In seinem Film „Videodrome“ aus dem Jahr 1983 thematisierte der kanadische Regisseur David Cronenberg den Einfluss der Gewaltdarstellung in den Medien auf den Menschen und das Verhältnis zwischen Mensch und Medien generell. In Verbindung mit mitunter drastischen Gewalteinlagen reflektierte der Film den gesellschaftlichen Diskurs darüber. Die allgegenwärtige Präsenz der Medien (vor allem des Fernsehens) und ihr Eindringen in sämtliche Lebensbereiche können allerdings als übergeordnetes Thema angesehen werden. Gleichzeitig nahm sich der Regisseur auch einem seiner Lieblingsthemen an: der Verschmelzung des menschlichen Körpers mit unbelebten Materialien, Werkzeugen oder gar anderen Lebewesen, seiner Mutation und Transformation. Mit der Geschichte des TV-Produzenten Max Renn, der auf der Suche nach immer extremeren visuellen Darstellungen auf ein Programm stößt, dessen Konsum bei ihm immer surrealer Halluzinationen hervorruft und ihn schließlich zur willenlosen Marionette einer Verschwörung und zum gewissenlosen Mörder macht, nahm Cronenberg Bezug auf den Vorwurf der Gewaltverherrlichung und Manipulation seiner Zuschauer, der vielen Filmen aus dem Horror- und Actiongenre gemacht wurde, ironisierte ihn dabei zugleich aber auch.
In dieser Arbeit soll herausgearbeitet werden, wie sich die gezeigte Gewalt im Film äußert, wie sich der Film dazu positioniert, wie die Rolle der Medien herausgearbeitet wurde und wie sich das alles letztendlich in seiner Rezeptionsgeschichte niederschlug.
1. Einleitung
In seinem Film „Videodrome“ aus dem Jahr 1983 thematisierte der kanadische Regis- seur David Cronenberg den Einfluss der Gewaltdarstellung in den Medien auf den Menschen und das Verhältnis zwischen Mensch und Medien generell. In Verbindung mit mitunter drastischen Gewalteinlagen reflektierte der Film den gesellschaftlichen Diskurs darüber. Die allgegenwärtige Präsenz der Medien (vor allem des Fernsehens) und ihr Eindringen in sämtliche Lebensbereiche können allerdings als übergeordnetes Thema angesehen werden. Gleichzeitig nahm sich der Regisseur auch einem seiner Lieblingsthemen an: der Verschmelzung des menschlichen Körpers mit unbelebten Materialien, Werkzeugen oder gar anderen Lebewesen, seiner Mutation und Transfor- mation. Mit der Geschichte des TV-Produzenten Max Renn, der auf der Suche nach immer extremeren visuellen Darstellungen auf ein Programm stößt, dessen Konsum bei ihm immer surrealere Halluzinationen hervorruft und ihn schließlich zur willenlosen Marionette einer Verschwörung und zum gewissenlosen Mörder macht, nahm Cronenberg Bezug auf den Vorwurf der Gewaltverherrlichung und Manipulation seiner Zuschauer, der vielen Filmen aus dem Horror- und Actiongenre gemacht wurde, ironisierte ihn dabei zugleich aber auch.
Im Folgenden soll nun herausgearbeitet werden, wie sich die gezeigte Gewalt im Film äußert, wie sich der Film dazu positioniert, wie die Rolle der Medien herausgearbeitet wurde und wie sich das alles letztendlich in seiner Rezeptionsgeschichte niederschlug.
2. Analyse
2.1 Historischer Hintergrund
Das Fernsehen war zu Beginn der 80er Jahre bereits ein etabliertes Medium, das nahezu alle Haushalte in den Industriestaaten erreichte.
Das Medium, welches in den 80ern seine Blütezeit erlebte, war jedoch das Video. Die Videotechnik als solche, also die „Aufzeichnung audiovisueller Informationen auf Magnetband“ existierte zwar bereits seit den 30er Jahren, das erste allgemein erhältli- che, in Serie hergestellte „Videogerät“ erschien aber erst 1975 auf dem Markt[1]. An- fangs herrschte ein Konkurrenzkampf zwischen mehreren verschiedenen Formaten, mit der Durchsetzung des VHS-Systems ab etwa 1984 begann dann jedoch ein „sprunghafter Anstieg von Video-Abspiel- und -Aufnahmegeräten“[2].
Einer der einträglichsten Absatzmärkte des VHS-Anbieters JVC stellte dabei die Por- noindustrie dar. Der erste pornographische Film im Videobetrieb erschien auf VHS, in Videotheken wurden bald ausschließlich pornographische Filme auf VHS angebo- ten, was zu einem „dramatischen Niedergang der Pornokinos“ führte, „die einen erheblichen Anteil am filmindustriellen Umsatz stellten“. Das Video war, in gewisser Weise, eine „heimliche Verlängerung der Tendenz des Fernsehens zu immer intime- ren Darstellungen“.[3] Durch die freie Verfügbarkeit immer zeigefreudigerer Hardcore- Filme und auch immer gewalttätigerer Horror- und Actionfilme, die mit dem nicht abreißenden Absatz der Videorekorder einherging, wurde jedoch auch eine Gewalt- debatte angestoßen.
Wobei Regisseur David Cronenberg schon viel früher mit Vorwürfen zu kämpfen hatte, seine Filme wären gewaltverherrlichend oder pornographisch. Sein Film „Shivers“ (1975, in Deutschland auch erschienen unter dem Titel „Der Parasiten- Mörder“) wurde in Kanada von der Kritik verrissen, auch, weil er durch Filmfonds der kanadischen Regierung mitfinanziert worden war, ebenso wie die Nachfolgewerke „Rabid“ (1977, in Deutschland auch erschienen als „Der brüllende Tod“), „Die Brut“ (1979) und „Scanners“ (1981). Diese frühen, eher billig produzierten Horrorfilme standen dem „Exploitation-Kino“ recht nahe und wurden, besonders von der briti- schen Presse, nicht gerade wohlwollend betrachtet. Eine Rezension zu „Scanners“, welcher durch eine realistisch wirkende Sequenz mit der Darstellung eines platzenden Kopfes berühmt wurde, titelte gar „Off With His Head!“, was sich wohl eher auf den Regisseur bezog.[4]
Mit „Videodrome“ wollte Cronenberg, wie er selbst sagte, diesen Vorwürfen begegnen und „zeigen, daß ein Mann, der gewalttätigen Bildern ausgesetzt ist, zu halluzinieren beginnen kann. Ich wollte zeigen, wie es ist, wenn sich das, was die Zensoren sagen, tatsächlich ereignet“.[5] Dass diese Aussage nicht ganz ernst gemeint war, erschloss sich allerdings nicht jedem. In einem späteren Interview meinte Cronenberg auch, dass Zensoren „dazu neigten, das zu tun, was sonst nur psychotische Menschen tun; sie verwechselten die Wirklichkeit mit der Illusion“.[6] „Videodrome“ ist daher eher als eine überspitzte Auseinandersetzung mit der Wirkung von Medien und Filmzensur zu betrachten.
2.2 Gewalträume
Als Gewalträume sind im Film dementsprechend Realität und Illusion zu betrachten, die zumindest anfangs noch klar voneinander getrennt sind, sich später jedoch immer stärker überschneiden, bis kaum noch eine Unterscheidung feststellbar ist.
Die Medien stellen im Film eine Form der Illusion dar und werden auf verschiedene Weise in die Handlung mit einbezogen und reflektiert.
Hauptfigur Max Renn ist einer der drei Betreiber des Fernsehkanals 83, genannt „Civic TV“, welcher mit dem Slogan „The One You Take To Bed With You“ wirbt, der im karikaturistisch wirkenden Logo des Senders quasi bebildert wird. Seinen Zuschauern bietet er, wie eine Talkshowmoderatorin bei einem Interview mit ihm äußert, „everything from soft-core pornography to hard-core violence“. Max meint dazu, dass er einen kleinen Sender führt, der, um sich auf dem Markt zu behaupten, seinen Zuschauern Dinge zeigt, die sie „sonst nirgends zu sehen bekommen“ und ihnen zudem „ein harmloses Ventil“ biete, ihre „sexuellen Wünsche und Frustratio- nen“ auszuleben.
Anfangs wirkt diese Äußerung eher wie ein bloßer Vorwand, eine einfache Recht- fertigung[7], erscheint im weiteren Verlauf aber zunehmend nachvollziehbarer. Ob Max‘ von ihm veröffentlichte Produkte wirklich nur niederste Bedürfnisse bedienen und aufgrund dessen schädlich wären, wirkt fraglich, zumal die vordergründig biederen, gesellschaftlich etablierten Medien im Film als nicht wirklich vorbildlicher dargestellt werden. Als Max die Radiomoderatorin Nicki Brand, welche in der Show mit ihm interviewt wurde, bei der Arbeit besucht, befindet sich diese gerade in einem Gespräch mit einer offensichtlich psychisch angeschlagenen, schwer depressiven Frau. Nickis „Emotional Rescue Show“ wirkt genauso voyeuristisch wie einer der Erotik- sender, nur dass sich ihre Konsumenten an den, wohlgemerkt echten, seelischen Schmerzen anderer Personen ergötzen.
Der Film stellt somit auch die Frage, ob „der sogenannte gute Geschmack, dem sich die Giganten der Medienbranche verschrieben haben, nicht ein Diktat der Mittelmäßigkeit darstellt? Oder gar eine Form gewaltverherrlichender Pornografie, die durch die Unehrlichkeit bürgerlicher Verdrängungsmechanismen weitaus schwer- wiegendere Konsequenzen haben kann als Max Renns dubiose Produkte?"[8] Dass Gewalt und Erotik längst in das Leben der Menschen (also die Realität) eingedrungen sind, und die Gesellschaft dem gegenüber immer weiter abstumpft, ist offensichtlich eine weitere Aussage des Films. So ist in einer Szene zu Beginn, als Max zwei japanische Geschäftsmänner, die ihm ihr Produkt anbieten wollen, in einem Hotelzimmer trifft, in einem benachbarten Zimmer gerade ein heftiger Streit im Gange. Ein Ehemann hämmert immer wieder lautstark gegen die Tür des Zimmers und droht seiner Frau, er trete die Tür ein, wenn sie ihm nicht sofort öffne. Niemand im Hotelgang nimmt davon Notiz, geschweige denn, dass jemand versuchen würde, einzugreifen. In einer anderen Szene, in der sich Max in einem Restaurant zu einem Gespräch mit einer befreundeten Pornoproduzentin trifft, wird die Kundschaft durch den aufreizenden Tanz einer Bauchtänzerin unterhalten. Gewalt und Sexualität bestimmen also anscheinend bereits das angeblich „zivilisierte“ Leben, weshalb es als bigott erscheint, wenn Max in der Talkshow gefragt wird, ob der Konsum seines Senders zu „Gewalttätigkeit und sexueller Verwirrung“ führen könne, da die Probleme offensichtlich woanders ihre Ursprünge haben. Die bürgerliche Doppelmoral kommt hier eindeutig zum Vorschein.
Die titelgebende Show „Videodrome“ nun, auf die Max durch seinen Techniker Harlan, der im Geheimen für ihn als Raubkopierer arbeitet, stößt, übertrifft alles, was sein Sender bisher ausgestrahlt hatte. Die einzige Handlung der einzelnen Episoden besteht nur aus der Folterung und Ermordung von Menschen. Max ist angetan vom Realismus der angeblichen Show und meint, dass sie die „Zukunft des Fernse- hens“ darstelle. Seine, durchaus begründete, Rechtfertigung lautet auch hier „better on TV than on the streets“. Es handelt sich hierbei ja nach wie vor um eine Illusion
- oder scheint es zumindest zu sein.
Doch diese Illusion drängt sich nach und nach immer weiter in Max‘ privates Leben. Er leidet immer häufiger unter Halluzinationen, in denen er sich selbst in der „Video- drome“-Show wiederfindet und kann immer weniger unterscheiden, was sich davon in der Realität und was sich nur in seiner Einbildung abspielt. Sind diese surrealen Sequenzen des Films anfangs eher kurz und treten nur vereinzelt auf, kommt es im weiteren Verlauf zu „Visionen, die immer länger andauern und schließlich kaum noch von ‚normalen‘ Wahrnehmungen unterbrochen werden“[9] und dazu auch immer groteskere Formen annehmen. Zwei Räume vermischen sich hier also.
Diese Desorientierung des Hauptcharakters überträgt sich auch auf den Zuschauer. Die komplette Handlung des Films, mit allen verschiedenen Realitätsebenen, wird aus der Perspektive des Protagonisten gezeigt.[10] Damit ist nicht gemeint, dass er mit einer subjektiven Kamera gedreht wurde, sondern dass man den Hauptcharakter während des Filmes auch sieht, er allerdings die einzige Bezugsperson des Zuschauers darstellt. Man sieht ihn in jeder Szene. Cronenberg selbst nannte „Videodrome“ daher auch einen „First-Person-Movie“ - eine Objektivität wird suggeriert, tatsächlich weiß man als Zuschauer aber nur genau so viel wie der Protagonist.[11]
Die Desorientierung des Zuschauers wird bereits mit der ersten Halluzination einge- leitet. Diese Szene stellt sozusagen den „Wendepunkt“ des Filmes dar: Als Max und Nicki Brand zum ersten Mal Geschlechtsverkehr in seiner Wohnung haben, sieht man die beiden eng umschlungen auf einer Decke liegen, während im Hintergrund der Fernseher läuft.
[...]
[1] Vgl. Weber, Thomas: Medialität als Grenzerfahrung. Futurische Medien im Kino der 80er und 90er Jahre. Bielefeld: transcript Verlag 2008. S. 183
[2] Ebd.
[3] Ebd.
[4] Vgl. Hantke, Steffen: Autorenkino und Verschwörungstopos. Selbstreflexion in
„Videodrome“ und „eXistenZ“. In: Film 16: David Cronenberg. Hrsg. von Marcus Stiglegger. Berlin: Bertz + Fischer GbR 2011. S. 48
[5] Vgl. Weber, Thomas: Medialität als Grenzerfahrung. Bielefeld: transcript Verlag 2008. S. 184
[6] Vgl. Höltgen, Stefan: Illusionsräume. In: Film 16: David Cronenberg. Hrsg. von Marcus Stiglegger. Berlin: Bertz + Fischer GbR 2011. S. 88
[7] Vgl. Hantke, Steffen: Autorenkino und Verschwörungstopos. In: Film 16: David Cronenberg. Hrsg. von Marcus Stiglegger. Berlin: Bertz + Fischer GbR 2011. S. 50
[8] Ebd.
[9] Vgl. Weber, Thomas: Medialität als Grenzerfahrung. Bielefeld: transcript Verlag 2008. S. 188
[10] Ebd.
[11] Vgl. Höltgen, Stefan: Illusionsräume. In: Film 16: David Cronenberg. Hrsg. von Marcus Stiglegger. Berlin: Bertz + Fischer GbR 2011. S. 79
- Citar trabajo
- Gabriel Rost (Autor), 2015, Darstellung von Gewalt in den Medien. Analyse des Films "Videodrome" von David Cronenberg, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/430914
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