Die historische Betrachtung von Frauen erfolgte in der früheren Geschichtstheorie unter dem Gesichtspunkt der Relevanz, die man ihnen nach dem jeweils herrschenden Geschichtsverständnis beimaß. So wurden in der politischen Geschichte bedeutende Königinnen und besonders Regentinnen unmündiger Könige berücksichtigt, in der Kultur- und Geistesgeschichte widmete man sich bedeutenden Autorinnen und in der Kirchen- und Frömmigkeitsgeschichte waren Äbtissinnen und Heilige der Gegenstand der Geschichtsschreibung. Diese Frauen erhielten ihren Platz in der Geschichte wegen ihrer historischen Leistung, nicht um ihrer selbst und nicht um ihres Geschlechtes willen.
Im Kontext der neuen Frauenbewegung entstand in den 70ger Jahren des letzten Jahrhunderts eine historische Forschungsrichtung, die die Geschichte von Frauen als Bestandteil des historischen Prozesses sichtbar machen will, nicht nur, um ein Defizit bisheriger Forschung additiv auszugleichen, sondern auch, um die Kenntnis historischer Entwicklungen insgesamt zu vertiefen. Zu den wichtigsten methodischen Postulaten dieser Forschungsrichtung gehört die Einführung von „Geschlecht“ als zusätzlicher Kategorie sozialgeschichtlichen Forschens. Dadurch sollen die soziale Bedeutung der Geschlechtsunterschiede und das Verhältnis der Geschlechter zueinander als Aspekte historischer Entwicklung sichtbar gemacht und erforscht werden. Damit soll auch der Erkenntnis Rechnung getragen werden, dass die Rollen von Frauen und Männern im gesellschaftlichen Leben, das Verhältnis zwischen den Geschlechtern und die Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit nicht biologisch determinierte Konstanten sind, sondern dem historischen Wandel unterliegen.
Mit der vorliegenden Arbeit möchte ich die Schriftlichkeit von Frauen im Frühmittelalter untersuchen und dabei im Besonderen auf den „liber manualis“ von Dhuoda eingehen.
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2.Literalität im Frühmittelalter
3.Literalität von Frauen im Frühmittelalter
3.1.Frauen als Schreiberinnen
3.2. Frauen als Autorinnen
3.3. Frauen als Leserinnen und Benutzerinnen von Schrifttexten
3.4. Bildungsstand von Frauen im Frühmittelalter
4. Der liber manualis von Dhuoda
4.1. Dhuoda
4.2. Der liber manualis – eine Quellenkritik
5. Schlussbetrachtung
Literaturliste
A woman must have money and a room of her own if she is to write a fiction
Virginia Woolf, 1929
1. Einleitung
Die historische Betrachtung von Frauen erfolgte in der früheren Geschichtstheorie unter dem Gesichtspunkt der Relevanz, die man ihnen nach dem jeweils herrschenden Geschichtsverständnis beimaß[1]. So wurden in der politischen Geschichte bedeutende Königinnen und besonders Regentinnen unmündiger Könige berücksichtigt, in der Kultur- und Geistesgeschichte widmete man sich bedeutenden Autorinnen und in der Kirchen- und Frömmigkeitsgeschichte waren Äbtissinnen und Heilige der Gegenstand der Geschichtsschreibung. Diese Frauen erhielten ihren Platz in der Geschichte wegen ihrer historischen Leistung, nicht um ihrer selbst und nicht um ihres Geschlechtes willen.[2]
Im Kontext der neuen Frauenbewegung entstand in den 70ger Jahren des letzten Jahrhunderts eine historische Forschungsrichtung, die die Geschichte von Frauen als Bestandteil des historischen Prozesses sichtbar machen will, nicht nur, um ein Defizit bisheriger Forschung additiv auszugleichen, sondern auch, um die Kenntnis historischer Entwicklungen insgesamt zu vertiefen. Zu den wichtigsten methodischen Postulaten dieser Forschungsrichtung gehört die Einführung von „Geschlecht“ als zusätzlicher Kategorie sozialgeschichtlichen Forschens. Dadurch sollen die soziale Bedeutung der Geschlechtsunterschiede und das Verhältnis der Geschlechter zueinander als Aspekte historischer Entwicklung sichtbar gemacht und erforscht werden. Damit soll auch der Erkenntnis Rechnung getragen werden, dass die Rollen von Frauen und Männern im gesellschaftlichen Leben, das Verhältnis zwischen den Geschlechtern und die Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit nicht biologisch determinierte Konstanten sind, sondern dem historischen Wandel unterliegen.[3]
Mit der vorliegenden Arbeit möchte ich die Schriftlichkeit von Frauen im Frühmittelalter untersuchen und dabei im Besonderen auf den „liber manualis“ von Dhuoda eingehen.
Zum zeitlichen Umfang der Epoche ist zu sagen, dass als „das Mittelalter“ traditionell der Zeitraum zwischen 500 und 1500 n.Chr. angesehen wird. Es liegt zwischen Antike und Neuzeit. Seine Anfangs- und Endzeiten sind umstritten. Der Beginn des Mittelalters wird zum einen traditionell oft mit dem Ende des Weströmischen Reiches (476) angesetzt, er schwankt aber zwischen dem Toleranzedikt Konstantins (313) und der Errichtung des Abendlandes durch Karl den Großen. Das Ende, traditionell mit der Entdeckung Amerikas (1492) oder Luthers Thesenschlag (1517) verbunden, schwankt in der Bewertung zwischen der Eroberung Konstantinopels durch die Türken (1453) und der Französischen Revolution (1789). In der modernen historischen Forschung tritt niemand mehr ernsthaft für konkrete Anfangs- und Enddaten ein, weil jede Epoche in einem langen Prozess mit Übergangsphasen entsteht und wieder zu Ende geht, und weil die ungefähren Grenzen in erster Linie davon abhängen, welchen Aspekten man im Spektrum der historischen Betrachtungsweise den Vorzug gibt.[4]
Diese Betrachtungsweise unterstützt den Ansatz der historischen Frauenforschung, die Frauengeschichte als Gesellschafts- und Sozialgeschichte führe zu einer neuen Einordnung der Epochen. „Eine der Aufgaben der Frauengeschichte ist es, die gültigen Muster der Periodisierung in Frage zu stellen..“ schrieb Joan Kelly. „Es gab keine Renaissance für die Frauen – zumindest nicht während der Renaissance“.[5]
Goetz sieht lediglich noch eine Zäsur im 11./12. Jahrhundert und teilt das Mittelalter in Früh- und Spätmittelalter auf.[6]
2. Literalität im Frühmittelalter
Im Raum des spätantiken Gallien vollzog sich der Übergang von der Antike zum Mittelalter durch das allmähliche Hineinwachsen des von König Chlodwig (482 – 511) errichteten merowingischen Frankenreiches in die bestehenden politischen und kirchlichen Strukturen. Dadurch wurden wichtige Grundlagen für das karolingische Reich und seine Nachfolgestaaten und für die gesamte mittelalterliche Welt gelegt.
Die geistige und literararische Entwicklung dieser Epoche stellt sich, wenn man mit antikem Maßstab misst, als ein Niedergang dar. Im 7. Jahrhundert brachen auch in Südgallien die weltlichen Bildungstraditionen der Spätantike ab, und die Vermittlung literarischer Bildung verlagerte sich ganz auf kirchliche Einrichtungen.[7] Es hatte sich zwar auch in der germanischen Welt eine ansehnliche Kultur neben der römischen entwickelt, und zwar auf der Ebene des alltäglichen Lebens, die Höhe der römischen literarischen und künstlerischen Kultur erreichte sie nicht.[8]
In der Karolingerzeit gab es nur wenige, allerdings recht umfangreiche Buchsammlungen; im 10. und 11. Jahrhundert stieg ihre Zahl in Mitteleuropa nur langsam an. Viele Bibliotheken wurden dann im Laufe des Hochmittelalters eingerichtet.[9] Im frühen und hohen Mittelalter war Lesen und Schreiben zumeist eine Sache des Klerus und damit nach den Rückschlägen im 9. und 10. Jahrhundert bestimmt durch die Verbesserung der Ausbildung von Klerikern, Mönchen und Nonnen in Kloster-, Stifts- und Domschulen, durch den steigenden Einfluss der Kirche in der Gesellschaft, die Expansion und Differenzierung der Ordenslandschaft sowie verschiedene religiöse und kirchliche Bewegungen.[10]
Insgesamt entsteht der Eindruck, dass es kaum eine allgemeine, nicht kirchliche, Schriftlichkeit im frühen Mittelalter gab.[11]
Angenendt führt dazu aus, dass die provinzialromanische Bevölkerung der Spätantike in aller Regel noch schreiben und die eigene Unterschrift leisten konnte. Die Schreibfähigkeit habe aber zum Mittelalter hin stark abgenommen. Lesen konnten noch relativ viele, schreiben nur wenige. Unter den Merowingerkönigen waren noch mehrere schreibkundig, die karolingischen Herrscher bis einschließlich Karl der Große konnten bei ihrer Unterschrift nur einen Strich in dem ihnen vorgeschriebenen Monogramm machen. Ludwig der Fromme und seine schreibkundigen Söhne waren eine Ausnahme, erst mit Otto III. folgte ihnen wieder ein schreibkundiger Herrscher. Der Adel verachtete alles Pergament, und die „Geringschätzung des Schreibgeschäfts durch den schwerttragenden Adel hielt über das ganze Mittelalter an“ (A. Wendehorst). Selbst der Klerus, der zur Ausübung seiner Amtspflichten lesekundig sein musste, war keineswegs immer schreibfähig.[12]
Andererseits wurde die sich zwischen dem 7. und 12. Jahrhundert entwickelnde Schreibkultur überwiegend durch Mönche geprägt.[13] Das scholastische und säkulare Schreiben begann im größeren Umfang erst um 1150.[14]
Angenendt weist darauf hin, dass die mangelnde Schriftlichkeit nicht als Mangel gedeutet werden darf. Das Frühmittelalter sei eine orale Kultur mit den typischen Gesetzen mündlicher Tradition gewesen.[15]
Zur Schreibpraxis ist zu sagen, dass sich in diesem Punkt die Praktiken der Antike ins Mittelalter fortsetzten. Texte wurden diktiert, Reden wurden mitgeschrieben, die mittelalterliche Buchform des Codex und das Schreibpult waren schon in der Antike bekannt. Als Beschreibstoff wurden weiterhin Wachstäfelchen und Pergament benutzt, das Schreibrohr der Römer wurde durch die Feder ersetzt. Es wurde weiterhin in überwiegend in Latein geschrieben.[16]
3. Literalität von Frauen im Frühmittelalter
„ 1. Es gibt keine 10 Prozent Belege für Frauen – Verhältnis zur Gesamtzahl; die Quellen sprechen überwiegend von den Männern und nennen manchmal selbst bei Müttern, Schwestern oder Töchtern von Königen nicht einmal den Namen.“:
Das schreibt Karl Ferdinand Werner im Zusammenhang mit dem Vorhaben „Prosopographia regnorum orbis latini“, das es sich zum Ziel gesetzt hat, zunächst aus Quellen aller Art, die überlieferten Personennamen und in der Folge die identifizierbaren Personen und Familienverbindungen für die Zeit des 5. bis 10. Jhdts. im Frankenreich zu erfassen.
Zur Frage der Literalität von Frauen stütze ich mich im Folgenden auf die Untersuchungen der britischen Historikerin Rosamund McKitterick.[17] Im Rahmen des Bochumer Historikertages am 27.09.1990 hielt sie in der Sektion „Bedingungen und Formen weiblicher Lebensgestaltung im frühen Mittelalter“ den Vortrag „Frauen und Schriftlichkeit im Frühmittelalter“.
Das Ziel ihrer Untersuchung war, ein vollständigeres Bild der frühmittelalterlichen Kultur und Gesellschaft zu erhalten.
Die Frage nach der Schriftlichkeit von Frauen im Frühmittelalter versucht sie zu beantworten, indem sie sich auf die technischen Fähigkeiten der Frauen konzentriert und die Belege für Frauen als Schreiberinnen, Autorinnen und Leserinnen im Wege des Quellenstudiums untersucht.
[...]
[1] Goetz, 1995, S. 13
[2] a.a.O.
[3] Wittern, 1994, S. 9
[4] Goetz, 1993, 2000, S. 33
[5] zitiert nach Anderson/Zinsser, 1995, S. 15
[6] a.a.O.
[7] Wittern, 1994, S. 8
[8] Angenendt, 1990, S. 34
[9] Neddermeyer, 1998, S. 542
[10] a.a.O., S. 545
[11] a.a.O., S. 6
[12] Angenendt, 1990, S. 152
[13] Ludwig, 1994, S. 58
[14] a.a.O, S. 58-60
[15] Angenendt, 1990, S. 152
[16] Ludwig, 1994, S. 58
[17] McKitterick, 1991, S. 65-110
- Arbeit zitieren
- Ulrike Breth (Autor:in), 2005, Schriftlichkeit von Frauen im Frühmittelalter am Beispiel von Dhuoda, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43077
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