Gut acht Jahre nach seinem Start hat sich der private Fernsehsatellit Astra zum alleinigen Marktführer in Europa entwickelt. 21,73 Millionen europäische Haushalte haben ihre Empfangsanlagen, sogenannte Satellitenschüsseln, auf den luxemburgischen Himmels¬körper ausgerichtet. Dies sind 90 Prozent aller europäischen Satellitenhaushalte. In Deutschland empfangen 1,21 Millionen Haushalte ihre Programme über Astra. Dazu kommen 15,4 Millionen deutsche Haushalte, bei denen die Astra-Programme ins Kabel¬netz eingespeist sind.
Der von dem privaten luxemburgischen Konsortium Societé Européenne des Satellites (SES) betriebene Satellit hat damit ein Quasi-Monopol in der Fernsehausstrahlung über Satellit inne. Umso verwunderlicher ist es, wenn man betrachtet, wer diesen privaten Monopolisten beaufsichtigt: Die Kontrolle, die vom luxemburgischen Staat ausgeübt wird, ist fast nur formaler Art. Schließlich ist Luxemburg als Anteilseigner vorrangig an einem wirtschaftlichem Erfolg des Unternehmens interessiert. Auch von den europä¬ischen Institutionen (Europäische Union und Europarat) gingen bisher keine gesetzgeberischen Maßnahmen aus, die eine effektive Aufsicht gewährleisten könnten. Angesichts dieser Situation stellt sich die Frage auf, wie es möglich war, daß sich Astra bisher jeglicher Kontrolle entziehen konnte bzw. warum es die europäischen Institutionen nicht geschafft haben, dieses neue Medium zu regulieren, zumal die Meinungsvielfalt in Europa ob der dubiosen Transpondervergabe-Politik des Betreibers immer mehr gefährdet ist. Schließlich entwickelt sich das Medium Satellit immer mehr zum Standardversorger für Fernsehprogramme, da die Preis- und Programmvorteile der Satelliten das Kabel immer mehr verdrängen.
Mit diesen Fragen beschäftigt sich die vorliegende Arbeit. Zudem soll erläutert werden, wie eine Kontrolle der Satellitenbetreiber aussehen könnte und wie wirksam sie wäre.
Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
1. Astras Weg zum Monopol
1.1. Die Gründungsgeschichte
1.2. Eutelsats Verhinderungspolitik
1.3. Die Transpondervergabepolitik
1.4. Zusammenfassung und Notwendigkeit einer Kontrolle
2. Die rechtlichen Rahmenbedingungen des Satellitenfernsehens
2.1. Die Regelungen bis zur Fernsehrichtlinie: Freier Informationsfluß versus staatliche Souveräntität
2.2. Die Fernsehrichtlinie und die Europaratskonvention
2.2.1. Bewertung der Richtlinie
2.3. Die kulturpolitische Kompetenz im Maastricher Vertrag
2.4. Die Fernsehnorm MAC
3. Chancen einer europäischen Medienaufsicht
3.1. Die Rundfunkfreiheit
3.2. Die Gestaltungsmodelle des Rundfunks
3.3. Vor- und Nachteile einer europäischen Medienaufsicht
3.4. Ansätze einer europäischen
3.5. Der aktuelle Stand einer europäiMedienaufsichtschen Medienaufsicht
4. Zusammenfassung und Resümee
5. Literaturverzeichnis
0. Einleitung
Gut acht Jahre nach seinem Start hat sich der private Fernsehsatellit Astra zum alleinigen Marktführer in Europa entwickelt. 21,73 Millionen europäische Haushalte haben ihre Empfangsanlagen, sogenannte Satellitenschüsseln, auf den luxemburgischen Himmelskörper ausgerichtet. Dies sind 90 Prozent aller europäischen Satellitenhaushalte. In Deutschland empfangen 1,21 Millionen Haushalte ihre Programme über Astra. Dazu kommen 15,4 Millionen deutsche Haushalte, bei denen die Astra-Programme ins Kabelnetz eingespeist sind.
Der von dem privaten luxemburgischen Konsortium Societé Européenne des Satellites (SES) betriebene Satellit hat damit ein Quasi-Monopol in der Fernsehausstrahlung über Satellit inne. Umso verwunderlicher ist es, wenn man betrachtet, wer diesen privaten Monopolisten beaufsichtigt: Die Kontrolle, die vom luxemburgischen Staat ausgeübt wird, ist fast nur formaler Art.[1] Schließlich ist Luxemburg als Anteilseigner[2] vorrangig an einem wirtschaftlichem Erfolg des Unternehmens interessiert. Auch von den europäischen Institutionen (Europäische Union und Europarat) gingen bisher keine gesetzgeberischen Maßnahmen aus, die eine effektive Aufsicht gewährleisten könnten. Angesichts dieser Situation stellt sich die Frage auf, wie es möglich war, daß sich Astra bisher jeglicher Kontrolle entziehen konnte bzw. warum es die europäischen Institutionen nicht geschafft haben, dieses neue Medium zu regulieren, zumal die Meinungsvielfalt in Europa ob der dubiosen Transpondervergabe-Politik des Betreibers immer mehr gefährdet ist. Schließlich entwickelt sich das Medium Satellit immer mehr zum Standardversorger für Fernsehprogramme, da die Preis- und Programmvorteile der Satelliten das Kabel immer mehr verdrängen.[3]
Mit diesen Fragen beschäftigt sich die vorliegende Arbeit. Zudem soll erläutert werden, wie eine Kontrolle der Satellitenbetreiber aussehen könnte und wie wirksam sie wäre.
Um Antworten auf diese Fragestellungen zu finden, muß etwas weiter ausgeholt werden. Als Basis soll zunächst die Entwicklungsgeschichte Astras geschildert werden, die darüber Aufschluß gibt, wie Astra es geschafft hat, sich gegen jegliche staatliche Interventionen durchzusetzen und zum absoluten Marktführer aufzusteigen. Auf dieser Grundlage wird dann die Notwendigkeit einer Kontrolle herausgearbeitet, die insbesondere durch die bereits erwähnte umstrittene Transpondervergabe-Politik der Betreibergesellschaft in die Debatte gebracht wurde.
Bevor diskutiert werden kann, auf welche Weise die europäischen Staaten bzw. die Europäische Union (EU) die SES kontrollieren könnte, legt die Arbeit die rechtlichen Rahmenbedingungen dar, unter denen Astra seine Programme ausstrahlt. Neben weltweiten Regelungen wie der World Administration Radio Conference (WARC) soll insbesondere auf die Maßnahmen der europäischen Institutionen eingegangen werden. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Fernsehrichtlinie der Europäischen Kommission "Fernsehen ohne Grenzen" aus dem Jahre 1989, die als bislang einziger Ansatz für eine europäische Medienpolitik zu werten ist. Hierbei werden hauptsächlich die Aspekte, die den Satellitenrundfunk und Realisierungsmöglichkeiten einer europäischen Medienaufsicht betreffen, behandelt und diskutiert. Die Debatte über die Quotenregelung bleibt dabei ausgespart.
Dieser Exkurs in die Gesetzgebung soll aufzeigen, inwiefern der Europäischen Union bei der Satellitenkontrolle einerseits die Hände gebunden sind, andererseits inwiefern die EU ein Interesse daran hat, daß der Rundfunkmarkt weitestgehend dereguliert bleibt.
Aufbauend auf diese Erkenntnisse untersucht die Arbeit die Realisierungschancen einer europäischen Medienaufsicht. Hierzu werden das Pluralismus-Konzept, das hinter der Idee einer Medienaufsicht steht, sowie die verschiedenen Modelle dieses medienpolitischen Konzeptes vorgestellt. Zudem werden die Vor- und Nachteile einer Medienkontrolle diskutiert und deren Durchsetzbarkeit untersucht.
Abschließend schildert die Arbeit den aktuellen Stand der von einigen nationalen Rundfunkaufsichten angestrebten europäischen Medienaufsicht und zeigt die Konzepte und deren Realisierungschancen auf.
Der Forschungsstand ist in politikwissenschaftlicher Hinsicht als eher bescheiden zu bezeichnen. Hauptsächlich haben sich bisher Völkerrechtler, Rundfunkrechtler und Kommunikationswissenschaftler mit dieser Thematik beschäftigt, wobei der Aspekt der Regulierung von Satellitenanbietern zumeist nur ansatzweise behandelt wurde. Die Entwicklungsgeschichte Astras wurde besonders ausführlich in Wilfried Ahrens' populärwissenschaftlicher Publikation "Astra - Fernsehen ohne Grenzen" aufgearbeitet. Mehrere für diese Arbeit herangezogenen Veröffentlichungen des Rundfunkrechtlers Wolfgang Hoffmann-Riem waren besonders hilfreich bei der Bewertung der europäischen Medienpolitik in puncto Rundfunkfreiheit und Pluralismus. Außerdem sind noch Martin Gepperts Ausführungen in der juristischen Dissertationsschrift "Europäischer Rundfunkraum und nationale Rundfunkaufsicht" über die rechtlichen Rahmenbedingungen des grenzüberschreitenden Fernsehens hervorzuheben.
Nichtsdestotrotz verfolgt diese Arbeit einen politikwissenschaftlichen Ansatz. Sie stellt zunächst dar, wo ein Regulierungsbedarf besteht. Daraufhin zeigt sie den aktuellen Stand der Regulierung, um dann anschließend zu skizzieren, wie eine effektive Kontrolle aussehen könnte. Um die Lücken in der Literatur ansatzweise schließen und den aktuellen Stand darstellen zu können, greift die Arbeit auch auf schriftliche und mündliche Informationen von Politikern, Medienwächtern und Journalisten zurück, die sich mit dieser Thematik beschäftigt haben.
1. Astras Weg zum Monopol
1.1. Die Gründungsgeschichte
Bevor die SES im Jahre 1985 gegründet wurde, hatte es im Großherzogtum Luxemburg bereits zwei erfolglose Versuche gegeben, einen Fernsehsatelliten in die Umlaufbahn zu befördern. Zunächst scheiterte 1980 das sogenannte LUXSAT-Projekt von der CLT am Widerstand der französischen Regierung, die ihr eigenes nationales Rundfunksatellitenprojekt durch den geplanten luxemburgischen Satelliten gefährdet sah.
Drei Jahre später wurde die Idee von der luxemburgischen Regierung wieder aufgenommen, die ein großes Interesse daran hatte, die zukunftsträchtige Kommunikationswirtschaft, speziell den Rundfunkbereich auszubauen. Hierzu nahm der damalige luxemburgische Premierminister Pierre Werner im März 1983 Kontakt mit dem ehemaligen Hughes-Manager Clay T. Whitehead auf, der in den USA die Entwicklung des Galaxy-Satellitensystems vorangetrieben hatte, das für Fernsehübertragungen ausgelegt und inzwischen zu einem großen Erfolg in den Staaten geworden war. Dieser neue von Whitehead promotete Satellitentyp war ein sogenannter Medium-Power-Satellit oder auch Hybrid-Satellit, der pro Transponder mit nur 50 Watt auskam. Auf ihm konnten bis zu sechszehn Transponder für ebenso viele Fernsehprogramme untergebracht werden. Bisherige direktstrahlende Fernsehsatelliten (Direct Broadcasting Satellites, kurz DBS) konnten nur fünf Kanäle ausstrahlen, was sie extrem unwirtschaftlich machte. Für den Empfang der Signale eines Hybrid-Satelliten reichte eine Satellitenschüssel mit einem Durchmesser von 60 cm aus.
Doch auch dieses Projekt scheiterte an dem Widerstand der französischen Regierung, die nicht nur ihre eigenes Projekt, den TDF1, sondern auch ihre Souveränität bedroht sah.[4] Außerdem legte sich die CLT mit der Begründung quer, daß ihr laut Mediengesetz das alleinige Monopol für die Rundfunkausstrahlung in Luxemburg zustehe. Zudem befürchteten mehrere Nachbarstaaten, daß der europäische Rundfunkmarkt durch ein amerikanisches Projekt zu stark beherrscht würde. Man wollte einer "Coca-Kolonisation" entschieden entgegenwirken. Damit lag man nicht ganz falsch, denn Whitehead hatte wirklich vor, das Projekt als "Trojanisches Pferd" in Europa zu benutzen. Als dieses herauskam, entzog Luxemburg dem Amerikaner das Vertrauen, und das Coronet-Projekt war gescheitert.[5]
Zwei Jahre später wurde ein erneuter und letztendlich erfolgreicher Anlauf genommen. Da man aus den Erfahrungen der vorherigen Projekte gelernt hatte, strebte man jetzt eine Lösung an, die folgendes vorsah: Die Konzession für die Nutzung der luxemburgischen Satellitenfrequenzen mußte unter luxemburgischer Kontrolle bleiben. Die Aktionäre mußten die operative Kontrolle über das Geschäft behalten und durften sie nicht wie bei der Coronet-Konstruktion aus der Hand geben. Außerdem mußte das Projekt eindeutig als europäische Veranstaltung vorgezeigt werden, um der anti-amerikanischen Propaganda gegen einen "Raubvogel des amerikanischen Medienkapitals über dem europäischen Medienterritoriums" von Anfang an den Wind aus den Segeln zu nehmen.[6] Dazu wurde ein privates Konsortium, die SES, gegründet, in dem sich neben den beiden öffentlich-rechtlichen luxemburgischen Finanzhäusern Banken, Versicherungen und Fernsehproduzenten aus Deutschland, Schweden, Dänemark, Belgien und Großbritannien zusammenfanden.[7] Die Konstruktion der Gesellschaft bot Gewähr dafür, daß das Unternehmen nicht von einer Gruppe und auch nicht vom Ausland dominiert werden konnte. Das Aktienkapital wurde in zwei Klassen eingeteilt: Private Investoren können sogenannte A-Aktien erwerben, die staatlichen luxemburgischen Banken erhielten sogenannte B-Aktien. Die Statuten verlangen, daß kein Aktionär mehr als 10 Prozent des nominellen Aktienkapitals besitzen darf. Die A-Aktien werden zum doppelten Preis der B-Aktien abgegeben, wofür man aber auch eine doppelt so hohe Dividende einstreichen kann. Die A-Aktionäre verfügen über 80 Prozent des Eigenkapitals und zwei Drittel der Mandate im Verwaltungsrat, die B-Aktionäre über 20 Prozent und ein Drittel der Mandate.[8] Mit dieser europäischen Konstruktion konnte der Widerstand der europäischen Telekom-Verwaltungen gegen das Projekt abgefangen werden.[9]
Auch bei der Wahl der Trägerrakete nahm man Rücksicht auf den Zusammenschluß der europäischen Telekom-Verwaltungen, Eutelsat: Nachdem ein amerikanischer Satellit bestellt worden war, wollte man wenigstens bei der Wahl der Trägerrakete einen guten europäischen Willen zeigen. Man entschied sich für die europäische Ariane-Rakete.[10]
Whitehead wurde mit einer Million Dollar abgefunden und erhielt von da an fünf Prozent des jährlichen Nettogewinnes der SES[11] überwiesen. Als Gegenleistung mußte Whitehead lediglich eine Konkurrenzausschlußklausel unterschreiben.
Nach einigen bürokratischen Hindernissen, die im nächsten Abschnitt geschildert werden, konnte der Satellit Astra am 11. Dezember 1988 ins All geschickt werden. Am 1. Februar 1989 nahm er seinen offiziellen Sendebetrieb auf.
1.2. Eutelsats Verhinderungspolitik
Eutelsat versuchte von Anfang an, das luxemburgische Projekt zu torpedieren, indem es bürokratische Hindernisse aufbaute. Zunächst beharrte man auf den Artikel XVI im Eutelsat-Abkommen, der den Mitgliedstaaten auferlegt, internationale Fernmeldedienste über Satellit nur dann zu betreiben, wenn sie Eutelsat keinen "significant economic harm" zufügen. Dieser Vorwurf konnte von der SES aber erfolgreich abgeschmettert werden, da Eutelsat zu dem Zeitpunkt noch gar nicht über einen Fernsehsatelliten verfügte. Insofern konnte die SES Eutelsat auch keinen Schaden zufügen, denn "ein Geschäft, das man nicht hat, kann einem auch nicht kaputtgemacht werden"[12]. Der letzte Widerstand von Eutelsat konnte erst im Herbst 1987 überwunden werden, nachdem die SES Eutelsat zugesichert hatte, letztlich nicht mehr als vier der damaligen Eutelsat-Kunden auf Astra zu übernehmen. Zuvor hatte eine Kooperation von SES und der britischen Telekom BT eine Schneise in die Abwehrfront von Eutelsat geschlagen und damit den Weg für eine Verständigung mit dem Konkurrenten geschlagen. Erst im Mai 1989 wurde der Empfang im größten Teil Europas genehmigt.
Eutelsat legte noch zwei weitere bürokratische Fußangeln aus, um den Konkurrenten Astra ins Stolpern zu bringen.
Im Dezember 1992 verordnete die Deutsche Bundespost, daß alle Satellitenempfangsanlagen mit einem Filter versehen werden müßten, wodurch sich der Preis einer Antenne um 200 bis 400 Mark verteuert hätte. Der darauf einsetzende Protest der Verbraucher, insbesondere des Bundesverbandes Satelliten-Direktempfang (BSE), der bei der Kommission geltend machte, daß eine zwangsweise Durchsetzung dieser Anordnung nur in der Bundesrepublik ein klarer Verstoß gegen die Harmonisierungsbestrebungen der EG-Richtline 83/189 sei, nach der neue technische Hemmnisse vor 1992 zu verhindern waren. Der Protest führte schließlich zu einem Kompromiß: Der Filter wurde nur für aufwendige Gemeinschaftsanlagen vorgeschrieben. Der Massenmarkt der Individualantennen blieb verschont.[13]
Anfang 1990 spannte Eutelsat das Europäische Institut für Telekommunikationsstandards (ETSI) dafür ein, für Satellitenempfangsanlagen eine Durchmessergröße von mindestens 80 cm vorzuschreiben. Damit sollten angebliche Interferenz-Störungen verhindert werden, die dadurch entstehen könnten, daß Eutelsat mit seinen Satelliten immer näher an die Astra-Satelliten heranrückte. Nachdem die Europäische Kommission geltend gemacht hatte, daß ein derartiger Standard nicht mit den wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen der EG vereinbar sei und nachdem zudem bewiesen werden konnte, daß die benachbarten Satelliten den Empfang nicht störten, wurde der Plan wieder fallen gelassen.
Letztendlich konnten Eutelsat und die nationalen Postmonopole, die statt auf marktwirtschaftlichen Wettbewerb mehr auf bürokratische Hemmnisse setzten, den Durchbruch Astras nicht verhindern. Astra wurde zum Schrittmacher der europäischen Satellitenentwickung und hebelte damit die Strategie der europäischen Telekoms vollständig aus. Am Ende schwebte im Orbit ein Satellit, der in seinen wesentlichen Merkmalen das Gegenteil von dem darstellte, was von den Postgesellschaften zuvor angestrebt war:
Die Technik für den Satelliten stammte nicht aus Europa sondern den USA; der Satellit wurde nicht von den europäischen Telekoms sondern von einem privaten Konsortium betrieben und anstatt der von der EU verordneten Übetragungsnorm MAC sendete Astra seine Programme in PAL aus.
Während bisher Funktechniken immer von den Regierungen dekretiert und von einer Verbindung der Herstellerindustrie, der zuständigen Telekoms und der öffentlichen Anbieter gemeinsam eingeführt worden waren, entstand mit der SES ein neuer kommerziell operierender Akteur, der sich technologiepolitischen Vorgaben verweigern konnte, wenn sie nicht in sein wirtschaftliches Konzept paßten. Beispielsweise hat sich die SES erfolgreich gegen die neue Fernsehnorm MAC gestellt.[14] Astra repräsentiert insofern einen "ganz neuartigen Typus technikgestützter und kommerziell tätiger europäischer Medienakteure, die faktisch kaum regulierbar sind, wenn sich seine Betreiber dagegen sträuben"[15].
Der erstaunliche Erfolg Astras war hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß die neuartigen Medium-Power-Satelliten weniger Leistung als die bisherigen High-Power-Satelliten benötigten und dabei gleichzeitig mehr Programme ausstrahlen konnten. Zwar war die Ausstrahlungsqualität nicht so gut wie bei den herkömmlichen DBS[16], doch dafür war die Programmvielfalt erheblich besser, wodurch die Wettbewerbsfähigkeit wesentlich erhöht wurde. Außerdem hatte Astra zunächst den Vorteil, im Gegensatz zu den bisherigen Satelliten eine europaweite Ausstrahlungszone, einen sogenannten Footprint, zu besitzen, d.h. die Programme konnten in fast ganz Europa empfangen werden, während die Satelliten der Konkurrenz den Bestimmungen der WARC-Konferenz von 1977 gehorchend nur auf nationale Territorien ausgerichtet waren. Da Astra technisch als Fernmeldesatellit und nicht als Fernsehsatellit eingestuft wurde, konnte er sich über die Bestimmungen der WARC hinwegsetzen und transnational ausstrahlen[17].
1.3. Die Transpondervergabe
Inzwischen ist Eutelsat auf den Kurs der SES umgeschwenkt und baut zur Zeit nach dem Vorbild Astras einen Satelliten-Park im All auf. Zu dem seit 1990 bestehenden TV-Satelliten Eutelsat II-F 1 gesellte sich 1995 Hot Bird 1. In den nächsten Jahren sollen Hot Bird 2 und 3 folgen, die alle auf der Orbitalposition 13 Grad Ost positioniert werden. Insgesamt sind sechs Satelliten geplant. Den Vorsprung, den Astra durch seine bessere Technik in den ersten Jahren errungen hat, konnte Eutelsat aber bisher auch nicht nur annähernd aufholen. Bislang sind erst 600.000 Satellitenschüsseln auf Eutelsat ausgerichtet.[18]
Insofern stimmt es sehr bedenklich, wenn man betrachtet, wie die SES mit ihrem Quasi-Monopol bei der Transpondervergabe bisher umgegangen ist. 1994 kam der Generaldirektor der SES, der Schweizer Pierre Meyrat, in Verruf, die Transponder en bloc an Medienmultis wie Kirch und Rupert Murdoch oder der CLT zu vermieten. Meyrat und einige andere Aktionäre lockte die Aussicht, mit der frühzeitigen Vermietung von Satellitenkanälen an einige wenige Medienmagnate eine schnelle Rendite zu machen. Schließlich werde bei der Bestellung eines neuen Satelliten ein "enormes Risikokapital" eingesetzt, argumentierte ein Mitglied des Verwaltungsrates[19]. Der Großteil der Aktionäre sprach sich aber dafür aus, sich nicht von einzelnen Konzernen abhängig zu machen. Über diesen Streit stürzte schließlich Meyrat. Der Vorwurf ist damit aber längst noch nicht aus der Welt. Die Machtverhältnisse und die Kriterien für die Transpondervergabe bleiben weiterhin im Dunkeln. Der Verwaltungsratsvorsitzende und ehemalige Luxemburger Regierungschef Pierre Werner speiste in der Folgezeit die Öffentlichkeit mit dürren Worte ab, was den Medienjournalisten Klaus Ott mit den Worten kommentierte: "Ein Beinahe-Monopolist muß sich nicht in die Karten schauen lassen"[20]. Durch diese Meldungen wurde auch die Generaldirektion Wettbewerb der EU aufgeschreckt. Um zu prüfen, ob in diesem Fall ein Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vorliegt, fragte die Direktion bei der SES an, was es mit den Vorwürfen auf sich habe. Über den Stand der Untersuchungen gibt die Generaldirektion derzeit keine Auskünfte, da es sich um ein schwebendes Verfahren handelt.[21]
[...]
[1] Vgl. Kleinsteuber, Hans J./Rossmann, Torsten: Europa als Kommunikationsraum. Akteure, Strukturen und Konfliktpotentiale in der europäischen Medienpolitik. Opladen 1994, 122. Im Folgenden zitiert als: Kleinsteuber: Europa als Kommunikationsraum, S. 123.
[2] Der Luxemburger Staat besitzt über seine beiden staatlichen Banken über ein Drittel der Anteile. Näheres in Kapitel 1.3..
[3] Während man für den Satellitenempfang nur einmal zwischen 200 und 500 Mark bezahlt, kostet ein Kabelanschluß einmalig 65 Anschlußgebühr plus monatlich 25 Mark Gebühren. Wenn im Haus noch keine Kabelverteileranlage vorhanden ist, kostet das Verlegen des Kabels bis zur Wohnung zusätzlich ungefähr 300 Mark.
[4] Noam, Eli: Television in Europa. New York 1991, S.30
[5] Ahrens, Wilfried: ASTRA - Fernsehen ohne Grenzen. Düsseldorf 1992, S. 32-53.Im folgenden zitiert als: Ahrens: Astra.
[6] Ahrens: Astra, S.51. Das Zitat "Trojanisches Pferd" stammt auch von dieser Textstelle.
[7] Die Gründungsmitglieder waren: Caisse d'Epargne de l'Etat du Grand Duché de Luxembourg, Société Nationale de Crédit et d' Investissement (Luxembourg), Banque Générale du Luxembourg SA, Banque Internationale à Luxembourg SA, Compagnie Luxembourgoise de la Dresdner Bank AG, Deutsche Bank SA, Kinnevik International A.B., Kirkbi AS, Natinvest S.A.H, Réalisations et Investissements en Technologies Avancées (Rita) S.A.H. und die Société Générale de Begique. Die deutsche Telekom hat sich dem Konsortium in Juni 1994 mit einem Anteil von 25 Prozent der privaten Gesellschafter beteiligt (SZ 10.06.94), weil Astra "nicht bezukommen war" (FAZ 1.2.95).
[8] Vgl. Ahrens: Astra, S.53. Laut Lukas Weber bestimmt trotz dieser Mehrheitsverhältnisse das Land Luxemburg die Entscheidungen über seine Banken. (Weber, Lukas: Heiße Vögel - blasse Sterne. In: FAZ 01.02.95.
[9] Vgl. Kleinsteuber: Europas als Kommunikationsraum, S.122.
[10] Inzwischen hat es Astra nicht mehr nötig, auf die europäische Raumfahrtindustrie Rücksicht zu nehmen: Im April 1996 wurde der digitale Satellit Astra 1 E von einer russischen Trägerrakete ins All befördert, die einem russisch-amerikanischem Konsortium gehört (SZ 10.04.96).
[11] Allein im Jahre 1993 konnte die SES einen Jahresgewinn von 145 Millionen Mark verbuchen. Aus: Spiegel 51/94, S.82.
[12] Ahrens: Astra, S.76.
[13] Vgl. Ahrens: Astra, S.140.
[14] Näheres in Abschnitt 2.4..
[15] Kleinsteuber: Europas als Kommunikationsraum, S.123. Sowohl das Zitat als auch die letzten beiden Absätze beziehen sich auf diese Textstelle.
[16] Nämlich der französische Satellit TDF1 und der deutsche TV-Sat, die beide letztendlich floppten.
[17] Näheres zur WARC in Abschnitt 2.1.
[18] Vgl. Ott, Klaus: Himmlischer Wettlauf. In: SZ 17.03.95, S.28.
[19] Spiegel 51/94, S.83.
[20] Ott, Klaus: Recht und billig. In: SZ 31.10.94.
[21] E-Mail von Thomas Kaufmann, GD IV/C.2. vom 22.04.1996.
- Citar trabajo
- Bert Rösch (Autor), 1996, Der Fernsehsatellit ASTRA und die Notwendigkeit einer europäischen Kontrolle, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42688
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