Wie entsteht eigentlich Machtbildung in der Gesellschaft? Was ist Macht überhaupt und wie entsteht dadurch eine Hierarchie sowohl in der Arbeitswelt als auch in der Institution Schule? Diese Fragen rund um das Thema "Macht" werden in dieser Arbeit erläutert.
Gliederung
1. Einleitung
2. Definitionen von Macht
3. Prozesse der Machtbildung
4. Hierarchiebildung mit Bezug zur Institution Schule
5. Projektschule „Demokratische Schule Berlin“
6. Fazit und Selbstreflektion
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In dieser kurzen und prägnanten Hausarbeit möchte ich das Thema „Prozesse der Machtbildung“, welches mein Referatsthema im Seminar war näher aufgreifen und auf die Institution Schule beziehen. Insbesondere lege ich einen Fokus auf die allgemeine Machtbildung nach Elias Norbert und die daraus resultierende Hierarchiebildung in der Institution Schule. Darüber hinaus möchte ich grundlegend analysieren inwiefern Macht auf welche Art und Weise ausgeübt wird und welche Konsequenzen das unter anderem für die Hierarchiebildung in der Schule hat. Zudem werde ich eine Projektschule vorstellen, die der Hierarchiebildung mit demokratischen Maßnahmen entgegenwirken möchte. Im Fazit das gleichzeitig meine Selbstreflektion ist, werde ich kritisch meine persönliche Meinung zur Hierarchiebildung des dessen Folgen äußern.
2. Definitionen von Macht
Es gibt unzählige Definitionen von Macht, von ihren Auswirkungen und den Umsetzungsmöglichkeiten, die allerdings den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen würden. Ich habe mich auf eine für diese Hausarbeit passende Definition beschränkt, da diese passend für die Institution Schule ist und auf die ich mich immer wieder beziehen kann.
„Macht bezeichnet die Fähigkeit einer Person oder die Fähigkeit von Interessengruppen auf bestimmte Verhaltensmuster und Denkweisen anderer Personen oder Interessenverbände gezielt einzuwirken. Dabei spielt die Durchsetzungsfähigkeit eine besondere Rolle, die in Form von Autorität für die Erreichung von definierten Zielen benutzt wird, ohne sich dabei äußeren Ansprüchen zu unterwerfen. Damit bleibt die alleinige Verfügungsgewalt für die Interessendurchsetzung in den Händen der autoritären Person, die ihre absolute Macht, ohne ein Austauschverhältnis in Form eines Kompromisses, ausüben kann. Nach Parson ist Macht auch die institutionalisierte Möglichkeit Entscheidungen bindend weiterzugeben.“ (Ridder, S. 90).
3. Prozesse der Machtbildung
Aus der Definition geht hervor, dass Personen oder Interessengruppen die Fähigkeit besitzen gezielt auf andere Personen einzuwirken. Dabei stellt sich die zentrale Frage, wie diese Personen es schaffen gezielt auf andere Menschen direkten Einfluss zu nehmen und zusätzlich noch autoritär werden und sich dabei durchsetzen. Nach außen hin scheinen alle Menschen gleich zu sein, doch sie können durch Machtausübung zu Überlegenen und Unterlegenen werden. Norbert Elias erklärt in einer seiner Schriften, wie sich Macht bilden kann und wie sie verstärkt und weiter ausgebaut werden kann. Dazu verwendet er ein Beispiel zweier Arbeiterklassen die in Winston Parka, einem Vorort von Leicester arbeiteten und zugleich wohnten und lebten. Es fiel auf, dass eine Arbeiterschicht sich der anderen überlegen fühlte und Kontakt mied. Sie gehörte der gleichen sozialen Klasse an und hatte die gleiche Ethnie, sowie die gleiche Nationalität, sodass alles nach außen hin gleich schien. Diese beiden Arbeiterklassen unterschieden sich allerdings in einem Merkmal. Die eine Gruppe war alteingesessen und die andere Gruppe wanderte später hinzu. Die Etablierten behandelten die Zugewanderten als Außenseiter, weil es den Zugewanderten an einer auszureichenden Bürgertugend fehlte. Dieser Mangel an Bürgertugend war ein Ausschlusskriterium gegenüber den Neuhinzugezogenen. Dadurch entstand ein kollektives Charisma, das die Etablierten für sich in Anspruch nahmen. Diese Menschen glaubten sie seien von ihrer menschlichen Qualität etwas Besseres, obwohl sie der gleichen Schicht angehörten und identische Eigenschaften aufwiesen. Der bloße Zustrom der eigenen Landsleute wurde als eine Bedrohung der eigenen, seit vielen Jahrzehnten eingebürgerten Lebensweise empfunden. Sie hatten Angst, dass ihre eingebürgerte Lebensweise, die einen hohen Wert für sie hatte, durch Zugezogene gebrochen oder entfremdet wird. Um das zu verhindern, schlossen sie ihre Reihen und kooperierten miteinander, um das zu erhalten, was ihnen wichtig war und für sie einen hohen Wert hatte. Die alteingesessene Lebensweise ließ die Gruppen starr werden, woraufhin sich große Barrieren bildeten.
Dieses eine kleine Merkmal reichte aber aus, um bei den Etablierten ein befriedigendes Hochgefühl zu erzeugen und gleichzeitig eine Verachtung der anderen Gruppe hervorzurufen. Sie schrieben den Zugezogenen Vorurteile zu, da diese Gruppe fremd für sie war und deshalb minderwertig zu scheinen vermag. Andere Gruppen als minderwertig abzustempeln und damit das Machtgefälle gezielt zu verschieben, ist eine Waffe, um seine eigene soziale Überlegenheit zu behaupten. Durch diese Abwertung der anderen Gruppe möchte man die Gleichheit der sozialen Stellung und des sozialen Rangs brechen um gleichzeitig eine Differenz der sozialen Stellung zu erreichen. Diese Menschen glauben durch die ständige Stigmatisierung dann an ihre eigene Minderwertigkeit und im Gegenzug an die Höherwertigkeit der Etablierten. Dieses Phänomen kann man in zwischen verschiedenen Peergroups in der Schule beobachten, wenn sich Schüler einer Gruppe zugehörig fühlen.
Stigmatisierung an sich kann auf die machtschwächere Gruppe eine lähmende Wirkung haben. Sie kann diese Gruppe schwächen und außer Stande setzen, sodass sie entsprechende Gegenwaffen nicht mobilisieren kann. Auf Dauer wird die als minderwertig bezeichnete Gruppe entwaffnet und auf lange Sicht geschwächt, wodurch das Machtgefälle immer stärker wird und seltener angefochten werden kann, da sich die Macht weiter ausbaut. Nimmt das Machtgefälle allerdings ab, kann die zugeschriebene Macht der etablierten Gruppe leichter angefochten werden. Ausgeschlossene Gruppen rächen sich dann meistens an der zuvor mächtigeren Gruppe. Wenn das Machtgefälle zudem sehr gering ist, kann die leicht benachteiligte Gruppe eine stärkere Gegenmacht erzeugen, was zu stärkeren Konflikten führt. Um diese Gelegenheit für die Machtschwächeren zu verhindern und es nicht dazu kommen zu lassen, wird die dauerhafte Aufrechterhaltung der Machtgefälle durch Kooperation und Zusammenhalt durchgesetzt.
Je größer das Machtgefälle ist, desto deutlicher sind die Unterschiede der beiden Gruppen zueinander. Materielle Ressourcen, kognitive Ressourcen und andere Ressourcen verteilen sich mit zunehmendem Machtgefälle sehr unterschiedlich auf die jeweiligen beteiligten Gruppen. So haben auch sehr arme Menschen kaum die Möglichkeit Ressourcen zu erschließen, um eine Gegenmacht zu erzeugen. Bei besonders großen Machtgefällen tauchen deshalb kaum Konflikte zwischen den beiden Gruppen auf. Auch die Ressourcen in der Institution Schule sind sehr unterschiedlich verteilt, denn Schulleiter erhalten ein höheres Einkommen, was durch ihre Machtpositionen innerhalb der Hierarchie zu erklären ist. Diese soziale Position kann bedingt durch die Klassifizierung der Positionen innerhalb der Institution kaum angefochten werden.
Darüber hinaus werden soziale Beziehungen zum eigenen Vorteil geschlossen, um andere Personengruppen zu stigmatisieren. Auch dadurch entsteht eine Machtbalance der kollektiven Überlegenheit gegenüber den Außenseitern. Die Etablierten bilden eine ausgeprägte gemeinsame Lebensweise, wodurch sie stärker zusammenhalten und sich die Machtbalance zu ihren Gunsten verschiebt. Der starke Zusammenhalt gibt einer solchen Gruppe die Möglichkeit, die eigenen sozialen Positionen stärker zu gewichten, wodurch der Zusammenhalt verstärkt wird. Parallel dazu werden alle anderen Menschen, die nicht in diese soziale Gruppe gehören ausgeschlossen, wodurch sich Überlegene und Unterlegene Personengruppen herauskristallisieren. Bei Schülern lässt sich das durch den Peergroup und Zugehörigkeitseffekt erklären, wodurch sie innerhalb der Gruppe stärker zusammenhalten und eine gemeinsame Lebensweise bilden. Sobald ein fremdes Mitglied in eine Gruppe möchte, wird es sofort ausgeschlossen, weil es nicht die Tugenden und die gleiche Lebensweise teilt, wie das der etablierten Gruppenmitglieder. Generell empfinden sich diejenigen Personen und Personengruppen, die in einer Außenseiterposition sind, als minderwertig, weil sie sich den Normen der Unterdrücker nicht gewachsen fühlen. Ihre geringere Macht wird als ein Zeichen geringeren Wertes empfunden, wodurch es zu dauerhaften Minderwertigkeitskomplexen kommen kann.
Machtstärkere Gruppen versuchen seit langem machtschwächere Gruppen an der Teilhabe der Machtquellen, über die sie monopolistisch verfügen, fernzuhalten.
Zusammenfassend kann man sagen, dass sich etablierte Gruppen in drei Dingen angegriffen fühlen können. Erstens fühlen sie sich in ihren monopolisierten Machtquellen über die sie verfügen und zweitens in ihrem Gruppencharisma angegriffen. Zuletzt fühlen sie sich zudem in ihren Gruppennormen angegriffen, die sie gemeinsam durchsetzen und an die sich alle zu halten haben. Um das zu verhindern schließen die Etablierten ihre eigenen Reihen, grenzen Schwächere aus und demütigen sie. Aufbauend auf der allgemeinen Machtbildung, möchte ich im Anschluss spezifischer werden und analysieren wie Macht und Hierarchiebildung in einer Institution entstehen. (Elias, S. 354-379).
4. Hierarchiebildung mit Bezug zur Institution Schule
In diesem Abschnitt möchte ich mich zunächst auf Parsons Definition von Macht beziehen.
„Macht ist die institutionalisierte Möglichkeit Entscheidungen bindend weiterzugeben.“ (Ridder, S. 90). Auch hier stellt sich die Frage, wie Machtrollen und Erwartungsstrukturen entstehen und wer wem Anweisungen bindend erteilen darf.
Um vorgegebene Strukturen innerhalb eines Systems, die zwischen höheren und niederen Positionen entscheiden, hervorzubringen bedarf es einer Hierarchie, welche sich in verschiedenen Phasen bildet. Zunächst konstituiert sich eine Machtgruppe informell auf der Ebene eines lockeren Kontaktnetzes, um ihre gemeinsamen Werte und spezifischen Interessen zu vertreten. Anschließend wird ein innerer Kern, zu dem nur wenige Vertreter Zugang haben kontrolliert. Nur zugelassene Vertreter erhalten Zutritt auf dem Weg zu diesem inneren Kern, auf dem zugleich separiert wird. Ausgeschlossenen wird der Zutritt verweigert, wodurch der innere Kern weniger Konkurrenz zu befürchten hat. Das hilft ihm nicht nur bei der Auswahl der Personen des inneren Kerns, sondern auch um Verteidigungsrichtlinien nach außen zu errichten. Darauf folgend entsteht eine formelle Hierarchie, die Angehörige des inneren Kerns aufbauen. Diese können sich besser organisieren und erhalten dadurch einen Vorsprung gegenüber den Ausgeschlossenen. Nach einer gewissen Zeit besetzen die Vertreter des inneren Kerns die Führungspositionen. Jeder der anschließend an diese Führungsposition gelangen möchte, wird abgewiesen und degradiert. Die anderen Führungspositionen werden danach besetzt, indem die übrigen Vertreter des inneren Kreises rekrutiert werden. Sobald alle Positionen des inneren Kreises besetzt sind, kann er sich vom äußeren Kreis entfernen und den eigenen Interessen nachgehen. Dadurch trennen sich auch die Wege und die Ziele des inneren und des Kreises.
Diese unterschiedlichen Kreise lassen sich auch in der Schule beobachten. Es gibt eine Führungselite, die Schulleitung, die andere Ziele und Wege geht als der äußere Kreis der Lehrer, die wiederum andere Aufgaben zu bewältigen haben. Zunehmend entstehen eine lineare Hierarchie und eine bestimmte Anordnung von Machtrollen.
A verfügt über B und B über C. Allerdings kann A seine Entscheidungen bindend an B und C weitergeben. B jedoch nur an C. Damit ist die Machtverteilung asymmetrisch angeordnet, weil A die Machtverfügung die B über C hat, nutzen kann. Damit nimmt A die Machtverfügung von B über C, weil A auch direkt über C verfügen kann, ohne B zu berücksichtigen, was dazu führt, dass A alle Entscheidungsprozesse steuern kann und die alleinige Machtquelle besitzt. B muss demnach A weichen, wenn A über C verfügen möchte, wodurch A seine Machtfülle weiter ausbauen kann. (Ridder, S. 93-95).
Bezogen auf die Institution Schule sind dort ebenfalls interne Hierarchiebildungen zu erkennen. Im inneren Kern befindet sich der Schulleiter, der die alleinige Verfügungsgewalt über das gesamte Personal der Schule besitzt. Er ist nach Art.57 Abs. 2 weisungsberechtigt gegenüber den Lehrkräften, seinem sonstigen pädagogischen Personal, dem Verwaltungspersonal, sowie dem Hauspersonal eingeschlossen dem Hausmeister und den Reinigungskräften (Schulgesetz Hessen). Lehrer hingegen sind nicht im inneren Kreis und müssen den Anweisungen der Schulleitung bindend gerecht werden. Sie haben zudem die Aufgabe für allgemeine Erziehungsaufgaben zu sorgen und die gesamte pädagogische Verantwortung für den Unterricht und die Erziehung der Schülerinnen und Schüler zu tragen. Auch den Schulsozialarbeitern, die zwar nicht im Schulwesen angestellt sind, sondern beim Jugendamt oder einem freien Träger, darf die Schulleitung Anweisungen geben, da die Schulleitung das Hausrecht hat. (Schulgesetz Hessen).
In der Institution Schule ist außerdem die lineare und asymmetrische Hierarchiebildung zu erkennen. Die Schulleitung (A) kann über die Lehrer (B) verfügen, die wiederum über die Schülerinnen und Schüler (C) verfügen. Jedoch kann die Schulleitung auch über die Lehrer (B) und zugleich über die Schüler (C) bestimmen. Die Schulleitung kann demnach also über (C) verfügen, ohne dabei auf die Lehrer (B) Rücksicht zu nehmen. Damit ist die alleinige Verfügungsgewalt in den Händen der Schulleitung. Die Lehrer (B) müssen den Anweisungen von der Schulleitung (A) folgen und diese respektieren.
5. Projektschule „Demokratische Schule Berlin“
Die Projektschule „Demokratische Schule Berlin“ ist ein Pilotprojekt mit dem Ziel der völligen Demokratisierung aller Entscheidungsprozesse, Regelaufstellungen und Verfahren. Sie bricht die strikte Hierarchie der üblichen Schule, indem sie alle Schulregeln, Unterrichtsfächer, den Zeitpunkt des Lernens und den Inhalt des Lernens den Schülern und Schülerinnen überlässt. Diese können in einem zentralen Entscheidungsgremium als Schulversammlung auftreten und haben eine gleichwertige Stimme bei Entscheidungsprozessen. Da die Schüler und Schülerinnen allerdings in der Überzahl sind, haben die Schüler und Schülerinnen effektiv die Kontrolle über ihre Schule. Jeder Schüler entscheidet selbst, was, wie und wann er lernt, da Lernen eine aktive Tätigkeit des Lernenden ist, die unabhängig vom Unterricht stattfinden kann. Auf die klassische Hierarchie in einer Schule bezogen bedeutet das, dass diese außer Kraft gesetzt wird. Zudem steuert sie der Aufhebung der Hierarchie durch die Vermeidung informeller Hierarchien entgegen. Das bedeutet konkret, dass es Amtszeitbegrenzungen und das Verbot von Ämterhäufungen gibt, weil dadurch die Etablierung von Informationsmonopolen und Wissenshierarchien erschwert wird (www.demokratische-schule-x.de, 2016).
Außerdem wird eine Dominanz einzelner Akteure durch eine Redeleitung, welche das Wort erteilt und auch entziehen kann geleitet. So kann keine Dominanz und Autorität entstehen, weil die Redezeiten und die Anzahl der Meldungen begrenzbar sind. Des Weiteren gibt es an dieser Schule „Blitzrunden“ in denen jeder sehr schnell etwas der Reihe nach sagt. Auch Beschwerden und persönliche Anliegen werden durch Anonymisierungsmaßnahmen bearbeitet, damit nur der Inhalt und nicht über die Person diskutiert wird. Diese Schule zeigt wie man sich gegen eine Hierarchie entscheiden kann, und welche Maßnahmen getroffen werden, damit dieses Projekt seinen Sinn behält. Inwiefern es allerdings sinnvoll ist eine Hierarchie in einer Schule aufzugeben und darüber hinaus die Leitung der Schule in die Hände der Schüler und Schülerinnen zu geben, möchte ich im Schlussteil diskutieren (www.demokratische-schule-x.de, 2016).
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- Quote paper
- Daniel Stahl (Author), 2016, Prozesse der Macht- und Hierarchiebildung mit Bezug zur Institution Schule, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/432092
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