Die folgende Analyse wird zu Beginn einen historischen Einstieg in die Thematik liefern, um ein Verständnis für Zeit, Epoche und Geschehen zu liefern. Auch sollen dadurch die Grenzen zwischen den Fakten und ihrer Umsetzung im historischem Roman deutlich werden. Daraufhin erfolgt eine Analyse der Darstellung der offen ersichtlichen imperialistisch-kolonial geprägten Figuren des Romans, die diese Wesenszüge und Merkmale nach außen tragen. Darauf aufbauend wird dann der Protagonist von allen Seiten beleuchtet, seine Motivation, seine Visionen, sein Wirken auf Kabakon und sein Selbstverständnis als Herr über sein Eiland. Dabei soll ersichtlich werden, dass die vorherige Analyse der imperialistischen Motive Parallelen zu Engelhardts Auftreten aufweist. Es wird erkennbar, dass der Protagonist entgegen den Erwartungen, die an einen jungen Reformer der alternativen Reformbewegung gestellt werden, in weiten Teilen in seiner Rolle als imperialer Besatzer nach wilhelminischer Tradition befangen ist.
Die Analyse lehnt sich dabei sehr eng an den Primärtext an. Dieser soll umfassend analysiert und als Gesamtwerk untersucht werden. Unterstützend treten historische Übersichtsdarstellungen, sowie einige Artikel hinzu, die aber lediglich zur Aufarbeitung der historischen Fakten dienen. Eine Ausnahme bildet das wohl bedeutendste Manuskript Engelhardts selbst aus dem Jahre 1906, dass das Manifest seines Ordens und Glaubens darstellt und das die Interpretation insofern stützt, als dass auch Christian Kracht sich dessen bedient haben dürfte, was beim Vergleich zwischen Roman und Manifest ersichtlich wird. So werden an passenden Stellen auch Verweise auf Engelhardts Manifest zu finden sein, die die Interpretation stützen
A) Tropischer Größenwahn
״Es geht 1ms alten Eurpäern übrigens allen mehr oder weniger herzlich schlecht, unsere Zu- stände sind viel zu künstlich und kompliziert, unsere Nahrung und Lebensweise ohne die rech- te Natur, und unser geselliger Verkehr ohne eigentliche Liebe und Wohlwollen.
[...] Man sollte oft wünschen, auf einer der Siidseeinseln als sogenannter Wilder geboren zu sein, um nur einmal das menschliche Dasein ohne falschen Beigeschmack durchaus rein zu genießen
Ähnlich den Worten Goethes dürfte auch der junge Nürnberger August Engelhardt rund 70 Jahre später gedacht haben, als er sich der Lebensreformbewegung des ausgehenden 19. Jahrhunderts verschrieb. Die Zeit der Jahrhundertwende war geprägt durch erstmal öffentliche Ansätze zu einer Freikörperkultur und konsequentem Vegetarismus. Unzählige Einzelbewegungen und Gruppierungen bildeten sich im Kaiserreich heraus, alle mit dem einen Ziel, den Mensch von der erdrückenden Last der Kleidung und des Fleischkonsums zu befreien. Doch dem aufstrebenden Engelhardt schien die fränkische Heimat nicht geeignet, um seine Visionen und Ideen eines sorgenfreien Lebensmodells Umsetzen zu können. Dazu mangelte es in Franken einerseits an Sonne und zweitens an Kokosnüssen. Es dünkte ihn, dass der ausschließliche Verzehr dieser Tropenfrucht kombiniert mit ausgiebigen Sonnenbädern den Menschen in eine Art paradiesischen, gottähnlichen Zustand versetzen würde. So wanderte der zukünftige Sonnenanbeter in die deutsche Südsee aus, auf die Insel Kábákon, um dort einen Sonnenorden - eine äquatoriale Siedlungsgemeinschaft - zu gründen. Die Sonne sollte nur eine kurze Zeit scheinen für den Sonnenorden, schon bald zogen Gewitterwolken auf, die die romantische Idylle der Südsee trüben sollten. Ein Schatten schien über den Sonnenjüngem zu liegen. Letzten Endes fegte ein Sturm an Problemen das Kartenhaus der engelhardtschen Vision von der Insel. Der Sonnenorden ging völlig unromantisch und ohne den ״Charme“ eines Postkartenmotives unter.
In Literatur und Medien finden Aussteiger wie Engelhardt gerade in den letzten Jahren großes Interesse. Neben Zeitschriftenartikeln finden sich vor allem im Internet zahlreiche Einträge zu dem Thema. In der Romanbranche stellt hierbei Christian Krachts Roman Imperium, erschienen im Jahr 2012, eine gelungene literarische Rezeption des Stoffes dar, den Engelhardt durch seinen Lebensweg vorgab. Der Roman greift teils historische Fakten auf, spinnt diese Handlungsstränge oft aber in dichterischer Freiheit weiter. Kracht versteht es, in seinem Roman durch einen virtuosen, ironisch untermalten Schreibstil das Leben des August Engelhardt nachzuzeichnen und den Protagonisten von allen Seiten zu beleuchten.
Auffällig an dem Buch ist der einprägsam prägnante Titel Imperium, dessen Bedeutung sich[1] aber dem Leser nicht offen zu erkennen gibt.
Diese Arbeit beschäftigt sich daher mit dem Thema, inwiefern August Engelhardts Visionen einer Ideologie gleichen. Weiterführend soll untersucht werden, ob sein Sonnenorden und seine Position als Führer dessen, koloniale und imperiale Züge tragen. Wodurch Merkmale und Charakteristika zum Vorschein kommen, die Engelhardt trotz seiner selbstauferlegten lebens- reformerischen, weltoffenen Einstellung als Imperialist darstellen, seine Insel, auf der er lebte und wirkte somit als sein Imperium, was den Titel erklärt.
Die folgende Analyse wird zu Beginn einen historischen Einstieg in die Thematik liefern, um ein Verständnis für Zeit, Epoche und Geschehen zu liefern. Auch sollen dadurch die Grenzen zwischen den Fakten und ihrer Umsetzung im historischem Roman deutlich werden.
Daraufhin erfolgt eine Analyse der Darstellung der offen ersichtlichen imperialistisch-kolonial geprägten Figuren des Romans, die diese Wesenszüge und Merkmale nach außen tragen. Darauf aufbauend wird dann der Protagonist von allen Seiten beleuchtet, seine Motivation, seine Visionen, sein Wirken auf Kábákon und sein Selbstverständnis als Herr über sein Eiland. Dabei soll ersichtlich werden, dass die vorherige Analyse der imperialistischen Motive Parallelen zu Engelhardts Auftreten aufweist. Es wird erkennbar, dass der Protagonist entgegen den Erwartungen, die an einen jungen Reformer der alternativen Reformbewegung gestellt werden, in weiten Teilen in seiner Rolle als imperialer Besatzer nach wilhelminischer Tradition befangen ist.
Die Analyse lehnt sich dabei sehr eng an den Primärtext an. Dieser soll umfassend analysiert und als Gesamtwerk untersucht werden. Unterstützend treten historische übersichtsdarstellungen, sowie einige Artikel hinzu, die aber lediglich zur Aufarbeitung der historischen Fakten dienen. Eine Ausnahme bildet das wohl bedeutendste Manuskript Engelhardts[2] selbst aus dem Jahre 1906, dass das Manifest seines Ordens und Glaubens darstellt und das die Interpretation insofern stützt, als dass auch Christian Kracht sich dessen bedient haben dürfte, was beim Vergleich zwischen Roman und Manifest ersichtlich wird. So werden an passenden Stellen auch Verweise auf Engelhardts Manifest zu finden sein, die die Interpretation stützen
B) Wilhelminischer Imperialismus VS. veganem/kokovorem Imperialismus
I) Historische Einordnung und geographische Verortung des Geschehens
Um die Handlung des Buches und die dort immer wieder auftretenden Bezüge zum historischen Geschehen verorten zu können, soll im folgenden zunächst ein historischer Abriss wichtige Eckdaten liefern, die zum Verständnis des Textes von Nöten sind.
So wird zunächst die Person des August Engelhardt kurz den historischen Fakten unterworfen werden, wobei einige Parallelen zum Buch aufscheinen, die Kracht aus dem Lebenslauf entnommen, andere wiederum ausgespart hat.
Geboren am 27. November 1875 im fränkischen Nürnberg absolvierte der junge August Engelhardt nach einem Primanerabschluss eine Apothekerlehre. Durch die Beschäftigung mit dem menschlichen Körper und dessen Gesundheit, entdeckte er bereits früh sein Interesse daran, wie diese durch eine entsprechende Lebensweise zu fördern sei. Den Anstoß Deutschland zu verlassen, hat mit einiger Wahrscheinlichkeit die Intoleranz des politischen Systems und der Gesellschaft gegenüber alternativen Lebensansätzen (wie Vegetarismus und Nudismus) gegeben. So sah sich Engelhardt gezwungen, ein neues Schaffensgebiet ausfindig zu machen, um seine Visionen und Vorstellungen auszuleben.[3] Dazu erschien ihm, die Kolonie DeutschNeuguinea geeignet, wo er im Herbst 1902 in der Hauptstadt Herbertshöhe im sogenannten Bismarckarchipel eintraf.[4] Er erwarb dort von Emma Kolbe, der Inhaberin der Firma Forsaydı am 2. Oktober 1902 eine Kokosplantage, auf der Insel Kábákon gelegen.[5] Folgende Insel gehörte zur Inselgruppe Neulauenburg, heute bekannt als Duke of York Islands. Sie befindet sich etwa 30 Kilometer östlich von Herbertshöhe und umfasste etwa 75 Hektar Plantagenanbauflächen, bei einer Länge von 2 Kilometern und einer Breite von ca. 700 Metern.[6] [7] [7] Neben Engelhardt war die Insel im Jahr seiner Ankunft von schätzungsweise 40 Ureinwohnern, vom Volk der Melanesier besiedelt.[8]
Nachdem Engelhardt die Plantage zunächst wohl noch mit größerem Eifer bewirtschaftet hatte, war diese bis 1907 bereits weitgehend verfallen, sodass er 1909 Wilhelm Bradtke als Teilhaber einstellte, der sich bis 1913 um die ökonomisch-agrarischen Belange kümmerte.[9] Nach der australischen Besatzung im Jahre 1914 fiel die Plantage an die Frau des Inhabers der Hamburger Südsee-Aktien Gesellschaft.[10] Bis dato war dir Kokospflanzung ökonomisch nie effektiv genutzt, geschweige denn fachgerecht gepflegt worden.
Auch die Entwicklung des Sonnenordens soll kurz resümiert werden, da sie enge Bezüge zu Krachts Schilderungen aufweist. Die Grundidee von Engelhardts Sonnenorden, der Kokovo- rismus wurde nicht durch ihn begründet, sondern geht in seinen Ursprüngen nach Kuba zurück und wurde durch ihn lediglich rezipiert.[11] In einem Satz zusammengefasst basiert diese Glaubensvorstellung auf der veganen Ernährung von Kokosnüssen, die weil sie der Sonne am nächsten wachsen, göttlich seien, wodurch auch der, sie verzehrende Gläubige schließlich gottgleiche Züge tragen würde.[12] Seine Vorstellung als (meist nackter) Prophet und Apostel wirken zu können manifestierte sich in einer Art Missionierungseifer, der sich durch Werbeschriften und Artikel[13] äußerte, die in der Heimat veröffentlicht wurden. Unter der Bezeichnung ״Sonnenorden-äquatoriale Siedlungsgemeinschaft“ machte er Gleichgesinnte im Kaiserreich auf sein Eiland aufmerksam.[14] Es sollten maßgeblich vier Männer sein - von denen Kracht zwei in seinem Roman aufgreift - die Engelhardts Ruf folgten und dadurch nicht ihre Erlösung, sondern den Tod fanden. Der erste, der seinem Ruf folgte war der von Krachte ebenfalls rezipierte Aueckens, den nach historischen Fakten ein ebenso schnelles, wie auch mysteriöses Ende ereilte. Nach nur 6 Wochen verstarb der junge Helgoländer, die Todesursache blieb ungeklärt.[15]
Nur kurze Zeit später traf Max Lützow - Musikgenie seiner Zeit - auf Kábákon ein, woraufhin ein regelrechter Boom entbrannte und die Zahl der Interessenten beständig wuchs.[16] Die in der Literatur oft fälschlicherweise genannte Anzahl von 30 Anhängern, die zugleich auf Kábákon weilten ist falsch und beruht auf einer Fehlinterpretation.[17] Jedoch sollte der Ansturm nur von kurzer Dauer sein, infolge von Tropenerkrankungen, sowie Enttäuschung und Ernüchterung seitens der Anhänger, traten die Interessenten bis 1905 fast alle aus dem Orden aus. Auch Lützow, mittlerweile schwer erkrankt reiste von der Insel ab und verstarb noch auf der über- fahrt.[18]
Wilhelm Heine, der Kábákon im November 1905 erreichte, beendete dort nach nur zwei Monaten sein junges Leben.[19]
Der vierte namhafte Gesinnungsgenosse, der dem Orden beitrat, war August Bethmann - von Kracht in seinem Werk gänzlich ausgespart - anfangs von solch einer Euphorie angetrieben, dass er und Engelhardt ein kokovorisches Manifest, mit dem Titel ״Eine Sorgenfreie Zukunft“[20], verfassten. Dieses Werk umfasst die ideologische Stütze der Glaubensvorstellung und wird somit immer wieder in die Interpretation mit einfließen, da es wohl auch Christian Kracht Aufschluss über die Glaubensvorstellungen des Kokovorismus gegeben haben muss. Doch plagten auch Bethmann nach nicht allzu langem Aufenthalt bereits Zweifel ob der Umsetzbarkeit dieser Visionen. Engelhardt war zwischenzeitlich aufgrund totaler körperlicher Entkräftung und wegen mehrerer Hautleiden in Herbertshöhe im Krankenhaus behandelt worden. Grund für seinen körperlichen Verfall dürfte mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit die einseitige Mangelernährung gewesen sein.[21] Dank wochenlanger Ernährung mit kräftigender Fleischbrühe im Krankenhaus von Herbertshöhe wurde er wieder genesen.[22] Bevor Bethmann im Juni 1906 abreisen konnte fand auch er, unter erneut mysteriösen, ungeklärten Umständen den Tod.[23] Nach Bethmanns Ableben versiegte auch das Interesse an Engelhardts Sonnenorden, bis er sich 1909 ganz auflöste.[24] Lediglich als Touristenattraktion wurde dem Einsiedler noch Beachtung geschenkt, seine weiterhin publizierten Schriften wurden immer abstruser und skuriler.[25] Nach der Veräußerung seiner Plantage beschäftigte Engelhardt mit Nachforschungen über einheimische Pflanzen und deren Wirkstoffe. Seine Nachforschungen sind bis heute erhalten und stellen die letzten Zeugnisse bis zu seinem Tod am 6. Mai 1919 dar.
II) Verkörperung des kaiserlichen Imperialismus und Kolonialismus
Die Zeitspanne, in der sich in Krachts Werk das Geschehen in der Südsee abspielt, umfasst anders als die Lebensdaten des historischen August Engelhardt in etwa die Jahre von 1900 bis in ca. 1945/46.[26] Der Erzähler gibt nur eine kurze Verortung der Handlung im Weltgeschehen. Das anbrechende 20. Jahrhundert habe bis Ausbruch des 1. Weltkrieges den Anschein gehabt, als könne es das ״Jahrhundert der Deutschen werden“[27], was jedoch nicht so kommen sollte. Es solle ״stellvertretend die Geschichte nur eines Deutschen“ gezeichnet werden, der ob seiner romantischen Ideale scheiterte. Dabei gibt der Erzähler bereits einen Ausblick auf im Verlauf auftauchende Parallelen zu Adolf Hitler, der geschickt chiffriert dargestellt wird. Diese Ähnlichkeiten zwischen Protagonist und dem späteren Führer des 3. Reiches (siehe 3.2) seien sowohl beabsichtigt, als auch sinnstiftend.[28]
Bereits der Titel des Romans bezeichnet den Dualismus, der sich um den Begriff des Imperiums im Verlaufe der Handlung entwickeln wird. Neben dem für diese Zeit charakteristischen, weltpolitisch von den Großmächten betriebenen globalen Machtstrebens nach Kolonien in Übersee, getragen durch die Kolonialisten vor Ort, wird auch bald erkennbar, dass der zunächst anti-imperalistisch wirkende Protagonist sein eigenes Imperium zu errichten versucht. Um nun die Motivik und Bedeutung des Begriffs des Imperialismus und Kolonialismus zu erfassen werden diese beiden Begriffe zunächst in Kürze definiert und dargestellt.
Die Phase des europäischen Imperialismus erstreckte sich in etwa von 1880 bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges im Jahre 1914. Der Begriff meint das Streben von Nationen und Machtha- bem nach weltpolitischer Macht, durch Besitzungen in Übersee.[29] Das bezeichnenden Merkmal dieser Epoche war, dass die europäischen Staaten ihren eigenen Einfluss durch wirtschaftliche und, oder politische Einflusssphären in überseeischen Kolonien zu mehren gedachten. Das deutsche Kaiserreich erhob 1897 offiziell Anspmch auf Gebiete außerhalb des eigenen Staatsgebietes und bekannte sich somit offen zum Imperialismus, der freilich schon zuvor eingesetzt hatte.[30]
Die Landnahme dieser überseeischen Besitzungen, die entweder durch Invasion und oder Siedlungsexpansion geschah, wird als Kolonisation bezeichnet. Dabei wurden die lokalen Machteliten durch eine neue Exekutivgewalt aus dem Mutterland der Invasoren ersetzt, die dort unter der imaginierten Legitimation, kulturell höher gestellt zu sein, ihre eigenen Ziele umzusetzen versuchte. Dadurch wurde diese Kolonie einem Abhängigkeitsverhältnis durch fremde Herrschaftsgewalt unterworfen.[31] [32] [33]
Die deutschen Gebiete im Pazifik, zu denen auch das Bismarck-Archipel gehörte, wurden bereits in der ersten Hälfte der 1980er Jahre erworben, waren jedoch machtpolitisch durch ihre Abgeschiedenheit und geringe Wirtschaftskraft nicht von Belange.[32] [33] Hingegen fanden diese Südseekolonien einen großen Anklang unter all denen, die sich einen ״Platz an der Sonne“ versprachen.[34] Damit sind in erster Linie ökonomisch versierte Geschäftsleute, aber eben auch Aussteiger wie August Engelhardt gemeint, die sich fernab von zu Hause einen Neuanfang und Erfolg erhofften.
So soll nun zunächst die Charakterisierung und Darstellung des Wilhelminischen Imperialismus in Krachts Imperium erfolgen.
2.1 Dekadenz und moralischer Verfall der Gesellschaft im Zuge des Imperialismus
Unmittelbar mit dem Prolog im ersten Kapitel setzt die Schilderung der Verhältnisse an Bord der Prinz Waldemar ein, desjenigen Dampfers, an dessen Bord auch Engelhardt seine Reise in die deutsche Südsee antritt. Die Verpflegung und das Konsumverhalten der Schiffspassagiere zeichnet sich durch Überfluss und Verschwendung aus, Zeichen ihres wirtschaftlichen Erfolges und Sittenverfalls zugleich.[35] Das Bild, das die an Bord liegenden Pflanzer bieten, erinnert an ״Erdferkel“ während ihres ״Verdauungsschlafes“.[36] Noch im selben Satz wird diese BeZeichnung durch den Zusatz ״Deutsche auf dem Weltzenit ihres Einflusses“ sarkastisch überspitzt. Weiterhin seien diese ״Pflanzer“ es nicht wert, als solche bezeichnet zu werden, fehle ihnen doch das Verständnis für den Umgang mit der Natur. Vielmehr wären diese ״Philister“ ״Verwalter“ eines ״vermeintlichen Fortschritts“[37]. Diese einleitende Darstellung der Kolonialisten, von ihrer negativsten Seite, dürfte wohl nahezu deckungsgleich mit der Wahrnehmung des nun inszenierten Protagonisten August Engelhardt sein. Er bildet an Bord des Schiffes so etwas wie einen Fremdkörper, der sich so gar nicht in die Reihe der genusssüchtigen und dekadenten Nutznießer der Kolonialisation einreihen will. Rein äußerlich hebt sich Engelhardt schon von der kapitalistisch-orientierten Masse der Passagiere ab.[38] Ebenso gegensätzlich scheinen seine Ziele und seine Motivation die Südsee zu bereisen, doch dazu später mehr. Das Reiseziel des Schiffes ist das deutsche Schutzgebiet Neupommem, genau genommen die auf der Gazellen-Halbinsel gelegene Hauptstadt Herbertshöhe - als ״aufstrebende, deutsche, ordentliche Stadt“[39] klassifiziert. So scheint dieses Ideal einer Kolonialsiedlung doch wenig vereinbar mit der Beschreibung der sittlich verfallenen Pflanzern. Die äußere Fassade deutscher Tugendhaftigkeit hat längst durch Dekadenz, Raffgier und moralischen Verfall zu bröckeln begonnen.
So kann anhand einiger Beispiele die Verkörperung des Kolonialherrentums gezeigt werden.
[...]
[1] Johann Wolfgang von Goethe, Gespräche mit Eckermann, 12. März 1828.
[2] Bethmann, August; Engelhardt, August: Eine Sorgenfreie Zukunft - Das Neue Evangelium, in: Kiepenkracher, Dieter (Hrsg.): Hoch der Äquator nieder mit den Polen, Norderstedt 2012, s. 107. Achtung: Die Seiten 9-105 stellen den Text des Manifestes dar, diese werden zitiert nach der edierten Originalausgabe mit: Bethmann, August; Engelhardt, August, 1906. Die Seiten 106-131 geben editorische imd historische Fakten wieder, diese werden zitiert mit: Kiepenkracher 2012, s. So ist der Unterschied zwischen dem Primärtext und dem Sekundärtext aus der Zitation ersichtlich.
[3],Vgl. Leinemann Susanne: Der Orden der Fmchtesser, in: mare - Die Zeitschrift der Meere, N0. 83, Hamburg 2010, s. 52-55, hier s. 53.
[4] Klein, Dieter: Neuguinea als deutsches Utopia: August Engelhardt und sein Sonnenorden, in: Hiery, Herman Joseph (Hrsg.): Die deutsche Südsee, Paderborn und München 2001, s. 450-458, hier s. 4551
[5] Domseif, Golf: Ein Kokosnuss-Apostel als Heilsbringer Neuguineas, S.2. abgemfen unter: http://www.golf- domseif.de (Stand 29.07.2013)
[6] Vgl. Domseif, s. 2f.
[7] Zur Einschätzung der geographischen Beschaffenheit der Insel durch Engelhardt selbst siehe: Bethmann, August;
Engelhardt, August 1906, s. 59.
[8] Vgl. Klein 2001, s. 452.
[9] Vgl. Kiepenkracher 2012, s. 109.
[10] Vgl. Kiepenkracher 2012, s. 110.
[11] “Vgl. Klein 2001, s. 452.
[12] Vgl. Kiepenkracher 2012, s. 107.
[13] Vgl. dazu: Domseif s. 14.
[14] Vgl. Klein 2001, s. 452.
[15] Vgl. ebd. s. 453.
[16] Leinemann 2010, s. 52/55.
[17] Vgl. Kiepenkracher 2012, s. 108. Die falsche Anzahl beruht auf der Annahme, dass alle 31 in Engelhardts Manifest gennanten Anhänger zugleich auf Kábákon weilten, dies ist aber ausgeschlossen. Es lassen sich nicht mehr als fünf Anhänger zugleich auf Kábákon nach weisen.
[18] Vgl. Klein 2001, s. 454.
[19] Vgl. Kiepenkracher 2012, s. 108.
[20] Zu beachten: In Krachts Roman hat Engelhardt diese Manifest bereits vor Antritt seiner Südseereise in Deutschland verfasst. Vgl. Kracht s. 19.
[21] Vgl. Klein 2001, s. 455.
[22] Vgl. Leinemann 2010, s. 55.
[23] Vgl. ebd.
[24] Vgl. ebd.
[25] Vgl. Kiepenkracher 2012, s. 109.
[26] nach Kracht s. 239 ist nur die Enddatierang exakt möglich, eine Anfangsdatierimg ist nicht erfolgt.
[27] Kracht s. 18.
[28] Vgl. Kracht s. 18 f.
[29] Vgl. Definition des Historikers Heinrich Friedjimg, der der Epoche diesen Namen und die Definition bereits 1919 in seinem Werk ״Das Zeitalter des Imperialismus‘׳‘ einschrieb. Zitiert nach: Schöllgen, Gergor; Kiesling, Friedrich: Das Zeitalter des Imperialismus, in: Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd. 15, München 2009, s. 1.
[30] Vgl. ebd. s. 3.
[31] Vgl. Osterhammel, Jürgen: Kolonialismus - Geschichte, Formen, Folgen, München 1995, s. 7-29.
[32] Vgl. Schöllgen; Kiesling 2009, s. 78.
[33] Vgl. ebenso Kracht s. 18.
[34] Vgl. Schöllgen; Kiesling 2009, s. 3.
[35] Vgl. Kracht s. 11-12.
[36] Kracht s. 12.
[37] Kracht s. 13.
[38] Vgl. Kracht s. 13 f.
[39] Kracht s. 17.
- Citar trabajo
- Cornelius Eder (Autor), 2013, "Imperium" von Christian Kracht. Der Lebensreformer August Engelhardt als veganer Imperialist, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/429172
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