Im Jahre 312 fand vor den Toren Roms eine erste Entscheidungsschlacht zwischen zwei Teilkaisern statt. Konstantin griff mit seinem Herr den Usurpator Maxentius an, um ihn aus Rom zu vertreiben. Konstantin siegte, und leitete damit seinen Weg zur Alleinherrschaft im Reich ein, die er 324 mit dem Endsieg über Licinius erreichte. Das Interessante für Geschichtswissenschaftler und Kirchenhistoriker bleibt bis heute zunächst der Oktober des Jahres 312, dem Sieg Konstantins in der Schlacht an der milvischen Brücke über Maxentius - die “konstantinische Wende“?
Hier setzt das Thema dieser Arbeit an. Sie geht zum einen dem Fragekomplex nach, ob, wann und inwieweit Kaiser Konstantin die Anerkennung und den Aufstieg des Christentums aus eigener religiöser Überzeugung ermöglichen wollte und konnte, zum anderen stellt sie parallel die Gegenfrage, ob der Kaiser hierbei ausschließlich mit machtpolitischem Kalkül vorging, um sich auf diese Weise schlussendlich auch den östlichen Teil des Imperiums zu sichern?
Viele und bedeutende Historiker haben sich bereits mit dieser immer wieder neu aufkommenden Frage detailreich auseinandergesetzt. Um hier den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, wurden nur einige wenige Autoren aufgenommen, die stellvertretend für die geteilten Forschungsansichten stehen. Hervorzuheben ist in erster Linie das von Ekkehard Mühlenberg herausgegebene Buch “Die konstantinsche Wende“, in dem vor allem für Detailfragen dieses Themas viele Sekundärliteraturhinweise vorzufinden sind. Zusammenfassend für die Autoren der Contra-Seite einer religiösen Motivation Konstantins (u.a. Henri Grégoire, Joseph Vogt, Jakob Burckhardt) steht der Aufsatz von Jochen Bleicken “Konstantin der Große und die Christen“. Für die Beurteilung der konstantinschen Gesetzgebung wurde insbesondere der Kirchenhistoriker Dassmann herangezogen, für ein eher ausgeglichenes Urteil des Themenkomplexes der Althistoriker Bringmann.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Die Schlacht an der milvischen Brücke 312 n. Chr. – die konstantinische Wende?
1. Erklärungsmodelle zur staatlichen Anerkennung des Christentums im römischen Imperium
1.1. Die persönliche Bekehrung Konstantins zum Christentum – die Berichte von Laktanz und Eusebius
1.2. Konstantin als berechnender Machtstratege – die Christen im Osten des Reichs
2. Das Pro und Contra zu den Quellenzeugnissen der Christenpolitik Konstantins
2.1. Die Berichte von Laktanz und Eusebius und die Diskussion um das Christogramm
2.2. Der Konstantinbogen und die Debatte um den Siegeseinzug in Rom
2.3. Die Begutachtung der Münzprägung – das Silbermedaillon aus Ticinum
2.4. Öffentliche Erklärungen und Schreiben im Rahmen des Donatistenstreits
2.5. Die konstantinische Gesetzgebung
2.6. Die Christen im Osten und ihr Machtpotenzial
3. Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung
Die Schlacht an der milvischen Brücke 312 n. Chr. – die konstantinische Wende?
Im Jahre 312 fand vor den Toren Roms eine erste Entscheidungsschlacht zwischen zwei Teilkaisern statt. Konstantin[1] griff mit seinem Herr den Usurpator Maxentius an, um ihn aus Rom zu vertreiben. Konstantin siegte, und leitete damit seinen Weg zur Alleinherrschaft im Reich ein, die er 324 mit dem Endsieg über Licinius erreichte. Das Interessante für Geschichtswissenschaftler und Kirchenhistoriker bleibt bis heute zunächst der Oktober des Jahres 312, dem Sieg Konstantins in der Schlacht an der milvischen Brücke über Maxentius - die “konstantinische Wende“?
Hier setzt das Thema dieser Arbeit an. Sie geht zum einen dem Fragekomplex nach, ob, wann und inwieweit Kaiser Konstantin die Anerkennung und den Aufstieg des Christentums aus eigener religiöser Überzeugung ermöglichen wollte und konnte, zum anderen stellt sie parallel die Gegenfrage, ob der Kaiser hierbei ausschließlich mit machtpolitischem Kalkül vorging, um sich auf diese Weise schlussendlich auch den östlichen Teil des Imperiums zu sichern?
Viele und bedeutende Historiker haben sich bereits mit dieser immer wieder neu aufkommenden Frage detailreich auseinandergesetzt. Um hier den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, wurden nur einige wenige Autoren aufgenommen, die stellvertretend für die geteilten Forschungsansichten stehen. Hervorzuheben ist in erster Linie das von Ekkehard Mühlenberg herausgegebene Buch “Die konstantinsche Wende“[2], in dem vor allem für Detailfragen dieses Themas viele Sekundärliteraturhinweise vorzufinden sind. Zusammenfassend für die Autoren der Contra-Seite einer religiösen Motivation Konstantins (u.a. Henri Grégoire, Joseph Vogt, Jakob Burckhardt) steht der Aufsatz von Jochen Bleicken “Konstantin der Große und die Christen“.[3] Für die Beurteilung der konstantinschen Gesetzgebung wurde insbesondere der Kirchenhistoriker Dassmann[4] herangezogen, für ein eher ausgeglichenes Urteil des Themenkomplexes der Althistoriker Bringmann.[5]
In dieser Arbeit werden zunächst zwei Erklärungsmodelle zur staatlichen Anerkennung des Christentums im römischen Reich vorgestellt, zum einen die Theorie der persönlichen Bekehrung Konstantins zum Christentum vor der Entscheidungsschlacht 312 an der milvischen Brücke, zum anderen der möglicherweise machtkalkulierende Konstantin, der die Christen im Osten als Machtfaktor im Blick hat. Anschließend werden hierzu Quellenzeugnisse und deren Pro und Contra abgewägt. Dabei geht es um die Interpretation der Berichte von Laktanz und Eusebius, um das Christogramm, um den Siegeseinzug in Rom nach der Schlacht 312, um die Münzprägung, um veröffentlichte Schreiben Konstantins, sowie um die kaiserliche Gesetzgebung, damit zum Abschluss ein Fazit gezogen werden kann.
1. Erklärungsmodelle zur staatlichen Anerkennung des Christentums im römischen Imperium
1.1. Die persönliche Bekehrung Konstantins zum Christentum – die Berichte von
Laktanz und Eusebius
Nach den Überlieferungen der christlichen Autoren Laktanz und Eusebius, sind die staatliche Anerkennung und der Aufstieg des Christentums Kaiser Konstantins innerpersönlicher geistiger Bekehrung zum christlichen Glauben zu verdanken. Die Abwendung von den heidnischen Göttern soll kurz vor der Schlacht an der milvischen Brücke gegen Maxentius am 28. Oktober 312 durch eine göttliche Vision geschehen sein, die ihm zum Schlachtsieg verhalf. Laktanz beschreibt dies in seinem Werk “De mortibus persecuturum“ (314) mit den Worten: „Im Schlaf wurde Konstantin ermahnt, das himmlische Zeichen Gottes auf den Schilden anzubringen und so die Schlacht zu beginnen. Er tat wie befohlen, und indem er den Buchstaben X umlegte und die Spitze umbog, brachte er Christus auf den Schilden an.“ [6]
Eusebius hingegen weiß in seiner Kirchengeschichte (Buch neun) davon noch nichts zu berichten, 313/14 erzählt er nur von der Bitte Konstantins an Gott und Christus um Beistand in der bevorstehenden Schlacht.[7] In seinen zwischen 337-340 geschriebenen “Vita Konstantini“ erzählt er dann ausführlich von den Beweggründen und der Vision. Konstantin habe das Vertrauen in die Wirkungskraft der alten Götter verloren gehabt, und suchte nach einem neuen Helfergott:
„ Er rief diesen also in Gebeten an, bat und flehte, er möge ihm offenbaren, wer er sei, und ihm in den bevorstehenden Vorhaben hilfreich seine rechte Hand reichen. Während der Kaiser so betete und beharrlich flehte, da erschien ihm ein ganz unglaubliches Gotteszeichen, das man wohl kaum so leicht akzeptieren würde, wenn es ein anderer erzählt hätte. Da es aber uns, die wir diese Schrift verfasst haben, der siegreiche Kaiser selbst, (...), erzählt und sein Wort mit Eiden beschworen hat, wer wollte da noch Bedenken haben und der Erzählung nicht glauben?“, und weiter:
„ Um die Mittagszeit, als der Tag sich schon neigte, habe er – so sagt er – oben am Himmel, noch oberhalb der Sonne, das Siegeszeichen des Kreuzes, aus Licht gebildet, gesehen und damit verbunden die Schrift: Darin siege!“
Nach Staunen und Überlegen über das Zeichen bei den Vorbereitungen zum Feldzug, „... überraschte ihn die Nacht. Im Schlaf jedoch sei ihm der Christus Gottes erschienen und habe ihm aufgetragen, das am Himmel erschienene Zeichen nachzubilden, um es bei den Begegnungen mit den Feinden als Schutzzeichen zu gebrauchen.“,
woraufhin Konstantin dieses anfertigen und als Standarte vortragen ließ. Eusebius beschreibt das Himmelszeichen als eine Lanze mit Querstange, an deren Spitze ein Kranz mit Christogramm befestigt war.[8]
1.2. Konstantin als berechnender Machtstratege – die Christen im Osten des Reichs
Das zweite Erklärungsmodell für die staatliche Anerkennung und den Aufstieg der Christen legt sein Hauptaugenmerk auf den Osten des Reiches, der durch eine viel höhere Anzahl an gläubigen Christen gekennzeichnet war. Große Teile des Westens waren mit Bezug auf die Schätzungen Adolf von Harnacks kaum christianisiert (u.a. Britannien, mittleres / nördliches Gallien, Mauretanien, Tripolitanien), wohingegen bei manchen Regionen im Osten der Christenanteil bereits knapp 50 Prozent betrug (v.a. Kleinasien, Armenien, Zypern), und in einigen weiteren Gebieten einen beträchtlichen Prozentsatz (nördliches Syrien, Ägypten, südliche Balkanprovinzen). Im Westen war es nur Rom mit kleineren Teilen von Mittel- und Unteritalien sowie Africa proconsularis und Numidien, in denen eine starke Minderheit vorhanden war.[9] Folgt man insbesondere einer Teilargumentation des Autors Jochen Bleicken, so spielten in den ersten beiden Jahrzehnten des 4. Jahrhunderts immer wieder die Christen im Osten innerhalb des Reiches eine machtstrategisch äußerst bedeutende Rolle. So habe die von Diokletian eingeführte Pluralisierung der Reichsspitze, das tetrarchische System, ein ständiges Spannungsverhältnis zwischen den Teilkaisern erzeugt.[10] Im Kampf um Macht, Machterweiterung und Alleinherrschaft spielten die Christen dabei nun einen entscheidenden politischen Faktor, insbesondere wenn es um den Osten des Reiches ging. Drei Beispiele, so Bleicken, verdeutlichen dies: Das Toleranzedikt von Galerius (311, Christentum als religio licita, zum ersten mal eine anerkannte staatliche Religion; Vorraussetzung für den Aufstieg der Christen) folgte der Einsicht, dass die Christenverfolgung gescheitert war, den Hintergrund habe jedoch Galerius Meinung gebildet, für die Zeit nach seinem Ableben die Ostkaiser gegenüber den Westkaisern im Streit um die Macht stärken zu müssen. Da dies allerdings nicht mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Osten (durch eine intensivere Christenverfolgung) möglich gewesen sei, musste mit dem Toleranzedikt der innere Frieden wieder hergestellt werden.[11] Das zweite Beispiel sei das Mailänder Abkommen vom Februar 313 zwischen Licinius und Konstantin (die Christen werden nicht nur anerkannt, sondern als nunmehr gleichberechtigt angesehen, u.a. nun auch finanzielle Zuwendungen). Folglich gilt für Bleicken Licinius als Antreiber dieses Abkommens, da er auf die im Osten stark christlich bevölkerten Gebiete von Maximinus Daia abzielte, den er kurz danach besiegte. Das gewichtigste Beispiel sei wohl die letzte kriegerische Auseinandersetzung zwischen Licinius und Konstantin 324, bei der Konstantin in der Vorbereitung in mehrerlei Hinsicht sich den Christen im Osten als einer von ihnen zu verstehen gegeben habe.[12]
Dieses Erklärungsmodell, in der aktuellen leicht abgeänderten Form von Bleicken, möchte damit nicht unbedingt abstreiten, dass sich die Christen zu einem anderen Zeitpunkt irgendwann durchgesetzt hätten, schließlich hatten sie harte Verfolgungen überstanden. Insbesondere Bleicken will jedoch in einem allgemeinpolitischen Rahmen aufzeigen, warum eben gerade in der Zeit von 311 bis 324 in einem fortlaufenden Prozess den Christen der Durchbruch gelang und hält wenig von punktuellen Mystifikationen durch eine Person.
Ob Konstantins innere Bekehrung nun 312/13 stattfand und er sich gleich öffentlich zum Christentum bekannte, oder ob der Kaiser ein kühl berechnender Machtstratege war, soll im Folgenden durch die Abwägung einiger relevanter Quellenzeugnisse herausgefunden werden.
2. Das Pro und Contra zu den Quellenzeugnissen der Christenpolitik Konstantins
2.1. Die Berichte von Laktanz und Eusebius und die Diskussion um das Christogramm
Bei der Diskussion um das Christogramm, stellt sich die Frage, ob dies wirklich das Zeichen war, dass Konstantin seine Soldaten auf den Schildern bei der Schlacht gegen Maxentius tragen ließ. Man beruft sich hierbei auf die Berichte von Laktanz und Eusebius, da jene jedoch sehr unterschiedlich über das Zeichen berichten, müssen diese Quellenzeugnisse genauer betrachtet werden.
[...]
[1] Anmerkung: Konstantin wird in dieser Arbeit mit dem Konsonanten K geschrieben.
[2] Mühlenberg, Ekkehard (Hrsg.): Die Konstantinische Wende, Gütersloh 1998.
[3] Bleicken, Jochen: Constantin der Große und die Christen, Überlegungen zur konstantinischen Wende, München 1992.
[4] Dassmann, Ernst: Kirchengeschichte П/1, Konstantinische Wende und spätantike Reichskirche, Stuttgart / Berlin / Köln 1996, daraus: S. 37 – 50.
[5] Bringmann, Klaus: Die konstantinische Wende, zum Verhältnis von politischer und religiöser Motivation, S. 21 – 47, in: Gall, Lothar (Hrsg.): Historische Zeitschrift, Band 260, München 1995.
[6] Laktanz, De mortibus persecuturum, 44, 5.
[7] Vgl. Bleicken, Jochen: Constantin der Große und die Christen, S. 26.
[8] Eusebius, Vita Constantini 1, 27 – 31.
[9] Vgl. Bleicken, Jochen: Constantin der Große und die Christen, S. 12/13.
[10] Vgl. ebd., S.64/65.
[11] Vgl. Bleicken, Jochen: Constantin der Große und die Christen, S. 6 – 13.
[12] Vgl. ebd., S. 13 – 23.
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- Daniel Michel (Autor), 2005, Bekehrter Christ oder Machtstratege? Die staatliche Anerkennung des Christentums im Römischen Reich durch Kaiser Konstantin, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43176
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