Pestalozzis elterliche ‚Wohnstube’ und ihre prägenden Einflüsse
1751, Pestalozzi war fünf Jahre alt, verstarb der Chirurgus Johann Baptist Pestalozzi. Er hinterließ seiner einunddreißigjährigen Frau Susanne drei noch unmündige Kinder. Den frühen Verlust seines Vaters hat Pestalozzi nie ganz überwunden; immer wieder finden sich in seinen Aufzeichnungen Überlegungen zu den Konsequenzen dieses Ereignisses für seine eigene charakterliche Bildung: „Ich verlor meinen Vater sehr früh, und dieser Umstand entschied über die Lücken meiner Erziehung, die mir durch mein ganzes Leben nachteilig waren.“ (Pestalozzi 1899 ff., Bd. 9, S.229) Aus diesem Tod ergaben sich weitreichende Konsequenzen für die Familie: War es um die finanzielle Situation schon zu seinen Lebzeiten nicht gut bestellt, wurde sie nun zu einem kaum lösbaren Problem. Da die Familie unbedingt in Zürich bleiben wollte, musste der Lebensstandard um ein Beträchtliches gesenkt werden. Dass die Familie die Stadtwohnung halten konnte, ist nicht zuletzt das Verdienst der Magd Barbara Schmid, dem „Babeli“. Sie hielt ihr dem Hausherrn an seinem Sterbebett gegebenes Versprechen, der Familie bis zu ihrem Tod zur Seite zu stehen, mit einer beispiellosen Aufopferungsbereitschaft. Pestalozzi leidet unter dem Fehlen einer männlichen Leitfigur, dem Mangel aller Reize zur Entfaltung männlicher Kraft und der herausfordernden Stärke einer Vaterfigur. Durch die fehlende Möglichkeit des Kräftemessens wird Pestalozzi vieler Entwicklungsanstöße beraubt. Dennoch weiß er auch die Vorteile dieser Erziehung zu schätzen, liebt Babeli mindestens ebenso wie die strengere Mutter. Die Liebe zu seiner mütterlichen Magd mag Ursprung seiner Liebe zum einfachen Volk und zum Glauben an die Güte jedes noch so einfachen Menschen gewesen sein. Auch später erklärt Pestalozzi seinen unermüdlichen Einsatz für die Armen damit, ihnen nur wiedergeben zu wollen, was sie -wohl in der Gestalt der Magd- ihm gegeben haben.
„PESTALOZZIs ‚hohe Achtung für die Menschennatur auch beim Niedrigsten im Volke’ (S 9, 232, f..) und seine unerschütterliche Ueberzeugung vom menschlichen Wert des Armen hat unzweifelhaft auch biographische Wurzeln (...). Beide – Hochachtung und Werteinsicht – sind sowohl Grund als auch Folge seiner Liebe zum Armen...
Inhaltsverzeichnis
1.: Pestalozzis elterliche ‚Wohnstube’ und ihre prägenden Einflüsse
2.: Pestalozzis Verständnis von Armut
3.: Von der Armenhilfe zur Armenerziehungsanstalt
4.: Warum Armenerziehung?
5.: Auf dem Neuhof
6.: Erste Erfahrungen mit den Armen
7.: Untergang der Anstalt
8.: Literaturverzeichnis
1.: Pestalozzis elterliche ‚Wohnstube’ und ihre prägenden Einflüsse
1751, Pestalozzi war fünf Jahre alt, verstarb der Chirurgus Johann Baptist Pestalozzi. Er hinterließ seiner einunddreißigjährigen Frau Susanne drei noch unmündige Kinder. Den frühen Verlust seines Vaters hat Pestalozzi nie ganz überwunden; immer wieder finden sich in seinen Aufzeichnungen Überlegungen zu den Konsequenzen dieses Ereignisses für seine eigene charakterliche Bildung:
„Ich verlor meinen Vater sehr früh, und dieser Umstand entschied über die Lücken meiner Erziehung, die mir durch mein ganzes Leben nachteilig waren.“ (Pestalozzi 1899 ff., Bd. 9, S.229)
Aus diesem Tod ergaben sich weitreichende Konsequenzen für die Familie: War es um die finanzielle Situation schon zu seinen Lebzeiten nicht gut bestellt, wurde sie nun zu einem kaum lösbaren Problem. Da die Familie unbedingt in Zürich bleiben wollte, musste der Lebensstandard um ein Beträchtliches gesenkt werden.
Dass die Familie die Stadtwohnung halten konnte, ist nicht zuletzt das Verdienst der Magd Barbara Schmid, dem „Babeli“. Sie hielt ihr dem Hausherrn an seinem Sterbebett gegebenes Versprechen, der Familie bis zu ihrem Tod zur Seite zu stehen, mit einer beispiellosen Aufopferungsbereitschaft.
Pestalozzi leidet unter dem Fehlen einer männlichen Leitfigur, dem Mangel aller Reize zur Entfaltung männlicher Kraft und der herausfordernden Stärke einer Vaterfigur.
Durch die fehlende Möglichkeit des Kräftemessens wird Pestalozzi vieler Entwicklungsanstöße beraubt. Dennoch weiß er auch die Vorteile dieser Erziehung zu schätzen, liebt Babeli mindestens ebenso wie die strengere Mutter. Die Liebe zu seiner mütterlichen Magd mag Ursprung seiner Liebe zum einfachen Volk und zum Glauben an die Güte jedes noch so einfachen Menschen gewesen sein. Auch später erklärt Pestalozzi seinen unermüdlichen Einsatz für die Armen damit, ihnen nur wiedergeben zu wollen, was sie -wohl in der Gestalt der Magd- ihm gegeben haben.
„PESTALOZZIs ‚hohe Achtung für die Menschennatur auch beim Niedrigsten im Volke’ (S 9, 232, f..) und seine unerschütterliche Ueberzeugung vom menschlichen Wert des Armen hat unzweifelhaft auch biographische Wurzeln (...). Beide – Hochachtung und Werteinsicht – sind sowohl Grund als auch Folge seiner Liebe zum Armen. Er lebte im Wissen darum, dass er ohne ‚das Gute’, welches durch Babeli ‚aus der Tiefe des Volkes’ so wohltätig auf ihn gewirkt hatte, nie zu dem geworden wäre, der er war: zum Anwalt des Armen und Verlassenen, seinerseits fest entschlossen, diesem ‚durch sein Leben bis an sein Grab die Hand der Liebe zu bieten’ (...)“ (Meier, 1987. S.177. Zitate innerh. d. Textes aus: Pestalozzi 1899 ff., S.232 f.)
Aber nicht nur durch die Magd erhält der junge Pestalozzi Einblick in die Welt der Armen, auch über seinen Großvater, Dorfpfarrer und Seelsorger und im Übrigen der einzige Mann, der an seinem Leben teilnimmt, erfährt er einiges über das bittere Los der ländlichen Armut. Diese Eindrücke prägen ihn so, dass sie schnell die Richtung seiner Lebensaufgabe festlegen. Er findet zudem schnell gleichaltrige Freunde unter den Arbeiterkindern, die ihn nicht hänseln und demütigen wie die Kinder seiner Umgebung. Zudem bekommt er einen „Einblick in die Unterschiede zwischen Stadt- und Landschulen und ein lebendiges Bewusstsein vom Ausmass des Eingriffs, den Schule und Fabrikarbeit in der Entwicklung des Kindes darstellen.“ (Meier, Urs P. 1987, S.180)
Dieser Kontakt ist deshalb so wichtig, weil in diesen jungen Jahren bereits Pestalozzis Liebe zum einfachen Volk geweckt wird; er ist sich sicher, dass in jedem Menschen ein gutes Wesen steckt.
Aber auch Pestalozzi selbst macht, wie bereits erwähnt, früh eigene Erfahrungen mit Armut, da seine Familie am Rande des Existenzminimums leben muss, nachdem der Ernährer verstorben war.
Die Sparmassnahmen gehen so weit, dass Johann Heinrich nicht zum Spielen raus darf, da seine Kleidung und die Schuhe so schneller abgenutzt werden könnten. Das führt zum Außenseitertum des Jungen. Auch sein natürlicher Spieldrang wird unterbunden, indem ihm Spielsachen und andere Dinge gar nicht erst in die Hand gegeben werden, mit der Begründung, er könne sie durch Anfassen verderben. Durch diese jahrelang anhaltenden Restriktionen wird Pestalozzi zum einen aggressiv, zum anderen flüchtet er zeitweise in Traumwelten, denen er später die Schuld am Scheitern seiner Projekte geben sollte.
2.: Pestalozzis Verständnis von Armut
Pestalozzi ordnet dem Begriff der Armut den Begriff der Wesensarmut unter. Diese Armut als Wesensarmut gliedert er dann in zwei Erscheinungsformen; einerseits die äußere, die ökonomische, andererseits die innere, die seelische Armut. Die erste Form ist eine wirtschaftliche Form der Armut, bei dem es den Betroffenen an materiellen Gütern für den alltäglichen Lebensbedarf mangelt. Die Extremform dieses Mangels bezeichnet er als „Elend“; die Menschen sehen sich Tag für Tag vom physischen Untergang bedroht. Hier „bleibt für Entfaltung von Menschlichkeit keinerlei Raum mehr. Neben dieser äussersten Armut existiert für PESTALOZZI aber auch noch eine mildere Form: die ‚heilige Armut’.“ (Meier 1987, S.409)
Diese „heilige Armut“ begreift Pestalozzi als Chance für Menschlichkeitsbildung, als Kräfte weckend und als Grundlage seines Glücks und seiner inneren Größe. Zwar muss der Mensch sich in seiner Lebensweise ökonomisch einschränken, jedoch werden in ihm Kräfte mobilisiert, die sein Wesen verbessern.
Pestalozzi beschreibt das Leben „unter dem heilsamen Zwang zumutbarer Not“ (Meier 1987, S.410) in seinem Roman „Lienhard und Gertrud“.
Aber nicht nur diesen materiellen Mangel bezeichnet Pestalozzi als Armut; auch die seelisch Armen, deren Liebeskraft versiegt oder verschüttet ist, sind als verarmt zu bezeichnen. In „Lienhard und Gertrud“ taucht ein solcher, innerlich verarmter Mensch in der Person des Vogtes Hummel auf.
Schon früh liegt dem Pädagogen deshalb etwas daran, die junge Generation der Armen zum Menschsein zu erziehen.
„Die Erziehung armer Waisenkinder ist die Unterstimme im Choral der Pädagogik Pestalozzis. Mit ihr beginnt sein Wirken als Erzieher außerhalb der eigenen Familie, sie ist auch dann stets vernehmbar, wenn scheinbar anderes im Vordergrund steht und mit ihr endet schließlich sein pädagogisches Leben.“ ( Kraft 1996, S.235)
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