In der Silvesternacht 2015/2016 kam es in Köln, im Bereich des Hauptbahnhofes und der Kölner Domplatte zu einer unüberschaubaren Anzahl von sexuellen Übergriffen auf Frauen. Diese Debatte rückte die Überarbeitung des Sexualstrafrechts, unter anderem in Bezug auf die §§184i, j StGB in den Diskussionsmittelpunkt. Grund hierfür waren die Vielzahlen von nicht aufgeklärter sexueller Übergriffe. Es musste somit eine Lösung her, die auch weitreichend die Teilnehmer von Gruppendynamischen Übergriffen erfassen könnte.
In der folgenden Arbeit stehen daher die §§ 184i, j StGB im Diskussionsmittelpunkt. Kritikpunkte wie z.B. die Nachweisbarkeit von subjektiven Tatbeständen oder die Praktische Anwendung werden demnach beleuchtet. Weiterhin werden Tatbestandsmerkmale sowie Gesetzesformulierungen mit Blick auf Interpretationsspielraum in Frage gestellt.
INHALTSVERZEICHNIS:
A. Einleitung
B. Schutzbereich
C. Sexuelle Belästigung gem. § 184 I StGB
I. Diskussion Abs.1
II. Erläuterung Abs.2
III. Erläuterung Abs.3
D. Straftaten aus Gruppen gem. §184 J StGB
F. Fazit
A. Einleitung
In der Silvesternacht 2015/2016 kam es in Köln, im Bereich des Hauptbahnhofes und der Kölner Domplatte zu einer unüberschaubaren Anzahl von sexuellen Übergriffen auf Frauen.[1] Diese Debatte rückte die Überarbeitung des Sexualstrafrechts, unter anderem in Bezug auf die §§184i, j StGB in den Diskussionsmittelpunkt. Grund hierfür waren die Vielzahlen von nicht aufgeklärter sexueller Übergriffe. Es musste somit eine Lösung her, die auch weitreichend die Teilnehmer von Gruppendynamischen Übergriffen erfassen könnte.[2]
In der folgenden Arbeit stehen daher die §§ 184i, j StGB im Diskussionsmittelpunkt. Kritikpunkte wie z.B. die Nachweisbarkeit von subjektiven Tatbeständen oder die Praktische Anwendung werden demnach beleuchtet. Weiterhin werden Tatbestandsmerkmale sowie Gesetzesformulierungen mit Blick auf Interpretationsspielraum in Frage gestellt.
B. Schutzbereich
Das Sexualstrafrecht schützt unter anderem das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Die sexuelle Selbstbestimmung ist ein Grundrecht, welches im Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht enthalten ist. Zweck dieses Grundrechts ist es, vor dem Hintergrund der Menschenwürde die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen zu gewährleisten, die sich durch die traditionellen konkreten Freiheitsgarantien nicht abschließend erfassen lassen.[3] Weiterhin wird durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Selbstbestimmungsrecht geschützt.Dieses Recht erfasst unter anderem das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung.[4] Geschützt wird dadurch vor allem das sexuelle Verhalten. Der Einzelne kann autonom festlegen, wen er als Sexualpartner wählt.[5] Es lässt sich also schlussfolgern, dass der Betroffene selbst über seine Intim- und Privatsphäre entscheiden und bestimmen kann.
C. Sexuelle Belästigung gem. § 184 i StGB
Im Folgenden wird der neue § 184 i StGB erläutert und diskutiert. Durch die Einführung dieses neuen Paragraphen soll das Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung verbessert werden. Fraglich ist, ob dieses Ziel durch Einführung erreicht werden konnte.
I. Diskussion Abs.1
Gemäß Abs. 1 macht sich strafbar, wer eine andere Person in sexueller Weise körperlich berührt und dadurch belästigt. Es muss durch den Täter eine unmittelbare Einwirkung auf das Opfer stattfinden. Erforderlich ist somit eine körperliche Berührung zwischen Täter und Opfer. Verbale Einwirkungen auf das Opfer sind daher nicht erfasst. Die körperlichen Berührungen müssen jedoch in sexuell bestimmter Weise stattfinden.[6] Zugleich sollen diese Berührungen aber keine sexuelle Handlung im Sinne des § 184h StGB sein, denn sonst greift regelmäßig der § 177 I oder II StGB.[7] In sexueller Weise bestimmt sind sie daher, wenn sie mit einer sexuellen Motivation ausgeübt werden. Dies wäre naheliegender Weise zu bejahen, wenn der Täter das Opfer an dessen Geschlechtsorganen berührt oder Handlungen vornimmt, die typischerweise eine sexuelle Intimität zwischen den Beteiligten voraussetzten. Das Küssen des Mundes oder das Begrapschen des Gesäßes wären hier beispielsweise zutreffend.[8] Problematiken könnten sich beim Nachweis der Motivation ergeben. Nicht jede Berührung des Hinterteils einer anderen Person stellt gleich eine sexuelle Belästigung dar. Motivationen den vorkommenden Ereignissen zuzuweisen wird schwer werden, wenn eine solche Berührungen in Menschenmengen oder in einem Getümmel stattgefunden hat.
Weiterhin kann das Streicheln von Armen, Beinen oder Kopf darunterfallen, wobei es auf die Beziehung zwischen den beteiligten ankommt. Der Rechtsprechung wird dadurch ein erheblicher Beurteilungsspielraum eröffnet. Grade darin liegt die Problematik jeder Strafvorschrift gegen sexuelle Belästigung.[9] Das anstößige Streicheln des Innenoberschenkels würde bei vielen den Eindruck einer sexuell Motivierten Handlung darstellen, jedoch war eine solche Motivation des Täters eventuell gar nicht gegeben.
Der Tatbestand setzt Vorsatz voraus, welcher sich auf die körperliche Berührung und auf deren sexuelle Bestimmungen erstrecken muss. Weiterhin muss er den Taterfolg der Belästigung umfassen. Somit scheiden alle Handlungen aus, die der Täter in irriger Annahme unternimmt, die andere Person stimme der Berührung zu, werde sie als Kompliment oder Werbung oder als willkommenen Ausdruck der Wertschätzung ausfassen.[10] Es wird Rechtsanwälten somit ein großer Handlungsspielraum eingeräumt in dessen dem Opfer leicht unterstellt werden kann, er oder sie habe durch Blickkontakt, Gestik oder Mimik der Annäherung zugestimmt. Das Opfer könnte in Folge dessen den Mittelpunkt des Verfahrens einnehmen.
Weiterhin kann der oder die Betroffene die Motivation des Täters falsch gedeutet haben womit Sie die Berührung gar nicht als Belästigung empfunden hat.
Dieser Punkt ist ein weiterer Hauptaspekt des neuen Paragraphen. Es handelt sich hierbei um die subjektive Wahrnehmung des Opfers. Das Opfer muss die Berührung als Belästigung mit sexuellem Charakter empfunden haben. Die Belästigung setzt voraus, dass die Handlung das Opfer in seinem Empfinden nicht unerheblich beeinträchtigt.[11] Legt man nun diese beiden Hauptaspekte, also die sexuellen Motive des Täters und das subjektive Empfinden des Opfers zugrunde, führt diese Kombination zu einem weiten Anwendungsbereich. Erfasst würden somit sozialübliche, aber erfolglose körperliche Annäherungen, etwa, wenn eine Person mit dem Ziel einvernehmlichen Sexualkontakt einer anderen den Arm um die Schulter oder die Hand aufs Bein legt, dann aber feststellen muss, dass das Interesse einseitig ist. Konsequenz der weiteren Auslegung wäre eine Gesellschaft mit strikter körperlicher Distanz, in der sexuelles Interesse ausschließlich verbal bekundet werden dürfte. Ob dies Wünschenswert ist, ist zweifelhaft. Zweifellos würde mit solchen erzieherischen Vorgaben die Aufgabe des Strafrechts überdreht.[12]
II. Erläuterung Abs.2
Bei Abs.2 handelt es sich um eine Strafzumessung, welche durch eine gemeinschaftliche Begehungsweise erfüllt werden kann, demnach muss eine Mittäterschaft vorliegen. Der Strafrahmen reicht bei dieser Begehungsweise von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Auch wenn die Abwehrmöglichkeiten eines Opfers, das sich mehreren Angreifern gegenübersieht, erheblich eingeschränkt sind, ist der Strafrahmen, verglichen etwa mit §§174-174c StGB, maßlos überhöht.[13]
III. Erläuterung Abs.3
Gem. § 184i StGB handelt es sich um ein Antragsdelikt, da die Vorschrift grundsätzlich dadurch gekennzeichnet ist, dass sie in erster Linie die Intimsphäre und damit einen ausgesprochenen Privatberiech des Opfers tangiert. Der oder die Geschädigte muss also eigenes Interesse bekunden und einen Strafantrag stellen, sodass die Straftat verfolgt wird. Besteht an der Strafverfolgung öffentliches Interesse, so hat die Strafverfolgungsbehörde die Pflicht die Straftat auch ohne Strafantrag zu verfolgen.[14]
D. Straftaten aus Gruppen gem. §184 j StGB
Bei der Tatbegehung aus Gruppen gem. § 184j StGB handelt es sich um ein neues und gewichtiges Phänomen, das von Strafschärfungen in Fällen von gemeinschaftlichen Handelns nicht vollständig erfasst wird.[15]
Eine weitreichende Lösung und somit die Verschärfung des Strafrechts sollte also das Problem der Erfassbarkeit von Tätern aus Gruppen lösen. Dies ist zum einen darin begründet, dass sich das Opfer nicht nur einem Täter ausgesetzt sieht, sondern einer Vielzahl von Personen, so dass die Verteidigungs- oder Fluchtchancen für das Opfer stark eingeschränkt werden. Zum anderen sind solche Gruppen durch eine motivierend wirkende Dynamik gekennzeichnet, die durch die gegenseitige Bestärkung der Gruppenmitglieder gespeist wird und die dazu führt, dass der Einzelne anderenfalls bestehende Hemmungen überwindet beziehungsweise gar nicht erst zulässt.[16]
Zur Erfüllung dieses Tatbestandes setzt es eine Personengruppe von mindestens drei Personen voraus, die sich als zumindest situativ zusammengehörig empfinden. Auf die Dauer des Zusammenschlusses kommt es nicht an, auch nicht darauf, ob alle Mitglieder der Gruppe untereinander bekannt sind oder such ausdrücklich verständigt haben.[17] Das bedeutet also, dass der Tatbestand auch greift, wenn sich eine Gruppe mit demselben Hintergedanken zusammentut, ohne vorher über ihr Vorhaben gesprochen zu haben. Problematiken können somit bei der Nachweisbarkeit der Straftaten bei Mittätern auftreten. Einzelne nahestehende Personen werden auch ohne jegliches Handeln den Gruppen beigedacht und ggf. zu Unrecht über einen Kamm geschert. Unbeteiligte Dritte, die sich nur zur falschen Zeit am falschen Ort aufhielten müssen anschließend glaubhaft machen mit dieser Gruppendynamik nicht zu tun zu haben. Diese Tatbestandsmäßigkeit ist somit übertrieben und zu weitreichend. Es kann weiterhin der Fall sein, dass Beteiligte jeweils ein anderes Ziel verfolgen und jeder eine andere Vorstellung davon hat, das Opfer zu bedrängen, manch einem geht diese Bedrängen sogar zu weit. Der Tatbestand des §184j StGB würde dennoch greifen.
Bloße Ansammlungen von Menschen reichen hier Tatbestandlich nicht aus. Beispielsweise macht sich nicht Strafbar, wer in der überfüllten U-Bahn mitfährt, in der eine andere Person sexuelle Handlungen an einem Opfer vornimmt und hierbei den Umstand nutzt, dass die U-Bahn überfüllt ist.[18]
Das Opfer muss weiterhin von der Gruppe durch Nachdruck an der Ausübung seiner Bewegungsfreiheit oder seiner sonstigen freien Willensbeschränkung bedrängt werden.[19] Als Bedrängen sieht man das körperliche, aggressive Ausführen eines Vorhabens an, in der gegen eine Person gehandelt wird, wobei das Ziel und der Erfolg verfolgt wird, Flucht- oder Abwehrmöglichkeiten einzuschränken. Auch zählt das Versetzen des Opfers in eine körperliche Unterlegenheit, welches die Verletzung seiner Rechtsgüter erleichtert. Das Bedrängen muss somit nicht zwingend durch Körperkontakt ausgeübt werden. Es genügt somit z.B. das Umstellen, Einkreisen oder verriegeln des Fluchtweges des Opfers.[20] Diese Handlung muss zudem mit einer gewissen Hartnäckigkeit ausgehend von der Gruppe gegeben sein. Eine kurzfristige Versperrung des Weges oder kurzfristiges Einschüchtern reicht somit nicht aus.[21]
Der Tatbestand zudem erst als erfüllt anzusehen, wenn bei den Personen Vorsatz auf das gemeinsame Bedrängen mit Hinblick auf eine Straftat gegeben ist. Das Bedrängen zum Ermöglichen oder Erleichtern einer Straftat muss mindestens billigend in Kauf genommen werden. Typischerweise werden mit diesem modus operandi neben den Sexualdelikten auch Vermögens- oder Körperverletzungsdelikte begangen.
[...]
[1] Schütz, Sexuelle Übergriffe in der Silvesternacht 2015/2016, S.1
[2] Hörnle, NStZ, 2017, 13 (21)
[3] Schroeder, Grundrechte, S.64
[4] Schroeder, Grundrechte, S.64
[5] Frenz, Walter, Handbuch Europarecht, S.365, Rn. 1178
[6] Drucksache 18/9097, S.30
[7] Fischer, StGB, S.1335, Rn.4
[8] Drucksache 18/9097, S.30
[9] Renzikowski, NJW 2016, 3553 (3557)
[10] Fischer, StGB, S.1335, Rn.4
[11] Drucksache 18/9097, S.30
[12] Hörnle, NStZ, 2017, 13 (20)
[13] Renzikowski, NJW 2016, 3553 (3557)
[14] Drucksache 18/9097, S.30 – S.31
[15] Drucksache 18/9097, S.31
[16] Drucksache 18/9097, S.31
[17] Fischer, StGB, S.1337, Rn.3
[18] Drucksache 18/9097, S.31
[19] Drucksache 18/9097, S.31
[20] Fischer, StGB, S.1337, Rn.6
[21] Drucksache 18/9097, S.31
- Arbeit zitieren
- Yannick Unterkircher (Autor:in), 2018, Das neue Sexualstrafrecht § 184 i, j StGB, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/429710
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