Die Kernfragestellung der vorliegenden Arbeit ist, Samarqandīs Werk "tanbīhu al-ġāfīlīn" zu charakterisieren und herauszufinden, welche methodologischen und ethisch-moralischen Grundprinzipien und Handlungsmuster in diesem Werk genutzt wurden, ohne dass hier ein Bild von einer „überhistorischen menschlichen Natur“ rekonstruiert werden soll.
Abū Layṯ Samarqandīs (gestorben 373/983) wohl bekanntestes Werk "tanbīhu al-ġāfīlīn" (Aufwecken der Sorglosen) gibt das Grundprinzip des islamischen Rechts genau wieder und bietet aus Sicht der historischen Kulturforschung mehr als einen ausreichenden Einblick in der Vorstellung der religiös-ethischen Grundsätze eines Menschen des vierten Jahrhunderts der islamischen Zeitrechnung. Die Brisanz dieses Werkes besteht in der methodologischen Vorgehensweise des Autors, da er zur Argumentationsbestätigung seiner ethischen Einweisungen eine beträchtliche Anzahl von schwachen und fabrizierten Hadithen hinzuzieht, obwohl sich zu seiner Zeit wohl bereits eine feste Lehre von der Klassifizierung bzw. vom Gebrauch von Hadithen durchgesetzt hatte. Daher geht es dem Autor mehr um das Finden des semantischen Feldes von moralischen Handlungsanweisungen als um das traditionelle Festhalten an der Glaubwürdigkeit bzw. Nichtglaubwürdigkeit der Prophetenüberlieferung.
Gliederung
1. Einleitung
2. Die Ethik und das islamische Recht
2.1 Der islamische Ethikbegriff
2.1.1 Die Prädestinationsfrage
2.2 Das Religiöse und das Moralische des islamischen Rechts
2.2.1 Die moralische Begründbarkeit von Rechtsnormen
2.2.2 Begriffsunterscheidung zwischen Scharia und fiqh
2.2.3 Beurteilungsskale menschlicher Handlungen
2.2.4 Die Trennung zwischen juristischen und moralisch-religiösen Urteilen
2.3 Koran und Sunna als die moralisch-ethischen Instanzen
2.3.1 Der Koran in der ethisch-rechtlichen Diskussion
2.3.1.1 Die Frage nach der koranischen Rechtspraxis
2.3.1.2 Die koranische Selbstrepräsentation als die göttliche Wegweisung
2.3.2 Die Sunna in der rechtlich-ethischen Diskussion
2.3.2.1 Das swwwa-Konzept
2.3.2.2 Kanoni sierung der Sunna
2.3.2.3 Literaturgattung kitäb al-arba in
2.3.3 Das Verhältnis des Koran zur Sunna in der rechtlichen Diskussion
2.4 Islam als Orthopraxie
2.5 Zusammenfassung
3. Transoxanien zur Zeit SamarqandTs
3.1 Die sozio-politischen Voraussetzungen: die Samanidendynastie (819-999)
3.2 Rechtlich-theologisches Klima in Transoxanien zwischen dem 8. und
11. Jahrhunderts
3.2.1 DieMurği'a
3.2.2 Die Măturidîya
3.3 Die Hanafıya
4. SamarqandTs Leben und seine Werke
4.1 Zur Biografie SamarqandTs
4.2 Übersicht der gesamten Werke SamarqandTs
5.Das Werk tanblhn al-ģāfilīn
5.1 Der methodische Aufbau des Werkes
5.1.1 Die Themenstruktur des Werkes
5.1.2 Das Problem von nichtkanonischen Überlieferungen
5.2 Übersetzung und Auswertung einzelner Kapitel
5.2.1 Das erste einführende Kapitel al- ’ihlm ( 1 )
5.2.2 Eigenschaften der Hölle und ihrer Angehörigen (5)
5.2.3 Aufbewahrung der Rede (24)
5.2.4 Kapitel über die Güte des Koran (56)
5.2.5 Das Handeln mit dem Wissen (58)
5.2.6 Das Gottvertrauen (tawakkui) (64)
5.2.7 Die Kapitel über ğihâd, gazwa und ribäf (70-71)
5.2.8 Die Güte von umma des Propheten (74)
5.2.9 Die Kapitel über die Rechte der Eheleute (75-76)
5.2.10 Das Handeln mit der Sunna (84)
6. Schlusswort
Anhang
1. Die politische Landkarte Transoxanies im 10. Jahrhundert
2. Inhaltverzeichnis des Werkes tanblhu al-ģāfilm
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In der Islamforschung ist immer wieder betont worden, dass ״im islamischen Recht religiöse und ethische Gesichtspunkte die Normengestaltung, Normenbegründung und Normenanwendung weitgehend bestimmen“ (JOHANSEN 1998: 265), mehr noch: ״ein muslimischer Rechtsgelehrte kann eigentlich überhaupt erst dann beginnen über das Recht nachzudenken, wenn er annimmt, dass Gott existiert“ (L0HLKER 2012: 108). Die meisten von Muhammad im Koran und Sunna verkörperten ethischen Grundsätze lassen auf die deontologischen Prinzipien des islamischen Rechts schliessen, in dem der Handlungsverlauf wichtiger als sein Ziel sein sollte, und nur wegen seines göttlichen Ursprungs von der Natur aus richtig und rational sei. Das heißt, im islamischen Recht ist, zumindest theoretisch, keine Trennung von Religion bzw. religiöser Ethik und Recht vorgesehen.
Abu Layţ SamarqandTs (gest. 373/983) wohl bekanntestes Werk tanblhn al-ģāfilīn (AI ifive eken der Sorglosen) gibt das Grundprinzip des islamischen Rechts genau wieder und bietet aus Sicht der historischen Kulturforschung, welche die sozialen Praktiken und die symbolischen Normen der Organisation menschlichen Zusammenlebens in ihrem historischen Kontext betrachtet, mehr als einen ausreichenden Einblick in der Vorstellung der religiös-ethischen Grundsätze eines Menschen des vierten Jahrhunderts der islamischen Zeitrechnung. Das 94 Kapitel umfassende Werk tanbīhu al-ģāfilīn wird von sämtlichen Bibliographien als ein Werk zur Sittenlehre bezeichnet, d. h. nicht als ein juristisches oder ein philosophisches beziehungsweise theologisches, sondern als ein ethisch-praktisches Werk für Erziehungsmaßnahmen, das von den späteren Gelehrten auch der anderen verschiedenen theologischen oder Rechtsschulen als solches verwendet wurde. Die Hauptintention des Autors ist, durch die Akzentuierung der bestimmten Kategorien zu zeigen, welche ethischen Ziele des menschlichen Handelns und, gegebenenfalls, wie die moralischen Ebenen des Handlungsverlauf konstruiert werden. Auch wenn im Text die Erklärungen des Autors sehr spärlich erscheinen, wird in den systematisch nach Themen abgetrennten Kapiteln durch eine geschickt gewählte Reihenfolge der Überlieferungen stets eine bestimmte, in sich geschlossene Lehre vorgeführt. Durch eine breitgefasste Auswahl an verschiedenen Themen zeigt der Autor auf, wie ein Individuum gegenüber Gott, sich Selbst und seinen Mitmenschen zu handeln hat. Die aktive Selbstdisziplinierung bzw. Selbstbeteiligung am Handlungsverlauf kommt in diesem Werk stark zum Ausdruck.
Die islamischen Rechtswissenschaften waren schon seit ihrem Anfang bemüht, durch die Ethik die innere Haltung und die äußere Handlung des Menschen aufeinander abzustimmen. Daher konnte eine von dem Autor so gewählte Synthese von Ethik und Praxis kein Zufall sein, sondern kann eher als eine Notwendigkeit betrachtet werden. Das heißt, das ethische Werk wurde ganz in der zu dieser Zeit schon längst etablierten Tradition des islamischen Rechts verfasst, dessen Spezifikum laut SCHÖLLER (2007: 269) ist, dass es nicht nur die in unserem Sinn rechts-relevanten Aspekte und Sachverhalte behandelt, sondern auch die Bereiche der islamischen Frömmigkeit, der gesellschaftlichen Moral und der individuellen Führung im weitesten Sinne.
Elm den ethischen Herausforderungen seiner Zeit gerecht zu werden, bediente sich SamarqandT in seinem Werk grundsätzlich der Grundprämissen des islamischen Rechts und der islamischen Ethik, die bereits zu seiner Zeit auf der Basis der göttlichen Offenbarungen als Gottgegebenes Wissen ausformuliert waren: sein Werk stellt eine Art Kompilation dar, die zum größten Teil aus einer Reihe der verschiedensten Hadith-Kategorien zusammengestellt ist, die immer wieder durch zahlreiche einschlägige Koranzitate unterstützt werden. Den eingeführten Koranzitaten fällt dabei jedoch keine untergeordnete Rolle zu: ihre Aufgabe scheint darin zu bestehen, endgültig autoritativ das Wort Gottes, als oberste und letzte ethisch-rechtliche Instanz, zu besiegeln. Zudem kommen auch die Meinungen von anderen Gelehrten, anschauliche moralische Anekdoten oder Gedichte vor. Das auf der Basis göttlicher Weisheit erworbene Wissen, gemeint sind die beiden Offenbarungen, wird dabei nicht infrage gestellt. Die Brisanz dieses Werkes besteht aber vor allem in der methodologischen Vorgehensweise des Autors, da er zur Argumentationsbestätigung seiner ethischen Einweisungen eine beträchtliche Anzahl von schwachen (da lf) und fabrizierten (maudu ) Hadithen hinzuzieht, obwohl sich zu seiner Zeit wohl bereits eine feste Lehre von der Klassifizierung bzw. vom Gebrauch von Hadithen in der hanafitischen Rechtsschule von Transoxanien durchgesetzt hatte. Daher geht es dem Autor mehr um das Finden des semantischen Feldes von moralischen Handlungsanweisungen als um das traditionelle Festhalten an der Glaubwürdigkeit bzw. Nichtglaubwürdigkeit der Prophetenüberlieferung.
Abu Layţ SamarqandT zählt zu den einflussreichsten und vielseitigsten transoxanisehen Rechtsgelehrten seiner Zeit und zu den wenigen, die zahlreiche didaktische Werke zur islamischen Jurisprudenz, Theologie und moralischer Erziehung hinterlassen haben und an deren Authentizität bis heute nicht gezweifelt wird. Sein Beitrag in der Entwicklung der islamischen Sittenlehre und der östlichen Hanafija seitens der westlichen Islamforschung wurde relativ früh erkannt[1]. Er zählt zu denjenigen, die die östliche Hanafija begründet haben und die örtlichen Rechtstraditionen wesentlich mitbestimmt haben. Seine Werke sind durch die Jahrhunderte wiederholt abgeschrieben und in weitere islamische Sprachen übersetzt worden[2] und sie fanden in den verschiedenen Theologie- und Rechtsschulen Verbreitung. Leider ist sein Gesamtwirken bis jetzt nicht ausreichend ausgearbeitet worden. In der wissenschaftlichen Literatur sind nur wenige spärliche Hinweise zu finden, in denen sie namentlich genannt werden und in denen ihre Einzigartigkeit betont wird. Aber weiter sind keine ausreichenden Interpretationen der Werke zu finden, obwohl die ersten Überarbeitungen seiner Texte schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts durch Johann Heinrich Callenberg (1694-1760) stattgefunden haben, der die in Gotha befindlichen Manuskripte SamarqandTs zur islamischen Rechtstradition mit der Hilfe von Carl Rah Dadichi (1694 (?)-1734) aufgearbeitet hat. Sie dienten später als Grundlage seiner Publikationen zur islamischen Rechtstradition in Bezug auf die Rechtssituation von Christen unter der muslimischen Herrschaft (BOCHINGER 1995: 51-52). Erst kürzlich ist eine Dissertation mit einer Übersetzung seines fatwa- Werkes Nowäzil von MANGERA vorgelegt worden, in der SamarqandT als einer der ersten Rechtsgelehrten gewürdigt wurde, der die zu seiner Zeit umlaufenden fatwas der hanafitischen Rechtstradition gesammelt und sie in seinen Werken systematisch geordnet hat.[3] Trotz der vereinzelten Studien bemängelt jedoch RUDOLF (1992: 18) zurecht, dass im Vergleich zu anderen Gebieten der islamischen Welt das Transoxanien des vierten Jahrhunderts der islamischen Zeitrechnung noch weitgehend ein unerforschtes Feld bleibt, was sicherlich die Beschäftigung mit dem Gesamtwirken von SamarqandT im Kontext des damaligen Zeitgeists von Grund auf erschwert. Die weiteren Interpretationen seiner Werke können daher weitreichende Aufschlüsse nicht nur zur Geschichte islamischer Frömmigkeitskulturen geben, die die Felder des islamischen Rechts, der Theologie und der Ethik eischließen. Sie können zudem einen wichtigen Beitrag zur weiteren Erschließung der intellektuellen Geschichte der islamischen Welt des Mittelalters geben.
Die Kemfragestellung der vorliegenden Arbeit ist demnach, SamarqandTs Werk tanhJhn al-ģāfilm zu charakterisieren und herauszufinden, welche methodologischen und ethisch-moralischen Grundprinzipien und Handlungsmuster in diesem Werk genutzt wurden, ohne dass hier ein Bild von einer ״überhistorischen menschlichen Natur“ (TANNER 2004: 25) rekonstruiert werden soll. Die Arbeit ist in die drei folgenden Schwerpunkte aufgeteilt:
1) Der literarische Stoff dieses Werk stützt sich hauptsächlich auf die Überlieferungen des Propheten Muhammad. Die Überlieferungen werden gebraucht, unabhängig davon, ob sie sahih, da lf oder sogar maadu sind. Im Werk ist eine starke Autorisierung und Personali sierung des Propheten zu beobachten, mit einer deutlichen Tendenz zur Gleichsetzung der Sunna neben dem Koran als Sakralquelle. Die Unangefochtenheit der Sunna-Autorität und ihre lebenspraktische Ausformung im islamischen Recht haben dazu geführt, dass der Islam sich zu einem orthopraxen System, d. h. einem System mit ausführlichsten Handlungsmustern herausgebildet hat, in dem die religiöse Ethik der SunnaTradition zweifelsfrei das ganze Wesen des Islam bestimmt, sodass es zu ״einem Eckstein wurde, auf dem das ganze Gebäude des Islams nun einmal ruht“ (NAGEL 2010: 25). Da SamarqandT sich primär einen Namen als Rechtgelehrter ifaqlh) machte und nicht als Theologe oder Philosoph und sein Werk deutlich eine islamrechtliche Perspektive wiedergibt, ist in der Arbeit vorerst eine Verbindung von islamischem Recht und der religiösen Ethik herzustellen - und zwar auf Basis der beiden Hauptquellen des islamischen Rechts als das Gottgegebene Wissen und als Rechtsleitung.
2) Um das Wirkungsfeld SamarqandTs besser erfassen zu können, wird die Biographie SamarqandT und ein kurze Überblick über seiner erhaltenen Schriften, sowie seine historische und sozio-kulturelle Umwelt in Bezug auf das Spezifikum der geistigen Traditionen der damaligen Zeit in Transoxanien dargestellt. SamarqandTs Stellenwert in den örtlichen Traditionen zu bestimmen, ist in dieser Arbeit aufgrund des aktuellen Forschungsstandes kaum zu leisten.[4] ausgewählten verschiedensten Themenbereiche gekennzeichnet und durch welche Verhaltensmuster und ethischen Normen sind sie repräsentiert? Der zu bearbeitende Text liegt in der neuesten in Kairo gedruckten Edition Al-Sayyid al-‘Arabīy von 1998 vor.
Die Übersetzungen aus SamarqandTs Werken werden vom Autor der vorliegenden Arbeit vorgenommen. Die Koranzitate werden durch die maßgebliche Übersetzung von Rudi Paret wiedergegeben[5]. Die Koranische Suren und Verszählung folgt der offiziellen Kairiner Koranausgabe vom Jahre 1924 nach dem Muster 22:15. Daten werden in der Regel erst dem islamischen, dann nach dem gregorianischen Kalender gegeben. Die Umschrift arabischer Termini wird nach den Regeln der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft wiedergegeben.
2. Die Ethik und das islamische Recht
Das Feld der islamischen Ethik wird in der heutigen Forschung grundsätzlich von zwei Richtungen dominiert: von der traditionellen philosophischen Sichtweise, in der die klassischen islamischen Werke dargestellt und auf ihre Rezeption in der europäischen Tradition untersucht werden, und von den traditionellen Feldern praktischer Ethik, die vor allem heutzutage in ihrer Relevanz an Bedeutung gewinnen, wenn es um die Fragen der islamischen Identitätsbildung gehen soll (zum Beispiel das Gesundheitswesen oder Familien- und Wirtschaftsethik). Dem klassischen islamischen Recht kommt dabei immer noch die führende Rolle zu, wenn es um die Formulierung der dazugehörigen ethischen Grundprinzipien gehen soll.[6] Die Grundannahme der Ethik, nämlich über die freie Handlungsentscheidung des Menschen, wird dabei jedoch mehr aus der philosophischen oder theologischen Sichtweise diskutiert als aus einer rechtlichen Perspektive.
2.1 Der islamische Ethikbegriff
Das arabische Wort für Ethik ahläq (plural hiduq), abgeleitet aus der Wurzel h-l-q, hat die primäre lexikalische Bedeutung von schaffen, formen oder bilden. Die klassische islamische Koranexegese bezieht sich in ihren Interpretationen hauptsächlich auf die Sure 68:4, in der das Wort hiduq den Propheten Muhammad in der Bedeutung des ״hohen Standards seines Charakters“ charakterisiert[7]. An einer anderen Stelle impliziert hiduq die Aktivität.[8] Beide Stellen zusammen zu verbinden, versteht es sich im Sinne der Charakterbildung, also eines aktiven Handelsbedarf und nicht nur ein bereits vorgegebener passiver Zustand. Die auf dieser Basis zu verstehende Doktrin formulierte als erster al-Farabī (gest. 339/950); er definierte die islamische Ethik als ahläq, ״eine Wissenschaft, die den Zustand der menschlichen Seele studiert“. Die anderen Denker wie al-GazalT (gest. 505/1111), al-Razī (gest. 606/1209), al-Tusī (gest. 671/1274) und al-Dawariī (gest. 918/1502) haben diese Konzeption weiter entwickelt. Sie fokussierten ilm al-ahläq auf die seelischen Eigenschaften und die Methoden, welche auf die Selbstkontrolle des Menschen gerichtet waren, um die dazugehörigen Eigenschaften zu erzeugen.
Der weitere oft verwendete Begriff für Ethik ist adab.
Die Taten werden im Allgemeinen in guten {salikāt) und schlechten (sayy at) unterschieden, wobei dem Begriff yus alu (infrage stellen) eine zentrale Rolle zugeordnet wurde, im Sinne der freien Entscheidung und der moralischen Verantwortung eines Menschen, dieses oder jenes Handeln zu wählen. Das Hauptziel der Ethik wurde demnach so definiert, dass der Mensch danach streben soll, seinen seelischen Zustand bzw. sein Handeln auf das höchst mögliche moralische Niveau zu bringen, um damit das menschliche Dasein zum Heil zu führen (B1NTI Adul Rahim 2013: 509).
Die Wende des 9. zum 10. Jahrhundert gilt als die Blütezeit mu'tazilitischer Intellektualität, die die Rezeption antiker griechischer Philosophen in ihre Tradition einschloss. Andererseits waren die islamischen geistlichen Strömungen durch einen verstärkten Rückgriff auf den Koran und die Sunna des Propheten Muhammad als die normative Quelle aller Wissenschaften geprägt. Al-Aš'arī (gest. 32/935) gilt in der islamischen Theologie als ein Musterbeispiel. Er gründete in seiner Methodologie den sunnitischen kalām und die darauf aufgebaute Ethik ausschließlich auf die Offenbarung Gottes und auf die uneingeschränkte Akzeptanz der prophetischen Überlieferung (Rudolph 1992: 72), was zwangsläufig dazu geführt hat, dass Koran und Sunna des Propheten zu den primären Quellen auch der islamischen Ethikwissenschaft ilm al-ahläq geworden sind. Die Hauptfelder der Ethik werden bereits im Koran in voller Entfaltung angesprochen: die göttliche Gerechtigkeit und Macht, die verschiedenen Arten von Recht und Einrecht, Freiheit und Verantwortung. Sie sind im Koran durch eine ganze Reihe von verschiedenen Termini wiedergegeben, wie al-hair (Güte), al-birr, al-qisr al-iqsad und al- adì (Gerechtigkeit), al-haqq (Wahrheit und Recht), al-ma ruf (bekannt und zugelassen) oder al-taqwa (Frömmigkeit) (B1NTI Adul Rahim 2013: 509). Für al-Ğazalî war es zentral, nicht nur den inneren Seelenzustand mit dem äußeren Handeln abzustimmen, was seinerseits zwangsläufig eine wechselseitige Wirkung zwischen den beiden voraussetzte, sondern auch die Orientierung des moralischen Handelns an die göttlichen Geboten, sodass sowohl die Beziehung des Selbst zu Gott als auch zu seinen Mitmenschen eingeschlossen war (B1NTI Adul Rahim 2013: 508). Das heißt, der ilm al-ahläq hat sich zwangsläufig zu einer mit der islamischen Theologie eng verbundenen praktischen Wissenschaft entwickelt, die sich das Studium des richtigen oder verwerflichen Handelns zu eigen gemacht hat.
Der unterschiedliche Umgang der verschiedenen theologischen Richtungen mit Koran und Sunna hat jedoch dazu beigetragen, dass sich unterschiedliche Strömungen in den ethischen Konzeptionen herausgebildet haben. FAKHRY (1994: 6-7) unterteilt sie in die zeitlich aufeinanderfolgenden Hauptrichtungen: heilige Schriften, theologische, philosophische und religiöse Ethik. Miskawaihi (gest. 421/1030), der als erster und größter Denker gilt, der sich in diesem Bereich einen Namen machte, gehörte bereits in die dritte Phase dieser Entwicklung, also in die Zeit, als die meisten philosophischen Schriften der Antike ins Arabische bereits übersetzt worden waren. Sein ethisches Konzept in tahdlb al-ahläq gilt als ein Versuch, die platonischen und aristotelischen ethischen Doktrinen zusammenzubringen, in dem er sein Hauptinteresse der Kunst der Selbstdisziplin und der Reinigung der menschlichen Seele widmete.
Die Ausdifferenzierung der islamischen Ethik als Wissenschaft ist in die theologische, philosophische, juristische und mystische Richtung zu unterscheiden, die seinerseits je nachdem unterschiedliche Ziele und Schwerpunkte auferlegte. Der Scharia als einem Rechtssystem, das den göttlichen Wille verwaltete, wurde eine zentrale Rolle zugeordnet, zumindest die Fragen des islamischen Rechts waren von Muslimen für relevanter gehalten als alles theologische Wissen (Berger 2010:21, PRENNER 2006: 277). Dagegen betonte die islamische Mystik neben dem äußeren Tun die innere Haltung und Erkenntnis {ma rifa), indem das Konzept der ekstatischen Vereinigung mit Gott als das höchste Ziel des menschlichen Strebens definiert wurde. Die theologische und philosophische Ethik war im Ganzen von der griechisch-hellenistische Tradition beeinflusst (BINTI Adul Rahim 2013: 510).
2.2 Das Religiöse und das Moralische des islamischen Rechts
2.2.1 Die moralische Begründbarkeit von Rechtsnormen
Zu seiner Zeit schrieb E. Durkheim der Religion eine zentrale Rolle im gesellschaftlichen Leben zu. Er nannte sie ״ein solidarisches System von Überzeugungen und Praktiken [...] die in einer und derselben moralischen Gemeinschaft [...] alle vereinen, die ihr angehören“ (DURKHEIM 2007: 75). Er sah sie als eine moralische Macht bzw. als einen Zwang, wodurch die Kollektivität einer Gesellschaft ausgedrückt werden konnte. Anlehnend an den Koran definiert die Scharia ihr Hauptziel im Sinne der moralischen Maxime, nämlich ״Übel zu unterbinden und nützliche Dinge im Namen der Wahrheit, Gerechtigkeit und des Guten durchzusetzen und dem menschlichen Verstand die Wegmale zu verdeutlichen“ (KRAWIETZ 2000: 224). Dabei gilt für den Einzelnen als die oberste Priorität die Bewahrung der Gemeinschaftsordnung und des Gemeinschaftswohls. Durkheim folgend kann festgestellt werden, dass die Moral innerhalb einer Gesellschaft stets als die ״Zentralfigur“ auftritt und dementsprechend nie vollkommen aufgehoben werden kann, ganz unabhängig davon, ob sie ein religiöses oder humanistisches Menschenbild zur Grundlage hat. Die moralischen Beurteilungen brauchen stets QVO. Begründungsprädikat, das z. B. durch die Kategorien ״gut“, ״vernünftig“ oder ״von Gott gegeben“ legitimiert wird. Diese Kategorien fungieren stets als die ״höheren Wahrheiten“ (LACHMANN 1994: 19). Die as'aritischen Theologie definiert das gottgegebene Wissen als das höchste Gut und zwar soll es nur deswegen ״Gut“ heißen, weil es durch Gott für gut erklärt wurde. Die gottgegebenen Handlungsanweisungen können vom Menschen gar nicht den moralischen Beurteilungen ausgesetzt werden, weil der Mensch durch seinen Verstand einfach dazu nicht in der Lage wäre (BERGER 2010: 82).
In Verbindung mit der Frage nach der Begründbarkeit moralischer Urteile steht ein weiterer wichtiger Aspekt, Moral definitorisch zu bestimmen: nämlich, inwieweit die moralischen bzw. sozialen Normen angehalten bzw. nicht angehalten werden können oder dürfen. Obwohl sie nicht, wie in einem Rechtssystem, exakt und verbindlich eingehalten werden müssen und jeder Mensch einen Freiraum zur Entscheidung hat, inwiefern er die Regeln der Moral befolgt oder nicht, schafft die Gesellschaft einen gewissen Rahmen, welcher das Handeln des Individuums durch Sanktionen einschränken kann. Die Aufgabe der Ethik besteht gerade darin, das Individuum, durch seine freie Zustimmung, zur Teilnahme an dem gesellschaftlichen Leben zu bewegen “ (Lachmann 1994: 238). Diese Grundannahme der Ethik widerspricht sicherlich der asari tischen Lehre von der Allmacht Gottes, in der Gott allein alle Taten des Menschen schafft. Die mu'tazilitische Ethik allerdings hatte sich von diesem Konzept abgewendet und einen Spielraum für freie Handlungsentscheidungen eingeräumt, indem dem Menschen die Bewertung der moralischen Entscheidungen zugestanden wurde und von der Menschen höchste Leistungsbereitschaft forderte (BERGER 2010: 82, 78).
Das islamische Recht, das ohne Zweifel weitgehend durch religiös-ethische Gesichtspunkte bestimmt ist, umfasst ein viel breiteres Feld, als es in unserem europäischen Verständnis betrachtet wird. Es ist nicht als positives Rechtssystem, sondern - wegen seines ״empfehlenden“ Charakters - eher als theoretisches Recht zu betrachten (Popal 2006: 40). Es ist ein System, das alle Bereiche des individuellen und gesellschaftlichen Lebens umschließt und durchdringt, indem es sowohl die Beziehung des Menschen zu Gott und zu sich selbst als auch die Beziehungen zwischen den Menschen untereinander in allen ihren Aspekten zu regeln versucht. Der Scharia als das ״Gesetz Gottes“ kommt eine Rolle des Begründungsprädikats für die moralische Urteilskraft zu: an dieser Stelle tritt sie als eine absolute moralisch-ethische Instanz mit einem nicht zu hinterfragenden Wahrheitsanspruch auf und dies mit einer Geltung, die unabhängig von Zeit und Ort herrscht. Da dem Menschen, laut J. Schacht, die Suche nach ״Ursachen“ und ״Prinzipien“ der Scharia abgesprochen wird, unterliegt sie dem Vorwurf, irrationale Züge zu haben (Popal 2006: 40).
2.2.2 Begriffsunterscheidung zwischen Scharia und fiqh
In unserem Zusammenhang es ist wichtig, die Begriffe islamisches Recht, Scharia und fiqh zu differenzieren, da sie zumindest in der westlichen Islamforschung nicht gleichzusetzen sind und voneinander deutlich getrennt werden sollten (LOHLKER 2012: 11). Die Scharia, meistens mit ״gebannter Weg“ übersetzt, hatte in der lexikographischen Tradition in ihrer beduinisch- heidnischen Umwelt primär die Bedeutung einer Wasserstelle[9] und erst in der späteren Rechtsterminologie wurde sie in Weg oder Pfad zu Gott umgewandelt. Sie soll die Gesamtheit aller göttlichen Normen erfassen. Andererseits wurde gerade die Unmöglichkeit der Erfassbarkeit der Scharia bzw. der göttlichen Normen in Gänze in der rechtlichen Tradition immer bewusster. Daher bekam fiqh die Aufgabe, die Scharia zu erfassen; fiqh wurde als ״das Ergebnis der menschlichen Anstrengungen, die Scharia zu ergründen“ (LOHLKER 2012: 15) verstanden. Eine ständige Forderung nach einer notwendigen Trennung zwischen Scharia und fiqh erscheint problematisch, da die Trennungsgrenze zwischen den beiden oft schwer zu bestimmen ist. Der religiösdogmatische Charakter des islamischen Rechts wird von einigen führenden zeitgenössischen Juristen des islamischen Rechts deutlicher gemacht, indem sie gerade diese Grenze zwischen den beiden Begriffen verschwinden lassen und beides als ein Ganzes betrachten. Ein Unterschied besteht nur darin, dass sie die Scharia als Ziel und fiqh als den Weg, um dieses Ziel zu erreichen, definieren. (Popal 2006: 89). Dagegen wird das positive staatliche Recht durch das Wort qmnin erfasst, das im Gegensatz zu Scharia und fiqh nur eine begrenzte Gültigkeit haben kann und als Ergebnis eines historischen Prozesses verstanden wird. Es ist also dem Bedarf des sozialen Wandels unterworfen (Popal 2006: 92). Obwohl fiqh als Teil der Scharia weitgehend im Sinne der islamischen Jurisprudenz begriffen wird, die rechtliche Regelungen festschreibt, enthält fiqh einen beträchtlichen Teil der Regelungen, deren Nichtbefolgung keine juridischen Sanktionen nach sich zieht (z. B. Gebetsregeln oder Reinheitsvorschriften). Ihre Befolgung oder Nichtbefolgung ist dem Selbst überlassen und nur das Jenseits als die letzte Instanz vermag darüber zu urteilen. Gerade hier fungiert das Jenseits mit seinem absoluten Wahrheitsanspruch als höhere moralisch-ethische Instanz und es erfüllt die zentrale Aufgabe der Ethik, die Aufgabe der freien Handlungsentscheidung eines Individuums.
2.2.3 Beurteilungsskalen menschlicher Handlungen
Mit der von L0HLKER (2012: 100-103) vorgeschlagenen Definition der Scharia, die Scharia sei die Gesamtheit der göttlichen Beurteilungen menschlicher Handlungen, wird auf den deontologischen Charakter der schariatischen Beurteilungen (1al-ahkām aš-šar iyya) hingewiesen. Die heute gebräuchlichste sekundäre Bedeutung von hukm als ״gesetzliche Vorschrift“ oder ״gerichtsverbindliche Rechtsbestimmung“ ist erst im Laufe der Rechtsentwicklung entstanden. Primär bezeichnete sie aber die ״göttliche Rede“, also das letztlich nur Gott zugängliche Wissen, wodurch das menschliche Handeln zwischen dem, was verpflichtend (wağib, fard), empfehlenswert (mandiib, mustahab), neutral (mubah), ablehnenswert (makrüh) oder verboten (haram) ist, unterschieden werden kann. Während unter der untersten obligatorischen Kategorie, was verboten (haram) ist, das klassische islamische Recht strafrechtliche Folgen vorsieht, gilt dies nicht für die mittleren Kategorien neutral (mubah) und ablehnenswert (makrüh) bzw. empfehlenswert (mandiib, mustahabb). Hier ist von zentraler Bedeutung, dass der Mensch gezwungen wird, nach diesen Beurteilungskategorien selbst zu entscheiden, ob er die Handlung vollzieht oder unterlässt. Das Einzige, womit er rechnen kann, ist für die empfehlenswerten Handlungen (mandiib, mustahabb) im Jenseits mehr Gutschrift (hasanať) zu bekommen. Also jede zusätzliche, nicht obligatorisch moralisch gute Handlung ist als eine ziyada zu bezeichnen, die im Jenseits in der Form einer Gutschrift hinzugerechnet wird (SamarqandI 1998: 16).
2.2.4 Die Trennung zwischen juristischen und moralisch-religiösen Urteilen
Schon J. Schacht hat darauf hingewiesen, dass es im islamischen Recht immer eine deutliche Trennung zwischen juristischen und moralisch-religiösen Urteilen gegeben habe, zwischen denen häufig keine Übereinstimmung erreicht werden konnte, was zur Trennung zwischen den beiden führte, obwohl das islamische Recht von Anfang an ein ״heiliges Recht“ war (JOHANSEN 1998: 264). Mehr noch, manchmal gingen die juristischen Entscheidungen (hukm) religiös-moralischen Ansprüchen voran, indem Letztere einfach dem Jenseits (âhıra) überlassen wurden (JOHANSEN 1998: 265). Anhand der zahlreichen Diskussionen innerhalb der hanafitischen Rechtsschule resümierte Johansen, dass die gerichtsverbindlichen Bestimmungen (ihukm), in denen die religiösen und moralischen Anforderungen der Handelnden nicht berücksichtigt wurden, eher von der herrschenden Obrigkeit im Dienste des öffentlichen Interesses (maşlaha), als von der Religion, abhängig waren. Das religiös-ethische Verhältnis des Handelnden zu Gott, das seinerzeit das Jenseits (âhıra), den Glauben (īmān), die Religion (dîn) die inneren Motive und das Gewissen (bâţin), die Ethik (ahläq), die Sünde und die Belohnung (ļawäh) einschloss, konstruierte nur das semantische Feld (diyäna) des islamischen Rechts. Obwohl die moralischen Verpflichtungen unmittelbar einen Bestandteil des islamischen Rechts darstellten, konnten die gerichtsverbindlichen Urteile sie auf keinen Fall kontrollieren oder beurteilen (JOHANSEN 1998: 274). Durch die Bedeutung des Jenseits als die letzte entscheidende Instanz nimmt jedoch die Bedeutung des moralischen Feldes (diyäna) zu (JOHANSEN 1998: 278). Die im öffentlichen Interesse stehende Rationalisierung des islamischen Rechts führte zur zunehmenden Differenzierung zwischen diyäna und hukm, die sich später in den Institutionen der fatwä, den religiösen Rechtsgutachten mit dem Amt des Muftis, und hukm, verbindlichen gerichtlichen Bestimmungen, die mit dem Amt des Kadi einsetzten, etablierte. Eine religiös-moralische Interpretation des gerichtsverbindlichen Urteils war einem Kadi nicht erlaubt, er konnte sich aber von einem Mufti beraten lassen(J0HANSEN 1998: 227-229). Diese über tausend Jahre andauernde Spannung zwischen hukm und diyäna stellte ein Gleichgewichtsverhältnis zwischen Vernunft und Offenbarung dar, das zur Säkularisierung weiter Teile des islamischen Rechts führte. Allerdings, um die Identität der Offenbarung zu bewahren, wurde seit der Reformbewegung des 17. bis 19. Jahrhunderts ein Vorwurf gegen solch einen scholastischen Kompromiss erhoben, mit der Forderung, das Recht mit Moral und Religion eindeutig zu identifizieren (JOHANSEN 1998: 281).
2.3 Koran und Sunna als die moralisch-ethischen Instanzen
Wie oben dargestellt wurde, hat das islamische Recht ein kompliziertes Verhältnis zwischen den rechtsverbindlichen Urteilen und den religiös-moralischen Anforderungen entwickelt, in dem die juridische Logik der ethisch-religiösen gegenüber gestellt wurde, was die Koran- und SunnaInterpretationen entweder juristischer oder moralisch bindender Instanzen ermöglichte (JOHANSEN 1998: 271). Obwohl es im Laufe seiner Entwicklung im islamischen Recht immer eine deutliche Trennung zwischen juristischen und moralisch-religiösen Urteilen gegeben hatte, sind die beiden primären Offenbarungsquellen unangefochten als die obersten moralischen Instanzen mit ihrem absoluten Wahrheitsanspruch im Vordergrund der Diskussion aufgetreten.
Da der Koran wenig konkrete praktische Hinweise zum alltäglichen Leben beinhaltete und allein nicht ausreichte, um das Wesen des Islams vollständig erfassen zu können, rückte die Sunna neben dem Koran als die normative Quelle von Anfang an in den Vordergrund des menschlichen Daseins, sodass ihre Stellung, neben dem göttlichen Offenbarungsbuch, auf der fast gleichen Stufe erforderlich geworden ist (SCHÖLLER 2007: 265). Zu diesem Thema bestätigt der in der Literatur wohl meistzitierte Hadith diese Voranstellung aus sich selbst heraus am besten: auf die Frage des Propheten ״Auf welcher Grundlage wirst du Entscheidungen treffen?“ antwortete sein Gefährte Mu'ad ihn Cabal (gest. 17/639), der nach Jemen als Schiedsrichter geschickt worden war, ״Auf der Grundlage der Schrift Gottes“. ״Wenn du aber darin nichts findest, auf welcher Grundlage wirst du entscheiden?“ wurde er vom Propheten weiterhin gefragt und er antwortete darauf ״Auf der Grundlage der Sunna des Propheten“ (SCHÖLLER 2007: 269-270). Nach diesem Hadith wurden Koran und Sunna von Beginn an sowohl zum Erlangen einer Orientierung in moralischen Urteilen als auch in der Rechtsprechung benötigt. Sie sind dadurch die wichtigsten Quellen der usili al-fiqh geworden.
Es bleibt weitgehend unumstritten, dass die Niederschrift des Korans in seiner verbindlichen Fassung ohne die hinterlassene Autorisierung des Propheten nach seinem Tode kaum stattfmden konnte (Nagel 2010: 207), obwohl einige von der uţmani sehen Redaktion vorgerufenen Unstimmigkeiten zur späteren ideologischen Spaltung der Gemeinde führten. Die dritte und letzte Phase der Textkanonisierung fand bereits unter der Regierungszeit des Umayyadenkalifen Abdalmalik (685-705) durch sein imperiales /írø.sd/?//-Projekt statt, zu dem er eine Kommission unter der Leitung Hasan al-Basns (gest. 110/728) aufgerufen hatte. Als zu bearbeitende Grundlage diente für die Kommission der uţmanische mushaf in dem alle orthographischen Unstimmigkeiten endgültig beseitigt werden sollten[10]. Fast in die gleiche Zeit ist auch die erste Zusammentragung der zerstreuten Hadithen (tadwm) zu datieren, die in die Zeit des Kalifen ‘Umar bnu Abuk azız (717720) zurückgeführt werden können. Sihāb az-Zuhrī (gest. 125/742) wird als der erste mudawwin, der Autor der Hadithsammlungen, bezeichnet. Die Hadithen wurden nicht mehr nur in einer mündlichen Form tradiert, sondern niedergeschrieben. Anstoß hierfür war, dass die Hadithen zu dieser Zeit bereits als gottgegebenes ״Wissen“ in die weiteren Bereiche der muslimischen Religiosität durchgedrungen waren (NAGEL 2010: 212). Die darauf folgende tasnif-Phase, die Phase der thematischen Zusammentragung der Hadithen in die einzelnen Bücher (musnäf), ermöglichte jedoch noch keine kritische /.s/7d6/-überprüfung, bis sie schließlich al-Buhārī (gest. 256/870) unter seinem Werk al-ğâmi d al-sahih zusammengebracht und kanonisiert hat. Fast zur gleichen Zeit wurden damit, auch wenn nicht in ihrer endgültigen Form, aber wohl niedergeschrieben und autorisiert, die beiden sakralen Hauptquellen zum praktischen Nutzen bereitgestellt. Diese Phase der Geschichte zwischen dem 8. und 9. Jahrhundert nennt FAKHRY (1994: 3) Phase der pre-ethical speculation on question; er weist jedoch, bezogen auf die moralethischen Fragestellungen, auf die Primitivität der Interpretationen des Koran und der Sunna durch die damaligen Gelehrten hin.
Im Folgenden wird die Bedeutung der beiden Offenbarungsquellen im islamischen Rechtsdiskurs im Einzelnen dargestellt. Es geht in der folgenden Darstellung eher darum, die ethische Dimension und den erlangten Stellenwert der beiden Quellen und deren Hintergründe aufzuzeigen, wie sie in der islamischen Frömmigkeit und in den praktischen Anwendungen ihren Eingang fanden. Wobei in der Darstellung der Sunna-Tradition auf die Kritik der Hadith-Forschung bezüglich ihrer Historizität und Glaubwürdigkeit verzichtet wurde, da SamarqandT in seinem Werk fast zur Hälfte solche Hadithen benutzt, die unter die Kategorie der ״Schwachen“ (da if) oder sogar der ״Fabrizierten“ (imaudu ) einzuordnen sind. Zumal besteht bei dem gegenwärtigen Stand der Forschung gar keine Möglichkeit, die Echtheit der einzelnen Überlieferungen nachzuweisen (Berger 2010: 43), was für unsere Fragestellung auch irrelevant ist. Die uneingeschränkte Benutzung der Prophetenüberlieferung nur unter Berücksichtigung des semantischen Feldes ist das Hauptcharakteristikum für das gesamte Wirken von SamarqandT. Es Stand damit nur die Sache an sich, ob dieses oder jenes Hadith didaktisch für die angestrebte Morallehre relevant oder nicht sein konnte, im Vordergrund bezüglich der Entscheidungen zur Aufnahme des Hadiths.
2.3.1 Der Koran in der ethisch-rechtlichen Diskussion
2.3.1.1 Die Frage nach der koranischen Rechtspraxis
Die Bestimmungen des Koran (mrwä il al-ahkām) werden in ihrer Gesamtheit in drei Kategorien aufgeteilt: jene dogmatischer Art (/' tiqädiyyä) einschließlich eschatologischer Themen, jene ethischer Natur (ahlaqiya) und rechtspraktische (1ahkam amaliyya), die ihrerseits sowohl die Beziehungen der Menschen zu Gott ( ibādāt) als auch die menschlichen Beziehungen untereinander irmi āmalāt) in sich einschließen (KRAWIETZ 2010: 113). Insgesamt rechnet man im Koran mit über 6200 aber je nach dem bis zum 500 ahkäm-Versen, also Versen, denen unmittelbar eine rechtliche Implikation zugeschrieben werden kann (KRAWIETZ 2010: 114). Das islamische juridische Recht schöpfte seine Themen hauptsächlich aus der späteren medinischen Offenbarungsphase und hat sich auf die zu Lebzeiten des Propheten relevanten Problembereiche bezogen, wie das Familien- und Erbrecht[11] oder das persönliche Verhalten der Muslime. Dazu gehören z. B. die Bestimmungen des Korans zu Straftaten wie Unzucht, Verleumdung, Weintrinken, Diebstahl oder Straßenraub[12]. Erst in Medina trat Muhammad als ein selbstbewusster Theokrat auf, dessen Hauptaufgabe zu sein schien, die praxisbezogenen sozialen Ordnungsmuster zu schaffen, die sich in der Gesetzgebung des Korans wiedergefunden haben.
Da der Anteil der ahkäm-Verse im Vergleich zu dem ganzen Text deutlich in der Unterzahl liegt, kann der Koran nicht als ein Gesetzbuch verstanden werden. Vielmehr ist es ein paränetischer Text in mahnend-belehrender Absicht mit Bezug auf das Auslösen von Debatten (NEUWIRTH 2010: 43), die eine deutliche Tendenz zu Norm- und Werteorientierung haben. Insbesondere sind die frühen mekkanischen Suren von dem eschatologischen Vorgang, dem Gotteslob und seiner Schöpfung geprägt, das ״besondere Amt der Warnung vor dem Jüngsten Gericht auf erlegt, so dass gerade bedrohliche Aussicht auf den ,Providenzentzug die apokalyptische Auflösung des Kosmos und die jenseitige Rechenschaft, ins Zentrum tritt“ (NEUWIRTH 2010: 349). Demzufolge hatte Muhammad, im Unterschied zu der medinischen Zeit, in der früheren mekkanischen Periode ganz andere Aufgaben vor sich: in Mekka trat er in der Rolle eines Mahners (mudakkir), dann als Freudensbote (mubassır) und Warnender (nadir) und schließlich als Gesandter (rasili) auf. Diese Begriffe deuten allesamt auf einen asketischen und nicht einen gesetzgebenden Muhammad hin. Damit konstituierte sich in der früheren Gemeinschaft seine fortdauernde Hauptaufgabe, als Gesandter Gottes die frohe Botschaft (bušra) an die Menschheit zu überbringen und sie zu warnen, was sich im Akt der Gottesanbetung und Gottesergebung wiederflnden sollte. An dieser Stelle kann gedeutet werden, dass durch einen dynamischen, innerkoranisehen Diskursverlauf, der sich im Prozess der allmählichen Annäherung des Texts und der Hörererwartungen (NEUWIRTH 2010: 112), niederschlug, sich das prophetische Sendungsbewusstsein wandelte, indem die beiden Dimensionen, nämlich die theologische Ethik und die sozialen Normenbestimmungen bzw. das Rechts von Muhammad selbst - vorausgesetzt sei die muchamedanische Authentizität des Korans - sich sukzessive eine nach der anderen entwickelte und zusammenverknüpft wurden.
Sinai weist daraufhin, dass zumindest im ersten Jahrhundert A. H. die Liturgie als ״die vorrangige Funktion des Korantextes“ (Sinai 2007: 39) und nicht sein semantisches Feld in den Vordergrund trat. Daher hatte man in der früheren Entwicklungsphase des Rechts weniger Gebrauch vom Koran als einer Gesetzquelle gemacht als in seiner späteren klassischen Gestalt. Zu Beginn trat er eher in der Rolle des Stichwortgebers auf und er benötigte einen extensiven Gebrauch von ra y und der Prophetentradition. Er war ״eine Art textuelles Rohmaterial, eine reformulierungs- und ergänzungsbedürftige Vorlage, die dann kasuistisch weitergesponnen wurde“ (Sinai 2007: 48).
Obwohl sich zu der Umayyadenzeit die rechtliche Praxis eher auf das Gewohnheitsrecht stützte, gebrauchten frühere fromme Rechtsspezialisten die Koranpassagen zum Heranziehen der rechtlichen Urteile[13]. Die frühesten Belege, wann der Koran in eine theologisch-rechtliche Diskussion einbezogen wurde, sind in einem Sendschreiben aus dem Jahre 699 n. Chr. bei Hasan al-Başn (gest. 110/728) zu finden, in dem der Autor, sich auf etwa 100 Koranzitate stützend, die qadaritische Lehre von Prädestination in Einklang mit dem Koran zu bringen versuchte (Sinai 2007: 45). Das Zitieren von Koranpassagen in verschiedensten rechtsbezogenen Texten war nicht wegzudenken, die als einschlägig angesehen wurden und zur Aufgabe hatten, den schariatischen Rechtsdiskurs zu reterritorialisieren und damit die juridische Logik zu verstärken. Selbst die juridischen Urkunden šnrūt, die eher einen weltlich-sekulären Charakter hatten, waren dadurch an ethisch-religiöse Logik gebunden (LOHLKER 2012: 27).
2.3.1.2 Koranische Selbstrepräsentation als die göttliche Wegweisung
Um auf die ethische Perspektive aufmerksam zu machen, ist hier auf eine besondere innerkoranische Form des Diskurses hinzuweisen, die auf einen selbstreferentiellen Charakter des Offenbarungsbuches hindeutet. Der Koran, wie kein anderes heiliges Buch, präsentiert sich durchwegs mittels einer Vielfalt von Begriffen, die allesamt in verschiedensten Weisen seinen Gesamtcharakter vervollständigen, die nicht nur seine transzendente Herkunft bestätigen, sondern vor allem als eine göttliche Rechtsleitung (hlídá) hervortreten. Durch seine beiden wohl zentralen Begriffe kitäb und qur an wird zuerst die Bedeutung des Korans als göttliche Herabsendung in den einleitenden Versen nach den sureneröffnenden Buchstabengruppen hervorgehoben. Nach einer Reihe von verschiedenen Siglen folgen stets die Einleitungsverse mit dem Hinweis auf die Schrift als das offenbarte Gotteswort, wie es an mehreren Stellen heißt, so z. B. in der Sure 2:1 dālika 1- kitābu oder in der Sure 27:1 tílka áyátu l-qur ani wa-kitãbin nmbīnin.[14] In den Suren 40, 45 und 46 sprechen derselbe Einleitungsvers tanzilu l-kitābi min āllāh al- 'aziz und ein ähnlicher Vers der Sure 41 tanzīlun min al-rahman ar-rahīm die göttliche Herkunft direkt an.[15] Das Wort iqra[16], das als das allererste offenbarte Wort Gottes gilt, weist bereits auf eine rituell-rezitatorische Form des Koran hin, die sich im Laufe der Zeit zu einer recht komplizierten und ästhetischen Form der Liturgie entwickelt hat. Kitäb als die transzendente Größe im Himmel wird mit dem qnr an gleichgestellt, wie in der Sure 27:1 tilka yätu l-qnr äni wa-kitäbin mublnin zu sehen ist, wobei durch das Wort qnr an das himmlische Buch in seiner mündlichen Rezitation wiedergegeben wird, was sich zweifelsfrei in einer aktiven Realität durch die Liturgie, im Akt der Anbetung ( ibāda) und Gottesergebung (İslâm), also in einer fortdauernden göttlichen Rechtsleitung gefunden hat.
Der Begriff hndä (Rechtleitung), der im Koran insgesamt 33 Mal vorkommt, charakterisiert gewiss am besten die ethische Dimension des Korans als die eines Wegweisers bzw. Ziels, wobei dem Menschen mit allen seinen Konsequenzen die volle Verantwortung übertragen wird, den richtigen Weg selbst zu erkennen und nach der göttlichen Weisung (ma iza) zu handeln, wie es z. B. in der Sure 45:11 belegt ist: ״Dies (d. h. die koranische Offenbarung) ist eine Rechtleitung (huda). Diejenigen aber, die nicht glauben, haben ein schmerzhaftes Strafgericht zu erwarten.“ Meistens folgt dieses Wort direkt nach der namentlichen Nennung der Offenbarung (kitäb, qnr an, kitäb mutašābihan matßniya) oder nach dem am Anfang des Satzes gestellten Demonstrativpronomen hādā, was in der islamischen Exegese auch als die Offenbarung gedeutet wird (PARET 2005: 81). Damit wird die Beziehung klargestellt, die die eindeutige Gleichsetzung des Offenbarungsbuches mit der göttlichen Rechtleitung bzw. Wegweisung bestimmt. An einer Stelle wird es sogar durch eine Genitivverbindung Sure 39:23 hudā llähi direkt auf die göttliche Herkunft zurückgeführt. Oft kommt das Wort hudā in der Verbindung mit Gottes Barmherzigkeit (al-rahma)[17] vor. Diese häufige Zusammensetzung der beiden Begriffe hudā und rahma lässt auf eine andere Weise verstehen, dass es sich um das Gleiche handelt und eines das andere nicht ausschließen darf. Die andere Stelle, Sure 2: 1-5, verweist auf das Wort hudā, die für die Gottesfürchtigen obligatorischen Pflichten, wie Glaube, Gebet und Spende. Bemerkenswert ist, dass an etwa ein Viertel aller Stellen, an denen das Wort hudä vorkommt, direkt die Offenbarung selbst gemeint ist, wie Z.B. in der Sure 9:33: ״Er ist es, der seinen Gesandten mit der Rechtleitung (al-huda) und der wahre Religion geschickt hat“. Dieser Vers kommt allerdings unmittelbar nach den Versen, in denen eine Kampfansage an die Christen und die Juden in aller Schärfe formuliert wurde. Die Offenbarung (hier als al-huda) tritt als das Gegengewicht zu den beiden abrahamischen Religionen[18] auf, obwohl an einer anderen Stelle die beiden Schriften, die Thora und das Evangelium, auch als göttliche Rechtleitungen gelten[19]. Zusammenfassend läßt sich feststellen, dass der Begriff hudä eng an die anderen sich beschreibenden innerkoranisehen Begriffe gebunden ist und wohl eine der zentralen Aufgaben der Offenbarung, die ethisch-rechtliche Wegweisung, impliziert. Damit soll nicht nur auf der Ebene des theoretischen Konzepts geblieben, sondern weiteres aktives Handeln eingeschlossen werden, wie das Beispiel der Hinweisung auf die obligatorischen Pflichten zeigt. Diese Wegweisung ist als Gottes Barmherzigkeit und Erleichterung[20] zu verstehen, durch die die Gläubigen zum Guten und zur Heilung geführt werden. Es geht hier um das höchst definierte Ziel der islamischen Ethik. Der Mensch allerdings soll Gott dafür rühmen und ihm durch seine Hingabe dankbar sein.[21]
Die weiteren innenkoranisehen Kategorien wie hukm (Spruch, Urteil), adän (Erlaubnis), indar (Warnung), búsra (gute Nachricht), dikr (Erinnerung, Gedenken), ma iza (Weisung, Mahnung), bayyina (klare Botschaft) oder haqq/sidq (Wahrheit), um nur einige zu nehnen, haben einen ebenso selbsrepräsentativen Charakter und fungieren allersamt als ein Topos der göttlichen Rechtleitung, des göttlichen Wissens und des autoritativen Entschlusses. Durch diese sich selbstbeschreibenden Attribute wird am besten die ethisch-normative Dimension des Textes verdeutlicht, die durch ihre Symbolik bis heute in der zeitgenössischen ״koranischen Philosophie“ das Leitideal für das sozialpolitische Leben der Muslime darstellt (REZVAN 2001: 317). Zu beachten ist jedoch, dass für diese Begriffe die übersetzten semantischen Bedeutungen erst im Laufe der Entwicklung koranischer Exegese entstanden sind und, um einen dargelegten Sinn entschlüsseln zu können, oft der Entstehungshintergrund der offenbarten Verse benötigt wird.
[...]
[1] So ist in einem Schreiben vom Jahr 1853 des Dr. Sprenger an Prof. Rödiger. ״Aus einem Schreiben des Dr. Sprenger an Prof. Rödiger“, Zeitschrift der Deutschen Morgenländlichen Gesellschaft, Bd. 7, 1853, s. 598.
[2] Die erste Übersetzung seines tafsīr-Werkes erfolgte ins osmanisch-türkische durch Ibn Arabshah (gest. 854/1450)
[3] Mangera, Abdur-Rachman (2013): A criticai edition of Abū ’1- Layth ai-SamarqandVs Nawãzit. Diss. SOAS, University of London.
[4] Schließlich wird das Werk auf seine methodologischen Grundlagen untersucht. Zudem werden einige ausgewählte Kapitel aus den Themenblöcken übersetzt, analysiert und interpretiert. Hauptziel ist es demnach, herauszufinden, welche Aussagen und Erkenntnisse über dogmatische und ethische Fragen gewonnen werden können. Durch welche gemeinsame Tendenzen bzw. Symbole oder auch Besonderheiten sind die von dem Autor
[5] Paret, Rudi: Der Koran, 7. Aufl., Stuttgart 1996.
[6] Einen einleuchtenden Einblick über die verfassten Werken der muslimischen Autoren zu dieser Thematik bietet das dreisprachige (englisch, türkisch und arabisch) Band Interpretations of Law and Ethics in Muslim Context. Elerausgegeben von Band Aptin Khanbaghi, Edinburg, 2013.
[7] Sure 68:4 ״Und du bist eine gewichtige Persönlichkeit (oder: vertrittst ein hohes Ethos; w. Bist du von gewaltigen Art). Sure 26:137 ״Das (was wir praktizieren) ist nichts als die Art der früheren (Generationen).“ Zit. nach R. Paret, Der Koran.
[8] Sure 26:137 ״Das (was wir praktizieren) ist nichts als die Art der früheren (Generationen)“, zit. nach R. Paret, Der Koran.
[9] An der Stelle wird auf die Sure 45:18 hingewiesen: ״Hierauf (d.h. nach dem Zeitalter der Kinder Israels) haben wir dich in der Angelegenheit (?) auf einen (eigenen) Ritus festgelegt. Folge nun ihm, und nicht den (persönlichen) Neigungen derer, die nicht Bescheid wissen.“ Zit. nach R. Paret, Der Koran.
[10] Vgl. eine Studie zur Kanonisierung des Korantextes auf die Initiative des Umayyaden-Kalifen Abd al-Malik ibn Marwan (65-86). HAMDAN, Omar (1995): Die Koranauslegung des Hasan al-Başrî (110/728): ein Beitrag zur Geschichte des Korantextes, Diss. Univ. Tübingen: Harrassowitz.
[11] Das Familienrecht (ai-ahkaäm ai-usra) ist mit etwa 70 Koranversen am ausführlichten dargestellter Bereich. Krawietz, Hierarchie der Rechtsqaeiien im tradierten sunnitischen IsIam, S.113.
[12] Diese Straftaten werden allgemein als Hadd-Strafen bezeichnet. Dazu ist ein Beispiel zu Bestrafung von Diebstahl aus der Sure "Der Tisch" : "38 wenn ein Mann oder eine Frau einen Diebstahl begangen hat, dann haut ihnen die Hand ab! (Das geschehe ihnen) zum Lohn für das, was sie begangen haben (...). 39 Wenn aber einer, nachdem er gefrevelt hat, umkehrt und sich bessert, wendet Gott sich ihm (gnädig) wieder zu." (5:38-39)
[13] Unter anderen Sa'īd b. al-Musayyab (gest.713) und 'Atā’ b abī Rabāh (gest. 732). Sinai, Fortschreibung und Auslegung. Studien zurfiiiheren Kotaninterpretationen, s. 47.
[14] Ähnliche Einleitungsformeln sind in den anderen Suren des Korans zu finden, die jedoch keine Sigle am Anfang haben. Das sind die folgenden Suren 18, 24, 25, 39, 52, 55 und 97. Zum Beispiel lautet der erste Vers von Sure 18: ״Lob, sei Gott, der die Schrift auf seinen Diener (d.h. Muhammad) herabgesandt und daran nichts gemacht hat...“, und von der Sure 39: ״ (Als Offenbarung) herabgesandt ist die Schrift (und kommt) von Gott, dem Mächtigen und Weisen“. Daher wurde vermutet, dass diese Suren auch einmal die Siglen erhalten haben sollen. So wäre in der Sure 18 ein KH gewesen, ״das sich heute zu Anfang der folgenden Sure in dem Zeichnen KHY'S wiederfindet“ und die Sure 39 sollte ursprünglich zu den HM -Suren gehören.
[15] In Bezug auf die Deutung der Siglen stellt w. Schmucker die These auf, sie seien die Vorgefundene ״Restelemente“ der Offenbarung, die bei der Koranniederschrift von den Redaktoren, von der Angst etwas zu verlieren, was vom Gott eventuell offenbart wurde, in das Kodix übernahmen. Das arabische Wort āva, das im Hebräischen und Syrischaramäischen unterstreicht die Bedeutung von ״Buchstabe“, ״Wunder“. Der Ausdruck titka āvā tu l-kitāb und ihm ähnliche kommen nur am Anfang von ״chiffrierten“ Suren und nie im Korantext vor. Andererseits erwecken gerade solche ״formalistisch-monotonen“ Einleitungen den Eindruck, dass sie bewusst ״im Sinne eines auch formalen Einstieges in den Hauptkörper der Sure konzipiert und konstruiert wurden“. Vgl. w. Schmucker, Coranika Sigten ,Surenanfänge und anderes, s. 91-127.
[16] Sure 96:1 gilt als zuerst geoffenbartes Gotteswort.
[17] Zum Beispiel die Suren 27:77, 12:13, 16:64, 45:20 usw.
[18] Anlass für so einen scharfen Ton sollen die Auseinandersetzungen mit den christlichen Stämmen und byzantischen Truppen sein. Paret, Mohammed und der Koran, s. 142.
[19] Der Koran, Sure 5:46.
[20], Sure 2:185.
[21] Der Koran Sure 2:185.
- Citation du texte
- Maritana Larbi (Auteur), 2017, Religiöse Ethik und islamisches Recht. Eine Interpretation des Werkes "tanbīhu al-ġāfilīn" von Samarqandī, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/425063
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