Montag, 18. September 2006, sieben Uhr früh. Müde, aufgeregt und nervös stehe ich am Bruchsaler Bahnhof, bewaffnet mit einem Stadtplan und vielen Fragen in meinem Kopf. Jetzt soll es also beginnen, mein Praxissemester – dreizehn Wochen an der HLA Bruchsal - und ich schwanke zwischen Freude und Angst. Wie werde ich aufgenommen werden? Ist es ein schlechtes Zeichen, dass „meine“ Schule mich, im Gegensatz zu dem, was ich von anderen Praxissemestlern gehört habe, vor Beginn des Praktikums nicht schon einmal zu einem Vorbesuch und einer Schulbesichtigung eingeladen hat? Wie viele Mitpraktikanten werde ich haben? Wie nimmt mich das Kollegium auf? Wie reagieren die Schüler auf eine noch nicht fertig ausgebildete Lehrerin? Werden sich die in Universität und im Bekanntenkreis oft gehörten Vorurteile über das berufliche Schulwesen bestätigen? Und immer wieder die bange Frage: Ist dieser Beruf wirklich der richtige für mich? Werde ich auch auf der anderen Seite des Lehrerpultes bestehen können, Freude daran haben, einen Draht zu meinen Schülerinnen und Schülern finden und als kompetente Lehrperson wahrgenommen werden?
Auf alle diese Fragen sollte ich in den kommenden Wochen und Monaten eine Antwort finden.
1. Meine Erwartungen
Montag, 18. September 2006, sieben Uhr früh. Müde, aufgeregt und nervös stehe ich am Bruchsaler Bahnhof, bewaffnet mit einem Stadtplan und vielen Fragen in meinem Kopf. Jetzt soll es also beginnen, mein Praxissemester – dreizehn Wochen an der HLA Bruchsal - und ich schwanke zwischen Freude und Angst. Wie werde ich aufgenommen werden? Ist es ein schlechtes Zeichen, dass „meine“ Schule mich, im Gegensatz zu dem, was ich von anderen Praxissemestlern gehört habe, vor Beginn des Praktikums nicht schon einmal zu einem Vorbesuch und einer Schulbesichtigung eingeladen hat? Wie viele Mitpraktikanten werde ich haben? Wie nimmt mich das Kollegium auf? Wie reagieren die Schüler auf eine noch nicht fertig ausgebildete Lehrerin? Werden sich die in Universität und im Bekanntenkreis oft gehörten Vorurteile über das berufliche Schulwesen bestätigen? Und immer wieder die bange Frage: Ist dieser Beruf wirklich der richtige für mich? Werde ich auch auf der anderen Seite des Lehrerpultes bestehen können, Freude daran haben, einen Draht zu meinen Schülerinnen und Schülern finden und als kompetente Lehrperson wahrgenommen werden?
Auf alle diese Fragen sollte ich in den kommenden Wochen und Monaten eine Antwort finden.
2. Zwischen Sommer- und Herbstferien – die ersten 6 Wochen Schulpraxis
In den ersten Wochen war ich weitestgehend mit organisatorischen Fragen beschäftigt – wie komme ich an meine Bücher, wie funktioniert der Kopierer, wer war noch gleich Frau Stadter und warum lande ich schon wieder im A-Gebäude, wenn ich doch in B 203 muss? Allerdings legten sich all diese Probleme – auch dank großartiger Unterstützung durch Dr. Dabelstein und andere Kollegen – schnell.
Schon nach wenigen Tagen wurde mir das erste Mal angeboten, selbst Unterricht zu halten – und zwar gleich eine Doppelstunde. Ich war mehr als aufgeregt, bereitete mich sehr gründlich vor und hatte zugleich große Ansprüche an mich selbst gepaart mit Zweifeln, welche – im Nachhinein betrachtet – völlig unbegründet waren. Die 1 KI, in der ich Deutsch unterrichtete, nahm mich problemlos als neue Autoritätsperson an, wir fanden eine konstruktive Arbeitsatmosphäre, der Unterricht verlief bis auf wenige Kleinigkeiten sehr gut und das Rückmeldung, die mir Dr. Dabelstein anschließend gab, fiel auch weitestgehend positiv aus. Kleinere Dinge waren allerdings noch zu verbessern, so zum Beispiel, dass ich teilweise mit roter Kreide geschrieben hatte, was schlecht lesbar war, dass ich gewisse Wörter und Formeln viel zu häufig benutzte, die Partnerarbeit als zu lange angesetzt und auch der gesamte Stundenentwurf eher zu großzügig war, so dass ich früher als erwartet fertig und dann zunächst ratlos war.
All diese Probleme bekam ich aber nach und nach in den Griff. Die 1 KI wurde zu einem festen Bestandteil meines Stundenplans und ich unterrichtete auch viel dort, was eine exzellente Übungsmöglichkeit für mich darstellte, da die Klasse sehr klein und die Schülermitarbeit sehr gut war. Nach und nach fand ich mich auch in andere Klassen ein, und nach einer gewissen Phase der Hospitation, die für mich teilweise sehr anstrengend war, was ich vorher nie für möglich gehalten hätte, unterrichtete ich auch dort. In einer 11. Klasse bei Fr. Stadter besprach ich drei Stunden lang das Thema Fabeln, an der Wirtschaftsschule moderierte ich zwei Stunden lang eine Partnerarbeit bei Herrn Rinck und bei Dr. Schneider konnte ich in zwei Stunden Ethikunterrichten via Gruppenarbeiten und Präsentationen das Judentum behandeln. Nach der sehr optimalen Situation in der 1 KI und der recht angenehmen 11. Klasse fiel mir der Unterricht im Berufskolleg bei Dr. Schneider schwer. Letztlich hatte ich meine Erwartungen auch viel zu hoch angesetzt, war mir doch nicht bewusst gewesen, wie viel ich von den Schülerinnen und Schülern fordern konnte. Auch das sehr langsame Lesetempo der Schüler, von denen viele Deutsch nicht als Muttersprache erlernt hatten, war von mir nicht bedacht worden. Demnach geriet ich sehr unter Zeitdruck. Letztlich war ich nach den Stunden enttäuscht, hatte ich doch allein für die Erstellung der Gruppenarbeitsblätter fast 6 Zeitstunden am PC und über den Büchern gesessen und mir auch bessere Ergebnisse der Gruppenarbeiten gewünscht als letztlich herauskamen.
Alles in allem lernte ich im ersten Teil meines Praktikums nebst einigen Kollegen und den Räumlichkeiten die Bedeutung von zeitlicher Flexibilität kennen. Ich lernte aber auch, meine Erwartungen besser den Schülern anzupassen, die ich unterrichte und vor allem, wie ich selbst als Lehrerin auf Schüler wirke. Dabei half es mir sehr, dass ich nach einer gewissen Zeitspanne, die ich in einer Klasse unterrichtet hatte, Umfragebögen ausgab, auf denen die Schüler mir (anonym) sagen konnten, was an meinem Unterricht und meiner Lehrerpersönlichkeit gut und was verbesserungswürdig ist. Die Auswertung dieser Bögen gab mir oftmals sehr gute Denkanstöße für den Rest meines Praktikums.
Anstrengend an der ersten Zeit meines Praktikums waren die Tage am Seminar in Karlsruhe, da sie den gewohnten Ablauf in der Schule unterbrachen, in den ich mich gerade mühsam eingewöhnt hatte. Über zwei Wochen war ich immer nur einen oder zwei Tage in der Schule, was ich als problematisch und unproduktiv empfand – gerade in einer Phase, in der es erstmals möglich gewesen wäre, mehr selbstständig zu unterrichten. Dies habe ich auch mit anderen Studenten an die Seminarleitung in Karlsruhe rückgemeldet.
3. Der zweite Teil – nach den Herbstferien bis Weihnachten
Der zweite Teil meiner Zeit an der HLA begann nach den Herbstferien, in denen ich leider einige Zeit im Krankenhaus verbrachte. Dementsprechend lief der Wiedereinstieg in den Schulalltag auch erst zwei Tage später und etwas langsamer an. Nichtsdestotrotz fand ich mich bald wieder ein und beschloss gemeinsam mit Dr. Dabelstein, meinen Stundenplan zu ändern, um neue Klassen und Kollegen kennen lernen zu können. Die Erstellung des neuen Stundenplans lag ganz in meiner Hand, was ich als sehr angenehm empfand, konnte ich doch so darauf achten, dass die Anzahl meiner Ethikstunden stieg und ich auch bei Kollegen, auf deren Unterrichtsstil ich aufgrund von Gesprächen im Lehrerzimmer neugierig geworden war, hospitieren konnte. Mein Unterricht in der 1 KI lief dagegen bis zum Ende meines Praktikums weiter.
Das Unterrichten fiel mir nach und nach leichter. Vor allem die Nervosität vor Stundenbeginn ließ nach, ebenso auch die Zweifel, als Respektperson nicht anerkannt zu werden und meine Zeitplanung wurde besser. Auch bekam ich die ständige Wiederholung von Begriffen wie „genau“ in den Griff und passte meine teilweise doch sehr universitär geprägte Sprachweise an die der Schüler an.
Dennoch gab es auch weniger positive Erlebnisse. Eine Doppelstunde in einer Wirtschaftsschulklasse, in der ich der Klasse für die Arbeit in der nächsten Stunde noch Stoff vermitteln musste, artete aus, die Schüler, die mit zwei Freistunden gerechnet hatten, waren unwillig, sprachen untereinander fast ausschließlich türkisch, warfen Papierkugeln, ließen mich kaum zu Wort kommen und schon gar nicht ausreden. Weder das Angebot, früher die Stunde zu beenden, wenn vorher ordentlich gearbeitet würde noch Ermahnungen oder gar Drohungen nutzen etwas. Nach der ersten der beiden Stunden fühlte ich mich nervlich am Ende. Die zweite Stunde lief besser, ließ ich mich doch nicht mehr unterbrechen, sprach meine Sätze zu Ende, auch wenn Zwischenrufe kamen und diktierte viel. Didaktisch wertvoller Unterricht war dies dann zwar nicht, aber im Nachhinein glaube ich, dass dies das Beste war, was aus der Situation herauszuholen war. Dennoch blieb das unschöne Gefühl, versagt zu haben. Erst nach einigen Tagen und Hospitationen in anderen Wirtschaftsschul- und BK-Klassen erkannte ich, dass es nicht an mir persönlich gelegen hatte, die Situation eine ungünstige gewesen war und andere gestandene Kollegen die gleichen Probleme mit diesen Klassen hatten. Sicherlich war mir das auch vorher schon gesagt worden – dennoch war es für mich wichtig, dies selbst zu sehen. Dessen ungeachtet merkte ich, dass ich mir Reaktionen und Rüstzeug für solche ausartenden Situationen antrainieren muss, was ich in nächster Zeit auch angehen werde.
Gegen Ende meines Praktikums, als ich auch die erforderlichen 100 Stunden Hospitation und 30 Stunden eigener Unterricht gesammelt hatte, hatte ich die Freiheit, nochmals bei anderen Kollegen dem Unterricht beiwohnen zu können. Teilweise waren dies nur ein oder zwei Stunden, die aber oft sehr ergiebig waren. Diese Phase brachte mir viele neue Denkanstöße und Erfahrungen, ich lernte neue Methoden, Frageweisen und Vermittlungstechniken kennen und bemerkte aber auch erneut stark, dass die im Seminar als Standard vermittelte Unterrichtsweise weit mehr die Ausnahme denn die Regel ist, was mich zugegebenermaßen mehr beruhigte als erschreckte.
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- Citation du texte
- Sonja Filip (Auteur), 2007, "Man kann sich nicht blamieren, nur trainieren!" – Reflexionen über das Schulpraxissemester, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/427492