Will man die Dynamisierung des Erwachsenenbegriffes beschreiben, muss zunächst der Begriff des Erwachsenen definiert werden. Es gibt jedoch nicht den fest definierten Begriff des „Erwachsenen“. Je nach Kontext wird dieser unterschiedlich definiert, wobei es unter anderem die juristische, die christliche und die ökonomische Definition gibt. Im Rahmen der Erwachsenenbildung sollte der Begriff des Erwachsenen unbedingt definiert werden, da der Erwachsene Gegenstand der Erwachsenenbildung ist. Siebert konstatierte das Merkmal des kalendarischen Alters sei als Definition für den Erwachsenen unzureichend. Das Erwachsensein ist eine soziale Konstruktion, die je nach Epoche unterschiedlich definiert wurde. Siebert konstatiert, dass Erwachsen werden ein Leitbild sei, dass für den gesamten Lebenslauf gültig ist, jedoch immer historisch und kulturell geprägt ist.
Erläutern Sie, welcher Sachverhalt mit der Rede von der „Dynamisierung des Erwachsenenbegriffs“ bezeichnet wird, und beschreiben Sie, welche Folgerungen sich aus diesem Phänomen bzw. seiner Interpretation für die Planung, Durchführung und Gestaltung nachhaltiger Erwachsenenbildungsprozesse ergeben (können)!
Will man die Dynamisierung des Erwachsenenbegriffes beschreiben, muss zunächst der Begriff des Erwachsenen definiert werden. Es gibt jedoch nicht den fest definierten Begriff des „Erwachsenen“. Je nach Kontext wird dieser unterschiedlich definiert, wobei es unter anderem die juristische, die christliche und die ökonomische Definition gib. Im Rahmen der Erwachsenenbildung sollte der Begriff des Erwachsenen unbedingt definiert werden, da der Erwachsene Gegenstand der Erwachsenenbildung ist. Siebert konstatierte das Merkmal des kalendarischen Alters sei als Definition für den Erwachsenen unzureichend (vgl. Siebert 2011: 11). Das Erwachsensein ist eine soziale Konstruktion, die je nach Epoche unterschiedlich definiert wurde (vgl. Arnold 2001: 143). Siebert konstatiert, dass Erwachsen werden ein Leitbild sei, dass für den gesamten Lebenslauf gültig ist, jedoch immer historisch und kulturell geprägt ist (Siebert 2011: 15).
Das Erwachsensein steht in einer Beziehung zu einem Kontext und ist ein soziokulturelles Konstrukt (ebd.: 11). In einem linearen Wachstumsmodell gilt der Erwachsene als fertig (Dinkelaker/Kade 2013: 16) für Kade ist der Mensch jedoch nie wirklich fertig im Sinne einer Endgültigkeit der Biografie eines Menschen. Bereits 1989 beschrieb Kade seine Position:
„Nicht fertig zu sein, sondern sich auf die eigene Biographie als eine durch Bildung immer erst noch herzustellende zu beziehen, das wird in diesem Sinne zum allgemeinen Merkmal einen nunmehr dynamisierten Erwachsenenbegriffs“ (Kade 1989: 801. Zit. nach Arnold 2015: 82)
Diese Einordnung von Begriffen ist wichtig um Rückschlüsse auf das Lernen von Erwachsenen ziehen zu können. Nach Siebert ist das Lernen eines Erwachsenen Erfahrung- und Anschlusslernen (vgl. Siebert 2015: 93) und sollte unter Beachtung der Biografie erfolgen. Das Erwachsensein lässt sich auch nicht klar vom Kind sein trennen, vielmehr wirkt die Kindheit im Erwachsenen nach und prägt seine Wahrnehmungs- und Deutungsmuster (vgl. ebd.: 95).
Dies hat Auswirkungen auf das Lernen eines Erwachsenen, die empirische Lernforschung hat herausgefunden, dass die Lernfähigkeit eines Erwachsenen insbesondere an Bedeutsamkeit gekoppelt ist, die der Erwachsene dem eigenen Lernen beimisst (vgl. Schellhammer 2017: 18). Der Erwachsene lernt später und anders als ein Kind, aber er ist noch lernfähig und manches kann er sogar besser lernen als er es als Kind vermocht hätte (vgl. ebd.: 18).
Siebert konstatiert folgende Punkte als relevant für das Lernen eines Erwachsenen:
- Erwachsene sind nicht belehrbar und Wahrheiten lassen sich nicht linear vermitteln (Siebert 2012: 30). Der Erwachsene denkt autopoietisch. Eine Erklärung ist für eine Person logisch und gültig und für eine andere Person unlogisch und unverständlich (vgl. ebd.: 30).
- Lernen ist ein selbstreferenzieller Prozess (ebd.: 30) d.h. der Erwachsene nimmt beim Lernen auf sich selbst und seine Prägungen Bezug. Dabei spielt es eine große Rolle, nach welchen Mustern er bisher gelernt hat. Erwachsenenlernen ist somit „Anschlusslernen“. (vgl. ebd.: 30)
Für die Planung, Durchführung und Gestaltung nachhaltiger Erwachsenenbildungsprozesse bedeutet dies:
- Der Lehrende vermittelt keine Wahrheiten, sondern die eigenen Konstrukte und Ansichten (vgl. ebd.: 30)- Dies sollte ihm stets bewusst sein, er hat teilweise sehr erfahrene Erwachsene als Lernende vor sich und sollte deren Wissen und Erfahrung wertschätzen, auch dann wenn er mehr Expertenwissen auf der sachlichen Ebene hat.
Das Expertenwissen soll in einen Dialog treten mit den Lebenserfahrungen der Teilnehmenden (vgl. Behrens-Cobet in Schellhammer 2017: 33). Der Lehrende bezieht die Erfahrungen der Teilnehmenden mit in den Unterricht ein.
- Bei der Unterrichtsgestaltung sollten verschiedene Unterrichtsformen verwendet werden, zum einen Frontalunterricht, da dieser an die Erfahrungen der Teilnehmenden anknüpft zum anderen aber auch andere Unterrichtsformen wie die Gruppenarbeit.
- Die Biografie der Teilnehmenden soll ernst genommen werden, daher soll weniger vermittelt und mehr reflektiert werden. Der Erwachsenenbildungsprozess soll an die Lebensgeschichte und die Wirklichkeit der Teilnehmenden anknüpfen, anstatt ihnen unabhängig von ihrer Biografie etwas beibringen zu wollen (vgl. Behrens-Cobet in Schellhammer 2017: 33).
- Die Lernmotivation der Teilnehmenden sollte berücksichtigt werden. Erwachsene können durch Lernerfolge, soziale Anerkennung, anschlussfähige Lerninhalte, leichte Überforderung, Methodenwechsel, verwendungsorientierte Inhalte, Visualisierungen, unterstützende Seminargruppen und Fehler, wenn aus ihnen gelernt wird, motiviert werden. (Siebert 2012: 192-193)
- Das Umlernen von Gewohnheiten ist schwieriger als etwas Neues zu lernen, da ein umlernen die eigene Identität in Frage stellen kann (vgl. Siebert 2011: 25). Das bedeutet bei der Veränderung von Gewohnheiten oder Einstellungen sollte der Lehrende dies berücksichtigen und nicht sofort schnelle Lernerfolge der Teilnehmenden erwarten, sondern ihnen Zeit geben.
- Je mehr ein Lerninhalt emotional verankert werden kann, umso nachhaltiger wird dieser gelernt (ebd.: 25).
- Wesentlich damit Erwachsene lernen, ist die Selbstwirksamkeit, je größer das Selbstvertrauen, desto größer die Lernleistung (ebd.: 25). Daher sollten Erwachsene in ihrem Selbstvertrauen gefördert und bestärkt werden.
Wie müsste eine Erwachsenenbildung gestaltet sein, welche der Selbstorganisation des Emotionalen Rechnung zu tragen vermag?
Emotionale Kompetenz wird von Siebert definiert als „die Fähigkeit, die Wirkungsweisen des Emotionalen zu kennen, nüchtern bei sich und anderen in Rechnung zu stellen und Verfälschungen des Eindrucks zu vermeiden.“ (Siebert 2015: V)
Mit Kompetenz ist in diesem Zusammenhang das Verständnis der eigenen Gefühle und der Gefühle anderer gemeint, aber ebenso die emotionale Ausdrucksfähigkeit (ebd.: VI). Siebert konstatiert das ohne Emotionen kein Bildungsprozess möglich wäre und Denken und Lernen in Emotionalität eingebettet sind (Siebert 2012: 158). Emotionen können Lernprozesse ermöglichen oder blockieren (ebd.: 158). Der Konstruktivismus betrachtet Emotionalität als wesentlich in der menschlichen Entwicklung und sieht Emotionalität als selbstreferenzielles System an (vgl. ebd.: 160). Emotionen bauen auf früheren Emotionen auf, sie sind strukturdeterminiert (ebd.: 160). Emotionen können zwar durch äußere Einflüsse ausgelöst werden, die Verarbeitung erfolgt jedoch autopoietisch (vgl. ebd.: 160). Kognition und Emotion hängen zusammen, Gerd Doerry konstatiert:
„Der Lernvorgang des Erwachsenen (findet) auf zwei Ebenen statt. Auf einer Ebene agiert der Erwachsene als jemand, der sich frei für ein bestimmtes Lernvorhaben entschieden hat. Auf der anderen Ebene wird er während des Lernprozesses mit begleitenden Gefühlen konfrontiert, die mit den früher gemachten Erfahrungen zusammenhängen. Besteht dem Lerngegenstand gegenüber keine „spezifische Neugierbereitschaft“ oder wird keine ausreichende Zuwendung erfahren, verstärken sich diese Gefühle in negativer Richtung“ (Doerry 1982: 11 zitiert nach Siebert 2012: 162).
So hängt auch die Lernmotivation mit Emotionen zusammen, so haben die Erfahrungen der Teilnehmenden aus anderen Lernumgebungen, wie z.B. der Schule, einen Einfluss auf ihr weiteres Lernen. Hat ein Erwachsener als Kind in der Schule eine negative emotionale Verknüpfung zum Fach Mathematik aufgebaut, weil der Lehrer ihn nicht wertgeschätzt hat, sondern vor den anderen Mitschülern blamiert hat, so kann dieser Mensch als Erwachsener eine Abneigung und einen Lernwiderstand zu mathematischen Themen entwickelt haben. Solche emotionalen Lernwiderstände sollten in der Erwachsenenbildung wahrgenommen und berücksichtigt werden.
In der Erwachsenenbildung unterscheidet man das explizite und das implizite emotionale Lernen. Das Ziel des expliziten emotionalen Lernens ist die Steigerung der emotionalen Selbstreflexivität in Interaktion und Führung (Arnold 2015: 100). Das implizite emotionale Lernen hat eine wichtige Funktion für das selbstorganisierte Lernen (ebd.: 100). Der Mensch soll lernen sein Lernen und das Lösen seiner Probleme selbst zu organisieren (vgl. ebd.: 100) er trägt selbst die Verantwortung für seinen Lernerfolg.
Um sein Lernen selbstständig organisieren zu können, benötigt er Selbstvertrauen (vgl. ebd.: 100). Bevor das Individuum in der Lage ist, eigene Lernwege erfolgreich zu beschreiten, muss es die eigene Selbstwirksamkeit spüren können und eine Ich-Stärke entwickelt haben (vgl. ebd.: 100)
Eine Erwachsenenbildung die der Selbstgestaltung des Emotionalen Rechnung trägt, beinhaltet:
- Selbststeuerung und einen Bezug zum eigenen Lernen für den Lernenden herstellen zu können. Der Lernende sollte die Beobachterrolle gegenüber den eigenen Lernprozessen einnehmen können. (vgl. Arnold 2015: 102)
- Einsatz von Selbstlernmaterialien (ebd.: 104)
- Angeleitetes Selbststudium (ebd.: 104)
- E-Learning Arrangements (ebd.: 104)
- Eine Betrachtung des Subjektes als Akteur seines Lernprozesses (ebd.: 104)
- Regelmäßiges und konstruktives Feedback (ebd.: 104)
- Eine vielseitige Gestaltung der Handlungsebenen, um möglichst alle Lernenden zu erreichen (Reich 2009: 116)
- Lernmethoden die das soziale Lernen einbeziehen, denn ein verständnisvolles Umfeld und Miteinander ist für Lernende wesentlich (ebd.: 118)
- Die Berücksichtigung von Emotionen bei den Lernenden, da Lernen mit einer emotionalen Reaktion beginnt (ebd.: 120)
- Eine systemische Perspektive, denn diese unterstützt die Herstellung einer Beziehung im Lernprozess (ebd.: 121)
Lebenslanges Lernen scheint zwischen den Polen „Zumutung“ und „Selbstbefreiungschance“ reflektiert zu werden. Diskutieren Sie vor dem Hintergrund von lebenslangem Lernen diese beiden Begriffe und begründen Sie ihre eigene Position.
Spricht man vom Lebenslangen Lernen so spricht man meistens auch von einem Wandel innerhalb der Gesellschaft. Beide Begriffe, „Wandel“ und „Lebenslanges Lernen“ sind jedoch formale Begriffe, die nur den Prozess der Veränderung feststellen, jedoch den Inhalt nicht erfassen (vgl. Faulstich 2003: 260). Der Begriff des Lebenslangen Lernens beschreibt einen Prozess bei dem die Grenzen immer weiter aufgeweicht werden, dieser Prozess beinhaltet die Möglichkeit über das ganze Leben hinweg neues Lernen zu können. (vgl. Gieseke 2013: 136)
Der Erwachsene hat heute so viele Möglichkeiten wie nie zu vor. Gab es früher den Lebensberuf, den man, einmal erlernt, bis zur Rente fortführte, so gibt es heute zunehmend Lebensläufe mit diversen beruflichen Stationen. Die Vorstellung der Erwachsene sei fertig ist in der heutigen Zeit aber nicht mehr haltbar. Erwachsensein ist kein Endpunkt mehr, sondern es gilt lebenslang zu lernen (vgl. Schellhammer 2017: 14). Heute bedeutet Erwachsensein eine Vielzahl an Möglichkeiten und Freiheit in den eigenen Entscheidungen. War es früher noch üblich, dass die Eltern den Beruf ihres Kindes festlegten oder zumindest mitbestimmten, vertreten heute viele Eltern die Auffassung ihr Kind sollte sich vor allen Dingen selbst den eigenen Beruf auswählen um damit möglichst glücklich zu werden.
Gleichzeitig bringen die neuen Möglichkeiten und Freiheiten gleichzeitig einen gewissen sozialen Druck mit sich. Wer sich heute während dem Beruf nicht weiterbildet, kann sich schnell abgehängt fühlen und wird unter Umständen tatsächlich abgehängt, beispielweise dann, wenn für einen beruflichen Aufstieg die notwendige Weiterbildung fehlt.
Die Familie als dominantes Lebenssystem fällt immer mehr auseinander, heute sind Familie und eine Heirat keine folgelogischen Ereignisse in jedem menschlichen Lebenslauf mehr. (vgl. Faltermaier/Mayring/Saup/Strehmel 2014: 21). Die Vielfalt von familiären Lebensläufen macht eine Pluralität der Lebensformen sichtbar (ebd.: 21).
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- Quote paper
- Christina Heßling (Author), 2017, Lebenslanges Lernen. Die Grundlagen der Erwachsenenbildung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/427766
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