„Gerade Hagen ist im Nibelungenlied eine Figur, welcher die Deutschen in der Rezeption sehr wechselhaft gegenüberstehen, denn der Nibelungenheld ist schon im Urtext selbst sehr widersprüchlich dargestellt.“ fasst Susanne Frembs die Problematik der Gestalt des Hagen von Tronege im Nibelungenlied sehr treffend zusammen.
Im Laufe der Rezeption und Analyse hat die Gestalt Hagens eine Vielzahl von Interpretationen und Bezeichnungen erfahren. Von der „Inkorporation des Nibelungenschicksals“, der „Getreue und Ungetreue zugleich“, „Verkörperung heroischen Handelns“ bis zu dem Helden „der trotz Warnungen wissend ins Verderben zieht, sein Schicksal selbst vorantreibt und nach tapferer Gegenwehr lachend einen grausamen Tod erträgt.“ reichen die Umschreibungen, die durchaus etwas von der Mischung aus Bewunderung und Schrecken, welche die Gestalt Hagens umgibt, anklingen lassen.
Vielgestaltig sind auch die Darstellungen die diese Gestalt im Laufe ihrer Geschichte erfahren hat. Vom verdammungswürdigen Schurken über den Antihelden bis hin zur zweiten positiven Hauptgestalt reicht dabei die Bandbreite. Ein großer Teil der Theorien und Analysen im Bezug auf die Figur Hagens stammen aus dem zwanzigsten Jahrhundert, was einige Autoren eine „Bedeutungsverschiebung von Siegfried zu Hagen“ nahe legen lässt.
All dies macht deutlich wie schwierig sich diese Figur des Nibelungenliedes für die Rezipienten deuten lies. Dies begründet sich insbesondere in der Widersprüchlichkeit der Darstellung die bereits den Basistext, das mittelhochdeutsche Nibelungenlied, durchzieht. Diese Ambivalenz ist so groß und auffallend, das einige Autoren, eine Doppelung der Hagengestalt sehen, die sich aus der Erzählstruktur des Textes erklären lässt.
Eine äußerst schwierig zu erklärende Gestalt also, deren gesamte Darstellung sich also nur sehr schwer analysieren lässt. Und gleichzeitig eine der reizvollsten Gestalten des Nibelungenliedes für eine Analyse, Verbergen doch gerade die Widersprüche und Lücken in der Darstellung viele interessante Interpretationsansätze.
Inhalt
1. Die Probleme der Hagendarstellung und Rezeption
2.0. Der Name und seine mögliche Bedeutungen
2.1. Der reale Hagen – der Versuch eines Wirklichkeitsbezugs
2.1.1. Geographische Analyse
2.1.2 Etymologische Analyse des Namens
2.2. Der mythologische Hagen – Bezüge zu den Darstellungen in Sage und Legende
2.2.1. Intertextuelle Bezüge zur Gestalt Hagen von Tronege
2.2.2. Mythische Wurzeln der Gestalt Hagen von Tronege
3. Das fehlende Zeitgefüge
4.0. Die Darstellung Hagens im Text des Nibelungenlieds
4.1. Auf ihn verwendete Begriffe und Umschreibungen
4.2. Die Einführung der Hagengestalt in die Handlung
4.3. Das Verhältnis von Sigfrid und Hagen
4.4. Der Sigfridmord – mögliche Motive
4.5. Die Gegner Hagen – Kriemhild
4.6. Darstellung Hagens in der Nibelunge Nôt
5. Schlussfolgerungen zur Gestalt Hagen von Tronege
1. Die Probleme der Hagendarstellung und Rezeption
„Gerade Hagen ist im Nibelungenlied eine Figur, welcher die Deutschen in der Rezeption sehr wechselhaft gegenüberstehen, denn der Nibelungenheld ist schon im Urtext selbst sehr widersprüchlich dargestellt.“[1] fasst Susanne Frembs die Problematik der Gestalt des Hagen von Tronege im Nibelungenlied sehr treffend zusammen.
Im Laufe der Rezeption und Analyse hat die Gestalt Hagens eine Vielzahl von Interpretationen und Bezeichnungen erfahren. Von der „Inkorporation des Nibelungenschicksals“[2], der „Getreue und Ungetreue zugleich“[3], „Verkörperung heroischen Handelns“[4] bis zu dem Helden „der trotz Warnungen wissend ins Verderben zieht, sein Schicksal selbst vorantreibt und nach tapferer Gegenwehr lachend einen grausamen Tod erträgt.“[5] reichen die Umschreibungen, die durchaus etwas von der Mischung aus Bewunderung und Schrecken, welche die Gestalt Hagens umgibt, anklingen lassen.
Vielgestaltig sind auch die Darstellungen die diese Gestalt im Laufe ihrer Geschichte erfahren hat. Vom verdammungswürdigen Schurken über den Antihelden bis hin zur zweiten positiven Hauptgestalt reicht dabei die Bandbreite. Ein großer Teil der Theorien und Analysen im Bezug auf die Figur Hagens stammen aus dem zwanzigsten Jahrhundert, was einige Autoren eine „Bedeutungsverschiebung von Siegfried zu Hagen“[6] nahe legen lässt.
All dies macht deutlich wie schwierig sich diese Figur des Nibelungenliedes für die Rezipienten deuten lies. Dies begründet sich insbesondere in der Widersprüchlichkeit der Darstellung die bereits den Basistext, das mittelhochdeutsche Nibelungenlied, durchzieht. Diese Ambivalenz ist so groß und auffallend, das einige Autoren, eine Doppelung der Hagengestalt sehen, die sich aus der Erzählstruktur des Textes erklären lässt.[7]
Eine äußerst schwierig zu erklärende Gestalt also, deren gesamte Darstellung sich also nur sehr schwer analysieren lässt. Und gleichzeitig eine der reizvollsten Gestalten des Nibelungenliedes für eine Analyse, Verbergen doch gerade die Widersprüche und Lücken in der Darstellung viele interessante Interpretationsansätze.
2.0 Der Name und seine möglichen Bedeutungen
Bei vielen Gestalten der germanischen Heldenepik ist es möglich einen Bezug zu einer reellen historischen Gestalt herzustellen. Mögen diese Bezüge oft widersprüchlich oder bis zur Unkenntlichkeit entstellt sein, sie geben doch immer beachtenswerte Hinweise auf Autorenintention und Zeitgebunden Sichtweisen auf bestimmte Personen aus Geschichte und Überlieferung. Außerdem erlauben sie Spekulationen über den Entstehungszeitraum des Werkes. Auch kann eine Analyse des Namens einen versteckten, aber vom Autor beabsichtigen Hinweis auf den Charakter der Person enthalten, indem der Autor auf eine andere bekannte Gestalt des Überlieferung anspielt. Sollte es auch bei Hagen von Tronege möglich sein, einen solchen Bezug herzustellen?
2.1 Der reale Hagen – die Versuche eines Wirklichkeitsbezuges
Im Text werden mehrere Versionen von Hagens Namen verwendet. Häufig wird er als von Tronege Hagene bezeichnet, wenn auch nur in Ausnahmefällen umgekehrt Hagen von Tronege, einmal geborn von Tronege, helt von Tronege , und zweimal von Tronegaere.[8] Während der Vorname konstant bleibt, ist die restliche Bezeichnung einer gewissen Fluktuation von Versionen unterworfen, die sich jedoch letztendlich in das selbe Muster einpassen. Man kann nun versuchen sich auf verschiedene Weise diesem Namen und seinen Bezügen zur Realität zu nähern.
2.1.1 Die Geographische Analyse
Der Name Hagen lies in den dreißiger Jahren die Theorie entstehen, es handele sich um eine Darstellung des Alanenherrschers Chagan Goar[9], auch wurde eine Ähnlichkeit mit dem norwegischen Herrscher Hakon I[10] bemerkt, keine dieser Theorien erwies sich jedoch als ausreichend begründbar.
Bei dem Namen von Tronege hingegen konnte man verschiedene geographische Bezüge herstellen. Dabei ergab sich eine Vielzahl von möglichen Orten, angefangen bei der Burg Troneck im Hunsrück, Kirchberg im Elsaß, ein Ort der im Mittelalter Tronje hieß, Tournay und Tongres in Belgien, Troies an der Seine, bis hin zu Trondheim in Norwegen.[11] Keine dieser geographischen Spekulationen lässt sich jedoch, weder direkt noch indirekt, am Text nachweisen. Weitere Hinweise auf diese geographische Verortung ergeben sich nur noch aus Intertextuellen Bezügen zur Gestalt Hagens von Tronje.
Hagens Beiname wird im lateinischen „Waltharius“ mit seiner trojanischen Abstammung erklärt.[12] Allerdings erlaubt dies keine Schlüssige Analyse oder Erklärung.
2.1.2. Die etymologische Analyse des Namens
Eine andere Möglichkeit der Analyse des Namens ist die Etymologische Analyse des Wortes Hagen. Hagen scheint seine Wurzeln in dem Wort hag zu haben. Dieses Worte beschreibt eine aus Dornengestrüpp errichtete Einfriedung, woraus sich also die Namensbedeutungen: Heckendorn oder Beschützer ergeben würden. Beide haben ein gewisses Maß an Passendheit für die Figur Hagens, der sowohl als schwierig, dornig, erscheint, als auch der Beschützer der Burgender ist. Die Frage die hierbei ungeklärt bleibt ist die, ob der Autor diesen Namen mit einer bestimmten Intention gab, oder nicht.
2.2. Der mythologische Hagen- Bezüge zu den Darstellung in Sage und Legende
2.2.1. Intertextuelle Bezüge zur Gestalt Hagens von Tronege
Von den meisten Heldenepen lassen sich Interetextuelle Verbindungen zu anderen Werken herstellen. Manche haben auch Bezug auf eine einzelne Figur oder Ereigniss. Genau dies ist bei Hagen von Tronege der Fall. Er findet in verschiedenen anderen Werken Erwähnung und spielt im „Waltharius“ eine tragende Rolle.
Überhaupt stellte der Waltharius den größten Interetextuellen Bezug zur Gestalt Hagens her. Gibt er doch einen vermutbaren Aufschluss auf Hagens Jugend. Auf Hagens Zeit als Geisel der Hunnen, spielen auch einige Strophen im Nibelungenlied an, insbesondere in der Diskussion der Hunnischen Kämpfer über ihn:
Ouch erkenne ich Hagenen von sinen jungen tagen
des mac man vom dem recken lihte mir gesagen
in zwein und zwanzig stürmen han ich in gesehen,
sa vil maniger vrouwen ist herzenleide geschehen.
Er unt der von Spane die traten manigen stic
do si hie bi Etzeln vahten manigen wic
zen eren em künege: des ist vil geschehen
dar umbe mouz man Hagenen der eren pilliche jehen.
Dannoch was der recke siner jare ein kint.
daz do die tumben waren wie grise die nu sint!
nu ist er komen ze witzen und ist ein grimmec man
ouch treit er Palmungen, daz er vil übele gewan.
(1796ff)
und in Hildebrands Schelte Hagen gegenüber.
Des antwurte Hildebrant „zwiu verzwizet ir mir daz?
nu wer was der ufme schilde vor dem Waskensteine saz,
do im von Spanje Walther so vil der friunde sluoc?
(2344)
Betrachtet man beide Zitate, dann scheint ein analytischer Bezug des Nibelungenliedes auf den „Waltharius“ im Bezug auf Hagen durchaus legitim. Nur leider ergeben sich aus dieser Quelle nur wenig brauchbare Hinweise auf Hagens Herkommen. Einige Versionen des „“Waltharius“ stellen Hagen als Sohn eines Gefolgsmannes von Gunthers Vater Gibich dar, der anstelle von Gunther als Geisel zu den Hunnen geschickt wird.[13] Aber auch das gibt keinen Hinweis auf den Konkreten Hagen. Der einzige Konkret verfolgbare geographische Bezug, ist der auf den Wasgenstein, und dieser liefert keinen Hinweis der bei der Erforschung der Hagengestalt weiterhelfen könnte.
Auch ergeben sich einige Widersprüche zwischen dem Nibelungenlied und dem „Waltharius.“ Verliert Hagen doch in dem letzten Kampf am Wasgenstein gegen Walther, ein Auge und im Nibelungenlied ist nirgendwo davon die Rede das Hagen einäugig ist. So sehr dieses Bild von ihm unsere Vorstellung geprägt haben mag. Dies macht deutlich, dass man die Aussagen des „Waltherius“ über Hagen nicht absolut für das Nibelungen als gültig erklären kann. Der Autor mag das Motiv der Gestalt Hagens übernommen haben, aber zu welchem Umfange er das tat, geht nur aus dem Text hervor.
2.2.2. Mythische Wurzeln der Gestalt Hagens von Tronege
Verschiedene Autoren haben versucht den Namen Hagen von Tronege mit mythologsichen Gestalten der germanischen Überlieferung zu verbinden. Am auffallensten dabei ist der Vergleich Hagens mit der Gestalt des Hödr aus der Edda.[14] Hödr ist blind, was einen interessanten Bezug zu der Hagen unterstellten Einäugigkeit im „Waltharius“ erlaubt. Hödr ist der Begleiter von Baldur, zwischen dem und Siegfried man hier eine Parallele ziehen könnte. Und es ist Hödr der den tödlichen Pfeil auf Baldur abschießt. Hier allerdings enden auch die Parallelen. Denn wo Hödr ahnungslos ist und von Loki benutzt wird, handelt Hagen aus eigener Entscheidung und in vollem Wissen was er tut. Und so verlockend eine derartige Parallele sein mag, sie ist zu ungenau und zu vieldeutig um von Nutzen zu sein. Denn, wollte man eine derartige Parallele ziehen könnte man auch einen Vergleich Zwischen Hagen und Odin herstellen, beide sind einäugig und verfügen über eine große Voraussicht. Und dies ist nicht die letzte mögliche Parallele zur nordischen Sagenwelt. Daher bleiben auch diese Spuren ohne Ergebnis.
Von allen Spuren auf der ebene einer Analyse des Namens scheint die etymologische Analyse die einzig fruchtbringende zu sein, während alle anderen auf mehr oder weniger langen Umwegen in die Irre führen. So bleibt für die Analyse der Gestalt Hagens nur eines übrig: Die Darstellung seiner Person im Nibelungenlied genauer zu untersuchen.
[...]
[1] Frembs, Susanne: Nibelungelied und Nationalgedanke nach neunzehnhundert. Über den Umgang der deutschen mit ihrem „Nationalepos.“ ibidem Verlag, Stuttgart, 2001
[2] Wapnewski, P.: Rüderges Schild in: Euph. 54 (1960), 380- 410
[3] Schröder, W.J.: Das Nibelungenlied, Versuch einer Deutung, Niemeyer Verlag, Halle, 1954
[4] Müller, Jan Dirk: Das Nibelungenlied, in: Brunner, H. (HG): Mittelhochdeutsche Romane und Heldenepen, Stuttgart 1993, S.146-153
[5] Backenköhler, G.: Untersuchungen zur Gestalt Hagens von Tronje in den mittelalterlichen Nibelungendichtungen, Diss.Rhein,´. Friedrich-Wilhelms Universität, Bonn 1961, S.188
[6] Frembs, Susanne: Nibelungelied und Nationalgedanke nach neunzehnhundert. Über den Umgang der deutschen mit ihrem „Nationalepos.“ ibidem Verlag, Stuttgart, 2001
[7] Heinzle, Joachim: Zweimal Hagen oder Rezeption als Sinnunterstellung, S. 22
[8] Panzer, Friedrich: Das Nibelungenlied, Entstehung und Gestalt, Kohlhammer Verlag, Stuttgart und Köln, 1955
[9] Schütte, G. Sigfrid und Brünhild, Jena 1935
[10] Hollander, L.M.: Hagen von Tronegaere, in: Neophilologus 8,4 (1969), 398-402
[11] Backenköhler, G.: Untersuchungen zur Gestalt Hagens von Tronje in den mittelalterlichen Nibelungendichtungen, Diss.Rhein,´. Friedrich-Wilhelms Universität, Bonn 1961, S.188
[12] Waltharius, in: Vollmann B. und Haug. W. Frühe Deutsche Literatur und lateinische Literatur in Deutschland 800-1500, Frankfurt a.M.; 1991, S.163 - 259
[13] Waltharilied, in: Bötticher. G. und Kinzel K.(HG): Denkmäler der älteren deutschen Literatur, Halle, 1910
[14] Lachmann, K. Zu den Nibelungen und zur Klage, Anmerkungen, Berlin 1936
- Citation du texte
- Dorothea Ehrhardt (Auteur), 2002, Hagen von Tronege im Nibelungenlied, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43044
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