Legt man die Annahme zugrunde, dass Stress und Persönlichkeitsmerkmale sich auf die menschliche Gesundheit in unterschiedlichster Weise auswirken, lassen sich folgende Aspekte formulieren: Welche Parameter oder Konstellationen von Person-Umwelt-Indikatoren beeinflussen die Gesundheit im Positiven oder Negativen? Wie beeinflusst Stress die Gesundheit? Gibt es stressbegünstigende Persönlichkeitsmerkmale?
In dieser Arbeit werden anhand von wissenschaftlichen Erkenntnissen die Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitsmerkmalen, dem Umweltfaktor Stress und dessen Auswirkung auf die menschliche Gesundheit dargestellt. Betrachtet werden hierbei die theoretischen Grundlagen und Modelle, um die Basis für die Beantwortung der formulierten Fragen zu schaffen.
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG
2 ZIELSETZUNG
3 GEGENWÄRTIGER KENNTNISSTAND
3.1 Theoretische Grundlagen
3.1.1 Persönlichkeit
3.1.2 Persönlichkeitsmerkmale
3.1.2.1 Emotionsbezogene Persönlichkeitsmerkmale
3.1.2.2 Kontrollorientierte Persönlichkeitsmerkmale
3.1.3 Gesundheit
3.1.4 Stress
3.1.5 Persönlichkeitsmerkmale und Gesundheit
3.1.6 Stress und Gesundheit
3.1.7 Gesundheitsverhalten
3.2 Theoretische Modelle
3.2.1 Die ,Big Five’ der Persönlichkeit
3.2.2 Das Anforderungs-Ressourcen Modell nach Becker
3.2.3 Resilienzforschung - Die resiliente Persönlichkeit
3.2.4 Coping - Stressbewältigungsstrategien nach Lazarus und Folkman
3.2.5 Das Typenmodell nach Meyer Friedmann und Ray Rosenman
3.2.6 Sensation Seeking - Konstrukt des optimalen Erregungsniveaus
4 METHODIK
4.1 Literaturrecherche
4.2 Quellenbewertung
4.3 Einbezogene Quellen
5 ERGEBNISSE
5.1 Persönlichkeitsmerkmale und deren Einfluss auf die Gesundheit
5.1.1 Gesundheitsfördernde Parameter
5.1.2 Gesundheitsgefährdende Parameter
5.2 Stress und dessen Einfluss auf die Gesundheit
5.3 Stressbegünstigende Persönlichkeitsmerkmale
6 DISKUSSION
7 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
8 LITERATURVERZEICHNIS
9 ABBILDUNGS-, TABELLEN-, ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
9.1 Abbildungsverzeichnis
9.2 T abellenverzeichnis
9.4 Abkürzungsverzeichnis
ANHANG
Anhang 1: Bewertungstabelle (reliabel) der Auswahlkriterien von Online Quellen
Anhang 2: Einbezogene Primärstudien - eine Zusammenfassung
1 Einleitung und Problemstellung
Der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau (2004) stellte in seiner Rede zum 107. DeutschenÄrztetag die Wichtigkeit von Gesundheit innerhalb der Gesellschaft dar.
Wir schreiben ja in jeden Geburtstagsgruß, dass wir vor allem Gesundheit wünschen. In allen Umfragen steht die Gesundheit auf der Wunschliste der Menschen mit Abstand an erster Stelle. Nichts ist den Menschen wichtiger, als gesund zu bleiben oder gesund zu werden: nicht der Wohlstand, nicht der Beruf und auch nicht die Karriereaussichten. (Absatz I)
Gesundheit, ein hohes Gut, welches mit zunehmendem Alter deutlich mehr Bedeutung gewinnt, sich jedoch unabhängig von Geschlecht und sozialer Schicht darstellt. Dies bestätigt eine bevölkerungsrepräsentative Umfrage. 60,8% der Befragten sehen hierbei Gesundheit als extrem wichtigen und 32,5% als sehr wichtigen Lebensbereich an (Hinz, Hübscher, Brähler & Berth, 2010, S. 897-903).
Die Politik, die Bevölkerung und auch die Wissenschaft beschäftigen sich zunehmend mit dem Thema Gesundheit. Innerhalb der Wissenschaft steht unter anderem der Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Gesundheit im Vordergrund.
Schon Mitte des 20. Jahrhunderts griffen Meyer Friedman und Ray Rosenman die bereits bestehenden Vermutungen über die Zusammenhänge von Gesundheit und Persönlichkeitsmerkmalen, auf. Innerhalb der Krankheiten spezialisierten sie sich auf die koronaren Herzerkrankungen, welche nachweislich unter gewissen Persönlichkeitskonstellationen mit höherer Wahrscheinlichkeit auftraten (Zimbardo & Gerrig, 2002, S. 593).
Zudem gewinnt das Thema Stress und dessen Auswirkung an Bedeutung. Fast jeder dritte Beschäftigte ist von Stress betroffen. Er wird vom amerikanischen Stressforscher, Cary L. Cooper als Pest des 20. Jahrhunderts bezeichnet und war schon im Jahr 2000 laut der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz eine der größten Bedrohungen am Arbeitsplatz des Arbeitnehmers (Kaluza, 2007, S.4).
Gesundheit hat für den Großteil der Bevölkerung bereits einen hohen Stellenwert. Mit dieser Arbeit soll es möglich sein, die Hintergründe zur Gesundheit zu erkennen, um entsprechend positiv einzuwirken und das Bewusstsein für diesen Themenkomplex weiter zu stärken.
2 Zielsetzung
Legt man die Annahme zugrunde, dass Stress und Persönlichkeitsmerkmale sich auf die menschliche Gesundheit in unterschiedlichster Weise auswirken, lassen sich folgende Aspekte formulieren:
Welche Parameter oder Konstellationen von Person-Umwelt-Indikatoren beeinflussen die Gesundheit im Positiven oder Negativen? Wie beeinflusst Stress die Gesundheit? Gibt es stressbegünstigende Persönlichkeitsmerkmale?
In dieser Arbeit werden anhand von wissenschaftlichen Erkenntnissen die Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitsmerkmalen, dem Umweltfaktor Stress und dessen Auswirkung auf die menschliche Gesundheit dargestellt.
Betrachtet werden hierbei die theoretischen Grundlagen und Modelle, um die Basis für die Beantwortung der formulierten Fragen zu schaffen.
3 Gegenwärtiger Kenntnisstand
Der Kenntnisstand wird in theoretische Grundlagen und Modelle unterteilt. Hierbei bilden die theoretischen Grundlagen die Basis der Modelle. Im ersten Teil des Kapitels werden wichtige Begrifflichkeiten vorgestellt. Die Modelle greifen im Anschluss die Theorie auf und zeigen die Zusammenhänge der gewählten Bereiche Persönlichkeitsmerkmale, Stress und Gesundheit.
3.1 Theoretische Grundlagen
3.1.1 Persönlichkeit
Nach dem US- amerikanischen Psychologen Gordon Allport (1970) ist Persönlichkeit essentialistisch „das, was ein Mensch ,wirklich ist’, unabhängig davon, wie andere Menschen ihn und seine Eigenschaften beurteilen und interpretieren“ (Fisseni, 1998, S.160). Hierbei geht er davon aus, dass die Persönlichkeit zeigt, wie der Mensch wirklich ist.
Aus alltagspsychologischer Sicht lässt sich die bisherige Definition erweiternd darstellen. Hierbei wird die Persönlichkeit des Menschen als „Gesamtheit aller seiner Eigenschaften (Dispositionen und Gestalteigenschaften) verstanden, in denen er sich von anderen Menschen unterscheidet“ (Asendorpf, 2004, S.5).
Der Zusammenhang zwischen der Persönlichkeit und der Umwelt findet in einer weiteren Definition Beachtung. Der deutsche Psychiater, Henning Saß, bezeichnet 1987 Persönlichkeit als „Gesamtheit der Eigenschaften eines Individuums, die darüber bestimmen, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen und wie wir mit ihr kommunizieren“ (Saß, 1987; zitiert nach Herpertz, 2006, S.231).
Gleichwohl der vielen Definitionsweisen durch Psychologen liegen „zwei grundlegende Konzepte: Einzigartigkeit und charakteristische Verhaltensmuster‘ als Gemeinsamkeit vor (Zimbardo & Gerrig, 2002, S. 601).
Zusammenfassend ist die Persönlichkeit des Menschen die charakteristische Gesamtheit der Persönlichkeitsmerkmale, welche die Wahrnehmung und Kommunikation mit der Umwelt bestimmt und jeden Menschen als einzigartiges Individuum darstellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Das Konstrukt der Persönlichkeit (eigene Darstellung)
Durch Erfahrungswerte und steigendes Lebensalter eines Menschen kommt es zu einer stetigen Entwicklung der Persönlichkeit. Sie beginnt bereits mit den ersten Lebensjahren. Soziale und umweltbedingte Einflüsse formen die Persönlichkeit zu einem immer komplexeren Wirkungsgefüge, deren Grundzüge erhalten bleiben. Durch intrinsische Reifungsprozesse und durchschnittliche Umwelteinflüsse kann es zu sogenannten Entwicklungsveränderungen kommen. Stark einflussnehmend auf die entsprechende Veränderung ist der Entwicklungsverlauf.
Der Verlauf unterscheidet sich bei jedem Individuum im Ausmaßund damit im Ausdruck der differentiellen Persönlichkeitsveränderung. Grundsätzlich zeigt der Trend, dass eine zunehmende Stabilisierung der Persönlichkeit im Verlauf von der Kindes- zur Jugendentwicklung stattfindet, wobei es jedoch durch pubertätsbedingte Einflüsse zu einer kurzzeitigen Destabilisierung kommen kann. Die Stabilisierung der Werte ist zwar unter anderem auf ungenaue Messmöglichkeiten innerhalb der Kindheit zurückzuführen, aber vielmehr darauf, dass sich im Laufe des Alters das Selbstkonzept stabilisiert. Mit der Stabilisierung des Selbstkonzeptes verstärkt sich der Persönlichkeitseinfluss auf die eigene Umwelt (Asendorpf & Neyer, 2012, S. 264f,).
3.1.2 Persönlichkeitsmerkmale
„Persönlichkeitseigenschaften sind Konstrukte, die nicht beobachtbar sind, sondern aus dem Verhalten eines Menschen erschlossen werden“ (Faller & Lang, 2016, S.156). Die Kriterien der zeitlichen Stabilität und der transsituativen Konsistenz müssen erfüllt sein, um ein bestimmtes Merkmal zur Persönlichkeitseigenschaft eines Menschen zu zählen. Innerhalb der zeitlichen Stabilität unterscheidet man zwischen ,Trait-Merkmalen’, welche mittelfristig und zeitlich stabil sind und ,State-Merkmalen’. ,State-Merkmale’ definieren sich als instabile und kurzfristig wechselnde Merkmale, wie zum Beispiel eine Stimmung (Faller & Lang, 2016, S.156). Mit dem Fachausdruck ,traits’ werden in der Psychologie „sämtliche zeitlich überdauernde Persönlichkeitsmerkmale“ (Hammelstein, 2006, S. 61) bezeichnet und grenzen sich klar von einem Zustand ,states’ ab (Hammelstein, 2006, S. 61). Persönlichkeitsmerkmale stellen die Bereitschaft eines Verhaltens innerhalb einer bestimmten Situation dar und sind keine festen Charakterzüge. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person sich in einer ähnlichen Situation analog verhält, ist auf Grund von ,traits’ entsprechend hoch.
Persönlichkeitstypen hingegen sind „klar umgrenzte Muster von Persönlichkeitscharakteristika, die dazu verwendet werden, ... Menschen zu kategorisieren“ (Zimbardo & Gerrig, 2002, S. 602).
Innerhalb der Alltagspsychologie werden fünf Merkmale aufgeschlüsselt. Extraversion, Neurotizismus, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit für Erfahrungen bilden die ,Big Five’ und sind voneinander statistisch unabhängig (Hammelstein, 2006, S.62). Ein weiterer Ansatz ist die Unterteilung der Merkmale in funktionelle Bereiche von Jens Asendorpf.
Die Bereiche gliedern sich in Temperament, Fähigkeit, Bedürfnisse, Handlungsüberzeugung und Bewältigungsstile sowie Bewertungsdispositionen auf (Asendorpf & Ney- er, 2012, S. 131f,).
Da zielgerichtet der Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Gesundheit dargestellt werden soll (Vgl. 3.1.5), wird der Ansatz von Carl-Walther Kohlmann vertiefend erläutert. Er unterscheidet innerhalb seines Modells, basierend auf gesundheitsrelevantem Verhalten, zwischen emotionsbezogenen und kontrollorientierten Persönlichkeitsmerkmalen (Kohlmann, 2003, S.39). Zu beachten ist jedoch die wechselseitige Beeinflussung zwischen den emotionalen / physiologischen und behavioralen Prozessen (Hammelstein, 2006, S.62).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 ModellvorsteUung nach Kohlmann (1997) zum Zusammenhang von Persönlichkeit und Gesundheit (Kohlmann, 2003, S.40)
3.1.2.1 Emotionsbezogene Persönlichkeitsmerkmale
Die Art von Persönlichkeitsmerkmalen nimmt über psychologische Prozesse Einfluss auf die Gesundheit eines Individuums (Hammelstein, 2006, S. 61). Zu den Merkmalen zählen unter anderem Neurotizismus, Feindseligkeit,Ärger- und Angstbewältigung bzw. emotionale Expressivität (Kohlmann, 2003, S.39).
Die emotionale Expressivität kann sich in negativen aber auch in positiven Ausdrücken widerspiegeln. Schon in Redewendungen wird deutlich, dass die Gesellschaft davon ausgeht, dass Emotionen die Gesundheit deutlich beeinflussen. Ist jemand wütend, ,spuckt er Gift und Galle’, ist jemand von seiner großen Liebe verlassen worden, ist sein ,Herz gebrochen’, ist man verliebt, hat man ,Schmetterlinge im Bauch’ und ,macht das Herz einen Sprung’. Innerhalb der Forschung erlangen die negativen Emotionen eine höhere Beachtung, da hier mögliche Effekte auf den körperlichen Zustand vermutet werden und auch nachgewiesen werden konnten (Pohl & Hammelstein, 2006, S. 72).
3.1.2.2 Kontrollorientierte Persönlichkeitsmerkmale
Kognitiv betrachtet stehen die kontrollorientieren Persönlichkeitsmerkmale ebenfalls im Zusammenhang mit der Gesundheit. Die zweite Form der Persönlichkeitsmerkmale nach Kohlmann beinhalten unter anderem Optimismus, Kontrollüberzeugung und Selbstwirksamkeitserwartungen (Kohlmann, 2003, S.38). Die Beeinflussung der Gesundheit erfolgt hier über das konkrete Gesundheits- und Risikoverhalten (Hammelstein, 2006, S. 62).
„Im gesundheitspsychologischen Kontext lässt sich Risiko enger definieren als das Produkt aus der Eintrittswahrscheinlichkeit eines für Gesundheit und Wohlbefinden negativen Ereignisses (Vulnerabilität) und seiner Bedeutsamkeit (Schweregrad)“ (Hammelstein, 2006, S.62). Die Wahrnehmung und Einschätzung eines Risikos gehören zum konkreten Risikoverhalten. Sofern die Einschätzung eines Risikos sehr optimistisch und somit im Vergleich mit anderen vergleichbaren Personen deutlich unterschiedlich ausfällt, spricht man von einem optimistischen Fehlschluss. Der optimistische Fehlschluss fällt jedoch mit zunehmender Erfahrung mit einem Risiko und minimalerer subjektiver Kontrolle des Verhaltens geringer aus (Hammelstein, 2006, S.64ff,).
3.1.3 Gesundheit
Das biomedizinische Modell stellt die negative Form der Definition von Gesundheit dar und findet seinen Ursprung im 19. Jahrhundert. Hierbei ist „Gesundheit ... das Fehlen von Krankheit“ (Knoll, Scholz & Rieckmann, 2005, S.21). Da innerhalb der Definition von der strikten Trennung von Körper und Geist ausgegangen und somit ausgeschlossen wird, dass psychisches Unwohlsein Einfluss auf die Gesundheit hat, wird diese Denkweise im 20. Jahrhundert vom biopsychosozialen Modell (Vgl. Abbildung 3) abgelöst (Knoll, Scholz & Rieckmann, 2005, S.18-19). „Gesundheit ist ein positiver funktioneller Gesamtzustand im Sinne eines dynamischen biopsychologischen Gleichgewichtszustandes, der erhalten bzw. immer wieder hergestellt werden muss“ (Knoll, Scholz & Rieckmann, 2005, S.21).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 Das biopsychosoziale Modell (modifiziert nach Lippke & Renneberg, 2006, S.9)
Die erste positive Definitionsform jedoch stammt von der WHO (1948) „Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur des Freiseins von Krankheit und Gebrechen“ (WHO, 1948; zitiert nach Lippke & Renneberg, 2006, 7f,). Auf Grund der Beeinflussbarkeit der Gesundheit durch umweltbedingte, soziale und psychologische Aspekte kann die Gesundheit als Prozess gesehen werden. Die Gesundheit muss durch die Veränderbarkeit immer wieder hergestellt werden und ist somit kein statischer Zustand (Ziegelmann, 2002, S. 149 f.).
3.1.4 Stress
Stress ist laut WHO eine der größten Gefahren für das menschliche Wohlergehen (Poulsen, 2012, S.13). Aus diesem Grund spielt Stress in der heutigen Zeit eine große Rolle und findet sich häufig im allgemeinen Sprachgebrauch wieder (Kudielka & Kirschbaum, 2002, S. 561). Mit Stress werden Belastungen, Anforderungen, Überforderungen und damit einhergehende körperliche Beschwerden in Verbindung gebracht, weshalb eine klare Definitionsstruktur in diesem Bereich nicht möglich ist (Reimann & Pohl, 2006, S. 217). Auch in der Wissenschaft gibt es auf Grund der vielseitigen Ansichten und entwickelten Theorien keine allgemein gültige Definition (Knoll, Scholz & Rieck- mann, 2005, S. 89). Im Folgenden werden zwei Definitionen vorgestellt, wobei im weiteren Verlauf genauer auf die populäre Theorie von Lazarus eingegangen wird, da mit Hilfe seines Stressmodells gesundheitsrelevante Schlüsse gezogen werden können.
Tabelle 1 Stressdefinitionen nach Seyle & Lazarus
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Stressmodell nach Lazarus bezieht sich auf die Interaktion zwischen Mensch und Umwelt, da „dem individuellen Erleben bei der Bewertung von Reizbedingungen und Situationen als Stress Vorrang gegeben“ (Reimann & Pohl, 2006, S. 219) wird.
Stress entsteht somit aus der individuellen Beurteilung und den daraus resultierenden Handlungskompetenzen und -möglichkeiten und daraus, welche jeweils beansprucht werden und möglicherweise erschöpft sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 Das kognitiv-transaktionale Stressmodell nach Lazarus 1981 (modifiziert nach Knoll, Scholz & Rieckmann, 2005, S.101)
In dem betrachteten Stressmodell spricht man daher von der Primärbewertung (primary appraisal) des Ereignisses und der Sekundärbewertung (secondary appraisal) der verfügbaren Ressourcen (Reimann & Pohl, 2006, S. 219). Beide Bewertungsprozesse verlaufen nahezu parallel zueinander, jedoch finden sie unter heterogenen Aspekten statt. Die Primärbewertung erfolgt dahingehend, ob die Situation dem Wohlergehen der Person schaden könnte und unterliegt „[verschiedenen] Charakteristiken ... ,die die Vorhersehbarkeit, Kontrollierbarkeit und zeitliche Erstreckung der Reizgegebenheiten“ (Knoll, Scholz & Rieckmann, 2005, S. 99) prüfen. Die Ressourcen in der Sekundärbewertung unterliegen den Persönlichkeitsmerkmalen und lassen sich als relativ stabile Einflussfaktoren klassifizieren. Zu den Kriterien, welche von den Persönlichkeitsmerkmalen beeinflusst werden, zählen Ziele, Erwartungen, Motive und Wertvorstellungen. Innerhalb der kognitiven Bewertung wird abgewogen, ob die Situation mit den vorhandenen Ressourcen bewältigt werden kann und führt zu einer entsprechenden Reaktion. Ob Stress entsteht, hängt hierbei von der Primär- aber vorrangig von der Sekundärbewertung ab.
Entsteht kein Stress, kann es sich um einen Gewinn aus der Situation oder gegebenenfalls aber um Gleichgültigkeit handeln. Zukünftige Ereignisse (z.B. Bedrohungen oder Herausforderungen) aber auch bereits erfolgte Ereignisse (z.B. Verlust, Schaden) können Stress hervorrufen und verlangen nach einer Bewältigung. Die Entstehung von Stress korreliert mit dem Hervorrufen von unterschiedlichen Emotionen (Knoll, Scholz & Rieckmann, 2005, S. 99f,). Die Stressbewältigung (Coping) kann sich „aufgrund ihrer Funktion problemzentrierte Strategien ... und emotionszentrierte Strategien“ (Kohlmann, 2002, S.559) zunutze machen (Vgl. 3.2.4)
3.1.5 Persönlichkeitsmerkmale und Gesundheit
Ein komplexes Wirkungsgefüge aus fünf Mechanismen wird innerhalb der Literatur diskutiert. Hierbei wird davon ausgegangen, dass Persönlichkeitsmerkmale fördernde aber auch gefährdende Auswirkungen auf die Gesundheit haben können. Bei einem derartigen Wirkungsgefüge ist ein gegenseitiger Ausschluss der Mechanismen unwahrscheinlich. Eher kann davon ausgegangen werden, dass jeder Mechanismus je nach Person, Situation, Verhalten und Merkmal wirkt (Weber & Vollmann, 2005, S. 525).
1. „Persönlichkeitsmerkmale können die Gesundheit durch physiologische Reaktionen beeinflussen“ (Weber & Vollmann, 2005, S. 525).
Es geht um die Annahme, dass Persönlichkeitsmerkmale mit bestimmten entweder gesundheitsfördernden oder gesundheitsgefährdenden Verhaltensweisen einhergehen. Eine depressive Person wird eher zu Suchtmitteln greifen als eine psychisch stabile Person. Somit können Persönlichkeitsmerkmale und die daraus resultierende physiologische Reaktionen die Gesundheit beeinflussen. Beispielsweise begünstigen Angst oder eine niedrige Stressgrenze die Erkrankung des Herz- Kreislaufsystems.
2. „Persönlichkeitsmerkmale können die Gesundheit über direkte Folgen von Verhalten beeinflussen“ (Weber & Vollmann, 2005, S. 525f,).
Die zentrale Rolle der Annahme ist die unmittelbare Auswirkung des Verhaltens einer jeweiligen Person auf die Gesundheit. So ist nachgewiesen worden, dass ein Zusammenhang zwischen „Feindseligkeit und erhöhtem Alkoholkonsum und Rauchen“ (Weber & Vollmann, 2005, S.525) besteht.
3. „Persönlichkeitsmerkmale können die Gesundheit über indirekte Folgen von Verhalten beeinflussen“ (Weber & Vollmann, 2005, S. 526).
Im Gegenzug zu den direkten Folgen wird davon ausgegangen, dass durch Persönlichkeitsmerkmale verursachte Verhaltensweisen indirekte Auswirkungen auf die Gesundheit haben können. Beispielsweise ist der Rückzug einer depressiven Person aus der Gesellschaft langfristig gesehen gesundheitsschädigend, da die soziale Unterstützung minimiert ist.
4. „Persönlichkeitsmerkmale können die Gesundheit über die Selektion von Umwelten beeinflussen“ (Weber & Vollmann, 2005, S. 526).
Unter Betrachtung des Umweltfaktors ist die Selektion ein Faktor, welcher langfristig gesehen ebenfalls die Gesundheit positiv oder negativ beeinflussen kann. Eine gewissenhafte Person wird sich ein stabiles soziales Umfeld und ein sicheres berufliches und familiäres Umfeld schaffen, das Stresssituationen mindert und somit den negativen Einfluss auf die Gesundheit senkt.
5. „Persönlichkeitsmerkmale können die Gesundheit über das Krankheitsverhalten beeinflussen“ (Weber & Vollmann, 2005, S. 526).
Das Krankheitsverhalten spiegelt sich in der Verhaltensweise wieder. Hierbei wird die Wahrnehmung von Symptomen, das zu Rate ziehen von ärztlicher Behandlungen und die Eigenmedikation oder aber auch die Symptombeschreibung betrachtet. In Abhängigkeit von den Persönlichkeitseigenschaften wird die eine Person eher einen Arzt aufsuchen die andere (vor allem neurotische Menschen) möglicherweise zur Selbstmedikation greifen.
Neben den fünf Mechanismen bestehen zwei weitere Annahmen, die jedoch nicht im direkten Zusammenhang mit der Beeinflussung der Gesundheit stehen. Dennoch finden Persönlichkeitsmerkmale und Gesundheit eine gemeinsame Ebene (Weber & Vollmann, 2005, S. 525).
1. „Persönlichkeitsmerkmale und Gesundheit haben eine gemeinsame Ursache“ (Weber & Vollmann, 2005, S. 526).
Zwischen Persönlichkeit und Gesundheit besteht im Unterschied zu den vorherigen Annahmen kein kausaler Zusammenhang. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass Ge- sundheits- und Persönlichkeitsmerkmale Folge / Ausdruck genetischer Veranlagungen sind. Beispielsweise ist eine genetisch bedingte Stressanfälligkeit krankheitsfördernd und wird sich in Erlebens- und Verhaltenstendenzen wiederspiegeln.
2. „Persönlichkeitsmerkmale sind nicht Ursache, sondern eine Folge von Erkrankung [sic]“ (Weber & Vollmann, 2005, S. 526f,).
Pathogene Prozesse bestimmen schon vor der Entdeckung / Diagnose einer Krankheit gewisse Persönlichkeitsmerkmale und prägen diese. Des Weiteren kann davon ausgegangen werden, dass es zu zusätzlichen reaktiven Persönlichkeitsmerkmalen in Folge der Diagnose kommt; beispielsweise zu einer erhöhte Depressionswahrscheinlichkeit nach Diagnose einer Krebserkrankung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5 Nachgewiesene gesundheitsrelevante Eigenschaften (eigene Darstellung)
Deutlich wird die Wichtigkeit von Persönlichkeitsmerkmalen in Bezug auf die Auswirkung der Gesundheit innerhalb der Persönlichkeitspsychologie. Sie dienen unter anderem auch der Entwicklung von präventiven Konzepten zur Vorbeugung von gesundheitsgefährdenden Verhalten.
Neben den obigen Annahmen lassen sich gesundheitsrelevante Eigenschaften in zwei Gruppen einteilen. Erwartungen und Überzeugungen bilden die Gruppe der kognitiven Merkmale. Emotionen und deren Regulation formen die affektiven Merkmale (Weber & Vollmann, 2005, S. 527).
Optimismus kann sich nachweislich positiv auf das subjektive Wohlbefinden auswirken und wird als allgemeine Ergebniserwartung im positiven Sinne definiert. Unabhängig davon, ob die Entwicklung einer Situation selbstständig positiv ausgeht oder aber eine entsprechende Aktion erfolgen muss, wird ein situationsangemessenes und flexibles Bewältigungsverhalten beobachtet (Weber & Vollmann, 2005, S. 527).
Die Selbstwirksamkeitserwartung ist nach Bandura definiert „als die Überzeugung, gewünschtes Verhalten auch angesichts von Barrieren ausführen zu können“ (Bandura, 1997; zitiert nach Weber & Vollmann, 2005, S. 528). Je höher die Selbstwirksamkeitserwartung eines Individuums ist, umso erfolgreicher ist das angestrebte Gesundheitsverhalten. So wird ein Raucher mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung erfolgreicher mit dem Rauchen aufhören als ein Raucher mit einer niedrigen Selbstwirksamkeitserwartung und damit positiv auf seine Gesundheit einwirken können.
Ein ausgeprägter Kohärenzsinn (engl. sense of coherence - SOC) mindert stressbehaftete Belastungen, da eine kulturunspezifische Widerstandsfähigkeit vorherrscht. So definierte Antonovsky 1987 den Kohärenzsinn als „die persönliche Zuversicht, dass Geschehnisse verstehbar, strukturiert und vorhersehbar sind (comprehensibility), Sinn und Bedeutung haben (meaningfulness) und in irgendeiner Form, sei es unter Rückgriff auf eigene oder soziale Ressourcen bewältigt werden können (manageability)“ (Antonovsky, 1987; zitiert nach Weber & Vollmann, 2005, S. 528).
Die Emotionsregulation, Teil der affektiven Merkmale, wird wiederum in Neurotizismus und negative Affektivität sowie Feindseligkeit undÄrger unterteilt. Die Emotionsregulation spiegelt sich in unterschiedlichen Auswirkungen wider.
Wichtig hierbei ist die Unterteilung zwischen bewusster Unterdrückung, positiver Interpretation einer kritischen Situation und der kognitiven Umstrukturierung. Negative Auswirkungen auf die Gesundheit kann langfristig gesehen die bewusste Unterdrückung von subjektiv erlebten Emotionen haben (Weber & Vollmann, 2005, S. 530).
Die Neigung zu negativen Emotionen und der damit einhergehenden verminderten körperlichen Gesundheit bezeichnet sich als Neurotizismus. Damit verbunden ist die Abwesenheit von subjektiven Wohlbefinden, welches in diesem Fall jedoch kein Risikofaktor für mangelndes Wohlbefinden, sondern vielmehr als solcher definiert ist. Nachweislich zeigen Studien, dass Neurotizismus sich ferner auf die objektiv erfasste Gesundheit auswirkt, jedoch nicht mit einer erhöhten Morbidität oder Mortalität einhergeht (Weber & Vollmann, 2005, S. 529).
Die Komponente der Feindseligkeit und die damit erhöhte Neigung fürÄrger (ineffektiveÄrgerregulation) ist ein sogenanntes Typ-A Verhalten (Vgl. 3.2.5) und geht mit einer ineffektivenÄrgerregulation einher (Weber & Vollmann, 2005, S. 530).
3.1.6 Stress und Gesundheit
Durch Stressoren, welche durch Erleben einer persönlich eingestuften bedrohlichen Situation entstehen, wird eine Stressreaktion ausgelöst. Die physischen Reaktionen dienen zu Beginn der Energiebereitstellung und zeigen sich z.B. durch Atembeschleunigung, erhöhte Muskelspannung, höhere Gerinnungsfähigkeit des Blutes und eine kurzfristig erhöhte Schmerztoleranz. Während des Bewertungsprozesses äußern sich die emotional-kognitiven Reaktionen durch innere Unruhe, Gereiztheit, Hilflosigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten, deren Auswirkungen unterschiedlich ausfallen können (Rei- mann & Pohl, 2006, S.218ff,).
Tabelle 2 Folgen von Stress (Bodenmann & Gmelch, 2009, S.619)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Unterteilung der Stressfolgen darf keinesfalls missverstanden werden. Sie erfolgt zum einen in zeitlichen Dimensionen und zum anderen in deren Lokus. Jedoch bauen sie aufeinander auf und sind übergreifend zu verstehen (Bodenmann & Gmelch, 2009, S.619).
Stress, primär chronisch und akut, wirkt begünstigend für kardiovaskuläre, immunologische und psychologische Krankheiten und kann zu Einschränkungen der zentralnervösen Funktion (z.B. Schlafstörungen) führen. Resultierend aus chronischem Stress kommt es häufig zur Immunschwächung und damit einhergehend zu einer erhöhten Anfälligkeit für Erkältungen (Kudielka & Kirschbaum, 2002, S. 562ff,).
3.1.7 Gesundheitsverhalten
Sutton (2001) definierte Gesundheitsverhalten als Verhaltensweisen, „welche die körperliche Gesundheit tatsächlich oder nach Überzeugung der handelnden Person beeinflussen, indem das Risiko oder der zu erwartende Schweregrad erhöht oder gemindert [wird]“ (Sutton, 2001; zitiert nach Sniehotta, 2002, S.224). Anders formuliert ist davon auszugehen, dass das Gesundheitsverhalten sowohl gesundheitsfördernde als auch gesundheitsgefährdende Ausmaße besitzt. Zu den Risikoverhaltensweisen zählen beispielsweise Alkoholmissbrauch, Sonnenexposition und Suchtmittelkonsum. Gesundheitserhaltende und - fördernde Verhaltensweisen sind hingegen körperliche Aktivität, Körperhygiene und Schutzimpfungen. Es wird in statische und dynamische Theorien innerhalb der Gesundheitsverhaltenstheorien unterschieden, wobei es sich hierbei zielsetzend um eine Erklärung und Vorhersage von Verhalten bezogen auf die Gesundheit handelt. Sie dienen des Weiteren zur Entwicklung von Interventionen und Modifikationen des Verhaltens innerhalb der Psychologie (Sniehotta, 2002, S.224).
Statische Gesundheitsverhaltenstheorien
Innerhalb der statischen Theorien wird sich auf theoretische Modelle bezogen, sodass sozial-kognitive Einflussfaktoren zur Bewertung und Vorhersage des möglichen Gesundheitsverhaltens genutzt werden. Die Anwendbarkeit innerhalb der Forschung ist auf Grund der Nutzung von wenigen Variablen gegeben. Die verschiedenen Modelle finden ihre Gemeinsamkeit in der Voraussetzung und den beobachteten Variablen. Hierzu zählen die Risikowahrnehmung, die Handlungsergebniserwartung und die Selbstwirksamkeitserwartung. Innerhalb der Theorien wird eine präzise, statische Vorhersage von Verhalten verfolgt (Sniehotta, 2002, S.224ff,).
[...]
- Quote paper
- Vanessa Erl (Author), 2017, Der Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen, Stress und Gesundheit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/425358
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.