Heinrich von Kleists Novelle Michael Kohlhaas thematisiert den Rachefeldzug, den der gleichnamige Protagonist – eigentlich ein wohlhabender Rosshändler – als Reaktion auf eine erfolgte und für Außenstehende vermeintlich geringfügige, für ihn selbst jedoch signifikante, Kränkung unternimmt. Seine Wut richtet sich dabei zunächst gegen den Junker von Tronka, der zwei seiner Rappen für die eigne Feldarbeit einsetzen ließ, wobei die einst prachtvollen Tiere mit der Zeit abmagerten; später überträgt sie sich aber mit dem sächsischen Kurfürsten auf einen der Landesherren Kohlhaas‘. Dass dieser nicht nur im großen Stile Unruhe stiftet und brandschatzt, sondern sogar - motiviert durch den herabgewirtschafteten Zustand zweier seiner Pferde, deren Verlust der finanziell gut situierte Kaufmann eigentlich problemlos verschmerzen könnte – mordet, akzentuiert nochmals die Tatsache, dass Kohlhaas‘ Reaktion in keinem Verhältnis zu dem Unrecht steht, das ihm widerfahren ist. Verständlicher wird sein Verhalten dagegen, wenn man sich der Novelle aus psychoanalytischer Sicht nähert, genauer gesagt dann, wenn man den Narzissmus und die narzisstische Wut in Kleists Novelle Michael Kohlhaas untersucht. Aus diesem Grunde wird just dieses Thema Gegenstand dieser Arbeit sein. Hierfür wird nach dieser Einleitung als ersten Punkt mit der psychologisch-psychoanalytischen Klärung des Narzissmus-Begriffs, dem zweiten Überpunkt, eine Grundlage geschaffen, die die Ausgangsbasis für alles Folgende darstellen wird. In einem dritten Schritt geht es dann konkret um den Narzissmus des Michael Kohlhaas, wobei Kohlhaas‘ narzisstische (Prä-)Disposition (3.1) behandelt wird sowie untersucht wird, ob und inwiefern Kohlhaas als (krankhafter) Narzisst anzusehen ist (3.2). Im vierten Gliederungspunkt erfolgt schließlich eine Hinwendung zur Entstehung und Entwicklung der narzisstischen Wut bei Michael Kohlhaas. Diese umfasst zunächst die Traumata und Kränkungen (4.1), welche beim Protagonisten auftreten, zudem wird aber ebenfalls der Ausbruch der narzisstischen Wut und deren Verlauf (4.2) analysiert. Im Anschluss hierauf erfolgt die Beobachtung eines bestimmten Subtyps der narzisstischen Wut beim Protagonisten, nämlich die chronische narzisstische Wut (4.3), bevor mit der Befriedigung Kohlhaas‘ narzisstischer Wut, namentlich der Kapselepisode, auch das Ende der Novelle thematisiert wird.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Psychologisch-psychoanalytische Klärung des Narzissmus-Begriffs
- Der Narzissmus des Michael Kohlhaas
- Kohlhaas narzisstische (Prä-)Disposition
- Kohlhaas als (krankhafter) Narzisst
- Entstehung und Entwicklung der narzisstischen Wut bei Michael Kohlhaas
- Traumata und Kränkungen
- Der Ausbruch der narzisstischen Wut und deren Verlauf
- Chronische narzisstische Wut
- Die Befriedigung Kohlhaas' narzisstischer Wut: Die Kapselepisode
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht den Narzissmus und die narzisstische Wut in Heinrich von Kleists Novelle Michael Kohlhaas (1810). Ziel ist es, Kohlhaas' Verhalten aus psychoanalytischer Perspektive zu beleuchten und zu erklären, warum seine Reaktion auf die ihm widerfahrene Kränkung so extrem und unverhältnismäßig ausfällt.
- Psychoanalytische Analyse des Narzissmus-Begriffs
- Narzisstische Disposition und mögliche pathologische Narzissmus-Erscheinungen bei Michael Kohlhaas
- Entstehung und Entwicklung der narzisstischen Wut bei Kohlhaas, einschließlich der Traumata und Kränkungen, die seinen Wutausbruch auslösen
- Analyse der verschiedenen Formen der narzisstischen Wut, insbesondere der chronischen narzisstischen Wut
- Die Befriedigung von Kohlhaas' narzisstischer Wut in der Kapselepisode
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Kontext der Novelle und die Problemstellung vor. Sie beschreibt, wie Kohlhaas' Rachefeldzug im Verhältnis zu den erlittenen Kränkungen steht und warum eine psychoanalytische Perspektive hilfreich ist, um sein Verhalten zu verstehen.
Kapitel 2 beleuchtet den Narzissmus-Begriff aus psychologisch-psychoanalytischer Sicht. Es werden verschiedene Ausprägungen des Narzissmus sowie dessen Bedeutung für das Selbstwertgefühl und die Entwicklung der Objektliebe erläutert.
Kapitel 3 widmet sich dem Narzissmus des Michael Kohlhaas. Es analysiert seine narzisstische Disposition und die Frage, ob Kohlhaas als (krankhafter) Narzisst angesehen werden kann.
Kapitel 4 untersucht die Entstehung und Entwicklung der narzisstischen Wut bei Kohlhaas. Es analysiert die Traumata und Kränkungen, die seinen Wutausbruch verursachen, sowie den Verlauf seiner narzisstischen Wut, einschließlich der chronischen narzisstischen Wut.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die zentralen Themen Narzissmus, narzisstische Wut, Psychoanalyse, Heinrich von Kleist, Michael Kohlhaas, Novelle, Kränkung, Rachefeldzug, Traumata, Selbstwertgefühl, Objektliebe, pathologische Narzissmus-Erscheinungen, chronische narzisstische Wut, Befriedigung der narzisstischen Wut.
- Citar trabajo
- B.A. Sarah Neubauer (Autor), 2017, Narzissmus und narzisstische Wut in Kleists Novelle "Michael Kohlhaas", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/424280