat über.“[84] Dem entsprach, dass der Vollzugsrat auf eine dauerhafte Festigung seiner Position hinarbeitete, einen bestimmenden Einfluss auf die künftige Staatsform erstrebte und Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen suchte.
a) Rote Garde für den Machterhalt
Den Revolutionären Obleuten war klar, dass sie ihre Macht auf Dauer nur durch eigene bewaffnete Kräfte würden bewahren können. Dass die Soldaten nicht auf ihrer Seite standen, hatte die Versammlung im Zirkus Busch gezeigt. Daher beschloss der Vollzugsrat auf Antrag seines Mitglieds Däumig, führende Kraft der Obleute und zugleich Sekretär der USPD, eine „Rote Garde“ zur ständigen Verfügung des Vollzugsrats zu errichten.[85] In einem Aufruf vom 12. November an die „Arbeiter und Parteigenossen in Groß-Berlin“ appellierte er an sozialistisch geschulte, politisch organisierte und militärisch ausgebildete Parteigenossen und Gewerkschafter, sich als bewaffnete Truppe von 2.000 Mann zum Schutz der Revolution in den Dienst des Vollzugsrats zu stellen.[86] Doch die in Berlin stationierten Soldaten traten diesem Vorhaben entschieden entgegen. Noch vor Veröffentlichung des Aufrufs erklärten sie mit überwältigender Mehrheit ihre Ablehnung einer Zivilgarde:
„Die durch ihre Soldatenräte vertretene Garnison von Groß-Berlin muss die Bewaffnung der Arbeiter solange mit Misstrauen betrachten, als die Regierung, zu deren Schutz sie dienen soll, sich nicht ausdrücklich zu der Nationalversammlung als der alleinigen Grundlage der Verfassung erklärt.“[87]
Die Soldatenräte befürchteten, dass die Rote Garde vor allem den Machtinteressen der Revolutionären Obleute im Vollzugsrat dienen sollte und eine bewaffnete Arbeitermacht die Einberufung der Nationalversammlung gefährden konnte. Eine Abordnung der Soldatenräte an den Vollzugsrat setzte demgemäß durch, dass der Beschluss zum Aufbau einer Roten Garde „vorläufig“ zurückgezogen wurde:
„In Erwägung, dass die Bildung einer besonderen Roten Garde in Zivilkleidung außerhalb der bestehenden Truppenkörper bei den Soldaten der Berliner Garnison den Glauben erweckt hat, dass in dieser Neuformierung ein Misstrauen in die revolutionäre Zuverlässigkeit der Truppen ausgedrückt sei, während andererseits die Truppen in einstimmigem Beschluss ihrer Vertreter im Arbeiter- und Soldatenrat erklärt haben, jederzeit auf Anordnung des Vollzugsrats des Arbeiter- und Soldatenrats zur Verteidigung der revolutionären Errungenschaften und zur Befestigung der sozialistischen Republik Blut und Leben zu lassen, beschloss der Vollzugsrat: Die Bildung einer Roten Garde ist vorläufig einzustellen.“[88]
Mit dieser gesichtswahrenden Entscheidung des Vollzugsrats hatte es indes nicht sein Bewenden. Am 14. November erklärte Ebert vor den im Reichstag versammelten Soldatenräten, die Bildung der Roten Garde werde nicht nur vorläufig eingestellt, er sehe sie vielmehr „als völlig überflüssig“ an, was ihm ebenso stürmischen Beifall der Soldaten einbrachte wie seine anschließende Feststellung, die schwierige Lage Deutschlands werde sich deutlich verschlimmern, „wenn Spartakus den Bolschewismus in Deutschland schaffe“.[89] Die Folge war, drei Tage nach seiner Konstituierung, eine erste Schwächung des Vollzugsrats, der das Vertrauen der Berliner Soldaten zugunsten der Regierung eingebüßt und mit der erzwungenen Rücknahme seines Beschlusses einen herben Autoritätsverlust erlitten hatte. Das wurde von seinem hellsichtigen Vorsitzenden Richard Müller kritisch vermerkt.[90]
b) Räterepublik statt Nationalversammlung
Nach Ansicht der Revolutionären Obleute als Vertreter der USPD im Vollzugsrat war die Revolution nicht vollendet, sie würde vielmehr bei Einberufung einer Nationalversammlung gescheitert sein. Erfolgreich könne die Revolution nur sein, wenn die Herrschaft den werktätigen Hand- und Kopfarbeitern vorbehalten sei. Die sozialistische Republik setze eine flächendeckende Verbreitung von Arbeiter- und Soldatenräten und die Verdrängung bürgerlicher Kräfte aus Verwaltung und Wirtschaft voraus. Dementsprechende Leitsätze über Aufgabe und Stellung der Arbeiter- und Soldatenräte, die Däumig als ihr Vordenker entworfen hatte, waren Gegenstand der Sitzungen des Vollzugsrats vom 16. und 17. November. Das Programm Däumigs bestimmte u.a. die Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands als ausschlaggebende politische und gesetzgebende Körperschaft. Sie seien deshalb alsbald in einem Zentralrat zusammenzufassen, bis dahin sei es Aufgabe des Vollzugsrats, die Berliner Reichsbehörden zu überwachen und die „notwendigen Vorarbeiten“ für ganz Deutschland zu treffen. Nach dem Sturz des Ancien Régime durch die revolutionäre Arbeiterklasse in Verbindung mit den proletarischen Kräften der Armee erfordere die allseitig als künftige Staatsform anerkannte sozialistische Republik die „Zusammenfassung aller werktätigen Schichten des deutschen Volkes in den Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräten auf dem schnellsten Wege“, bevor mit der systematischen Demokratisierung und Sozialisierung der staatlichen Verwaltung zu beginnen sei.[91] Zu Beginn der Sitzung des Vollzugsrats am 16. November fasste Däumig seine Thesen in folgender Resolution zusammen:
(…) „In der revolutionären Organisation der Arbeiter- und Soldatenräte hat sich die neue Staatsgewalt verkörpert. Diese Gewalt muss gesichert und ausgebaut werden, damit die Errungenschaften der Revolution der gesamten Arbeiterschaft zugutekommen. Diese Sicherung kann nicht erfolgen durch Umwandlung des deutschen Staatswesens in eine bürgerlich-demokratische Republik, sondern in eine proletarische Republik auf sozialistischer Wirtschaftsgrundlage. Das Bestreben der bürgerlichen Kreise, so schnell als möglich eine Nationalversammlung einzuberufen, soll die Arbeiter um die Früchte der Revolution bringen. Der Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte erklärt sich daher gegen eine konstituierende Nationalversammlung. Er verlangt vielmehr den Ausbau der Arbeiterräte und deren Ausdehnung auf alle Schichten des werktätigen Volkes. Durch Zusammenfassung aller Arbeiterräte Deutschlands muss ein Zentralrat der deutschen Arbeiterräte gebildet werden, der eine neue, den Grundsätzen der proletarischen Demokratie entsprechende Verfassung zu beschließen hat.“[92]
Der Antrag Däumigs, statt Einberufung einer Nationalversammlung die „proletarische Republik“ in der Gestalt eines Rätesystems durchzusetzen, wurde nach lebhafter Diskussion mit der äußerst knappen Mehrheit von 12:10 Stimmen abgelehnt; Befürworter waren nicht nur die Revolutionären Obleute von der USPD einschließlich des Volksbeauftragten Barth, sondern auch drei Mitglieder der MSPD.[93] Angenommen wurde der Antrag, von den Delegierten aller Arbeiter- und Soldatenräte in Deutschland einen Zentralrat wählen zu lassen. Der Machtkampf über die Frage Rätesystem oder Nationalversammlung war unterbrochen. Die Entscheidung sollte dem Allgemeinen Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands vorbehalten bleiben.[94]
c) Ausübung exekutiver Befugnisse
Bei einigen Reichsämtern setzte der Vollzugsrat Arbeiter- und Soldatenräte als Beauftragte ein, die dort Kontrollaufgaben wahrnehmen sollten. Doch beschränkten sich die Räte nicht auf Kontrollfunktionen, sei es wegen mangelhafter Instruktionen oder aus Überzeugung, sondern schalteten sich auch in die Exekutive ein. So kam es im Preußischen Kriegsministerium, das für die Demobilisierung im Reich zuständig war, zu Verordnungen des Vollzugsrats, die ohne Absprache in zentrale Befugnisse des Reichsamts eingriffen.[95] Zwei Beauftragte des Vollzugsrats setzten zusammen mit dem Soldatenrat den Leiter des Waffen- und Munitionsbeschaffungsamts ab und einen Nachfolger ein.[96] Dem vom Rat der Volksbeauftragten ernannten Beigeordneten des Kriegsministers, Paul Göhre, wurden Delegierte an die Seite gestellt, ohne dass die Zuständigkeitsfragen geklärt waren.[97] Auf der anderen Seite protestierte der Oberste Soldatenrat in Kiel dagegen, dass das Reichs-Marineamt die Offiziere in ihre Dienststellen mit Befehlsgewalt einweise, ohne ihn als „Träger der Macht“ mitentscheiden zu lassen.[98] Der Vollzugsrat beanstandete die Ernennung von Hugo Preuß zum Staatssekretär des Innern, bevor dem Gremium Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde.[99] Ledebour meinte:
„Wir müssen vorläufig dafür sorgen, dass sich auch die Regierung unterordnet. Jetzt hat ein Minister Preuß das Licht der Welt erblickt, und wir haben ihn noch gar nicht bestätigt. Wir sehen, dass sich die Regierung schon wieder Rechte nimmt, die ihr gar nicht zustehen. Wir werden unter allen Umständen diesem Minister Preuß unsere Bestätigung versagen. Hinter alle unsere Forderungen müssen wir aber den größten Druck setzen, damit sie auch befolgt werden.“[100]
2.3. Einigung über die Kompetenzen – Theorie und Praxis
Eine Verständigung über die jeweiligen Kompetenzen von Vollzugsrat und Rat der Volksbeauftragten war also dringlich, doch lagen die Positionen beider Seiten weit auseinander. In der gemeinsamen Sitzung des Vollzugsrats und des Rats der Volksbeauftragten am 18. November äußerte sich Ebert entschieden im Sinn einer Prärogative der Regierung:
„Es ist ganz unmöglich, dass wir, das engere Kabinett, die Beauftragten der beiden sozialistischen Parteien, die Reichsgeschäfte leiten und Anweisungen geben, während andererseits von dem örtlichen Vollzugsrat in Berlin ohne Fühlungnahme mit uns wieder in die Zentralbehörden eingegriffen wird, dass dort Anordnungen getroffen werden, ja dass sogar Personen abgesetzt werden, ohne dass wir etwas davon wissen. (…) Die Soldaten und alle, die mit Organisationen zu tun haben, auch die Arbeiter, wissen, dass eine Organisation nur funktioniert, wenn sie eine einheitliche Leitung hat und für die Abwicklung einheitliche Grundsätze bestehen.“ (…)[101]
Der Volksbeauftragte Landsberg leitete die Kompetenzverteilung aus dem Souveränitätsrecht ab und spielte unausgesprochen auf die Erfahrung aus der russischen Februar-Revolution 1917 an, bei der die Doppelherrschaft von linksradikalem Sowjet (Arbeiter- und Soldatenrat) und bürgerlicher Regierung versagt hatte:
„Der Sieg der Revolution in Deutschland war mit ihrem Sieg in Berlin entschieden. (…) Daraus ergibt sich, die siegreichen Berliner Arbeiter- und Soldatenräte hatten am Abend des Revolutionstags die Macht in Deutschland in der Hand. Das ist vollkommen unbestreitbar. Aber diese Macht besitzen sie nicht auf Dauer, sondern nur provisorisch, denn das Berlin von 1918 ist nicht das Paris von 1789. Die Berliner Arbeiter und Soldaten haben also, nachdem sie gesiegt hatten, auf Grund ihres Souveränitätsrechts, das sie errungen hatten, die Möglichkeit, die ganze Exekutive an sich zu reißen. Sie sahen aber ein, dass das ein Ding der Unmöglichkeit war, und deshalb übertrugen sie ihre Exekutive auf die Volksbeauftragten (…). Die Souveränität haben sie nicht übertragen, wohl aber die Vollzugsgewalt. (…) Nachdem die Exekutive nun einmal auf die Volksbeauftragten übertragen ist, (…) darf in diese Exekutive auch nicht eingegriffen werden, immer vorbehaltlich des Rechts der Ernennung und der Abberufung, denn sonst kommen wir zu einer Nebenregierung und zu einer vollständigen Unsicherheit. Haben die Volksbeauftragten das Recht der Exekutive und zwar das alleinige Recht als Delegierte des souveränen Volkes, dann geht daraus auch hervor, dass sie das Recht haben, Minister und Beamte zu ernennen, und unter Umständen auch das Recht haben, sie zu entfernen.“ (…)[102]
Däumig machte demgegenüber kein Hehl aus seiner Überzeugung, dass die Exekutivgewalt nicht beim Rat der Volksbeauftragten monopolisiert sein dürfe, versäumte es allerdings, explizit auf die Legislativkompetenz einzugehen:
„Der Volksbeauftragte Landsberg hat gemeint, die Souveränität liege jetzt in den Händen der Arbeiter- und Soldatenräte in der Form des Vollzugsrats (…). Er hat aber erklärt, dass die volle unbeschränkte Exekutivgewalt in den Händen der Volksbeauftragten (…) liegen müsse; im gewissen Sinn sind wir der Meinung: auch in Händen des Vollzugsrats. (…) (Die Absetzung konterrevolutionärer Beamter) ist kein Eingriff in die Rechte der Exekutive, sondern die logische Konsequenz unserer ganzen Tätigkeit. (…) Es ist ganz selbstverständlich, dass die Herren, die den Auftrag erhalten haben, in der Zeit des Provisoriums die Reichsgeschäfte zu führen, in dem Rahmen ihrer Ressorts und sonstiger politischer Tätigkeitsgebiete in Bezug auf die Exekutive nicht zu sehr eingeengt werden dürfen, aber andererseits darf die Exekutivgewalt in keiner Weise in eine Art Absolutismus umschlagen. (…) Wir verlangen, dass in einer organisch weiterentwickelten Weise auf dem Boden der Revolution eine Staatsform herauskommt, die auch den tatsächlichen Trägern der Revolution durchaus gerecht wird. Das geschieht nicht, wenn (…) nun in einer leidenschaftlichen Ungeduld auf die Nationalversammlung hingearbeitet wird.“ (…)[103]
Damit behielt Däumig im Einklang mit dem Standpunkt der Revolutionären Obleute dem Vollzugsrat nicht zuletzt das Recht vor, gegen die von der Regierung präferierte Wahl einer Nationalversammlung für eine „proletarische Republik“ einzutreten. Angesichts des Dissenses über die Kompetenzverteilung wurde beschlossen, diese Frage durch einen Ausschuss von drei Mitgliedern des Vollzugsrats und zwei Volksbeauftragten regeln zu lassen.[104] Die Einigung vom 22. November räumte dem Vollzugsrat das Recht zur Berufung und Abberufung der Volksbeauftragten sowie ein Anhörungsrecht vor der Berufung der Fachminister ein und stellte fest, dass dem Rat der Volksbeauftragten mit seiner „Bestellung“ durch den Arbeiter- und Soldatenrat von Groß-Berlin die Exekutive übertragen wurde, wobei dem Vollzugsrat ein Kontrollrecht zustehe.[105] Auffallend war, dass die Legislativkompetenz des Rats der Volksbeauftragten nicht einmal ansatzweise in Frage gestellt wurde. Da das Kontrollrecht des Vollzugsrats nicht näher bestimmt wurde, kam es zu weiteren Streitigkeiten über die Kompetenzverteilung.[106] Das führte zu einer erneuten Vereinbarung vom 9. Dezember[107], in der die frühere Einigung der Sache nach wiederholt wurde und beide Seiten sich überzeugt gaben, „dass ihre Tätigkeit nur durch vertrauensvolles Zusammenarbeiten ersprießlich ausgeübt werden kann“.[108] Die Floskel bekräftigte zwar theoretisch die erste Einigung, war aber praktisch völlig bedeutungslos. Der Vollzugsrat hatte mittlerweile aufgrund unlösbarer interner Differenzen über die Aufgaben der Revolution seine Verhandlungsfähigkeit[109] und seinen politischen Einfluss verloren.[110] Der Machtkampf war zulasten der USPD und zugunsten des Rats der Volksbeauftragen entschieden. Die Regierung hatte ihren Anspruch auf exekutive und legislative Kompetenz durchgesetzt.
[...]
[1] Kampffmeyer, Paul: Fritz Ebert. Ein Lebensbild, Berlin 1923; Felden, Emil: Eines Menschen Weg. Ein Fritz-Ebert-Roman, Bremen 1927; Löbe, Paul (Hg.): Friedrich Ebert und seine Zeit. Ein Gedenkwerk über den ersten Präsidenten der Republik, Berlin 1926.
[2] Barth, Emil: Aus der Werkstatt der deutschen Revolution, Berlin 1919; Noske, Gustav: Von Kiel bis Kapp. Zur Geschichte der deutschen Revolution, Berlin 1920; Bernstein, Eduard: Die deutsche Revolution von 1918/19. Geschichte der Entstehung und ersten Arbeitsperiode der deutschen Republik, Berlin 1921, Neuausgabe Bonn 1998; Scheidemann, Philipp: Der Zusammenbruch, Berlin 1921; Ströbel, Heinrich: Die Deutsche Revolution. Ihr Unglück und ihre Rettung, 2. Aufl., Berlin 1922; Müller, Richard: Vom Kaiserreich zur Republik, Bd. 2: Die November-Revolution, Wien 1925; Haase, Ernst (Hg.): Hugo Haase: Sein Leben und Wirken. Mit einer Auswahl von Briefen, Reden und Aufsätzen, Berlin 1929.
[3] Ahnert, Kurt: Die Entwicklung der deutschen Revolution und das Kriegsende in der Zeit vom 1. Oktober bis 30. November 1918 in Leitartikeln, Extrablättern, Telegrammen, Aufrufen und Verordnungen nach den führenden deutschen Zeitungen, Nürnberg 1918; Buchner, Eberhard: Revolutionsdokumente. Die deutsche Revolution in der Darstellung der zeitgenössischen Presse, Bd. 1: Im Zeichen der roten Fahne, Berlin 1921.
[4] Kolb, Eberhard/ Schumann, Dirk: Die Weimarer Republik, 8. Aufl., München 2013, S. 160 f.
[5] Scheele, Godfrey: The Weimar Republic. Overture to the Third Reich, London 1946, S. 81; Taylor, Alan John Percivale: The Course of German History. A Survey of the Development of Germany since 1815, London 1946, S. 1043 f., der (frei von Quellenstudien) dem linken Flügel der USPD zusammen mit dem Spartakusbund die Fähigkeit zuspricht, ein freies und friedliches Deutschland zu errichten; Barraclough, Geoffrey: Tatsachen der deutschen Geschichte, Berlin 1947, S. 181-185; Berlau, Abraham Joseph: The German Social Democratic Party 1914-1921, Diss., New York 1949, 340 f., der die Unfähigkeit der MSPD zu einem „dritten Weg“ zwischen den alten Mächten und der radikalen Linken moniert; Wheeler-Bennett, John: Die Nemesis der Macht. Die deutsche Armee in der Politik 1918-1945, Düsseldorf 1954, S. 42, 57 f.
[6] Herzfeld, Hans: Die moderne Welt 1789-1945, II. Teil: Weltmächte und Weltkriege. Die Geschichte unserer Epoche, Braunschweig 1952, S. 240.
[7] Conze, Werner: Die Weimarer Republik. 1918-1933, in: Rassow, Peter (Hg.): Deutsche Geschichte im Überblick. Ein Handbuch, Stuttgart 1953, S. 625-676 (630).
[8] Erdmann, Karl Dietrich: Die Geschichte der Weimarer Republik als Problem der Wissenschaft, in: VfZ 3 (1955), Heft 1, S. 1-19 (7).
[9] So Rosenberg in seinem in Westdeutschland erst spät rezipierten Buch: Geschichte der deutschen Republik, Karlsbad 1935, S. 41-47, dem Erdmann (wie Anm. 8) zwar attestierte, dass damit „die wissenschaftliche Erforschung der deutschen Geschichte von 1918 bis 1933 (beginnt)“, dessen Bedeutung er aber zugleich relativierte: „Seine einfache Deutung des Endes der Republik von ihrem Anfang her lautet, dass dieser Staat zugrunde gehen musste, weil die soziale Revolution unterblieb“ (ebd., S. 5 f.); s. auch Kersten, Kurt (Hg.): Rosenberg, Arthur: Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik, Frankfurt am Main 1955; Ders. (Hg.): Rosenberg, Arthur: Geschichte der Weimarer Republik, Frankfurt am Main 1961, Neuausgabe Hamburg 1991.
[10] Tormin, Walter: Zwischen Rätediktatur und sozialer Demokratie. Die Geschichte der Rätebewegung in der deutschen Revolution 1918/19, Düsseldorf 1954, S. 59-62.
[11] Matthias, Erich: Zur Geschichte der Weimarer Republik. Ein Literaturbericht, in: Die Neue Gesellschaft 3 (1956), S. 312-320. Ebenso, aber stärker akzentuierend Oertzen, Peter von: Die großen Streiks der Ruhrbergarbeiterschaft im Frühjahr 1919. Ein Beitrag zur Diskussion über die revolutionäre Entstehungsphase der Weimarer Republik, in: VfZ 6 (1958), S. 231-262 (231-234), Wiederabdr. in: Kolb, Eberhard (Hg.): Vom Kaiserreich zur Republik, Köln 1972, S. 185-217 (185-188).
[12] Rürup, Reinhard: Probleme der Revolution in Deutschland 1918/19, Wiesbaden 1968, S. 7.
[13] Die Arbeiterräte in der deutschen Innenpolitik 1918-1919, Düsseldorf 1962, Neuausgabe Frankfurt am Main 1978, S. 8 f.
[14] Betriebsräte in der Novemberrevolution. Eine politikwissenschaftliche Untersuchung über Ideengehalt und Struktur der betrieblichen und wirtschaftlichen Arbeiterräte in der deutschen Revolution 1918/19, Düsseldorf 1963; 2. Aufl., Berlin 1976.
[15] Nachw. bei Rürup, Reinhard: Demokratische Revolution und „dritter Weg“. Die deutsche Revolution von 1918/19 in der neueren wissenschaftlichen Diskussion, in: Geschichte und Gesellschaft 9 (1983), S. 278-301 (280 f., Fn. 7 und 8).
[16] Rosenberg 1935 (wie Anm. 9).
[17] Kolb, Eberhard: Einleitender Diskussionsbeitrag, in: Bericht über die 26. Versammlung deutscher Historiker in Berlin 7. bis 11. Oktober 1964, Sektion Wirtschafts- und Sozialgeschichte: Das Problem der Räte bei der Entstehung der Weimarer Republik, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, Beiheft, Stuttgart 1965, S. 42 f.
[18] Rürup (wie Anm. 12).
[19] Einleitung, in: Miller, Susanne/ Potthoff, Heinrich (Bearb.): Die Regierung der Volksbeauftragten 1918/19, Erster Teil, Düsseldorf 1969, S. XIII-CXXXI; Wiederabdr. in: Matthias, Erich: Zwischen Räten und Geheimräten, Düsseldorf 1970.
[20] Winkler, Heinrich August: Ein umstrittener Wendepunkt. Die Revolution von 1918/19 im Urteil der westdeutschen Geschichtswissenschaft, in: Ders. (Hg.): Weimar im Widerstreit. Deutungen der ersten deutschen Republik im geteilten Deutschland, München 2002, S. 33-42 (34).
[21] Ansprache Eberts zur Eröffnung der Verfassunggebenden Nationalversammlung am 6. Februar 1919, auszugsweise in: Ritter, Gerhard A./ Miller, Susanne (Hg.): Die deutsche Revolution 1918/19. Dokumente, Frankfurt am Main 1983, S. 205-210 (208).
[22] Stürmer, Michael: Einleitung: Weimar oder die Last der Vergangenheit. Aufstieg und Fall der ersten Republik als Problem der Forschung, in: Ders. (Hg.): Die Weimarer Republik. Belagerte Civitas, Königstein 1980, S. 13-36 (18 f.); Schulze, Hagen: Die Deutschen und ihre Nation. Weimar. Deutschland 1917-1933, Berlin 1985; Möller, Horst: Weimar. Die unvollendete Demokratie, München 1985.
[23] Auszugsweise abgedruckt in: Kolb (wie Anm. 11), S. 369-385.
[24] Ebd., S. 382 f.
[25] John, Jürgen: Das Bild der Novemberrevolution in Geschichtspolitik und Geschichtswissenschaft der DDR, in: Winkler (wie Anm. 20), S. 43-84 (72 f.).
[26] Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hg.): Illustrierte Geschichte der Novemberrevolution in Deutschland, Berlin 1968.
[27] Rürup, Reinhard: Die Revolution von 1918/19 in der deutschen Geschichte. Vortrag vor dem Gesprächskreis Geschichte der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn am 4. November 1993, Bonn 1993, S. 5 f.
[28] Wirsching, Andreas: Die Weimarer Republik. Politik und Gesellschaft, 2. Aufl., München 2008, S. 52 f., 119; Ders.: Die paradoxe Revolution 1918/19, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 58 (2008), Heft 50-51, S. 6-12 (7); Büttner, Ursula: Weimar. Die überforderte Republik 1918-1933. Leistung und Versagen in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur, Stuttgart 2008, S. 63; Gallus, Alexander: Die vergessene Revolution von 1918/19 – Erinnerung und Deutung im Wandel, in: Ders. (Hg.): Die vergessene Revolution von 1918/19, Göttingen 2010, S. 14-38 (37 f.); Niess, Wolfgang: Die Revolution von 1918/19. Der wahre Beginn unserer Demokratie, Berlin 2017, S. 437.
[29] Prager, Eugen: Geschichte der USPD. Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands, Berlin 1921, Neuausgabe Bremen 2013; Wheeler, Robert F.: USPD und Internationale. Sozialistischer Internationalismus in der Zeit der Revolution, Frankfurt am Main 1975; Krause, Hartfrid: USPD. Zur Geschichte der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Frankfurt am Main 1975.
[30] Lehnert, Detlef: Sozialdemokratie und Novemberrevolution. Die Neuordnungsdebatte 1918/19 in der politischen Publizistik von SPD und USPD, Frankfurt am Main 1983; Engelmann, Dieter/ Naumann, Horst: Hugo Haase. Lebensweg und politisches Vermächtnis eines streitbaren Sozialisten, Berlin 1999.
[31] Engelmann, Dieter/ Naumann, Horst: Zwischen Spaltung und Vereinigung. Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands in den Jahren 1917-1922, Berlin 1993.
[32] Groß-Berliner Arbeiter- und Soldatenräte in der Revolution 1918/19. Dokumente der Vollversammlungen und des Vollzugsrats: Engel, Gerhard/ Holtz, Bärbel/ Materna, Ingo (Hg.): Bd. 1: Vom Ausbruch der Revolution bis zum 1. Reichsrätekongress, Berlin 1993; Engel, Gerhard/ Holtz, Bärbel/ Huch, Gaby/ Materna, Ingo (Hg.): Bd. 2: Vom 1. Reichsrätekongress bis zum Generalstreikbeschluss am 3. März 1919, Berlin 1997; Engel, Gerhard/ Huch, Gaby/ Materna, Ingo (Hg.): Bd. 3: Vom Generalstreikbeschluss am 3. März 1919 bis zur Spaltung der Räteorgane im Juli 1919, Berlin 2002.
[33] Zentralrat der sozialistischen Republik Deutschlands (Hg.): Allgemeiner Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands. Vom 16. bis 21. Dezember 1918, Stenographische Berichte, Berlin 1970.
[34] Kolb, Eberhard/ Rürup, Reinhard (Bearb.): Der Zentralrat der deutschen sozialistischen Republik 19.12.1918 – 8.4.1919. Vom ersten zum zweiten Rätekongress, Leiden 1968, Dok. 2, S. 9-24 (22).
[35] Michaelis, Herbert/ Schraepler, Ernst (Hg.): Ursachen und Folgen. Vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart. Eine Urkunden- und Dokumentensammlung zur Zeitgeschichte, Bd. 3: Der Weg in die Weimarer Republik, Berlin 1959, Dok. 561, S. 49-51; Miller, Susanne/ Potthoff, Heinrich (Bearb.): Die Regierung der Volksbeauftragten 1918/19, Zweiter Teil, Düsseldorf 1969, Dok. 81, S. 137 f.
[36] Ähnlich im Ergebnis, aber in zeitbedingt positivistischer Argumentation Husen, Paul van: Die staatsrechtliche Organisation des Deutschen Reichs von der Revolution 1918 bis zum Zusammentritt der Nationalversammlung, Diss., Münster 1920, S. 15-20.
[37] Zum Begriff s. Kluge, Ulrich: Die deutsche Revolution 1918/19. Staat, Politik und Gesellschaft zwischen Weltkrieg und Kapp-Putsch, Frankfurt am Main 1985, S. 13.
[38] Mommsen, Wolfgang J.: Die deutsche Revolution 1918-1920. Politische Revolution und soziale Protestbewegung, in: Geschichte und Gesellschaft 4 (1978), S. 362-391 (369); Rürup (wie Anm. 12), S. 20.
[39] Gesetze zur Abänderung der Reichsverfassung und des Gesetzes betreffend die Stellvertretung des Reichskanzlers vom 17. März 1878 vom 28. Oktober 1918, RGBl. S. 1273 f.
[40] Vorwärts Nr. 304 vom 4. November 1918.
[41] Baron, Hans (Hg.): Troeltsch, Ernst: Spektator-Briefe. Aufsätze über die deutsche Revolution und die Weltpolitik 1918/22, Tübingen 1924, S. 15.
[42] Kluge (wie Anm. 37), S. 56.
[43] Huber, Ernst Rudolf (Hg.): Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 3, 3. Aufl., Stuttgart 1990, Nr. 238, S. 309. Der Reichskanzler hatte angesichts eines Demonstrationszugs tausender unbewaffneter Arbeiter ins Zentrum Berlins und sich häufender Nachrichten über meuternde Truppen die vorgebliche Abdankungserklärung eigenmächtig am 9. November mittags über das Wolffsche Telegraphen Bureau (W.T.B.) veröffentlichen lassen.
[44] Miller/ Potthoff (wie Anm. 19), Dok. 1a, S. 6. Der Reichskanzler hatte den Gedanken einer Nationalversammlung schon einige Tage zuvor erwogen, um „den demokratischen Gedanken gegen die Revolution aufzurufen“ (Baden, Prinz Max von: Erinnerungen und Dokumente, Stuttgart 1927, S. 598), und dem Kaiser zur Abwiegelung der Massen anstelle der Einsetzung einer Regentschaft empfohlen (ebd., S. 624).
[45] Unter Einbeziehung der USPD.
[46] Scheidemann (wie Anm. 2), S. 208.
[47] Die Reichstagsmehrheit bildeten seit 1912 die SPD, das Zentrum und die FVP.
[48] Vorwärts Nr. 310 vom 10. November 1918.
[49] KPD (Hg.): Illustrierte Geschichte der deutschen Revolution, Berlin 1929, S. 208; ähnlich Prager (wie Anm. 29), S. 181: „Kostümwechsel“.
[50] Dittmann, Wilhelm: Erinnerungen, Bearb.: Rojahn, Jürgen, Frankfurt am Main 1995, Bd. 2, S. 556.
[51] Ebd., S. 558.
[52] Ritter/ Miller (wie Anm. 21), Dok. II/17, S. 77 f.
[53] Huber, Ernst Rudolf (Hg.): Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 4: Deutsche Verfassungsdokumente 1919-1933, 3. Aufl., Stuttgart 1991, Dok. 2, S. 2. Scheidemann handelte dabei im Widerspruch zu dem Ziel Eberts, die Entscheidung über die Staatsform der Nationalversammlung vorzubehalten, s. die Antwort des Parteivorstands auf die Bedingungen der USPD vom 9. November, Miller/ Potthoff (wie Anm. 19), Dok. 3, S. 20 f.
[54] Ritter/ Miller (wie Anm. 21), Dok. II/18, S. 78 f.
[55] Barth (wie Anm. 2), S. 57.
[56] Müller (wie Anm. 2), S. 27-29.
[57] Ebd.; Bernstein (wie Anm. 2), S.64 f.
[58] Miller/ Potthoff (wie Anm. 19), Dok. 3, S. 20 f.
[59] Müller (wie Anm. 2), S. 33.
[60] Bei Gründung der KPD am 1. Januar 1919 deren Vorsitzender mit Paul Levi.
[61] Näher hierzu von Oertzen (wie Anm. 14), S. 71-78.
[62] Engel/ Holtz/ Materna (wie Anm. 32), Dok. 8, S. 12 f.; Müller (wie Anm. 2), S. 32 f.
[63] Ritter/ Miller (wie Anm. 21), Dok. II/23, S. 82-84.
[64] Die Bezeichnung der Staatssekretäre als (Fach-)Minister war seit der Parlamentarisierung durch die Oktoberverfassung allgemein gebräuchlich, wurde aber ebenso wie die Bezeichnung „Ministerium“ statt „Amt“ erst durch Kabinettsbeschluss vom 15. März 1919 förmlich beschlossen, s. dazu Schulze, Hagen (Bearb.): Das Kabinett Scheidemann (1919), in: Mommsen, Wolfgang (Hg.): Bundesarchiv, Edition Akten der Reichskanzlei. Weimarer Republik, Boppard am Rhein 1971, Bd. 1, Dok. 14a, Nr. 5: http://www.bundesarchide/aktenreichskanzlei/1919-1933/0100/sch/sch1p/kap1_2/kap2_16/para3_5.html
[65] Miller/ Potthoff (wie Anm. 19), Dok. 6, S. 30 f.
[66] Vorwärts Nr. 311 vom 11. November 1918.
[67] Das mochte der im Juni 1918 gewählte Reichstagspräsident Conradin Fehrenbach nicht einsehen, der noch am 12. Dezember von der am 26. Oktober erteilten Ermächtigung zur Einberufung der nächsten Sitzung Gebrauch machen wollte, s. Miller/ Potthoff (wie Anm. 19), Dok. 57, S. 381-392.
[68] Das verkennen die legalistisch anmutenden Überlegungen von Matthias (wie Anm. 19), S. XXVIII f., der die Übergabe des Kanzleramts, die Koalitionsvereinbarung und die Bestätigung durch die Versammlung im Zirkus Busch als „drei verschiedene Aspekte der Legitimationsproblematik“ einstuft, die den jeweiligen Stadien der Regierungsbildung zuzuordnen seien. – Ein „neues Staatsrecht“ und damit eine revolutionsrechtliche Legitimation des Rats der Volksbeauftragten wurde erst durch die Vereinbarung zwischen diesem und dem Vollzugsrat vom 22. November geschaffen, wonach „die politische Gewalt in den Händen der Arbeiter- und Soldatenräte der deutschen sozialistischen Republik“ lag und „die Bestellung des Rats der Volksbeauftragten durch den Arbeiter- und Soldatenrat von Groß-Berlin (…) die Übertragung der Exekutive der Republik“ bedeutet, s. dazu unten II, 3.
[69] Ebert (wie Anm. 21), S. 205.
[70] Brandt, Willy/ Löwenthal, Richard: Ernst Reuter. Ein Leben für die Freiheit. Eine politische Biographie, München 1957, S. 116.
[71] Vorwärts Nr. 310 vom 10. November 1918, zitiert bei Müller (wie Anm. 2), S. 34 f.
[72] Müller, ebd., S. 36.
[73] Engel/ Holtz/ Materna (wie Anm. 32), Dok. 12, S. 15-23; Müller (wie Anm. 2), S. 37-40; bei Zahlen und Namen der Ausschussmitglieder weisen die Quellen geringfügige Differenzen auf.
[74] So Kolb/ Rürup (wie Anm. 34), S. XV; anders Kolb (wie Anm. 13), S. 119 Fn. 3, dem zufolge die SPD an der Auffassung festhielt, von der Räteversammlung nicht berufen, sondern nur bestätigt worden zu sein.
[75] Müller (wie Anm. 2), S. 40.
[76] Vorwärts Nr. 311 vom 11. November 1918, S. 1 „Regierung der vereinigten Sozialdemokraten!“; ebenso Dittmann (wie Anm. 50), S. 562, und Barth (wie Anm. 2), S. 60; anders Vorwärts ebd., S. 1 f. a.E.: „Die erste Sitzung des Arbeiter- und Soldatenrats“.
[77] Nach Müller (wie Anm. 2), S. 36, 40, wurde der von dem Revolutionären Obmann Paul Eckert verlesene Aufruf von Ernst Däumig verfasst; Ritter/ Miller (wie Anm. 21), S. 95, bezeichnen als Verfasser Hugo Haase, der dies auf dem USPD-Parteitag 1919 auch selbst erklärt hat (zit. nach Miller/ Potthoff [wie Anm. 19], Dok. 7 Fn. 2, S. 31 f.).
[78] Miller/ Potthoff (wie Anm. 19), Dok. 7, S. 31-33.
[79] RGBl. 1918, S. 1303.
[80] Miller/ Potthoff (wie Anm. 19), Dok. 9, S. 37 f.
[81] Dittmann (wie Anm. 50), S. 571, der als Verfasser des Aufrufs Haase bezeichnet.
[82] Haase (wie Anm. 2), S. 173.
[83] Müller (wie Anm. 2), S. 16.
[84] Engel/ Holtz/ Materna (wie Anm. 32), Dok. 16, S. 31.
[85] Ebd., S. 33.
[86] Ebd., Dok. 26, S. 44.
[87] Ebd., Dok. 30, S. 50; Müller (wie Anm. 2), S. 138.
[88] Ebd., Dok. 33, S. 55; Müller (wie Anm. 2), S. 139.
[89] Müller, ebd., S. 140 f.
[90] Ebd.
[91] Engel/ Holtz/ Materna (wie Anm. 32), Dok. 46, S. 80-82.
[92] Ebd., Dok. 45, S. 72 f.
[93] Ebd., Dok. 53, S. 104.
[94] Müller (wie Anm. 2), S. 85.
[95] Miller/ Potthoff (wie Anm. 19), Dok. 13, S. 64.
[96] Ebd., S. 74.
[97] Ebd., S. 75.
[98] Ebd., S. 65 m. Fn. 54.
[99] Engel/ Holtz/ Materna (wie Anm. 32), Dok. 50, S. 92. Der Staatssekretär Hugo Preuß wurde im Einvernehmen aller sechs Volksbeauftragten ernannt.
[100] Sitzung vom 16. November, ebd., Dok. 45, S. 77.
[101] Ebd., Dok. 54, S. 109 f.
[102] Ebd., S. 128 f.
[103] Ebd., S. 132-134.
[104] Tatsächlich bestand der Ausschuss aus zwei Volksbeauftragten (Dittmann und Haase, s. Miller/ Potthoff [wie Anm. 19], Dok. 18, S. 109), zwei Vollzugsratsmitgliedern (Ledebour und Däumig, s. Engel/ Holtz/ Materna [wie Anm. 32], Dok. 66, S. 205), sowie Barth als Volksbeauftragtem und Mitglied des Vollzugsrats in Personalunion.
[105] Wortlaut der amtlichen Fassung und Synopse dreier vorausgegangener Entwürfe bei Miller/ Potthoff (wie Anm. 19), Dok. 22 a-d, S. 127-130.
[106] (1) Übertragung der Leitung der militärischen Stelle des Auswärtigen Amts (O.H.L.A) durch Beschluss des Vollzugsrats vom 15. November an den Schriftsteller Bernhard Kellermann zur Steuerung der sozialistischen Propaganda in den zu räumenden Ostgebieten (Engel/ Holtz/ Materna [wie Anm. 32], Dok. 44, S. 67 f.); Mitteilung hierüber von Haase in der Kabinettssitzung am 20. November (Miller/ Potthoff [wie Anm. 19], Dok. 18, S. 110 f.); Aufhebung des Beschlusses des Vollzugsrats in der Kabinettssitzung am 30. November wegen Unvereinbarkeit mit der Vereinbarung über die Kompetenzverteilung (ebd., Dok. 34, S. 231): Die Regierung konsultierte den Vollzugsrat gar nicht mehr, sondern hob seine Entscheidung einfach auf. (2) Entsendung von Delegierten durch den Vollzugsrat in die Reichsämter als Eingriff in die Exekutive (ebd., Dok. 38, S. 252 f.): Die Regierung ignorierte ein Informationsrecht des Vollzugsrats, ohne überhaupt mit ihm darüber zu verhandeln. (3) Verhaftung des Nachrichtenoffiziers Lorenz sowie der Industriellen August Thyssen und Edmund Stinnes wegen Verdachts des Landesverrats am 8. Dezember: Anweisung des Vollzugsrats zur sofortigen Entlassung der Verhafteten gegen von Haase geäußerte Bedenken (ebd., Dok. 50, S. 313-315).
[107] Anlass hierfür war auch die vorübergehende Festnahme des Vollzugsrats am 6. Dezember, die unten (III, 1 c) im Zusammenhang dargestellt wird.
[108] Miller/ Potthoff (wie Anm. 19), Dok. 48, S. 311.
[109] Müller (wie Anm. 2), S. 151 f.; Däumig, in: Engel/ Holtz/ Materna (wie Anm. 32), Dok. 78, S. 270. Beispielhaft hierzu die Auseinandersetzungen in der Sitzung des Vollzugsrats am 2. Dezember zu seiner inneren Organisation sowie zu bayerischen Bestrebungen zur Ablösung von Solf und Erzberger, ebd., Dok. 108, S. 504-527, und zum Austausch von Soldatenvertretern, ebd., Dok. 111, S. 567-570; Dok. 114, 580-601.
[110] Kolb/ Rürup (wie Anm. 34), Einleitung, S. XXII; näher hierzu Kolb (wie Anm. 13), S. 135-137.
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