Gesetzt der Fall es wäre möglich zwischen Sterblichkeit und Unsterblichkeit zu wählen. Wie würden Sie entscheiden? Rein intuitiv wäre die erste Antwort sicher, dass wir uns nicht für den Tod entscheiden würden. Wieso sterben? Und wieso ich? Die meisten Menschen betrachten sich als wichtigen Teil der Welt, wenn nicht sogar als Mittelpunkt.
Um eine Position bezüglich der Frage nach Unsterblichkeit zu beziehen, ist es jedoch notwendig sich klar zu machen, was der Tod für das Leben bedeutet. Das eine kann also nicht losgelöst von dem anderen betrachtet werden.
Dieser Essay behandelt die Fragestellung, wie es angehen kann, dass, bei gleichen Rahmenbedingungen, sowohl der Tod als auch die Unsterblichkeit Übel sind.
Der Tod als „eigenste Möglichkeit des Daseins“ -Warum wir lieber sterben wollen sollten anstatt auf Unsterblichkeit zu hoffen
Gesetzt der Fall es wäre möglich zwischen Sterblichkeit und Unsterblichkeit zu wählen. Wie würden Sie entscheiden? Rein intuitiv wäre die erste Antwort sicher, dass wir uns nicht für den Tod entscheiden würden. Wieso sterben? Und wieso ich? Die meisten Menschen betrachten sich als wichtigen Teil der Welt, wenn nicht sogar als Mittelpunkt.
Um eine Position bezüglich der Frage nach Unsterblichkeit zu beziehen, ist es jedoch notwendig sich klar zu machen, was der Tod für das Leben bedeutet. Das eine kann also nicht losgelöst von dem anderen betrachtet werden.
Dieser Essay behandelt die Fragestellung, wie es angehen kann, dass, bei gleichen Rahmenbedingungen, sowohl der Tod als auch die Unsterblichkeit Übel sind. Dazu ist es notwendig zu klären:
1.) Warum der Tod ein Übel ist.
2.) Warum bei gleichen Rahmenbedingungen Unsterblichkeit ein Übel ist.
3.) Warum der Tod also sinnvoll ist.
1.) das Übel des Todes
„Philosophieren heißt sterben lernen“ (Montaigne). Deshalb würde ein wirklich weiser und rationaler Mensch den Tod nicht fürchten. Diese Auffassung hat in der Tradition der Philosophie großen Zuspruch gefunden. Zahlreiche Philosophen versuchen mit Argumenten gegen unser natürlichstes Gefühl vorzugehen: die Todesangst. So erklärt Spinoza die Angst vorm Tod als vollkommen irrational, da der Tod Teil des Lebens ist und die Angst vor ihm nicht nur nichts an der Tatsache verändert, sondern vielmehr den Menschen in seiner Freiheit einschränkt. Auch Epikur spricht von der Bedeutungslosigkeit des Todes: „Der Tod geht uns nichts an, denn solange wir noch da noch da sind, ist der Tod nicht da; stellt sich aber der Tod ein, so sind wir nicht mehr da“. Der Tod ist demnach kein Übel, weil er nicht mehr als solches empfunden werden kann, „denn alles Gute und Schlechte beruht auf Empfindung“. (Epikur, S.281)
Diese rationalen und auf den ersten Blick schlüssigen Argumente bewegen sich allerdings nur auf der normativen Ebene und lassen sich mit den tatsächlichen Einstellungen der breiten Bevölkerung zum Tod wenig vereinbaren. Philosophen wie Thomas Nagel und Bernard Williams setzen sich überwiegend mit vortheoretischen Ansichten auseinander und versuchen zu erklären, warum und inwiefern der Tod ein Übel für uns ist.
Für Thomas Nagel ist das bloße Leben positiv, ungeachtet der guten oder schlechten Erfahrungen, die es beinhaltet, sondern allein aufgrund der Tatsache, dass wir Empfindungen haben. Von diesem Guten gilt „je länger desto besser“. Der Tod ist also allein deswegen ein Übel, weil das Leben an sich ein Gut ist, dessen er uns beraubt. (Nagel S.15f) Dass dieses Übel nicht als ein solches von seinem Subjekt empfunden wird, spielt für Nagel keine Rolle, da nach seinem externalistischem Glücksbegriff zu dem Glück oder Unglück einer Person auch Dinge zählen, die außerhalb ihres Bewusstseins liegen.[1]
Auch Bernard Williams bezeichnet den Tod als Verlust, nämlich als Verlust unserer Wünsche. So sind es die kategorischen Wünsche, d.h. die Wünsche die über bloße Bedürfnisbefriedigung hinausgehen und uns Grund und Motivation zum (weiter-) leben geben, die das Leben zu einem lebenswerten machen. Entsprechend ist die Frustration unserer Wünsche ein Übel. Der Tod ist also deshalb ein Übel, weil er die Frustration unserer Wünsche darstellt. (Williams, S. 137)
Ob der Tod nun ein Übel ist, weil er uns des bloßen Lebens beraubt, oder weil er das Ende unserer Wünsche ist, die Argumente scheinen in die Richtung zu gehen, Unsterblichkeit als ein Ziel darzustellen. Wenn nämlich ein längeres Leben besser ist als ein kürzeres, also, mit Nagel, mehr des Gutem besser ist als weniger und, mit Williams, mehr Wunscherfüllung erstrebenswerter ist als weniger, dann müssten wir uns wünschen niemals zu sterben. Wir müssten uns wünschen unsterblich zu sein.
Ist aber die Alternative zur eigenen Sterblichkeit, nämlich unsterblich zu sein, eine wünschenswerte? In Mythen und Erzählungen begegnet sie uns oft, als Strafe und Pein. Im Folgenden werde ich anhand Williams’, Tugendhats und Murphys Überlegungen zeigen, dass Unsterblichkeit keine wünschenswerte Alternative ist.
2.) das Übel der Unsterblichkeit
Sigmund Freud ist der Auffassung, dass der Mensch „im Unbewussten von seiner Unsterblichkeit überzeugt ist“, weil er sich nicht als Nicht-Seiender denken kann. (Freud, S.49) Das erscheint einleuchtend, weil die Vorstellung als vergänglicher Teil der Natur, ja nur als winziger Partikel im gesamten Universum unvorstellbar und schrecklich wirkt. Erst durch das Denken und das Einsehen des Irrtums, wie Tugendhat es formuliert, nämlich dass man selbst nicht das Universum ist, sondern in ihm ist (Tugendhat, S. 51), erlangen wir ein Todesbewusstsein und unterscheiden uns damit im wesentlichen von den Tieren. Im Unbewussten aber gehen wir davon aus, unsterblich zu sein und nicht nur Teil des Ganzen. Das innerste Gefühl der Wichtigkeit und Einzigkeit steht in einem Gegensatz zu der rationalen Betrachtung der Welt und der Tatsache, dass ich, wie jeder andere auch, sterben werde. Das kann uns in tiefe Depressionen werfen, weil wir anfangen uns nach unserer Bedeutung zu fragen. Da sich ein jeder so wichtig nimmt (und auch nehmen muss um lebensfähig zu sein) scheint Unsterblichkeit die willkommene Alternative, denn bin ich unsterblich, hört die Welt, die ich doch bin, nicht auf zu sein.
Es gibt jedoch zahlreiche einleuchtende Argumente, die gegen die Unsterblichkeit als erstrebenswertes Ziel sprechen. Williams zeigt in seinem Essay „Reflexionen über die Langeweile der Unsterblichkeit“, dass unsterblich sein unerträglich wäre. Er richtet sich mit seiner Argumentation dabei nur auf Fakten über die kategorischen Wünsche und nicht darauf, dass der fehlende Tod oder die nicht vorhandene Todesfurcht, Unsterblichkeit unerträglich mache. Williams setzt zwei Kriterien dafür an, dass Unsterblichkeit ein erstrebenswerter Zustand ist, die aber nicht beide erfüllt sein können. Ersten muss die Identität des Charakters gegeben sein, d.h. um überhaupt von einem unsterblichen Leben zu sprechen, darf sich der Charakter der Person also nicht zu stark verändern, weil es eben dieselbe sein muss die ewig lebt. Zweitens muss das Weiterleben auf die Erfüllung der persönlichen kategorischen Wünsche abzielen. Was uns aber überhaupt dazu bewegt unsterblich sein zu wollen, sind eben die kategorischen Wünsche, d.h. diese, die uns in die Zukunft tragen. Das Gleichbleiben des Charakters angesehen einer unendlichen Flut von gleichartigen Geschehnissen, führt zu einem Abstumpfen und „Akzeptieren, was früher keines gewesen wäre oder keines hätte sein können“ (Williams, S. 146). Die damit verbundene Langeweile tötet eben diese kategorischen Wünsche ab. Der Wunsch unsterblich zu sein, führt also zur Frustration unser kategorischen Wünsche und ist somit paradox. Die beiden Bedingungen schließen sich gegenseitig aus, denn „wenn diese Wünsche da sind, gibt es jenes Leben nicht, und wenn jenes Leben nicht da ist, gibt es diesen Charakter und diese Wünsche nicht“. (Williams, S. 151)
Analog zu Williams’ Annahme, dass der Tod ein Übel sei, weil er die Wünsche frustriert, lässt sich die These formulieren, dass Unsterblichkeit ein Übel ist, weil sie ebendiese Wünsche abtötet. Wir sind also in ein Dilemma geraten, denn wir wollen weder die These aufgeben, dass der Tod ein Unglück ist, noch stellt Unsterblichkeit eine Alternative dar.
3.) der Sinn des Todes
Der Schlüssel zu der Frage, warum Unsterblichkeit nicht wünschenswert ist, gleichzeitig aber der Tod ein Übel sein kann, liegt in dem Sinn des Todes. Dem (unsterblichen) Leben fehlt der Sinn, weil ihm der Tod fehlt. Und hier liegt die einzige Möglichkeit sich aus dem Dilemma zu befreien: Der Tod hat, obwohl er ein Übel ist, auch einen Sinn. Er ist also nicht, wie Epikur sagt, bedeutungslos, denn gerade dadurch, dass er solch ein Übel für die Menschheit darstellt, gewinnt er an Bedeutung und Sinn. So kann es angehen, dass er gleichzeitig Übel und Sinn darstellt. Etwas das uns nicht betrifft, sei es negativ oder positiv, wäre wohl kaum so bedeutungsschwanger für das Leben.
Ernst Tugendhat geht davon aus, dass das Übel des Todes nicht darin besteht, den bloßen Verlust des Lebens zu fürchten, sondern in der Möglichkeit falsch gelebt zu haben, d.h. so gelebt zu haben, dass man angesichts des Todes bedauert, wie man gelebt hat . (Tugendhat, S. 48) Wenn man Angst vor dem Tod hat, dann hat man sie davor, so Tugendhat. Gerade diese Angst ist es aber, die uns vor diesem Szenario bewahrt. Es verhält sich wie mit jeder natürlichen Angst. Die Angst davor, in einer Prüfung durchzufallen, ist es, die uns dazu bringt zu lernen und die Prüfung letztendlich zu bestehen. Analog dazu ist die Todesangst (in Tugendhats Sinne) dafür verantwortlich, dass wir richtig leben.
Jeffrie Murphy zufolge definiert sich ein Mensch über seine persönlichen zukunftsorientierten Projekte („self-defining projects“). Der Tod ist der Verlust von Gelegenheiten, die sogenannte „deadline“, die die persönlichen Projekte eines Jeden beenden. (Murphy, S. 55) Die Angst vor dem Tod ist also als ein Wunsch zu verstehen alle wichtigen Dinge rechtzeitig zu erledigen. Eine Auseinandersetzung mit dem Tod, führt daher im positiven Sinne dazu, dass man etwas für seine Projekte tut, und ein ständiges Aufschieben vermeidet. Deshalb sei eine rationale Furcht vor dem Tod vollkommen vernünftig. (Murphy, S.56)
Der Tod ist, so wie Heidegger formuliert, die „eigenste Möglichkeit des Daseins“. Wer das Leben also eigentlich lebt, ist sich stets des Todes bewusst. Und gerade das Bewusstsein der Todesnähe erinnert uns an die Aufgabe, das Leben mit Sinn zu füllen.
Der Tod ist sozusagen unsere Motivation und Antrieb unser Leben so zu leben, dass wir es bei unserem Tode nicht bereuen. Ein Leben ohne Tod würde nicht nur zu Langeweile und Abgestumpftheit führen, es gäbe auch keinen Grund seine Lebensprojekte, Wünsche und Ziele zu verwirklichen. Genau wie eine nicht enden wollende Party, hätte es keinen Reiz. Es würde gerade das fehlen, was uns nach vorne trägt, unsere Wünsche erfüllen lässt, nämlich auf gewisse Art der Zeitdruck. Man könnte alles immer noch tun und im wahrsten Sinne des Wortes „ewig“ aufschieben. Ein solches Leben wäre ohne Sinn und Inhalt. Das Schlechte am Tod, erklärt gerade das Gute am Leben und nur im Angesicht des Todes, kann man seinem Leben Sinn verleihen. Es scheint mir daher nicht übertrieben zu sagen, der Sinn des Lebens ist der Tod.
1637 Wörter
Literatur:
Epikur: „Brief an den Menoikeus”, in: Diogenes Laertius, Leben und Meinungen berühmter Philosophen, Buch X, 122-135
Nagel, Thomas 1984: „der Tod“, in Ders.: Über das Leben, die Seele und den Tod, Königstein: Hain 1984
Williams, Bernard 1978: „Die Sache Makropulos: Reflexionen über die Langeweile der Unsterblichkeit“, in Ders.: Probleme des Selbst, Stuttgart1978, 133-162
Sigmund Freud, Zeitgemäßes über Krieg und Tod, Studienausgabe Bd IX, Frankfurt am Main 1982
Tugendhat, Ernst 2006: „Über den Tod“, Frankfurt am Main: Suhrkamp
Murphy, Jeffrie G. 1993: Rationality and the Fear of Death” in Fischer 1993
Heidegger, Martin, Sein und Zeit, Halle a. d. Saale 1927
[...]
[1] Vergleich des Beispiels des unerkannten Verrats oder der Degeneration eines Mannes durch einen Unfall. In beiden Fällen würden wir von einem Übel für die betroffene Person sprechen, obwohl diese es nicht als ein solches empfindet (Nagel, S. 18ff)
- Citar trabajo
- Marieke Jochimsen (Autor), 2007, Der Tod als "eigenste Möglichkeit des Daseins", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/429530