Diese Arbeit entstand im Rahmen des Seminars Entwicklungsaufgaben in der Jugend am Institut für Pädagogische Psychologie und Entwicklungspsychologie.
Zahlreiche deutsche Städte gerieten in den 1990iger Jahren in das Blickfeld der Presse. Politisch motivierte Gewalt ausgeübt von Jugendlichen ließ dann den Schluss zu, der Rechtsextremismus sei ein Jugendphänomen. Die Wissenschaft blickte stark auf den gewaltförmigen jugendlichen Rechtsextremismus (Kleinert/Rijke, 2000). Das Jugendproblem muss als gesamtgesellschaftliches Phänomen ernst genommen werden (Butterwegge, 2002). Die Historikerin Brigitte Hamann meinte in einem Interview kürzlich: „Ich glaube, dass es wieder passieren kann, und ich glaube auch, dass wir deswegen so genau uns mit Hitler und dem Dritten Reich beschäftigen müssen, um uns klarzumachen, unter welchen Umständen eine so fürchterliche Entwicklung möglich ist." (F.A.Z., 12.03.2005, Nr. 60 / Seite 40) Wir müssen aber auch auf die Entwicklungsaufgaben und die Ressourcen der Problembewältigung unserer momentan heranwachsenden Jugendlichen schauen. Will man darlegen, warum es rechtsextreme Jugendliche gibt, sind gesamtgesellschaftliche Ursachen entscheidend. Ich möchte mich in dieser Arbeit mit der Frage beschäftigen, wie ein Jugendlicher in seiner politischen Identitätsentwicklung zum Rechtsextremisten werden kann. Dazu muss man seine Persönlichkeit und das soziale Umfeld untersuchen. Dort sind die Ressourcen zu finden, die er zur Bewältigung seiner Entwicklungsaufgaben beanspruchen muss.
Ich werde zu Beginn der Arbeit die Hauptbegriffe Identität und Extremismus definieren. Auf die Identitätsentwicklung und Moralentwicklung der Jugendlichen gehe ich danach näher ein. Für ein aktuelles Beispiel zur Moral und Verantwortlichkeitszuschreibung beziehe ich mich auf die Politik. Entstehungsursachen für das Phänomen Extremismus im Jugendalter und kurze Theorieansätze beschriebe ich im Kapitel fünf. Abschließen wird die Arbeit mit einer Studie zum Rechtsextremismus.
Inhalt
I. Einleitung
II. Bergriffsklärung
1) Identität und Identitätsbildung
a) Politische Identität
2) Extremismus
a) Rechtsextremismus
III. Entwicklungspsychologie politischer Identitätsbildung
1) Suche nach Identität
2) Politische Sozialisation
3) Identitätskrisen
IV. Moral und politisches Bewusstsein
1) Moralpsychologie und Entwicklung
2) Moralisches Urteilsniveau und Verantwortlichkeit
a) Kohlbergs Stufenmodell
b) Verantwortlichkeitskonzept
3) Exemplarische Studien
a) Beispiel eines praktischen Einzelfalls
V. Erklärungsansätze von politischem Extremismus
1) Betrachtungsebenen
2) Perspektiven
a) Gesellschaft
b) Individuum
c) Entwicklung
VI. Studie Rechtsextremismus
1) Methode
2) Ergebnisse
a) Persönlichkeitsmerkmale
aa) Methode
ab) Ergebnisse
b) Gewalt
c) Politische Orientierungen
d) Lebenswelt
e) Regressionsmodell
3) Kritik und Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
I. Einleitung
Diese Arbeit entstand im Rahmen des Seminars Entwicklungsaufgaben in der Jugend am Institut für Pädagogische Psychologie und Entwicklungspsychologie.
Zahlreiche deutsche Städte gerieten in den 1990iger Jahren in das Blickfeld der Presse. Politisch motivierte Gewalt ausgeübt von Jugendlichen ließ dann den Schluss zu, der Rechtsextremismus sei ein Jugendphänomen. Die Wissenschaft blickte stark auf den gewaltförmigen jugendlichen Rechtsextremismus (Kleinert/Rijke, 2000). Das Jugendproblem muss als gesamtgesellschaftliches Phänomen ernst genommen werden (Butterwegge, 2002). Die Historikerin Brigitte Hamann meinte in einem Interview kürzlich: „Ich glaube, dass es wieder passieren kann, und ich glaube auch, dass wir deswegen so genau uns mit Hitler und dem Dritten Reich beschäftigen müssen, um uns klarzumachen, unter welchen Umständen eine so fürchterliche Entwicklung möglich ist." ( F.A.Z., 12.03.2005, Nr. 60 / Seite 40) Wir müssen aber auch auf die Entwicklungsaufgaben und die Ressourcen der Problembewältigung unserer momentan heranwachsenden Jugendlichen schauen. Will man darlegen, warum es rechtsextreme Jugendliche gibt, sind gesamtgesellschaftliche Ursachen entscheidend. Ich möchte mich in dieser Arbeit mit der Frage beschäftigen, wie ein Jugendlicher in seiner politischen Identitätsentwicklung zum Rechtsextremisten werden kann. Dazu muss man seine Persönlichkeit und das soziale Umfeld untersuchen. Dort sind die Ressourcen zu finden, die er zur Bewältigung seiner Entwicklungsaufgaben beanspruchen muss.
Ich werde zu Beginn der Arbeit die Hauptbegriffe Identität und Extremismus definieren. Auf die Identitätsentwicklung und Moralentwicklung der Jugendlichen gehe ich danach näher ein. Für ein aktuelles Beispiel zur Moral und Verantwortlichkeitszuschreibung beziehe ich mich auf die Politik. Entstehungsursachen für das Phänomen Extremismus im Jugendalter und kurze Theorieansätze beschriebe ich im Kapitel fünf. Abschließen wird die Arbeit mit einer Studie zum Rechtsextremismus.
II. Bergriffsklärung
1) Identität und Identitätsbildung
„Identität im psychologischen Sinne beantwortet die Frage nach den Bedingungen, die eine lebensgeschichtliche und situationsübergreifende Gleichheit in der Wahrnehmung der eigenen Person möglich machen“ (Keupp, 2001, S. 243). Die eigene oder auch die andere Person werden erfasst. Es gibt ein subjektives Innen und dem steht ein gesellschaftliches Außen gegenüber. Individuelle soziale Verortung und die Notwendigkeit der Identitätskonstruktion verweisen auf menschliche Grundbedürfnisse wie Anerkennung und Zugehörigkeit. Der Doppelcharakter von Identität meint auf der einen Seite das unverwechselbar Individuelle und auf der anderen, das sozial Akzeptable darstellbar zu machen (ebd.). Der Mensch gilt von Geburt bis zum Tod als er selbst, bleibt jedoch in sich selbst nicht gleich. Einerseits erneuert er sich, andererseits verliert er anderes (Rufener, 1958). Identität ist immer auch Kompromissbildung zwischen Eigensinn und Anpassung (Keupp, 2001).
Die Konstruktion einer stabilen Identität setzt die erfolgreiche Lösung von Konflikten und Aufgaben in früherer Kindheitsphase voraus. Die erfolgreiche Bewältigung dieser Konflikte/Aufgaben hängt von struktureller Unterstützung aus Familie, Vorschule und Schule ab. Die Adoleszenz[1] ist für die Entwicklung eine sehr anfällige Phase im Lebenszyklus eines Menschen (Erikson, 1959). Erikson entwirft ein Konstrukt von Identität, welches auf subjektivem Vertrauen in die eigene Kompetenz basiert. Kontinuität und Kohärenz sollen in dem o.g. Passungsprozess des Doppelcharakters von Identität entstehen. In der Postmoderne, die mit Begriffen wie Individualisierung und Globalisierung besetzt ist, wird dieser lineare Verlauf in Frage gestellt. Identität wird eben nicht mehr als Entstehung eines stabilen Inneren Kerns thematisiert. Die in dieser Zeit ständig erforderliche Passung zwischen innerer und äußerer Welt ist als ein Prozess alltäglicher Identitätsarbeit anzusehen (Keupp, 2001). Fend zufolge ist das Selbst projektiv und sozial. In zwischenmenschlichen Interaktionsprozessen wird die Identität konstruiert und ausgehandelt, wobei jeder Einzelne aktiv am Aufbau des eigenen Selbst arbeitet.
Die Adoleszenz spielt eine maßgebliche Rolle für die ideologische Sichtweise auf Selbst und Gesellschaft. Die Entwicklung in dieser Phase ist wesentlich beeinflusst durch den sozialen Kontext. Über die Familie, den Klassenraum, soziale Gruppen und politische Organisationen hinaus drängen ideologische Bewegungen auf mehr Platz (Edelstein, 2003).
a) Politische Identität
Politische Identität entwickeln heißt für junge Menschen dem Thema Politik einen Stellenwert einzuräumen, sich selbst im Spektrum politischer Meinungen zu verorten und Möglichkeiten politischen Handelns zu erfahren. Der Jugendliche muss Ansichten entwickeln, die er für richtig oder falsch hält und für die er sich einsetzt (Oswald, 2004).
Adelson (1977) hält die Altersphase zwischen 12 und 16 Jahren bei der Entstehung politischen Denkens für entscheidend. Schon 12jährige nehmen in den Medien präsentierte Probleme deutlich wahr und bestimmen dadurch ihr politisches Bewusstsein. Ingesamt wird davon ausgegangen, dass in der Phase der Frühadoleszenz Entwicklungen der Persönlichkeit und auch im kognitiven Bereich stattfinden, die politische Identität aufbauen (Fend, 1991).
2) Extremismus
Das Lexikon der Psychologie spricht kurz von extremer politischer Einstellung oder radikalem Verhalten mit dem Verweis zu den Worten Rechtsextremismus und Linksextremismus (vgl. Wenninger, 2000, S. 456).
Politischer Extremismus gilt als Antithese zur konstitutionellen[2] Demokratie. Gekennzeichnet ist der Begriff durch die Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates mit seinen Werten und Spielregeln und durch einen Alleinvertretungsanspruch für Weltanschauungen. Extremismus wird mit Gewaltbereitschaft oder –befürwortung in Verbindung gebracht. Darin kommt die aktive Beseitigung bestehender Verhältnisse und die unbedingte Durchsetzung eigner politischer Auffassungen manifest zum Ausdruck (Oerter/Montada, 1998).
Radikalität ist gekennzeichnet von einem Vorhandensein extremer Einstellungen und Grundsätze. Der Übergang zwischen Demokratie und Extremismus ist fließend. Die Grenzen verfassungskonformen Verhaltens sind schwer bestimmbar. Daher kennt das Amtsdeutsch den Begriff des Radikalismus, der noch dem verfassungskonformen Spektrum zuzurechnen ist (vgl. Stöss, 2000, S. 13 ff).
Rigorismus[3] und Radikalität schließen nicht die Akzeptanz demokratischer Grundwerte noch die Toleranz für Personen mit anderen Auffassungen aus. Radikale politische Veränderungsbereitschaft und Nonkonformität sind nicht mit Extremismus gleichzusetzen (Oerter/Montada, 1998).
Richard Stöss veranschaulicht die Begriffe in einem „Extremismus-Modell“:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Stöss, 2000, S. 18
Kritik hier ist, dass ein Phänomen wie z.B. der Rechtsextremismus einer Randständigkeit unterliegen kann. Den Trägergruppen kann Unseriosität und Abnormität suggeriert werden. Die Verantwortung der politischen und gesellschaftlichen „Mitte“ für das Problem kann ausgeblendet werden, denn „Extrem“ heißt nämlich, dass sich das Phänomen am äußersten Rand des politischen Spektrums befindet. Überschneiden sich Themen der Rechten mit den Themen der Mitte, kann von Rechtsextremismus nicht mehr die Rede sein (Butterwegge, 2002).
a) Rechtsextremismus
Seit Mitte der 1970er wurde der Begriff „Rechtsextremismus“ als Steigerungsform von „Rechtsradikalismus“ verwendet. Bevorzugt benutzt man auch heute diese Bezeichnung. Im Grunde ist sie unbefriedigend aber es fehlt eine sinnvolle Alternative (Butterwegge, 2002).
„Der Rechts- ist im Vergleich zum Linksextremismus politisch und ideologisch wesentlich homogener und überdies – auch in seinem Selbstverständnis – antidemokratisch, was für die kapitalismuskritische bzw. –feindliche Linke nur teilweise gilt.“ (Neugebauer, 2001, S. 31) Weiter definiert Glaß: „Unter Rechtsextremismus ist die Gesamtheit der Einstellungen, Verhaltensweisen und Aktionen zu verstehen, die, organisiert oder nicht, von der rassisch oder ethnisch bedingten sozialen Ungleichheit von Menschen ausgehend, nach ethnischer Homogenität von Völkern verlangt und das Gleichheitsgebot der Menschenrechtsdeklaration ablehnt. Rechtsextremismus räumt der Gemeinschaft eindeutig Vorrang vor dem Individuum ein, verlangt die Unterordnung des Bürgers unter eine deutlich obrigkeitsgläubig orientierte Staatsräson und verwirft jeden Wertepluralismus liberaler Demokratie mit der Stoßrichtung, Demokratie rückgängig machen zu wollen.“ (Glaß, 1998, S. 71)
Rechtsextremisten möchten hinter die bürgerliche Demokratie zurück und so die Errungenschaften der Französischen Revolution rückgängig machen. Ein Graus sind ihnen Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit über die Grenzen des eigenen Nationalstaates hinweg (Stöss, 2000).
Der Terminus Neonazismus bezeichnet eine Teilmenge des Rechtsextremismus. Jene Anhänger berufen sich offen auf Traditionen des historischen Faschismus, zeichnen sich durch besondere Militanz und größeren Fanatismus aus (Butterwegge, 2002).
III. Entwicklungspsychologie politischer Identitätsbildung
1) Suche nach Identität
Identitätsreife kann nicht in allen Bereichen gleichzeitig erlangt werden. Es sind Rückfälle in sog. Explorationsphasen möglich. Bei der Identitätssuche kann der Grad der Exploration hoch oder niedrig sein und nach Marcias Typologisierung krisenreich oder unproblematisch verlaufen. Nicht in allen Identitätsbereichen wird gleichzeitig eine stabile Identität nach demselben Schema ausgebildet. Ein Jugendlicher kann im Sinne des Foreclosure[4] die politische Einstellung der Eltern unhinterfragt übernehmen. Folgende Abbildung kann den Prozess der bereichsspezifischen Identitätsbildung verdeutlichen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Jeder Jugendliche kann sich in einem anderen Stadium in den Identitätsbereichen befinden und dort verorten. Fend unterscheidet die Phase des Abwägens von Möglichkeiten und die eines geplanten Zielerreichens in der Identitätsbildung. Identität wird aktiv durch eigene Projekte aufgebaut. Die Jugendlichen werden aber auch durch Interaktionen im sozialen Umfeld beeinflusst. Es werden Vorlieben und Abneigungen zu Angeboten/Möglichkeiten in der Gesellschaft ausgebildet. Eine Aufgliederung der Identitätsentwicklung in verschiedene Bereiche ermöglicht eine konkretere Erforschung von Weltaneignungsprozessen (Fend, 1991).
„Insgesamt geht es um den Aufbau von Perspektiven für die sinnvolle Gestaltung des Lebens auf persönlicher und gemeinschaftlicher Ebene. Diese Gestaltung schließt interpretative, evaluative und handlungsbezogene Prozesse ein; es geht um Wahrnehmungen und Bedeutungsverleihungen, um die Entwicklung von normativen Konzepten des Wünschenswerten und um die Einübung von Handlungen bzw. den Aufbau von Handlungsbereitschaften“ (Fend 1991, S. 22).
[...]
[1] Die Adoleszenz ist das Übergangsstadium in der Entwicklung des Menschen von Kindheit (Pubertät) hin zum vollen Erwachsensein und stellt den Zeitabschnitt dar, während dessen eine Person biologisch ein Erwachsener ist, aber emotional und sozial noch nicht vollends gereift ist.
[2] Ein Staatssystem wird als konstitutionell bezeichnet, wenn es auf einer Verfassung basiert.
[3] Die Existenz ausgeprägter Einstellungen oder Werte, die für eine Person dominant sind und einen unbedingten Gültigkeitsanspruch haben.
[4] problemlose Übernahme von Überzeugungsmustern
- Citar trabajo
- Sebastian Hilbert (Autor), 2005, Politische Identitätsentwicklung rechtsextremer Jugendlicher, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42731
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