Diese Hausarbeit vermag das Thema der Patientenverfügung in seiner Komplexität nicht zu erfassen. Vielmehr soll versucht werden, die Problematik so zu strukturieren und zu simplifizieren, um zweierlei zu erreichen: erstens, um Klarheit zu schaffen, und zweitens, um einen Überblick und somit einen Einstieg in die Thematik zu ermöglichen. Hierfür ist es zweckdienlich die Hausarbeit in drei Bereiche zu unterteilen: (1) Faktum Patientenverfügung, (2) Praxistauglichkeit der Patientenverfügung und (3) philosophische Betrachtungen.
Der erste Teil der Hausarbeit, Faktum Patientenverfügung, dient der Aufklärung über die Problematik. Es wird gefragt, was eine Patientenverfügung ist und was nicht (2.1), worüber der Bundesgerichtshof 2003 entschied (2.3) und wann und warum Patientenverfügungen entstanden (2.4)? Der Fokus des Kapitels liegt darauf, zu analysieren, welche Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Erstellung, Anwendung und Ausführung von Patientenverfügung entstehen (2.2). Neben der Schilderung dieser Probleme wird zugleich der Versuch unternommen, diese zu deuten und gegebenenfalls aufzulösen. Nur im begrenzten Umfang kann hier auf die zu umfassende Thematik des Betreuungsrecht und der Vorsorgevollmacht eingegangen werden.
Der zweite Teil, die Praxistauglichkeit der Patientenverfügung, umfasst die drei Schwerpunkte Aktualität, Aktivität und Akzeptanz. Unter dem Punkt der Aktualität wird die derzeitige, deutsche Diskussion beschrieben (3.1.1) und der Fall Terri Schiavo (3.1.2) vorgestellt. Bei dem zweiten Punkt, der Aktivität, liegt der Schwerpunkt darauf zu hinterfragen, was die Patientenverfügung zu leisten vermag (3.2.1). Der letzte Punkt, die Akzeptanz, betrachtet folgende Themen: Ermittlung des Stellenwerts der Patientenverfügung in Deutschland durch Umfragen (3.3.1), die Frage, ob die Patientenverfügung in den USA gescheitert ist (3.3.3) und Ausbreitung der Patientenverfügung in Europa (3.3.2).
Im dritten Teil, der philosophischen Betrachtung, werden erstens, das Identitätsproblem (4.1), und zweitens, das Problem der Gefahren semantischer Unzulänglichkeiten (4.2) behandelt, abschließend wird der philosophische Autonomiebegriff (4.3) näher beleuchtet.
Im Anhang befindet sich ein Glossar-Teil, der komplizierte Begrifflichkeiten definiert und zum besseren Verständnis beiträgt.
Inhalt
1 Einstand: Salus absolutus - Der mündige Patient einer Patientenverfügung
2 Umstand: Faktum Patientenverfügung
2.1 Was eine Patientenverfügung ist, und was nicht?
2.2 Probleme der Patientenverfügung: Missachtung, Missbrauch und Missverständnis
2.3 Trotz des BGH-Urteils (2003) kein Ende der Rechtsunsicherheit
2.4 Warum, wo und wann die Idee der Patientenverfügung entstand?
3 Zustand: Aktualität, Aktivität und Akzeptanz - Praxistauglichkeit der Patientenverfügung
3.1 Aktualität
3.1.1 Die deutsche Diskussion: Patientenverfügung ja. Aber ... !
3.1.2 Der Fall Schiavo: Patientenautonomie zwischen einem Kultur- und Machtkampf 22
Aktivität
3.2.1 Was vermag die Patientenverfügung zu leisten?
3.3 Akzeptanz
3.3.1 Umfragen
3.3.2 Patientenverfügung in den USA: Rechtlich verankert, aber gescheitert?
3.3.3 Die Handhabung der Patientenverfügung in Europa
4 Verstand: Die Patientenverfügung und die Philosophie
4.1 Zwischen Then Self und Now Self - Patientenverfügung und das Identitätsproblem
4.1.1 Maßstab der psychologischen Kontinuität
4.1.2 Graduierung der psychologischen Kontinuität
4.2 Patientenverfügung ohne Patient – Die Gefahren semantischer Unzulänglichkeiten
4.3 Der Autonomiebegriff philosophische hinterfragt
5 Endstand: Autonomie ad acta? - und wie weiter!
6 Glossar
7 Quellen
1 Einstand: Salus absolutus - Der mündige Patient einer Patientenverfügung
„Etwa sieben Millionen Deutsche haben eine Patientenverfügung verfasst. Bisher kann sich jedoch niemand darauf verlassen, dass sein Wille tatsächlich respektiert wird. Die Rechtslage ist widersprüchlich, ein Gesetz fehlt gänzlich.“[1][2]
Die Crux der Problematik erschließt sich hier auf einem Blick: Patientenverfügungen genießen einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft, aber keine Rechtssicherheit. Sie dokumentieren den Willen des Patienten und verlängern dessen Selbstbestimmungsrecht bis zu einem Zeitpunkt, an dem „er zu eigenverantwortlichem Entscheiden nicht mehr in der Lage ist“[3]. Sie sind die Hoffnungen vieler, Leiden zu mindern und in Würde zu sterben. Kurzgesagt: Sie sind das Instrument eines mündigen Patienten.
Die Patientenverfügung ist in der deutschen Öffentlichkeit im Gespräch, insbesondere jetzt, während einer konstituierenden und womöglich gesetzgebenden Phase und nach dem umstrittenen Fall der Komapatienten Terri Schiavo in den USA zu Beginn des Jahres 2005. Eine Informationsflut zum Thema, zusammengetragen von vielen Akteuren, zwischen Wahr-, Halb und Unwahrheiten verortet, erschwert die Übersicht über die Problematik und stiftet Verwirrung und Unsicherheit, sowohl bei Patienten, als auch bei Ärzten. Aber gerade auch darum, weil es zu lange versäumt wurde, Patientenverfügungen juristisch eindeutig zu definieren, und weil die Praxistauglichkeit der Patientenverfügungen der Rechtsprechung um Jahre vorauseilte.
Zwar entschied der Bundesgerichtshof (17. März 2003), dass „Patientenverfügungen im Grundsatz als verbindlich“[4] zu erachten sind, zu mehr Rechtssicherheit führte dieses Urteil, wohlgemerkt kein Gesetz, allerdings nicht. Die Beteiligten der aktuellen Diskussion ringen um rechtliche Einigungen, aber die Positionen, die vom liberalen bis zum konservativen Spektrum reichen, scheinen erstarrt und nicht konsensfähig. Dabei ist man sich einig, dass Patientenverfügungen notwendig sind, um die grundrechtlich garantierte Patientenautonomie zu stärken und zu sichern, und dass der Umgang mit Patientenverfügungen nicht in die aktive Sterbehilfe münden darf. Soweit die Gemeinsamkeiten. Die Widersprüche sind dagegen immens und berühren sowohl bedeutende, als auch eher unbedeutende Fragen. Grundlegend gibt es zwei entscheidende Schwierigkeiten im Umgang mit Patientenverfügungen, die es zu klären und zu lösen gilt und die als Ausgangspunkt für viele weiterführende Problemstellungen dienen können:
Erstens, die „Selbstbestimmung kann in ein Spannungsverhältnis zur Fürsorge geraten, [wenn] (...) ein Patient eine lebensnotwendige Behandlung ablehnt.“[5]
Zweitens, die Patientenverfügung gibt nicht den wahren Willen, sondern nur den mutmaßlichen Willen des Patienten wider. Diese Uneindeutigkeit führt unter Umständen zur Missinterpretation des Patientenwillens.[6]
Diese zwei entscheidenden Faktoren einer Patientenverfügung, (1) der Widerspruch zur Fürsorgepflicht und (2) die Uneindeutigkeit des Patientenwillens, erschweren den Umgang mit Patientenverfügungen, resultieren in rechtlichen Inkonsequenzen und Unsicherheiten für alle Beteiligten (Patienten, Angehörige, Ärzte, Betreuer, Vormundschaftsgerichte). Insbesondere die Umkehrung der ärztlichen Fürsorgepflicht, im klassischen Sinne des „salus aegroti suprema lex“[7], zur Lebensrettung und -erhaltung, wird durch den Einsatz von Patientenverfügungen in Frage gestellt. Nichtsdestotrotz gilt es, nicht nur das Wohl des Patienten zu berücksichtigen, sondern auch dessen Würde zu respektieren und seine Entscheidung auf ein selbstbestimmtes Sterben zu akzeptieren. Ein gesellschaftlicher Prozess des Umdenkens im Bezug auf die Bedeutung und Neudeutung des Lebensendes ist vonnöten, um die Patientenverfügung dauerhaft als Instrument der Patientenautonomie zu etablieren. Und erst dann könnte das absolute Wohl des Patienten, das salus absolutus, umfassend an Bedeutung gewinnen.
Im Zweifelsfall sollte gelten, sich nicht für das Leben (vita) zu entscheiden, sondern für die Würde (dignitas) des Menschen.
Diese Hausarbeit vermag das Thema der Patientenverfügung in seiner Komplexität nicht zu erfassen. Vielmehr soll versucht werden, die Problematik so zu strukturieren und zu simplifizieren, um zweierlei zu erreichen: erstens, um Klarheit zu schaffen, und zweitens, um einen Überblick und somit einen Einstieg in die Thematik zu ermöglichen. Hierfür ist es zweckdienlich die Hausarbeit in drei Bereiche zu unterteilen: (1) Faktum Patientenverfügung, (2) Praxistauglichkeit der Patientenverfügung und (3) philosophische Betrachtungen.
Der erste Teil der Hausarbeit, Faktum Patientenverfügung, dient der Aufklärung über die Problematik. Es wird gefragt, was eine Patientenverfügung ist und was nicht (2.1), worüber der Bundesgerichtshof 2003 entschied (2.3) und wann und warum Patientenverfügungen entstanden (2.4)? Der Fokus des Kapitels liegt darauf, zu analysieren, welche Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Erstellung, Anwendung und Ausführung von Patientenverfügung entstehen (2.2). Neben der Schilderung dieser Probleme wird zugleich der Versuch unternommen, diese zu deuten und gegebenenfalls aufzulösen. Nur im begrenzten Umfang kann hier auf die zu umfassende Thematik des Betreuungsrecht und der Vorsorgevollmacht eingegangen werden.
Der zweite Teil, die Praxistauglichkeit der Patientenverfügung, umfasst die drei Schwerpunkte Aktualität, Aktivität und Akzeptanz. Unter dem Punkt der Aktualität wird die derzeitige, deutsche Diskussion beschrieben (3.1.1) und der Fall Terri Schiavo (3.1.2) vorgestellt. Bei dem zweiten Punkt, der Aktivität, liegt der Schwerpunkt darauf zu hinterfragen, was die Patientenverfügung zu leisten vermag (3.2.1). Der letzte Punkt, die Akzeptanz, betrachtet folgende Themen: Ermittlung des Stellenwerts der Patientenverfügung in Deutschland durch Umfragen (3.3.1), die Frage, ob die Patientenverfügung in den USA gescheitert ist (3.3.3) und Ausbreitung der Patientenverfügung in Europa (3.3.2).
Im dritten Teil, der philosophischen Betrachtung, werden erstens, das Identitätsproblem (4.1), und zweitens, das Problem der Gefahren semantischer Unzulänglichkeiten (4.2) behandelt, abschließend wird der philosophische Autonomiebegriff (4.3) näher beleuchtet.
Im Anhang befindet sich ein Glossar-Teil, der komplizierte Begrifflichkeiten definiert und zum besseren Verständnis beiträgt.
2 Umstand: Faktum Patientenverfügung
2.1 Was eine Patientenverfügung ist, und was nicht?
„Eine Patientenverfügung ist eine Willensäußerung eines entscheidungsfähigen Menschen zur zukünftigen medizinischen Behandlung für den Fall eigener Nichteinwilligungsfähigkeit.“[8] Sie bezieht sich „auf Zustände (zum Beispiel: Bewusstlosigkeit oder Schmerzen) oder auf medizinische Maßnahmen (zum Beispiel: künstliche Ernährung)“[9]. „Es soll ein würdiges Sterben nach den Vorstellungen des Patienten - entweder durch Verzicht auf eine Therapie oder durch den Wunsch nach einer bestimmten Therapie - erreicht werden,“[10] was „fürsorglich durch pflegerische und palliativ-medizinische Maßnahmen begleitet“[11] wird. Das Ziel einer Patientenverfügung ist demnach die Gestaltung einer möglichen Situation am Lebensende.[12] In seltenen Fällen werden mit Patientenverfügungen therapeutische Maßnahmen explizit gewünscht.[13]
Eine Patientenverfügung wahrt und gewährt die Würde des Menschen und seine „grundrechtlich geschützte“[14] Patientenautonomie. Sie ist richtungsweisend für das Handeln von Ärzten und bevollmächtigten oder gesetzlichen Vertretern, und sie bindet deren Entscheidung an den Willen des Patienten,[15] sofern „die abgelehnte Behandlung oder der behandlungsbedürftige Zustand hinreichend konkret beschrieben ist“[16]. Jegliche Fremdbestimmung, außer wenn gefordert, wird ausgeschlossen.
Das Erstellen einer Patientenverfügung ist formfrei. Sie kann mündlich, schriftlich oder notariell erfolgen, und sie kann jederzeit abgeändert oder widerrufen werden.[17] Ein einmal geäußerter Wille ist dauerhaft und bis zum Widerruf rechtsgültig und muss nicht, kann aber regelmäßig aktualisiert werden.[18]
Die Patientenverfügung kann mit einer Vorsorgevollmacht[19], einer Betreuungsverfügung[20] oder auch einem Organspendeausweis kombiniert werden.[21]
Laut dem Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2003 gelten Patientenverfügungen als verbindlich, allerdings muss das Grundleiden einen irreversiblen tödlichen Verlauf genommen haben
„Die in Patientenverfügungen verfügte Therapiebegrenzung kann im Allgemeinen als passive Sterbehilfe eingeordnet werden, da in der Regel Maßnahmen, die auf die Behandlung der Erkrankung gerichtet sind, unterbleiben sollen.“[22]
Eine Patientenverfügung ist kein Einstieg in die aktive Sterbehilfe, sie ist keine Tötung auf Verlangen, „die ist und bleibt verboten,“[23] laut Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD).
2.2 Probleme der Patientenverfügung: Missachtung, Missbrauch und Missverständnis
Es gibt verschiedene Problemfelder, welche die Patientenautonomie relativieren oder gänzlich missachten können. Bereits im Vorfeld muss erwähnt werden, dass diese Probleme keiner Verallgemeinerung unterliegen und allenfalls als Einzelfallbeispiele angesehen werden können. Allerdings muss dem Patienten klar sein, hundertprozentige Sicherheit bei der Umsetzung seines Patientenwillens, gibt es nicht. Eine mögliche Einteilung könnte lauten: I. Missachtung des Patientenwillens
II. Missbrauch des Patienten
III. Missverständnisse in der Kommunikation
IV. Missverständnisse allgemeiner Widersprüche
I. Missachtung des Patientenwillens
a. Wenn sich ein Arzt dem Wohl des Patienten verpflichtet fühlt und dieses über das Selbstbestimmungsrecht erhebt, dann wird der Patientenwille bewusst missachtet[24] (Ärztlicher Paternalismus).
b. Wenn eine Patientenverfügung „nicht aussagekräftig und konkret genug“[25] ist und der Arzt den mutmaßlichen Willen[26] des Patienten ermitteln muss, dann wird der wahre Wille des Patienten interpretiert und kann unter Umständen missachtet und/oder missverstanden werden, sowohl bewusst oder unbewusst intendiert.
c. Wenn eine Patientenverfügung nicht vorliegt und der Arzt den mutmaßlichen Willen des Patienten ermittelt (unter Berücksichtigung „(1) altersbedingter Lebenserwartung, (2) dem Ausmaß von Schmerzen, (3) früheren Äußerungen, (4) religiösen Äußerungen, (5) persönlichen Wertvorstellungen des Patienten“[27]), dann gilt b.
d. Wenn eine Notfallsituation eintritt und der Arzt wendet am Patienten gemäß seiner „Garantenstellung zur Lebensrettung“[28] lebensverlängernde Maßnahmen an, dann wird der Patientenwille unbewusst und nicht intendiert missacht.
Die ersten drei Fälle verdeutlichen eine großes Problem mit Patientenverfügungen: die nicht intendierte Fremdbestimmung des Patienten beziehungsweise die Subjektivierung des Objekts (des Patienten) zum Gegenstand von Interpretationsspielräumen, die sich natürlich auch nach den Bedürfnissen des zu Entscheidenden richten. So beispielsweise bei einem Arzt (oder auch bei dem Pflegepersonal auf Krankenhausstationen und Altersheimen): Soll er sich gemäß seiner Verpflichtung gegenüber des hippokratischen Eids für das Leben oder für den Tod, also den Patientenwillen entscheiden? „In dubio pro vita“[29] oder „in dubio pro dignitate“[30] ? Mit Nachdruck äußert sich dazu der Nationale Ethikrat: „Allgemeine und besondere ärztliche Hilfeleistungspflichten dürfen das Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht aushöhlen.“[31] Allerdings verbleibt insbesondere bei „der Ermittlung des mutmaßlichen Willens (...) stets ein Rest an Unsicherheit“[32]. In diesem Falle gilt „der Grundsatz in dubio pro vita“[33]. Dem Patienten muss bewusst sein, dass „kein Sterbeprozess hundertprozentig planbar ist [und] nur in Ausnahmefällen eine Patientenverfügung ohne jede Interpretationsmöglichkeit eins zu eins umzusetzen sein wird.“[34] Auch muss sich ein Patient darüber im Klaren sein, dass „aus dem Selbstbestimmungsrecht (...) in rechtlicher Hinsicht lediglich ein Abwehrrecht gegen Eingriffe in die körperliche Integrität [folgt], jedoch kein Anspruch auf aktive Handlungen anderer. So kann der behandelnde Arzt z. B. eine medizinisch nicht indizierte Maßnahme verweigern.“[35] Hier stößt die Patientenverfügung an die Grenzen ärztlicher, aber auch staatlicher Fürsorgepflicht. Das zeigt, dass Entscheidungen entgegen des Patientenwillens nicht ausgeschlossen werden können.
II. Missbrauch des Patienten
a. Wenn eine Patientenverfügung nicht eindeutig den Willen des Patienten wiedergibt, dann kann der Interpretationsrahmen von Angehörigen und/oder Bevollmächtigen zum Missbrauch des Patienten führen. (Beispiel: „Dem Patienten wird unterstellt, er habe seinen Willen inzwischen geändert.“[36])
b. Wenn sich die Sozialsysteme nicht zum Wert des betreuten Sterbens bekennen[37] oder wenn das persönliche Umfeld, die Belastung des Patienten suggeriert, dann wird der Patient dem moralischen Druck ausgesetzt, mit seinem Tod anderen zu helfen und fühlt sich eventuell veranlasst oder gezwungen, eine Patientenverfügung auszufüllen.
Eine weitere Gefahr kann entstehen, wenn der Patient zum Gegenstand ökonomischer Interessen wird. Sowohl im Gewähren, als auch im Verwehren eines Patientenwillens, können Fragen der wirtschaftlichen Rentabilität eine Rolle spielen. Sei es, (1) um Raumkapazitäten in Krankenhäusern oder Altersheimen zu erschließen (Gewähren des Willens), oder (2) um gewinnbringende Behandlungen fortzuführen, „ohne das medizinische Indikationen“[38] vorliegen (Verwehren des Willens). In beiden Fällen wird der Patient missbraucht, dies steht unter Strafverfolgung. Der Patient wird fremdbestimmt, vielmehr noch, er wird ausgenutzt, im Interesse einzelner, denen er sich im akuten Krankheitsfall oder in der Sterbephase kaum widersetzen kann. Der Nationale Ethikrat betont, dass „Vorliegen oder Nichtvorliegen [einer Patientenverfügung] darf nicht zur Voraussetzung für den Zugang zu medizinischen oder pflegerischen Versorgungseinrichtungen gemacht oder in anderer Weise zu ökonomischen Zwecken missbraucht werden“[39].
III. Missverständnisse in der Kommunikation
a. Wenn sich der Patient gegenüber seinem Arzt mit einem konkreten Verlangen nach einem möglichen Behandlungsverzicht äußert, dann kann es zu einer Störung der Arzt-Patienten-Beziehung kommen.[40]
b. Wenn ein Patient eine Patientenverfügung verfasst, dann können die fortan folgenden Aufgaben und Verpflichtungen für Angehörige, Druck auf diese ausüben und zu einer angespannten Beziehung zwischen Patienten und seinem persönlichen Umfeld führen.
Unter a. fällt, dass sich der Patient trotz ärztlicher Aufklärung und der daraus ergebenden Konsequenzen gegen eine lebensverlängernde Behandlung ausspricht und das Sterben in Würde vorzieht. Die Entscheidung muss nicht vernünftig, sie kann aber dennoch die richtige sein.[41] Dies widerspricht aber entschieden den Verpflichtungen des Arztes gegenüber der Lebenserhaltung. Andererseits besteht die Möglichkeit, dass „persönliche Einstellungen und Präferenzen des Arztes“ die Entscheidungen des Patienten beeinflussen, was nunmehr der Patientenautonomie entgegensteht.
[...]
[1] salus (lat.) = Heil und Wohl.
[2] Tina Hildebrand/Martin Spiewak: Wann wird der Tod zum Freund? Interview mit Margot von Renesse/Klaus Kutzer, DIE ZEIT, 31.03.2005, Nr.14, http://www.zeit.de/2005/14/Patientenverf_9fgung [Zugriff: 14.04.2005].
[3] Ernst Ankermann: Sterben zulassen. München, 2004, S.81.
[4] Ebd, S.82.
[5] Therese Neuer-Miebach: Patientenverfügung - Ein Instrument der Selbstbestimmung. Nationaler Ethikrat, 02.06.2005, http://www.ethikrat.org/stellungnahmen/pdf/Stellungnahme_Patientenverfuegung.pdf, [Zugriff: 02.06.2005], S.10
[6] Jeanne Nicklas-Faust, Katrin Grüber: Patientenverfügungen. Bündnis 90/Die Grünen (Hrsg.), Berlin, Februar 2005, S.17
[7] Gisela Bockenheimer-Lucius: Die Patientenverfügung - Wann ist sie verbindlich? Hessisches Ärzteblatt (3/2005), S.169.
[8] Jeanne Nicklas-Faust, Katrin Grüber: Patientenverfügungen. Bündnis 90/Die Grünen (Hrsg.), Berlin, Februar 2005, S.11.
[9] Therese Neuer-Miebach: Patientenverfügung - Ein Instrument der Selbstbestimmung. Nationaler Ethikrat, 02.06.2005, http://www.ethikrat.org/stellungnahmen/pdf/Stellungnahme_Patientenverfuegung.pdf, [Zugriff: 02.06.2005], S.16.
[10] Jeanne Nicklas-Faust, Katrin Grüber: Patientenverfügungen. Bündnis 90/Die Grünen (Hrsg.), Berlin, Februar 2005, S.11.
[11] Ernst Ankermann: Sterben zulassen. München, 2004, S.86.
[12] Ebd.
[13] Ebd., S.12.
[14] Volker Lipp: Patientenautonomie und Lebensschutz. Göttingen, 2005, S.10.
[15] Arbeitsgruppe Patientenautonomie am Lebensende, Vorsitz Klaus Kutzer: Patientenautonomie am Lebensende. Ärzteblatt, 10.06.2004, http://www.aerzteblatt.de/v4/plus/down.asp?typ=PDF&id=1348 [Zugriff: 31.03.2005].
[16] Therese Neuer-Miebach: Patientenverfügung - Ein Instrument der Selbstbestimmung. Nationaler Ethikrat, 02.06.2005, http://www.ethikrat.org/stellungnahmen/pdf/Stellungnahme_Patientenverfuegung.pdf, [Zugriff: 02.06.2005], S.16.
[17] Therese Neuer-Miebach: Patientenverfügung - Ein Instrument der Selbstbestimmung. Nationaler Ethikrat, 02.06.2005, http://www.ethikrat.org/stellungnahmen/pdf/Stellungnahme_Patientenverfuegung.pdf, [Zugriff: 02.06.2005], S.16.
[18] Ernst Ankermann: Sterben zulassen. München, 2004, S. 93-94.
[19] Siehe 6.Glossar.
[20] Siehe 6.Glossar.
[21] Jeanne Nicklas-Faust, Katrin Grüber: Patientenverfügungen. Bündnis 90/Die Grünen (Hrsg.), Berlin, Februar 2005, S.12.
[22] Ebd., S.18.
[23] Brigitte Zypries, Live-Chat. www.politik-digital.de, 20.01.2005.
[24] Ernst Ankermann: Sterben zulassen. München, 2004, S.96.
[25] Nando Sommerfeldt: Für den Notfall richtig vorbeugen. Die Welt, 18.04.2005, http://www.welt.de/data/ 2005/04/18/706018.html [Zugriff: 21.04.2005].
[26] Siehe 6.Glossar.
[27] Hans-Martin Sass/Rita Kielstein: Patientenverfügung und Betreuungsvollmacht. Münster, 2003, S.92.
[28] Jeanne Nicklas-Faust, Katrin Grüber: Patientenverfügungen. Bündnis 90/Die Grünen (Hrsg.), Berlin, Februar 2005, S.16.
[29] „Im Zweifel für das Leben.“ - Volker Lipp: Patientenautonomie und Lebensschutz. Göttingen, 2005, S.39.
[30] „Im Zweifel für die Würde.“ - Ebd.
[31] Therese Neuer-Miebach: Patientenverfügung - Ein Instrument der Selbstbestimmung. Nationaler Ethikrat, 02.06.2005, http://www.ethikrat.org/stellungnahmen/pdf/Stellungnahme_Patientenverfuegung.pdf, [Zugriff: 02.06.2005], S.12.
[32] Ebd., S.15.
[33] Ebd., S.15.
[34] Tina Hildebrand, Martin Spiewak: Wann wird der Tod zum Freund? Interview mit Margot von Renesse, Klaus Kutzer, DIE ZEIT, 31.03.2005, Nr.14, http://www.zeit.de/2005/14/Patientenverf_9fgung [Zugriff: 14.04.2005].
[35] Therese Neuer-Miebach: Patientenverfügung - Ein Instrument der Selbstbestimmung, . Nationaler Ethikrat, 02.06.2005, http://www.ethikrat.org/stellungnahmen/pdf/Stellungnahme_Patientenverfuegung.pdf, [Zugriff: 02.06.2005], S.10.
[36] Monika Herrmann: Wie ich einmal sterben möchte. Gütersloh, 2001, S.27.
[37] Christian Schwägerl, Heinrich Wefing: Ein Zwang zum Leben wäre Körperverletzung. FAZ., 08.03.2005, S.38.
[38] Ohne Autor: Patientenverfügung auch bei Koma und Demenz wirksam? Ärztezeitung, 02.02.2005, http://www.aerztezeitung.de/docs/2005/02/02/018a0602.asp?cat=/geldundrecht/recht, [Zugriff: 14.04.2005].
[39] Therese Neuer-Miebach: Patientenverfügung - Ein Instrument der Selbstbestimmung. Nationaler Ethikrat, 02.06.2005, http://www.ethikrat.org/stellungnahmen/pdf/Stellungnahme_Patientenverfuegung.pdf, [Zugriff: 02.06.2005], S.29.
[40] Ernst Ankermann: Sterben zulassen. München, 2004, S.88-90.
[41] Ebd., S.93.
- Citation du texte
- Thomas Seifert (Auteur), 2005, Die Patientenverfügung. Zwischen Selbst- und Fremdbestimmung. Eine partiell philosophische Betrachtung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43043
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