Bei der Eröffnungsfeier der Cebit 2014 beschrieb Martin Winterkorn, damaliger Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, die Auswirkungen der Digital Transformation in der Automobilindustrie wie folgt: "Die Informationstechnologie ist längst fester Bestandteil der Automobilindustrie. Unsere Autos sind heute schon rollende Rechenzentren […]. Jetzt geht es um die große Aufgabe, gemeinsam mit der IT-Branche die Mobilität noch intelligenter und noch vernetzter zu gestalten."
Diese Arbeit pointiert die noch immer aktuellen, digitalen Herausforderungen, vor denen die Automobilindustrie steht.
Inhaltsverzeichnis
Executive Summary
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Vorgehensweise
2 Grundlagen der Digital Transformation
2.1 Begriffserklärung Digital Transformation
2.2 Auslöser von Veränderungen im Bereich der Mobilität
2.3 Organisation
2.3.1 Arbeits- und Projektorganisation
2.3.2 Digital Innovation Management
2.4 Digitale Technik
2.4.1 Datenanalyse
2.4.2 Künstliche Intelligenz
3 Validierung des Entwicklungsstandes
3.1 Methodik
3.2 Digitale Produktinnovationen
3.2.1 Vehicle-2-X
3.2.2 Autonomes Fahren
3.3 Digital Transformation der Geschäftsmodelle
3.3.1 Digitale Plattformen
3.3.2 Digitale Dienstleistungen
3.4 Organisation
3.5 Innovationsprozess
3.5.1 Digital Labs
3.5.2 Rapid-Methoden
3.5.3 Open Innovation
4 Fazit
4.1 Zusammenfassung
4.2 Ausblick
Anhang
Anhangsverzeichnis
Quellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Treiber der Digital Transformation
Abbildung 2: Hürden der Digitalisierung
Abbildung 3: Closed Innovation
Abbildung 4: Open Innovation
Abbildung 5: Evolution entscheidungsunterstützender Systeme
Abbildung 6: Fragestellungen im Kontext von Datenanalyse
Abbildung 7: Latenzzeiten vom Ereignis bis zur Maßnahme
Abbildung 8: Digitale Reife verschiedener Industrien in Deutschland
Abbildung 9: Digital Maturity Model
Abbildung 10: Übersicht Methodik
Abbildung 11: Fahrerdisplay zeigt Sichtfeld des vorrausfahrenden Autos
Abbildung 12: V2V- / V2I-Verbndungen in C-V2X
Abbildung 13: Zusammenspiel von Sensorik und Vernetzung
Abbildung 14: Umfelderfassung für das hochautomatisierte Fahren
Abbildung 15: Mobilitäts-Partner der moovel-App 2015 vs
Abbildung 16: Gett Deal / Kein Surge-Pricing / Optionales Trinkgeld
Abbildung 17: Die größten Hürden bei der Digitalisierung
Abbildung 18: Agile Methoden in der Produktentwicklung
Abbildung 19: Der Design-Thinking-Prozess
Abbildung 20: Olli von Local Motors im DB-Design
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Executive Summary
Die vorliegende Master Thesis befasst sich mit dem Entwicklungsstand der Digital Transformation und den damit einhergehenden, aktuellen Entwicklungen. Ziel der Untersuchung ist es zunächst, festzustellen, inwiefern Altlasten und starre Organisationsstrukturen der Digital Transformation im Wege stehen. Zu diesem Zweck werden agile Formen der Arbeits- und Projektorganisation eingeführt und anhand von Fallbeispielen untersucht. Dabei wurden die Potentiale identifiziert, die agiles Vorgehen in Entwicklung und Linienorganisation haben kann und inwiefern Automobilhersteller diese Potentiale aktuell bereits nutzen. Die Arbeit kommt zu dem Ergebnis, dass agile Methoden einerseits in der Entwicklung von Fahrzeugen und besonders in der von digitalen Dienstleistungen der Automobilhersteller Anwendung finden. Viele branchenübergreifende Treiber setzten eine Erweiterung des traditionellen Geschäftsmodells der Automobilhersteller voraus. Daher wird ferner analysiert, ob die aktuellen Entwicklungen der Hersteller diese Treiber und Megatrends reflektieren. Es wird festgestellt, dass Hersteller bis vor wenigen Jahren hauptsächlich auf Trends reagierten, anstatt diese mithilfe ihrer Marktmacht und potentiellen Innovationsstärke aktiv zu gestalten. Da Megatrends wie Urbanisierung und Neo-Ökologie neue Mobilitätskonzepte verlangen, erfordert dies die Erweiterung des traditionellen Geschäftsmodells der Hersteller um digitale Mobilitätsdienstleistungen. Mithilfe agil Organisierter Unternehmensbereiche treiben die Hersteller die Erweiterung des Geschäftsmodells voran und erproben zahlreiche, neue und digitale Geschäftsmodelle. Allerdings konkurrieren sie diesbezüglich mit branchenfremden Akteuren, vornehmlich aus der IT-Branche, welche für die Entwicklung und Vermarktung digitale Dienstleistungen nicht nur mehr Erfahrung, sondern auch einen bestehenden Kundenstamm vorweisen können. Firmen wie Google und Apple greifen die Automobilhersteller mit der Entwicklung eigener, vernetzter Autos sogar in ihrem Kerngeschäft an. Die Arbeit kommt diesbezüglich zu dem Schluss, dass diese neue Konkurrenzsituation noch keine transformierenden Auswirkungen weder auf die Automobilindustrie noch auf die IT-Branche hatte. Weder sind IT-Akteure bisher im Stande gewesen, ein verkehrssicheres Fahrzeug in Serie zu bringen, noch konnten Automobilhersteller etablierten Mobilitätsdienstleistern wie Uber nennenswerte Marktanteile abnehmen. Somit wird die Digital Transformation der Automobilindustrie durch eine Verzahnung von IT- und Automobilakteuren beherrscht. Dies manifestiert sich in Entwicklungspartnerschaften, Plattformen und weiterer Joint Ventures.
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Bei der Eröffnungsfeier der Cebit 2014 beschrieb Martin Winterkorn, damaliger Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, die Auswirkungen der Digital Transformation in der Automobilindustrie wie folgt:
„Die Informationstechnologie ist längst fester Bestandteil der Automobilindustrie. Unsere Autos sind heute schon rollende Rechenzentren […]. Jetzt geht es um die große Aufgabe, gemeinsam mit der IT-Branche die Mobilität noch intelligenter und noch vernetzter zu gestalten.“ [1]
Winterkorns Aussage pointiert die noch immer aktuellen Herausforderungen, vor denen die Automobilindustrie steht. In technischen Fahrzeuginnovationen sind besonders die deutschen Automobilhersteller führend, wie eine aktuelle Studie des Center of Automotive Management (CAM) zeigte[2]. Während die Automobilhersteller im Bereich der Fahrzeugtechnik eine hohe Innovationsdynamik aufrechterhalten, bleiben deren Neuerungen im Umfeld digitaler Geschäftsmodelle und Mobilitätsdienstleistungen jedoch noch auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Dabei stehen nicht mehr die Fahrzeuge als solche im Mittelpunkt des Kundeninteresses, sondern der durch sie ermöglichte Nutzen der Mobilität.
Dennoch ist das Auto als Technologie- und Innovationsträger ein entscheidender Enabler der Digital Transformation, sodass die etablierten Automobilhersteller nach wie vor eine Schüsselposition bei der Gestaltung der Mobilität der Zukunft innehaben. Im Hinblick auf die Digital Transformation verschieben sich jedoch die Gewichte, wodurch das traditionelle Geschäftsmodell der Automobilindustrie herausgefordert wird. In dieser Situation genügt es nicht mehr, nur die eigenen IT-Systeme weiterzuentwickeln, sondern es muss das Geschäftsmodell vom reinen Automobilhersteller zum Mobilitätsdienstleister zu erweitern. Durch das Anbieten digitaler Services konkurriert die Automobilindustrie mit etablierten Akteuren anderer Branchen. Die Entwicklung und nachhaltiger Betrieb dieser Dienstleistungen erfordert nicht nur entsprechendes Knowhow, sondern auch ein Anpassen der Organisationsstruktur und des Innovationsprozesses. Geschieht dies nicht, besteht die Gefahr, nicht mit den dynamischen Kundenanforderungen und damit verbundenen, kurzen Produktlebenszyklen der digitalen Welt Schritt halten zu können.
Aus dem zuvor Beschriebenen lässt sich folgende Problemstellung ableiten: Die Automobilindustrie muss auf die geänderten Rahmenbedingungen durch digitale Technologien und Geschäftsmodelle reagieren, ohne die etablierte Position als Schlüsselindustrie zu gefährden. Dies entspricht nicht nur den sich ändernden Kundenanforderungen. Diese ermöglichen es darüber hinaus auch Akteuren anderer Branchen, welche die digitalen Technologien bereits nutzen, mit neuen Services an die Kunden der Automobilindustrie heranzutreten.
1.2 Zielsetzung
Die Thesis verfolgt das Gesamtziel, die aktuellen Entwicklungen in der deutschen Automobilindustrie kritisch zu beleuchten und durch die Einordnung selbiger in einem branchenübergreifenden Kontext eine Validierung der Entwicklungen in Form einer praxisbezogenen Zukunftsfähigkeitsprüfung durchzuführen. Diese Validierung soll mithilfe einer transparenten und belastbaren Methodik erfolgen.
Zu diesem Zweck werden die folgenden, zielführenden Forschungsfragen formuliert:
1. Wird die Digital Transformation durch die hohe Marktmacht und starren Organisationsstrukturen der etablierten Hersteller ausgebremst?
2. Reflektieren die Entwicklungen der Automobilbranche aktuelle Megatrends wie Urbanisierung und Individualisierung?
3. Ist die Branche der Konkurrenz durch branchenfremde Akteure wie Uber, Apple und Google gewachsen?
Auf die Antworten auf diese Fragen wird in Kapitel 4 - Fazit ab Seite 86 eingegangen.
1.3 Vorgehensweise
Um die gestellten Forschungsfragen zu beantworten, werden zunächst in Kapitel 2 die Grundlagen, Treiber und Enabler der Digital Transformation in der Automobilindustrie vorgestellt. Letztere teilen sich in organisatorisch-strukturelle und technische Enabler. Fokus wird dabei auf die für aktuelle Entwicklungen relevanten Methoden und Technologien gelegt. In Kapitel 3 - Validierung des Entwicklungsstandes werden zu Beginn der aktuelle Forschungsstand beschrieben. Auf dieser Basis erfolgt eine Eingrenzung der Untersuchungsschwerpunkte auf aktuelle, im bisherigen Forschungsstand noch nicht umfassend behandelte Themengebiete der Digital Transformation in der Automobilindustrie. Entscheidend für die Validierung des Entwicklungsstandes ist die in Kapitel 3.1 eingeführte Methodik, mit der die zuvor motivierten Themengebiete untersucht werden. Die darauf folgende Analyse der aktuellen Entwicklungen fokussiert sich hauptsächlich auf Praxisbeispiele und Fallstudien aus der deutschen Automobilindustrie, sowie deren internationale und branchenübergreifende Kooperationen und Allianzen. Grund dafür ist einerseits die globale Innovations- und Technologieführerschaft der deutschen Industrie sowohl in Bezug auf Fahrzeugtechnik als auch auf digitale Dienstleistungen, wie die Studie Connected Car Innovation 2016 des CAM belegte[3]. Somit kann die deutsche Automobilindustrie als repräsentativ für den Entwicklungsstand der Digital Transformation in der globalen Automobilwirtschaft angenommen werden. Ferner würde eine detaillierte Analyse der gesamten Industrie den Rahmen dieser Arbeit übersteigen.
Mit Kapitel 4 schließt die Arbeit mit einem Fazit, der Beantwortung der Forschungsfragen, einer Zusammenfassung und einem Ausblick auf zukünftige Entwicklungen.
2 Grundlagen der Digital Transformation
Nachdem nun in Kapitel 1 eine allgemeine Einführung in das Thema gegeben und die Motivation, Problemstellung sowie Zielsetzung erläutert wurde, werden in Kapitel 2 die Grundlagen und Enabler der Digital Transformation näher betrachtet. Dazu wird zunächst eine Begriffseinordnung der Digital Transformation vorgenommen. Darauf folgen eine Einführung der Auslöser von Veränderungen im Bereich der Mobilität sowie eine Vorstellung von relevanten Technologien und organisatorischen Strukturen im Themenzusammenhang.
2.1 Begriffserklärung Digital Transformation
Die Digital Transformation ist eine aktuelle Entwicklung, bei der digitale Technologien verstärkt in Organisationen und Unternehmen Einzug halten. Ziel ist es, durch Effizienz- und Produktivitätssteigerung auf Basis von digital unterstützten oder automatisierten Wertschöpfungsprozessen Leistungsfähigkeit und wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit zu erhalten und so Wettbewerbsvorteile zu schaffen.[4]
Die Digital Transformation bezeichnet also einen fortlaufenden, in digitalen Technologien begründeten Veränderungsprozess, der die gesamte Wirtschaft und insbesondere Unternehmen betrifft. Basis der Digital Transformation sind digitale Technologien, die in einer immer schneller werdenden Folge entwickelt werden und somit den Weg für weitere, neue digitale Produkte, Dienstleistungen, Produktionsverfahren oder sogar Geschäftsmodelle ebnen. Als treibende Kraft dieser Digitalisierung werden in vielen Fällen die Veränderungen der Kundenwünsche genannt, welche nur mit digitalen Technologien noch bedient werden können.[5]
Die Digital Transformation wirkt durch folgende vier Hebel auf Wirtschaft und Gesellschaft:
1. Digitale Daten: Durch Erfassung, Verarbeitung und Auswertung digitalisierter Massendaten, zum Beispiel durch Sensoren an vernetzten Maschinen in der Industrie, lassen sich bessere Vorhersagen und Entscheidungen treffen sowie eine flexible, individualisierte und kundenorientierte Produktion aufbauen.
2. Automatisierung: Durch Kombination klassischer Technologien mit technischen Innovationen wie künstlicher Intelligenz oder Robotik entstehen zunehmend autonom arbeitende, sich selbst organisierende Systeme, welche die Fehlerquote senken, die Geschwindigkeit erhöhen und die Betriebskosten reduzieren.
3. Vernetzung: Durch die mobile oder leitungsgebundene Vernetzung einer Wertschöpfungskette etwa über breitbandige Telekommunikation werden Lieferketten synchronisiert, es verkürzen sich Produktionszeiten und Innovationszyklen. Die Implementierung von Fahrzeugnetzwerken ermöglicht neue Sicherheitsfunktionen und Komfortfeatures.
4. Digitaler Kundenzugang: Durch das (mobile) Internet erlangen neue Intermediäre direkten Zugang zum Kunden und bieten ihm vollständige Transparenz und völlig neuartige Services, welche den Kunden und seine individuellen Anforderungen deutlich stärker reflektieren und in die Wertschöpfung integrieren.[6]
Insgesamt wird zwischen Enablern und Akteuren unterschieden. Enabler bedeutet so viel wie „Ermöglicher”. Zum ersten sind dies digitale Technologien wie Cloud-Computing, Big Data oder Künstliche Intelligenz. An zweiter Stelle stehen digitale Infrastrukturen wie World Wide Web und zu Letzt digitale Technologien wie Robotik oder Wearables. Auf Basis dieser Enabler entstehen neue Propositionen bzw. Verwertungspotentiale in verschiedenen Bereichen. Sogenannte Akteure beginnen diese zu erkunden und in ersten Pilotprojekten auszuprobieren. Dies manifestiert sich beispielsweise in digitalen Geschäftsmodellen und digitalen Wertschöpfungsnetzwerken. Digitale Geschäftsmodelle beschreiben die Veränderung oder Erweiterung von Geschäftsmodellen, welche vorher analog abliefen hin zu einem digital unterstützten Modell. Ein Beispiel ist das Online-Ticket der deutschen Bahn.[7] Digitale Wertschöpfungsnetzwerke sind etwa virtuelle Teams auf Basis digitaler Kollaborationsanwendungen. Abbildung 1 fast Enabler und Treiber der Digital Transformation grafisch zusammen.
Die Digital Transformation trifft Unternehmer, Forscher und Mitarbeiter sowie Privatpersonen, die allesamt auf ihre Weise als Akteure der Transformation agieren. Grund dafür ist, dass die Digital Transformation in Produktion via Industrie 4.0, in Produkten und Dienstleitungen über Smart Devices und Smart Services und in Vermarktung durch E-Commerce und Integration des Kunden in Form kundenorientierter, digital unterstützter Produktindividualisierung und -werbung stattfindet. Diese neuen Möglichkeiten haben jedoch auch Schattenseiten. Mangelnder Datenschutz und Informationsüberflutung sind mögliche Folgen.[8]
Abbildung 1: Treiber der Digital Transformation
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Roland Berger (2015), S.20
Ein wichtiger Akteur sind Unternehmen. Hier wandelt sich die Arbeit in eine sogenannte digitale Arbeit und Geschäftsmodelle wandeln sich fundamental. Auch betroffen sind Wissenschaft und Lehre in Form neuer Möglichkeiten zur Archivierung, Publikation und Aufbereitung der Forschung sowie E-Learning. Auch bietet die Digitalisierung zahlreiche Herausforderungen für Regierungen. Hauptaufgabe wird die Lenkung dieser Transformation durch Gesetze und Richtlinien sein sowie die eigene Transformation der behördlichen Abläufe.[9]
2.2 Auslöser von Veränderungen im Bereich der Mobilität
Es gibt verschiedene Auslöser, welche die Nachfrage nach Mobilität verändern. Im Folgenden werden die wichtigsten Treiber der Digital Transformation in der Automobilindustrie eingeführt. Einer der entschiedensten Auslöser ist die weltweit zu beobachtende Urbanisierung. Aus dieser Urbanisierung resultiert unter anderem, dass die Anzahl an Megastädten weiterwächst und so neue Mobilitätskonzepte und -dienstleistungen gefragt sind.[10] Des Weiteren ist das Mobilitätsverhalten der Menschen entscheidend, sprich in welcher Frequenz und mit welcher Motivation Mobilität nachgefragt wird.[11] Letztendlich beeinflussen auch Trends wie Neo-Ökologie und Shareconomy das Mobilitätsverhalten der Zukunft. Gerade für Anbieter von Mobilität ist es essenziell, diese Auslöser zu kennen, um gezielt Geschäftsmodelle für die Bedürfnisse der potenziellen Kunden anbieten zu können.
Weltweit ziehen immer mehr Menschen in urbane Ballungsräume. Während im Jahr 1950 0,7 Mrd. Menschen in Städten lebten, waren es 2014 bereits 3,9 Mrd. und für das Jahr 2050 werden nach Schätzung der Vereinten Nationen 6,4 Mrd. Menschen in Städten leben. Das größte Wachstum wird für die Länder Indien, China und Nigeria erwartet. Aus der enormen Bevölkerungsentwicklung in den Städten resultiert eine Zunahme der Megastädte weltweit. Im Jahr 1990 gab es lediglich zehn Städte mit mehr als zehn Millionen Einwohnern. 2014 waren es bereits 28 Megastädte, davon 16 in Asien, vier in Lateinamerika, jeweils drei in Afrika und Europa sowie zwei in Nordamerika. Für das Jahr 2030 werden 41 Megastädte prognostiziert, wovon Tokio die weltweit größte Stadt mit 37 Millionen Einwohnern sein wird.[12] Für die Städte resultiert aus diesem Trend eine Reihe von Herausforderungen, denen es sich zu stellen gilt. Zu nennen sind hier Klimawandel, bezahlbarer Wohnraum, nachhaltige Mobilität und auch demografischer Wandel.
Eine zentrale Kenngröße zur Beschreibung von Mobilität ist der Anteil der Personen, die an einem Tag mindestens einmal das Haus verlassen und damit Verkehr verursachen. Der Hauptwegezweck, weshalb Personen das Haus verlassen, ist auf Freizeitaktivitäten (42,8%) und Berufsverkehr (22,1%) zurückzuführen. Bei Betrachtung des Modal Split für Deutschland ist das dominierende Verkehrsmittel nach wie vor der Pkw mit 75,9% an allen Wegen, gefolgt vom Schienenverkehr mit 7,4%. Der hohe Anteil des motorisierten Individualverkehrs ist seit mehr als zehn Jahren weitestgehend konstant.[13]
Ziel von Kommunalpolitik und Mobilitätsanbietern muss es demnach sein, die Lebensqualität in der Stadt zu steigern, indem weniger Ressourcen verbraucht, die Luftqualität verbessert und die Lärmbelastung verringert werden. Dies kann erreicht werden, indem die vorhandenen Ressourcen, Flächen und Infrastrukturen effizienter genutzt werden. In der Vergangenheit orientierten sich Stadtplaner daran, eine Stadt mit möglichst breiten Straßen für Fahrzeuge zu bauen, damit ein Verkehrsfluss mit wenig Stau realisiert werden konnte. Steigerte sich das Verkehrsaufkommen in dem Maße, dass ein reibungsloser Verkehr nicht mehr möglich war, wurden die Straßen ausgebaut. Mittlerweile wandelt sich die Herangehensweise vielerorts von einer Autostadt hin zu einer Städteplanung geprägt von Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein. Im Zuge dessen werden die Bedingungen für Fußgänger und Fahrradfahrer verbessert und somit eine Möglichkeit geboten, verschiedene Verkehrsmittel auf einem Weg miteinander zu kombinieren oder in der Wahl des Verkehrsmittels zu variieren. Diese Möglichkeit reduziert die in der Vergangenheit viel diskutierte Feinstaubbelastung in Städten, weshalb es mittlerweile in vielen deutschen Städten sogenannte Umweltzonen gibt. Sowohl Parkanlagen als auch die Begrünung von Häusern tragen ebenfalls zur Reduzierung der Feinstaubbelastung bei und fördern die Gesundheit der Stadtbewohner.[14]
Dies führt zum nächsten Auslöser von Veränderung im Bereich der Mobilität, der Neo-Ökologie. Der Ursprung der Neo-Ökologie entstammt aus der Umweltbewegung der 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Aktuell wird dieser Megatrend als gesellschaftliche Verantwortung wahrgenommen und stellt eine wichtige Ergänzung der klassischen Kapitalmarktorientierung dar, da dieser Trend die Grundkoordination des Wirtschaftssystems verschiebt. Wachstum wird aufgrund des verstärkten Umwelt- und Verantwortungsbewusstsein der Konsumenten aus dem Dreiklang Ökonomie, Ökologie und gesellschaftlichem Engagement generiert. Wesentliche Merkmale sind weiterhin ein soziales Verantwortungsbewusstsein und der ethische Konsum. Kunden sprechen laut einer internationalen Umfrage in den USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland sowie den Wachstumsmärkten China und Indien konventionellen Verbrennungsmotoren die Zukunftsfähigkeit ab. Hingegen haben Hybrid- und Elektromotoren länderübergreifend enorme Imagevorsprünge, vor allem in den aufstrebenden Ländern China und Indien. Dabei sind verschärfte Emissionsgrenzen und steigende Kraftstoffpreise nur äußere Faktoren. Das saubere Image dieser Fahrzeuge ist der Grund für deren Attraktivität bei Kunden.[15] [16]
Zuletzt ist der Trend der Individualisierung zu nennen. Individualisierung ersetzt Konformismus durch Multioptionalität. Der Konsument kann sein Leben aufgrund einer neuen Vielfalt an Möglichkeiten selbstbestimmter gestalten. Sowohl das Mobilitätsbedürfnis, als auch die Mobilitätsanforderungen werden durch Individualisierung beeinflusst. Individualisierung begünstigt Flexibilisierung, jedoch erfordert die zunehmende Flexibilität eine höhere räumliche Mobilität, was letztendlich nach einer multioptionalen Mobilität verlangt. Dies wird besonders in Kapitel 3.3 - Digital Transformation der Geschäftsmodelle reflektiert. Besonders deutlich wird der Trend Individualisierung bei der Produktgestaltung der Fahrzeuge. Die Konsumenten verlangen nach maßgeschneiderten Fahrzeugen, welche deren Lebensstil und Einstellung widerspiegeln. Somit ist besonders in den Produktpaletten der Premiumhersteller ein kontinuierlicher Anstieg an Sonderausstattungen und Ausstattungslinien zu beobachten.[17]
2.3 Organisation
Das folgende Kapitel führt in die organisatorische, strukturelle Dimension der Digital Transformation ein. Fokus liegt dabei vor allem auf den Einflüssen, die digitale Technologien sowie aus der IT-Branche stammende Prozesse, Methoden und Strukturen auf die Automobilindustrie und ihre Produkte haben und haben können.
„Digitalisierung ist kein rein technisches, sondern vor allem ein organisatorisches Thema.“ [18]
Abbildung 2 führt zu der Schlussfolgerung, dass die Digitalisierung Unternehmen zwar technisch, aber vor allem organisatorisch fordert. Das beginnt beim Management, welches der Digitalisierung zu wenig Aufmerksamkeit schenkt und deshalb nicht genügend unterstützt. Deutlich gravierender sind jedoch etablierte Abteilungsstrukturen und Geschäftsprozesse, die agiles Arbeiten durch mangelnde Flexibilität ausbremsen.
Es existieren auch innerhalb vieler IT-Abteilungen strukturelle Probleme, die mit althergebrachten Hierarchien und traditioneller Aufgabenverteilung den Anforderungen an mehr Tempo und Flexibilität nicht gerecht werden.[19]
Abbildung 2: Hürden der Digitalisierung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach Capgemini Studie IT-Trends (2017), S.14
2.3.1 Arbeits- und Projektorganisation
Üblicherweise werden IT-Vorhaben in Unternehmen nach allgemeinen Regeln, sogenannten Vorgehensmodellen, durchgeführt. Das Vorgehensmodell ist zunächst unabhängig vom eigentlichen Vorhaben und stellt sicher, dass die Aufgaben ohne Auslassung von Teilschritten ausgeführt und abgeschlossen werden.[20] Gleichwohl müssen diese Vorgehensmodelle angepasst werden.[21] Die Anpassung geschieht nach Inhalt und Größe der Vorhaben und wird als Tailoring bezeichnet.[22]
In der IT existieren mehrere, dokumentierte und standardisierte Modelle für IT-Vorhaben jeglicher Art. Im Folgenden wird zunächst die Grundidee hinter Vorgehensmodellen erläutert und anschließend ausgewählte Vorgehensmodelle klassifiziert.
Bezogen auf die Entwicklung von IT helfen Modelle, die Realität zu vereinfachen, die Komplexität zu reduzieren und den Blick auf wichtige Prozesse und Maßnahmen zu fokussieren.[23] Diese Vorgehensmodelle dienen zur Steuerung einer Softwareentwicklung von der Konzeption bis zum Einsatz im Echtbetrieb sowie der im Echtbetrieb anfallenden Änderungen und Wartung. Grundlegend unterscheiden sich die Vorgehensmodelle vor allem im Grad der Standardisierung.
Das Wasserfall-Modell ist eines der ältesten Modelle und stark standardisiert, da es eine starre, sequentielle Abfolge der Phasen Anforderungsdefinition, Softwareentwurf, Implementierung, Test und Wartung vorschreibt. Dieses Modell wurde mehrfach erweitert und verändert. So entstand beispielsweise das V-Modell, welches das Wasserfallmodell um umfangreiche, der Realisierung nachgelagerte Testphasen erweitert.
Positiv ist beim V-Modell besonders, dass die Validierung der Anforderungen vor der Verifizierung erfolgt[24]. In vielen Projekten wird erst durch die der Implementierung nachgelagerte Testphase geprüft, ob das Software-Produkt den Spezifikationen der Anforderungsdefinition entspricht. Oft gibt es aber Missverständnisse beim Abgleich der fachlichen Anforderungen mit der im Softwareentwurf beschriebenen, technischen Realisierung. Ähnlich wird in den folgenden Phasen jeweils mit Hinblick auf einen entsprechenden Test der Ergebnisse der jeweiligen Entwicklungsphase verfahren.[25]
Eine neuere Form ist die agile Softwareentwicklung, die Modelle bezeichnet, die weniger als Prozesse, sondern viel mehr als Philosophien zu verstehen sind. Sie strukturieren die zuvor beschriebenen Phasen teils deutlich weniger standardisiert oder sprechen überhaupt nicht mehr von Phasen, sondern wie im Falle von Scrum von Säulen [26]. Den meisten agilen Modellen liegt der Versuch zu Grunde, die der Implementierung vorgelagerten Phasen wie Anforderungsdefinition und Softwareentwurf auf ein Mindestmaß zu reduzieren und im Implementierungsprozess so früh wie möglich zu ausführbarer Software zu gelangen. Diese kann dann in regelmäßigen, kurzen Abständen dem Auftraggeber zur gemeinsamen Abstimmung vorgelegt werden. Auf diese Weise soll es jederzeit möglich sein, flexibel auf Änderungen der Anforderungen und Wünsche des Auftraggebers einzugehen, um so Zufriedenheit und Akzeptanz zu erhöhen. Sie stellen damit in gewisser Hinsicht einen Gegensatz zu den klassischen Vorgehensmodellen wie dem Wasserfall-Modell dar, welches in ursprünglicher Form ab Beginn der Implementierung nicht mehr auf Anforderungsänderungen eingeht.[27]
Die folgende Erläuterung der 2001 im Agilen Manifest definierten Werte der agilen Softwareentwicklung soll einführen, unter welchen Paradigmen auch in der automobilen Produktentwicklung teilweise vorgegangen wird, wie in Kapitel 3.4 weiter vertieft wird.
Die Grundwerte der agilen Softwareentwicklung wurden 2001 von amerikanischen Fachleuten im Agilen Manifest zusammengefasst, welches aus vier Prämissen besteht. Diese werden im Folgenden kurz vorgestellt.
1. Einzelpersonen und Interaktion sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge. Es ist denkbar, Projekte erfolgreich abzuschließen, ohne jegliche Prozesse oder Werkzeuge einzusetzen. Es ist jedoch unmöglich, ein Projekt ohne Einzelpersonen und deren Interaktion zu realisieren. Zudem macht auch der beste Prozess aus einem Team von Anfängern keine leistungsfähigen Entwickler, wohingegen erfahrene Teams oft von sich aus zur erfolgreichen Selbstorganisation fähig sind, wobei Prozesse und Werkzeuge unterstützend wirken können.[28]
2. Funktionierende Software ist wichtiger als umfangreiche Dokumentation. Ein Projekt kann durchaus ohne jegliche Dokumentation erfolgreich sein, wenn eine lauffähige, anforderungskonforme Software entstanden ist. Das bedeutet nicht, dass Entwickler vollständig auf Dokumentation verzichten sollen, sondern dass wo immer möglich jegliche unnötige Dokumentation vermieden und durch Kommunikation ersetzt werden soll.[29]
3. Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber ist wichtiger als Vertragsverhandlungen. Der Fokus von vertraglichen Verhandlungen liegt meist in einer Absicherung im Falle des Scheiterns des Projektes statt in der erfolgreichen Zusammenarbeit an einem gemeinsamen Ziel. Alle agilen Prozesse zeichnen sich daher durch eine enge Einbeziehung des Auftraggebers aus, der so die Möglichkeit hat, das Projekt und damit das Produkt zu beeinflussen.[30]
4. Die Fähigkeit, auf Änderungen zu reagieren, ist wichtiger als das Verfolgen eines Plans. Zu Beginn des Projektes ist das Wissen über das System am geringsten. Während des Projektes können immer unvorhersehbare Ereignisse eintreffen, die die ursprünglichen Schwerpunkte verschieben. Ein akribisch eingehaltener Plan kann vollständig und termingerecht erfüllt sein und doch am Ende nicht das hervorbringen, was der Kunde gewünscht hat. Agile Prozesse akzeptieren Änderungen als unvermeidlich und willkommen. Nur für den Zeitraum der aktuellen Implementierung gelten Anforderungen als verbindlich.[31] [32]
Innovation durch Schwarmintelligenz
Um zu ergründen, was kollektive Intelligenz, Schwarmintelligenz oder die Weisheit der Vielen explizit bedeuten, ist festzustellen, dass es nicht eine einzelne, richtige Definition gibt, sondern die Sichtweisen diesbezüglich sehr unterschiedlich sind. Dennoch besteht Einigkeit in einigen wichtigen Definitionsaspekten und den Bedingungen für die Entstehung der der Schwarmintelligenz.
Um von einer Definition innerhalb des Tierreiches Abstand zu halten, ist im Folgenden vom menschlichen Kollektiv die Rede. Bei der Weisheit der Vielen handelt es sich um ein Phänomen, das die individuelle Intelligenz und die Herausstellung von Kompetenzen anerkennt und somit zu einem gemeinsamen Denken führt. Die kollektive Intelligenz bezeichnet das Vorgehen, durch welches aus verteilten Informationen von Akteuren in einer Gruppe Wissen oder Entscheidungen gewonnen werden können[33]. Ausschlaggebend ist auch die Tatsache, dass das Mittel der Schätzungen einer Gruppe in einem bestimmten Zusammenhang dem entsprechenden faktischen Wert in der Regel sehr nahekommt. Allerdings gibt es bestimmte Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um von kollektiver Intelligenz sprechen zu können. Diversität und Meinungsvielfalt der Beteiligten, Unabhängigkeit der Auffassungen der Akteure, Dezentralisierung und Aggregation sind entscheidende Merkmale der Weisheit der Vielen. Dezentralisierung bezeichnet hierbei den Umstand, dass die Mitwirkenden jeweils sehr spezifisches Wissen einzubringen im Stande sind. Durch die Aggregation werden die verschiedenen Meinungen schließlich gebündelt. Maßgebend sind die Vielfältigkeit der verschiedenen Perspektiven und die dadurch erreichte Genauigkeit der Prognosen oder Entscheidungen gegenüber derer von Individuen.[34]
Unter der Annahme, dass Intelligenz im weitesten Sinne als Problemlösungskompetenz zu verstehen ist, ist davon auszugehen, dass die kollektive Intelligenz somit Problemlösungen generieren kann, die nur als Gruppe realisiert werden können, nicht jedoch von einzelnen Individuen. In diesem Fall handelt es sich folglich um die Fähigkeit, als Gruppe neuartige Ideen im Innovationsprozess zu entwickeln.
Auch der Begriff der Innovation bedarf einer kurzen Erläuterung. Hierbei handelt es sich in den Wirtschaftswissenschaften um eine Bezeichnung für die mit technischem, sozialem oder wirtschaftlichem Wandel einhergehenden Neuerungen. Die Innovation kann als Prozess gesehen werden, der aus mehreren Etappen besteht, unter anderem der Ideensuche und -bewertung. Eben diese Phasen sind die für die Umsetzung kollektiver Intelligenz in Unternehmen relevante. Sie ermöglichen eine Verbindung von Innovation und Schwarmintelligenz.[35]
2.3.2 Digital Innovation Management
Ein Blick auf die Entwicklung des Automobils über die letzten Dekaden zeigt, dass Fahrzeuginnovationen, wie vernetzte Infotainment-Systeme, Head-Up-Displays, bidirektionale Funkschlüssel, Hybridantriebe oder Fahrerassistenzsysteme ohne Software nicht denkbar wären. Die genaue Betrachtung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben von Herstellern wie Zulieferern zeigt, dass etwa 40% aller Investitionen in Innovationen fließen, die nie Serienreife erreichen oder die wegen ungenügender Akzeptanz bei Autokäufern nie in ausreichender Stückzahl produziert werden. Von den verbleibenden 60% werden 20% für die notwendige Serienentwicklung ausgegeben. Weitere 20% fließen in Innovationen, die lediglich gesetzliche Vorgaben erfüllen, die aber nicht das Produkt differenzieren. Es sind also nur 20% der Investitionen in Innovationen tatsächlich profitabel[36]. Im Kontext der Digital Transformation wird besonders softwarebasierte Innovation zum potentiellen Enabler von Wettbewerbsvorteilen und Alleinstellungsmerkmalen. Immer kürzere Produktlebenszyklen und die stetige Dynamik der Kundenanforderungen verlangen demnach nach neuem Digital Innovation Management. Ziel dabei ist nicht nur die Schaffung neuer Innovationen, sondern auch die Findung neuer Wege zur Steigerung der Produktivität von Forschung und Entwicklung (FE).[37]
Nach der kurzen Einführung in die Bedeutung von Innovation Management fährt das Kapitel mit einer Beschreibung unterschiedlicher Herangehensweisen an das Thema fort. Schwerpunkt bildet daraufhin die Schilderung von Open Innovation.
Digitale Innovation bezeichnet die Nutzung digitaler Technologien während des Innovationsprozesses und kann sich teilweise oder in Gänze auch auf das Innovationsprodukt beziehen. Im Fahrzeug ist allein zwischen den Jahren 2000 und 2010 der Wertschöpfungsanteil von Software von etwa 2% auf 13% gestiegen, wobei anzunehmen ist, dass sich dieser Trend auch in Zukunft fortsetzten wird. Bei Betrachtung der Trends, die die Automobilindustrie bewegen, verstärkt sich diese Annahme. Automatisiertes Fahren, Hybridisierung, Elektrifizierung und Vernetzung werden maßgeblich durch Software und digitale Innovationen vorangetrieben. So waren Elektronik und Software bereits vor zehn Jahren Basis für über 90% der Fahrzeuginnovationen. Bei der steigenden Bedeutung softwarebasierter Funktionen darf allerdings gerade die Automobilindustrie die grundlegenden Anforderungen nicht außer Acht lassen. Der Fahrer eines Fahrzeugs bewegt sich in einem sicherheitskritischen Umfeld. Er will zuverlässig von der Fahrzeugelektronik unterstützt werden und das über die gesamte Nutzungsdauer des Fahrzeugs hinweg. Die Toleranz für Softwarefehler im Fahrzeug ist deshalb nur äußerst gering. Es gehört damit zu den zentralen Herausforderungen der Automobilindustrie, Elektronik und Software zu beherrschbaren Kosten, innerhalb eines vorgegebenen Terminplans und mit höchster Qualität zu entwickeln.[38]
Besonders in der zunehmend vernetzten Welt können sich der Umfang, die Features oder Wert einer digitalen Innovation auch nach Implementierung oder Veröffentlichung noch weiterentwickeln. Daher bleiben viele dieser digitalen Entwürfe in gewisser Weise in einem ständigen Fluss, in dem sowohl Umfang als auch Ziel der Innovation durch Anwender oder Entwickler erweitert werden können.[39] Dies impliziert eine Dynamik und schwindende Vorhersehbarkeit in Bezug auf den Effekt, den organisatorische oder strukturelle Grenzen auf die Innovationsentwicklung haben, sei es ein Produkt, Plattform oder Dienst.
In Folge dessen entwickeln sich neue, weniger regulierte Innovationsprozesse. Besonders die Digitalisierung dieser Prozesse lässt die Grenzen zwischen den Phasen der Prozesse verschwimmen, um auf die zunehmende Dynamik bezüglich des Innovationsergebnisses zu reagieren. Beispielsweise erlauben digitale Technologien und Infrastrukturen wie 3D-Druck oder Coworking-Spaces das schnelle Erzeugen, Testen, Modifizieren und Optimieren von Produktideen durch iterative Zyklen des Experimentierens und Implementierens, wobei Anfang und Ende eines Prozesses oder einer Phase weiter in den Hintergrund rücken. Ferner erlaubt Cloud-Computing die rasche Skalierbarkeit in der Entwicklung, dem Test oder für die Veröffentlichung bzw. Auslieferung eines Produktes. Für lange Vorlaufzeiten zwischen den Phasen besteht somit schlicht keine Notwendigkeit mehr. In den so fließenden Prozessen kann durch kürzere Entwicklungszyklen und agiler Kundenorientierung den sich immer schneller wandelnden Kundenanforderungen Rechnung getragen werden.[40] [41]
Aktuell ist besonders bei digitalen Innovationen ein Umschwenken zu dieser Art von Prozessen zu beobachten, was besonders in technologieintensiven Branchen zutrifft und durch sie getrieben wird. Dieser Wandel wurde unter anderem als verteilte Innovation[42], Netzwerkbasierte Innovation[43] oder Open Innovation[44] beschrieben. Alle Begriffe bezeichnen einen Kontext, in dem eine dynamische und oft unerwartete Zusammenkunft von Akteuren mit unterschiedlichen Zielen und Motiven, welche in der Regel nicht vom primären Innovator beeinflusst werden können. Dieses Kollektiv stößt gemeinsam einen Innovationsprozess an und verfolgt diesen.[45] Die heterogene Konstellation von Akteuren formt den zuvor im Groben festgelegten Prozess und richtet ihn zwecks erfolgreicher Innovation den Anforderungen und Umfeld nach aus. Wichtigster Wesenszug dieser Kollektive ist die ihnen innewohnende Dynamik bezüglich ihrer Zusammensetzung, da Akteure wie Individuen oder Organisationen während des gesamten Prozesses bei- oder austreten können. Grund dafür können vom Kollektiv gänzlich abweichende Ziele und Motivationen des Akteurs oder das Aufkommen neuer Möglichkeiten in anderen Geschäftsfeldern sein. Durch die potentiell stetige Veränderung und Entwicklung der Innovation kann diese umgekehrt jedoch auch für neue Akteure interessant werden, die die Entwicklung wieder durch ihren jeweiligen Beitrag prägen.[46]
Der angesprochene Wandel wird maßgeblich durch den Einfluss und die Unterstützung digitaler Technologien im Innovationsprozess ermöglicht. Digitale Plattformen und offene Standards ermöglichen Kollektiven kollaborativ entwickelte Innovationen.[47] Die Kollaboration und Verfolgung der dem zugrundeliegenden Innovationsprozesse wird durch digitale Infrastrukturen wie Wissens- und Kollaborations-Plattformen unterstützt. Beispiele sind Plattformen wie GitHub, Crowdsourcing-Angebote wie TopCoder oder Crowdfunding in Form von Kickstarter. Der Umfang sowie die Funktionalität dieser Technologien beeinflusst die Richtung, Inhalt und Tragweite der verfolgten Innovation. Dies untermauert die Bedeutung des Einflusses digitaler Technologien und Plattformen auf verteilte, digitale Innovationsprozesse.
Henry Chesbrough, Professor an der Haas School of Business der University of California Berkeley, teilt Innovationsprozesse in zwei Kategorien: Closed Innovation und Open Innovation.[48]
Closed Innovation stellt hier den klassischen Weg dar. Der Innovationsprozess findet abgeschirmt innerhalb des Unternehmens statt. Die Außenwelt erfährt erst von einer Innovation, wenn sie patentiert wird oder in Form eines Produktes auf den Markt kommt. Dabei nutzt das Unternehmen ausschließlich interne personelle und finanzielle Ressourcen, da es davon ausgeht, dass diese Ressourcen komplett ausreichend sind, um eine vermarktbare Innovation zu generieren. Henry Chesbrough mokierte sich über diese Attitüde, indem er sie mit dem Satz „ All the smart people work for us! “[49] (dt. „ Alle schlauen Leute arbeiten für uns! “) beschrieb. Der Ansatz beruht ferner auf der Annahme, dass das Unternehmen nur im nennenswerten Umfang von einer Innovation profitieren könne, wenn der komplette Innovationsprozess intern stattfindet. Wie zuvor erwähnt umfasst dies neben der initialen Invention auch das Umwandeln der Entdeckung in ein Produkt sowie dessen anschließenden Vermarktung. Durch diese Maßnahmen sichert sich das Unternehmen den First Mover Advantage und verfügt darüber hinaus über die Innovation als geistiges Eigentum, was die Kontrolle über die zukünftige Nutzung garantiert.
Abbildung 3 zeigt, wie Forschungsprojekte unter Closed Innovation organisiert sind. Verschiedene Forschungsprojekte kanalisieren sich immer mehr und führen schließlich zu der Entwicklung eines Produktes. All dies spielt sich innerhalb der Unternehmensgrenzen ab. Weder Forschung noch Entwicklung nutzen externe Quellen und offenbaren ihre Arbeit erst mit dem Markteintritt.
Abbildung 3: Closed Innovation
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach Chesbrough, (2003), S. XXii
Open Innovation hingegen steht für die Öffnung von Innovationsprozessen für andere Interessensgruppen wie Kunden, Zulieferer oder gar Konkurrenten. Sichtbar wird der Prozess der Open Innovation für die Allgemeinheit vor allem, wenn das Unternehmen im Rahmen eines sogenannten Crowdsourcings zuvor genannte Interessensgruppen dazu aufruft, Lösungsvorschläge für Problemstellungen oder Produktinnovationen zu generieren.[50]
Der Wirtschaftsingenieur Serhan IIi definierte Open Innovation in seiner Dissertation im Jahre 2009 konkreter als die Öffnung des Innovationsprozesses und die aktive, strategische Nutzung der Außenwelt zur Vergrößerung des eigenen Innovationspotentials. Dies solle das bereits bestehende Innovationsmanagement nicht ersetzen, sondern vielmehr um eine Facette erweitern. Der Open-Innovation-Ansatz beschreibt den Innovationsprozess als einen vielschichtigen und offenen Such- und Lösungsprozess, der zwischen mehreren Akteuren über Unternehmensgrenzen hinweg abläuft. Das Unternehmen ist der Ansicht, dass es von der Kollaboration mit externen Ressourcen profitieren kann, da die Kooperation von internen und externen Quellen dem gegenseitigen Vorteil dient. Dabei profitiert das Unternehmen von der Nutzung externer Quellen ebenso wie von der Nutzung interner Quellen durch Externe. Durch den dadurch entstehenden Austausch kommt es zu deutlich weniger Streuverlusten sowie einem generell geringeren Aufwand für alle Beteiligten, so die Annahme.
Daher gilt es, die Integration von Wissen und Technologien, die von außerhalb des Unternehmens stammen, aktiv zu fördern, um die Innovationsfähigkeit zu steigern und gleichzeitig die Grundlage für eine höhere FE-Produktivität zu legen.[51]
Offenheit im Zusammenhang von Open Innovation bedeutet allerdings nicht, dass immaterielle und materielle Ressourcen von Unternehmen verschenkt werden, sondern im Sinne eines vereinbarten, kooperativen Wertschöpfungsprozesses verfügbar gemacht werden. Offenheit beschreibt in diesem Kontext demnach nicht etwas, was jedem unentgeltlich zu Verfügung steht, sondern etwas, das jeder einsehen und an dessen Entwicklung er potenziell teilhaben kann. Es handelt sich also um Prinzipien zur Öffnung des Innovationsprozesses mit dem Ziel, den Wert zu vermehren, was allen Akteuren zugutekommen kann.[52]
Wie Abbildung 4 verdeutlicht, sind die in Abbildung 3: Closed Innovation so strikt gezogenen Unternehmensgrenzen nun mit Öffnungen versehen. An unterschiedlichen Punkten des Innovationsprozesses kommt es somit mal zur internen Forschung, mal zur Auslagerung, mal zur Zusammenarbeit mit Externen oder zum Austausch von Wissen. Ferner wird ein weiterer, zentraler Vorteil von Open Innovation dargestellt, nämlich die Möglichkeit der Expansion in neue Märkte. Dies wird durch den Austausch des dafür nötigen Knowhows ermöglicht.
Abbildung 4: Open Innovation
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach Sami Dob (o.J.), Online im Internet
Prozessual betrachtet, können zwei mögliche Arten von Open Innovation unterschieden werden. Der Inside-Out-Prozess beschreibt die externe Kommerzialisierung von Innovationen durch das Investment in neue Geschäftsfelder außerhalb des Unternehmens. Der Outside-In-Prozess beschreibt die Integration externen Wissens zur Generierung von Innovationen innerhalb des Unternehmens.[53]
Der Outside-In-Prozess
Die Integration externer Ideen und Problemlösungen in den firmeneigenen Innovationsprozess im Kontext von Open Innovation als Outside-In-Prozess bezeichnet. Begrenzte Ressourcen sowie die Konzentration auf Kernkompetenzen und die Konvergenz von Technologien motivieren die Unternehmen außerhalb ihrer eigenen Strukturen nach möglicher Unterstützung für Innovationen zu suchen.[54]
Die von Miller durchgeführten Interviews mit Vertretern aus der Automobilbranche, die im Rahmen seiner Diplomarbeit im Jahre 2008 entstanden, verdeutlichen die Bedeutung externer Wissens- und Innovationsquellen in der Automobilindustrie.[55]
Als Beispiel wird hierfür die Entwicklung von Fahrassistenzsystemen angeführt, wonach die benötigten Kompetenzen derart vielfältig sind, dass ein Unternehmen ohne Kooperation mit externen Partnern nicht über all diese verfügen könne. „Sie benötigen jemanden, der sich mit den Schnittstellen zum Fahrzeug auskennt, jemanden, der das Kartenmaterial bereitstellt, die Software entwickelt, die Hardware entwirft, und vieles mehr“ [56].
Auch wird die Erweiterung der Innovationsbasis durch externe Quellen als notwendige Voraussetzung betrachtet, um die Innovationsfähigkeit langfristig zu erhalten. Die Forderung nach stärkerer Integration externer Quellen in den Entwicklungsprozess ist nicht unbegründet. Laut Brockhoff stammen bedeutende Neuerungen oft von branchenfremden Akteuren. Zudem entstünden die meisten erfolgreichen Innovationen aus Rekombinationen bestehenden Wissens und Technologien.[57]
Der Inside-Out-Prozess
Im Kontext von Open Innovation wird die externe Verwertung der eigenen Ideen und Technologien außerhalb der gegenwärtigen Geschäftstätigkeit als den Inside-Out-Prozess beschrieben. Die externe Verwertung von technologischem Wissen wird definiert als „die vom Unternehmen geplante Überlassung technologischen Wissens an ein anderes rechtlich und wirtschaftlich selbständiges Unternehmen.“ [58]
Es gibt zwei Möglichkeiten für ein Unternehmen, eigene Ideen, Innovationen und Technologien zu verwerten. Zum einen kann technologisches Wissen intern zur betrieblichen Leistungserstellung in Produkten und Prozessen verwertet werden, wonach die betrieblichen Leistungen dann am Markt angeboten werden. Zum anderen kann technologisches Wissen extern verwertet werden, indem das Wissen selbst als Leistung anderen Unternehmen zur Nutzung überlassen wird. Die Gründe für letzteres Vorgehen sind vielseitig. So ist beispielsweise denkbar, dass eine Innovation in einem Unternehmen stattgefunden hat, dieses Unternehmen aber nicht die passenden Ressourcen oder den passenden Kundenstamm besitzt, um diese Innovation zu vermarkten.
Der zuvor erwähnte Urheber des Open-Innovation-Begriffes Henry Chesbrough stellt fest, dass durch FE-Projekte sogenannte Spill-Over-Effekte entstehen. Dabei handelt es sich um zusätzliche Erkenntnisse und Entdeckungen, die nicht durch eigene Produkte kommerzialisiert werden können. So liegt in Unternehmen Wissen ungenutzt brach, da sich viele Unternehmen hinsichtlich der externen Wissensverwertung und -überlassung eher reaktiv als proaktiv verhalten. Die meisten Unternehmen versäumten es, ihr geistiges Eigentum besser zu kommerzialisieren. Chesbrough Analyse zufolge nutzen Unternehmen nur zwischen 5% und 25% des eigenen Patentportfolios. Die restlichen Ideen bleiben ungenutzt und könnten in einem anderen Geschäftsmodell große Gewinne erwirtschaften.[59] Es sei angemerkt, dass das schlichte Besetzen eines Patentes und die damit verbundene Nichtnutzung durchaus strategische Motive verfolgen können. So ist ein besetztes Patent für die Konkurrenz nur durch Zahlung von Lizenzgebühren und nur im kontrollierten Rahmen möglich.
2.4 Digitale Technik
Digital Transformation bezeichnet die gezielte Nutzung neuer digitaler Technologien zum Aufbau oder Anreicherung von Geschäftsmodellen. Zu diesem Zweck sammeln Unternehmen Daten aus internen und externen Quellen, die erstmals unternehmerische Relevanz erhalten. Beispiel können die Daten von im Produkt verbauten Sensoren, aus mobilen Geräten oder Social-Media-Kanälen sein. Ein entscheidendes Prinzip der Digitalisierung ist es daher, Daten zu aggregieren und intelligent zu analysieren.[60]
Im Folgenden werden technische Trends der Digitalisierung mit dem Fokus der Datenanalyse und -verwertung für die Automobilindustrie dargestellt und eingeordnet. Zunächst wird in die Hintergründe und Ausprägungen der betrieblichen Datenanalyse eingeführt. Darauf folgt eine Schilderung der wichtigsten Zusammenhänge im Bereich der künstlichen Intelligenz.
2.4.1 Datenanalyse
Übergeordnetes Ziel der betrieblichen Datenanalyse oder Business Intelligence, kurz BI, ist es, das fundierte und rechtzeitige Treffen von strategischen, taktischen oder operativen Entscheidungen in einem Unternehmen zu unterstützen. Dazu werden unternehmensinterne und je nach Anwendung und System auch unternehmensexterne Daten zu Informationen aufzuwerten, die insbesondere im Rahmen der Leistungskontrolle, der Optimierung von Geschäftsprozessen und der Planung benötigt werden. Trotz dieser ursprünglich klaren Ausrichtung und Zielsetzung gibt es keine einheitliche Definition entscheidungsunterstützender Datenanalyse. Waren die ersten Definitionen in den 1990er Jahren noch stark technikorientiert, so kommen bei aktuellen Definitionen eine fachliche und organisatorische Perspektive hinzu. Beim Vergleich unterschiedlicher Definitionen gilt Datenanalyse typischerweise als begriffliche Klammer für Konzepte, Prozesse und Technologien zur systematischen Sammlung, Vereinheitlichung, Speicherung, Auswertung und Darstellung von Daten.[61]
Hervorzuheben ist die ganzheitliche Sichtweise, bei der betrieblichen Datenanalyse als unternehmensspezifischer Gesamtansatz zur Erkenntnisgewinnung und Entscheidungsunterstützung aufgefasst wird. Dabei sind die Integration verschiedener analytischer Anwendungen und die Ausrichtung von BI an der Unternehmensstrategie entscheidende Erfolgsfaktoren bei der Einführung und Umsetzung von BI-Vorhaben in Unternehmen. Die Konzepte einer computerbasierten Entscheidungsunterstützung unterliegen der stetigen Entwicklung. Seit den 1960er Jahren werden verschiedene, entscheidungsunterstützende Systeme entwickelt und auf den Markt gebracht. Management Information Systems (MIS), Decision Support Systems (DSS), Executive Information Systems (EIS), Datawarehouse-Systeme mit einem Fokus auf Online Analytical Processing (OLAP) und schließlich BI-Lösungen sind, wie Abbildung 5 dargestellt, Teil dieser Evolution.
Abbildung 5: Evolution entscheidungsunterstützender Systeme
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Humm/Wietek (2005); Davenport (2013), S.13
Mit fortschreitendem Stand der Technik und Forschung wurden insbesondere der Umfang der genutzten Datenquellen sowie deren Detaillierungsgrad und Aktualität, die Bandbreite der Analysemöglichkeiten und der Anwenderkreise mit zunehmender Akzeptanz ausgeweitet. Weiterhin wurde die Integration von Geschäftsprozessen und angrenzenden, betrieblichen Anwendungssystemen vorangetrieben.[62]
Bei Fortführung dieser Entwicklung lässt sich Big Data oder genauer Big Data Analytics als Business Intelligence der nächsten Generation auffassen. Diese Einschätzung setzt allerdings voraus, dass BI im weitesten Sinne auslegt wird und ihr jegliche Form der Datennutzung zuschreibt, wie im nächsten Abschnitt über den Funktionsumfang dargelegt. Außerdem gilt es zu berücksichtigen, dass neben der Gewinnung von Erkenntnissen zur Entscheidungsunterstützung auch das Betreiben von Geschäftsmodellen hinzugekommen ist, die im Kern auf Big Data Analytics aufbauen.[63]
Als nächste Stufe der Entwicklung lässt sich eine zunehmende Einbettung von Analysefunktionalität in Produkte und Dienstleistungen ausmachen[64]. Dies wird in Abbildung 5 als Analytics 3.0 bezeichnet. Neue, digitale Dienstleistungen und Geschäftsmodelle werden in Kapitel 3.3 anhand von Praxisbeispielen analysiert.
Kern jeder Datenanalyse sind jedoch, unabhängig von Datenqualität oder -menge, die Fragestellungen, die die Analyse beantworten soll. Die oft im Bereich Business Intelligence anzutreffende Unterscheidung nach der Art der adressierten Fragestellung ist sicherlich die am weitesten verbreitete und wichtigste. Die daraus resultierenden Analytics-Varianten sind in Abbildung 6 zusammengefasst und sollen im Folgenden genauer beschrieben werden.
Abbildung 6: Fragestellungen im Kontext von Datenanalyse
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eckerson (2007); in Anlehnung an Dorschel (2015), S.56
Descriptive Analytics: Methoden zur beschreibenden Analyse haben das Ziel, allgemeine Beschreibungen oder eine Zusammenfassung eines Sachverhalts zu erzeugen. Die Frage „Was ist geschehen?“ steht dabei im Vordergrund und wird oft ergänzt durch weitere charakteristische Fragen, beispielsweise nach dem Wann und Wo. Viele Fragen dieser Art lassen sich mit methodisch einfachen Werkzeugen, wie dem Berichtswesen, beantworten.[65]
Diagnostic Analytics: Mithilfe dieser Methoden wird eine Ursachenanalyse betrieben. Aus dem vorliegenden Datenmaterial, das oft für einen anderen Zweck gesammelt wurde, können zwar Korrelationen, aber kaum kausale Zusammenhänge abgeleitet werden. Dennoch können die entdeckten Zusammenhänge wichtige Erkenntnisse für Fachexperten bei der Suche nach Problemlösungen sein. Der Begriff Diagnostic Analytics ist weniger geläufig, sodass diese Fragestellung oft auch im Bereich Descriptive Analytics angesiedelt wird.[66]
Real-time Analytics: In einigen Anwendungen, wie etwa der Platzierung personalisierter Werbung auf Webseiten, bei persönlichen Empfehlungen im Online-Handel, bei der Erkennung betrügerischer Transaktionen oder bei Anwendungen im Wertpapierhandel, ist die verfügbare Zeit zwischen dem auslösenden Ereignis und der erforderlichen Ausführung einer Maßnahme sehr gering. Geht die tatsächlich benötigte Gesamtlatenz gegen Null, handlet es sich um eine Echtzeit-Anwendung. Methoden für diese Szenarien werden mit dem Begriff Real-time-Analytics zusammengefasst. In vielen Fällen ist jedoch lediglich eine rechtzeitige Verfügbarkeit der Daten, der Analyseergebnisse oder der Aktionen gefordert. Nicht real-time, sondern right-time ist an dieser Stelle dann die zutreffendere Losung.
Obwohl bei Echtzeit-Anwendungen die Gesamtlatenz verschwindend gering sein sollte, liegt der Fokus oft lediglich auf der Minimierung der Daten- und Analyselatenz. Systeme werden so gestaltet, dass aktuelle Daten ohne nennenswerten Zeitverzug für Analysen bereitstehen und werden dann in extrem kurzer Zeit ausgeführt werden. Dabei ist jedoch anzumerken, dass mit Analyse in der Regel nicht die Modellerstellung selbst, sondern nur die Anwendung eines bestehenden Modells auf neue Daten gemeint ist, wie etwa der Einsatz bestehender Regeln zur Erkennung von Betrugsfällen. Es ist nicht selten, dass viel Aufwand betrieben wird, um Entscheidungsträgern Analyseergebnisse in Echtzeit zur Verfügung zu stellen, während diese sich dann für die Entscheidungsfindung und Umsetzung von Maßnahmen viel Zeit lassen. Der Mensch in der Entscheidungskette ist oft der kritische Faktor, wie die folgende Abbildung zeigt.[67]
Abbildung 7: Latenzzeiten vom Ereignis bis zur Maßnahme
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach Kemper/Baars/Mehanna (2010), S. 91
Predictive Analytics: Prädiktive, vorhersagende Analysen sollen einen Blick in die Zukunft ermöglichen. Variationen der Frage „Was könnte geschehen?“ stehen im Vordergrund. Es ist allerdings zu beachten, dass die Vorhersage möglicher Zustände nicht nur auf die Zukunft beschränkt ist. Allgemein beziehen sich Vorhersagemodelle auf die Vorhersage unbekannter Werte. Natürlich sind alle zukünftigen Werte von Zielgrößen unbekannt. Aber auch ein vergangener oder gegenwärtiger Wert einer Zielgröße kann unbekannt sein.
Prescriptive Analytics: Die präskriptive oder vorschreibende Analyse soll schließlich Antwort darauf geben, mit welchen Handlungen bzw. Schritten ein Geschäftsziel am besten erreicht werden kann. Es geht demnach um die Frage „Was soll geschehen?“. Aus Perspektive der Anwendung stellt diese Art der Analyse die höchste Form der Entscheidungsunterstützung in einem Unternehmen dar. Von ganz besonderer Bedeutung sind Handlungsempfehlungen in neuen, unerwarteten oder zukünftigen Situationen. Allerdings stoßen hier datengetriebenen Methoden, für die nur Daten aus der Vergangenheit bis zur Gegenwart vorliegen können, schnell an Grenzen der Analysemöglichkeiten. Methoden der deskriptiven und prädiktiven Analyse kommen als Grundbestandteile der präskriptiven Analyse oft in Verbindung mit Optimierungsmethoden oder modellbasierten Simulationstechniken zum Einsatz. Insbesondere auch die Rückkopplung bezüglich des Erfolgs der vorgeschlagenen und umgesetzten Empfehlungen ist ein weiterer wichtiger Aspekt zur iterativen Verbesserung in diesem Bereich.[68]
2.4.2 Künstliche Intelligenz
Das folgende Kapitel beschreibt, wie Wissenschaftler und Entwickler Künstliche Intelligenz, im Folgenden kurz KI genannt, definieren und welche Anwendungen und Bereiche des Feldes aktuell im Fokus von Forschung und Entwicklung liegen. Auf dieser Basis werden ferner wichtige Einflüsse und die Zukunft von KI in verschiedenen Domänen dargestellt. Zuletzt wird auf die Herausforderungen eingegangen, die KI und deren Entwicklung an Gesellschaft sowie Gesetzgebung stellt.
Es ist anzunehmen, dass sich das Fehlen einer scharf umrissenen Definition für Künstliche Intelligenz fördernd auf die Entwicklung des Feldes ausgewirkt hat. Wissenschaftler und Entwickler folgen stattdessen einer groben Richtungsweisung und einem Enthusiasmus bezüglich der Potentiale, die KI ermöglicht.[69] Eine der zugänglichsten Definitionen geht dennoch auf Nils J. Nilsson zurück:
„Künstliche Intelligenz zielt auf die Erschaffung intelligenter Maschinen ab. Intelligenz bezeichnet in diesem Kontext die Fähigkeit einer Entität, sich im Hinblick auf ihr Umfeld und ihre Ziele entsprechend, angemessen und mit Voraussicht zu verhalten.“ [70]
Aus dieser Sichtweise kann eine KI also vor allem anhand von selbstentwickelter Angemessenheit und Voraussicht bewertet werden. Nilsson erweitert seine Sichtweise auf KI jedoch um ein multidimensionales Spektrum. So fließen ferner der Umfang der erbringbaren Leistungen der KI, Geschwindigkeit der Verarbeitung, Grad der Autonomie und Generalität in die Kriterien für die Bewertung einer KI ein.[71]
Die Charakterisierung von Intelligenz gewährt dem menschlichen Gehirn keinen Sonderstatus. Dennoch ist menschliche Intelligenz bis zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Arbeit ungeschlagen im „rationalen Denken, dem Erreichen von gesetzten Zielen und auf Sensor-Inputs zu reagieren.“ [72] Daher wird KI auch oft als Teilgebiet der Informatik angesehen, welches die Nachbildung der menschlichen Intelligenz in Hard- und Software zum Gegenstand hat.
Als Teil von KI beschreibt der Begriff Machine Learning eine breite Palette von Algorithmen und Methoden, um die Leistungsfähigkeit von Software bei wachsenden Datenmengen zu verbessern. Hier geht es sowohl um neuronale Netze als auch um Deep Learning, worauf an späterer Stelle noch eingegangen wird. Grundsätzlich behandelt Machine Learning die Analyse und Erkennung von Entwicklungen oder Kategorien, in die sich Daten einordnen lassen. Dies ermöglicht eine umfangreiche, datengestützte Entscheidungsunterstützung oder gar Entscheidungsfindung.[73]
Künstliche neuronale Netze stellen einen besonderen Bereich des Machine Learning dar, der auf der Funktionsweise des menschlichen Gehirns basiert. Es gibt verschiedene Arten neuronaler Netze. Im Wesentlichen basieren alle auf einem System von Knotenpunkten, die über unterschiedlich gewichtete Leitungen miteinander verbunden sind. Die Knotenpunkte werden auch Neuronen genannt und sind in mehreren Schichten angeordnet, darunter eine Eingabeschicht, über die Daten in das Netz gelangen, sowie eine Ausgabeschicht, über welche die Antworten erfolgen. Zwischen diesen finden sich eine oder mehrere versteckte Schichten, auf denen das eigentliche Lernen stattfindet. Typischerweise lernen neuronale Netze durch Gewichtsveränderungen der Querverbindungen zwischen den Knotenpunkten, welche die Wegfindung von Ein- zu Ausgabe beeinflusst.[74]
Der Begriff Deep Learning bezieht sich nun auf ein tiefes neuronales Netz, welches sich durch eine große Anzahl von Neuronen in verschiedenen versteckten Schichten auszeichnet. Ein flaches neuronales Netz hingegen besteht in der Regel nur aus einer versteckten Schicht, wie die Abbildung in Anhang 6: Neuronales Netzwerk für Machine Learning zeigt, wobei eine klare Abgrenzung nicht existiert.
Im Grunde sind Methoden des Deep Learning auf Basis neuronaler Netzen gemeint, wenn von künstlicher Intelligenz die Rede ist. Der rasante Fortschritt, der in den letzten Jahren im Bereich des Deep Learning erreicht wurde, ist vor allem auf immer leistungsfähigere Hardware für die erforderlichen Rechenoperationen sowie die stetig wachsenden Datenmengen für das initiale Training der neuronalen Netze zurückzuführen. Nach diesem initialen Training besteht das Deep Learning des Neuralnetztes darin, während der laufenden Anwendung stets dazuzulernen. Solche Systeme optimieren sich demnach kontinuierlich selbst, wodurch die Erkennungsgenauigkeit und der Ergebnisnutzen permanent zunimmt.[75]
3 Validierung des Entwicklungsstandes
Im folgenden Kapitel werden die aktuell wichtigsten Entwicklungen der Automobilbranche bezüglich ihres Entwicklungsstandes im Kontext der Digital Transformation untersucht und bewertet. Ziel ist es, Grundlagen für die Beantwortung der in der Einleitung eingeführten Forschungsfragen zu schaffen.
Zunächst wird der diesbezügliche Forschungsstand sowie dessen Schwerpunkte und Erkenntnisse geschildert. Darauf aufbauend werden die Schwerpunkte dieser Arbeit abgeleitet und motiviert. Das erste Unterkapitel beschreibt zunächst die zwecks Validierung des Entwicklungsstandes entwickelte Methodik und grenzt diese gegen Alternativlösungen ab. Darauf folgen die Analysen der Schwerpunkte. Diese teilen sich in vier Bereiche. Die Betrachtung der digitalen Produktinnovationen analysiert aktuelle, technische Entwicklungen am Kernprodukt der Automobilindustrie, dem Auto selbst. Das folgende Kapitel untersucht die Digital Transformation der Geschäftsmodelle der etablierten Automobilhersteller. Fortgeführt wird die Analyse mit der Betrachtung und Bewertung des Einflusses der Digital Transformation auf die Organisationsstrukturen und schließlich auf die Innovationsprozesse der Branche.
Das Beratungsunternehmen Boston Consulting Group veröffentlichte im Jahr 2015 eine viel beachtete Studie namens Digital Germany zum Thema des Entwicklungsstandes der Digital Transformation verschiedener Branchen in Deutschland. Neben der Automobilbranche wurden unter anderem auch Logistik, Einzelhandel sowie Finanz- und Gesundheitsbranche analysiert. Bemerkenswerterweise wurde lediglich der Logistikbranche ein höherer digitaler Reifegrad als der Automobilindustrie attestiert. Gleichsam gehören laut der Studie diese beiden Industrien sowie Maschinenbau zu den Industrien, auf die die Digital Transformation in Zukunft den geringsten Einfluss haben wird, wie Abbildung 8 veranschaulicht. Wesentlicher Fokus der Analyse der Automobilindustrie lag dabei auf Vertriebskanälen und Kundenschnittstellen. So wurden unter anderem die Profile und Aktivitäten verschiedener Hersteller auf Social-Media-Plattformen, wobei eine deutlich höhere Reichweite deutscher Hersteller in Vergleich zu anderen Branchengrößen wie General Motors oder Toyota festgestellt wurde. Diese Feststellung fußte sowohl auf der vergleichsweise hohen Frequenz der Social-Media-Aktivitäten als auch auf der hohen Zahl an Abonnenten selbiger, gemessen etwa an der Zahl der Likes auf dem weltweit stark verbreiteten Social Network Facebook.[76]
Abbildung 8: Digitale Reife verschiedener Industrien in Deutschland
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach Gumsheimer/Hecker/Krüger (2015), Online im Internet
Neben den Kundenschnittstellen wurde auch die Digitalisierung der Vertriebskanäle untersucht. Die internationale Führungsposition der deutschen Hersteller in diesem Bereich wurde einerseits durch die performanten und produktnahen Informations- und Konfigurationsangebote über den Webauftritt der Hersteller begründet, andererseits am Beispiel der bereits seit einigen Jahren etablierten Virtual Showrooms. Diese werden in Händlerniederlassungen etwa bei Audi angeboten und ermöglichen die virtuelle Konfiguration eines Fahrzeugs in voller Größe auf großen Bildschirmen, wobei Audiosysteme das Kundenerlebnis sogar mit Motorgeräuschen abrunden.[77] Audi erweiterte dieses Angebot Anfang 2017 um die Möglichkeit, die Konfiguration eines Fahrzeugs während des Verkaufsgesprächs im Autohaus mit Virtual Reality zu unterstützen. Dies bezeichnet der Premiumhersteller aus Ingolstadt als Audi VR experience.[78]
Als vielversprechende, zukünftige Entwicklung beschreibt die Studie aus dem Jahr 2015 die Nutzung modernster Technologien für Fahrzeuginnovationen wie Vernetzung und autonomem Fahren, sowie für die Entwicklung von digitalen, mobilitätsbezogenen Dienstleistungen und Geschäftsmodellen. Der Stand eben jener Entwicklungen wird daher in den Kapiteln 3.2 Digitale Produktinnovationen und 3.3 Digital Transformation der Geschäftsmodelle dargestellt . Bezüglich des letzteren Themas schließt die Studie mit einer bedeutenden Feststellung, wonach Automobilhersteller im Markt der digitalen (Mobilitäts-)Dienstleistungen mit zuvor branchenfremden Akteuren konkurrieren, welche in diesem Bereich nicht nur mehr Knowhow, sondern auch einen etablierten Kundenstamm vorweisen können.[79]
„Um konkurrenzfähig zu werden, bedarf es Automobilunternehmen mehr als bloß traditioneller Fertigungskompetenzen.“ (Eng. “To compete, automotive companies will need more than traditional manufacturing skills”.) [80]
Die Digital Transformation muss also auf weitere Bereiche neben Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen der Automobilindustrie Einfluss nehmen. In Kapitel 3.4 werden daher Organisationsstrukturen und Methoden des Projektmanagements beleuchtet. Der Abschnitt schließt in Kapitel 3.5 mit der Analyse des Einflusses der Digital Transformation auf den Innovationsprozess.
3.1 Methodik
In der zuvor geschilderten Studie Digital Germany der Boston Consulting Group aus dem Jahr 2015 wird die Digital Transformation anhand zweier Dimensionen bewertet, der digitalen Reife und dem potentiellen Einfluss der Digitalisierung auf die Branche. Als Indikator für die Ermittlung der digitalen Reife wurden globale Best Practices als Referenz herangezogen, welche bei Schilderung der Methodik der Studie nicht im Detail eingeführt werden. Basis der Analyse waren ferner unter anderem Unternehmensbewertungen, Länder-Rankings in Marktstudien sowie Daten von Industrieverbänden, Instituten und Beratungsunternehmen. Die Ergebnisse wurden ferner durch zahlreiche Experteninterviews gestützt. Die Bestimmung der digitalen Reife einer Industrie auf einer Skala von 0 bis 100 orientiert sich am Entwicklungsstand der jeweiligen Industrie in Relation zum globalen Vorreiter. Der potentielle Einfluss fußt auf den erwarteten Veränderungen der entsprechenden Industrie durch die Digitalisierung bis zum Jahr 2020.[81]
Eine weitere Herangehensweise zur Bestimmung der digitalen Reife sind die Four Types of Digital Maturity der MIT Sloan School of Management. Gemäß diesem Modell, welches in Kooperation mit Capgemini Consulting entstand, ist die digitale Reife von Unternehmungen und Organisationen eine Kombination aus digitaler Kompetenz und intensivem Transformationsmanagement. Unter der digitalen Kompetenz werden die Maßnahmen verstanden, die durch neue Technologien ermöglicht und umgesetzt werden. Dies umschließt unter anderem neue interne Prozesse, neues Customer Engagement oder neue digitale Geschäftsmodelle. Bei der zweiten Dimension handelt es sich um die notwendige Führungsfähigkeit im Unternehmen, die Digital Transformation voranzutreiben. Sie beinhaltet beispielsweise eine klare Vision, wie die Zukunft des Unternehmens gestaltet werden kann, Governance und Engagement, um die Digital Transformation zu steuern. Ebenfalls von Bedeutung sind die Beziehungen zwischen Business und IT, die einen Einfluss darauf haben, ob und in welchem Tempo die technologiebasierten Veränderungen umgesetzt werden.[82]
Zur branchenspezifischen Validierung des Entwicklungsstandes der Digital Transformation in der Automobilindustrie im Rahmen dieser Arbeit wurde jedoch eine eigene Methodik entwickelt. Die beiden zuvor eingeführten Verfahren beschränken sich bei der Bewertung auf je zwei Dimensionen. Dies gestaltet die Darstellung von Ergebnissen zwar übersichtlich und vor allem branchenübergreifend vergleichbar. Allerdings gehen auf diese Weise Transparenz und wichtige Details in Bezug auf den digitalen Reifegrad einer Branche verloren. Ferner erlaubt die Analyse anhand zweier gleich gewichteter Parameter lediglich eine Aufteilung der Resultate in einer 2×2-Matrix, sodass daraus vier Typen digitaler Reife entstehen. Diese Typen unterliegen nur zum Teil einer linearen Ordnung und überlassen die tatsächliche Bestimmung des Reifegrades dem Leser. Bei Betrachtung lediglich einer Industrie, wie es Gegenstand dieser Arbeit ist, wird daher in eigens entwickelter Methodik vorgegangen.
Die Validierung des Entwicklungsstandes der Digital Transformation in der Automobilindustrie geschieht methodisch in zwei Stufen. Zunächst werden in den folgenden Kapiteln die zuvor eingegrenzten Bereiche der Digital Transformation detailliert beschrieben und entsprechende, aktuelle Praxisbeispiele aus der Fachpresse und weiterer Sekundärliteratur genannt und analysiert. Die bereichsbezogene Analyse des Entwicklungsstandes beruht auf den sogenannten Indikatoren des Digital Maturity Transformation Report 2016 des Institutes für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen.[83]
Der Report teilt die Indikatoren in Dimensionen wie Strategie, Produktinnovation, Organisation oder Informationstechnologie ein. Praxisbeispiele und Indikatoren erlauben eine transparente und praxisbezogene Validierung des Entwicklungsstandes. Eine detaillierte Auflistung der Dimensionen und ihrer jeweiligen Indikatoren findet sich in Anhang 5: Indikatoren erfolgreicher Digital Transformation nach Dimensionen auf Seite 96ff..
Die Aufteilung der in dieser Arbeit betrachteten Praxisbeispiele in Bereiche orientiert sich zwar in weiten Teilen an den Dimensionen des Digital Maturity Transformation Reports 2016, die Evaluierung des Entwicklungsstandes eines Bereiches fußt jedoch auf einer Kombination der Indikatoren unterschiedlicher Dimensionen des besagten Reports, um die Entwicklungen in den einzelnen, analysierten Bereichen der Automobilindustrie detailliert widerspiegeln zu können. Die Analyse der Bereiche schließt jeweils mit der Bestimmung eines Reifegrads nach den Reifegradstufen des Digital Maturity Models entsprechend des Digital Transformation Reports 2014. [84] Somit handelt es sich um eine Kombination der Methodiken der beiden genannten Studien. Die Reifegradstufen werden im Folgenden charakterisiert.
Abbildung 9: Digital Maturity Model
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach Steimel et al. (2014), S. 40
1. Unaware
Der Reifegrad Unaware zeichnet sich dadurch aus, dass es keine Strategie für den digitalen Wandel gibt. Das Thema wird an einzelnen Stellen des Unternehmens diskutiert. In Summe gibt es dafür aber kein Organisationsbewusstsein. Produkte und Dienstleistungen sowie die dafür erforderlichen Betriebsabläufe verfügen über einen äußerst geringen Digitalisierungsgrad.
2. Conceptual
Conceptual sind Bereiche, in denen bereits erste digitale Projekte erkennbar sind. Einzelne Teilbereiche befassen sich mit Pilotprojekten. Eine übergreifende Strategie ist noch nicht erkennbar. Die aktiven Unternehmensbereiche sammeln Erfahrungen, ohne das etablierte Geschäfts- und Betriebsmodell zu tangieren. Ein kultureller Wandel sowie der Aufbau neuer Steuerungs- oder Geschäftsmodelle sind noch nicht absehbar.
3. Defined
Beim Reifegrad Defined entwickeln sich aufgrund von Pilotprojekten erste Erfahrungen, die zu Bereichsstrategien konsolidiert werden. Häufig lässt sich darüber hinaus bereits eine Unternehmens- oder gar branchenübergreifende Zusammenarbeit feststellen. Innerhalb der Organisation entwickelt sich ein Grundbewusstsein der Digitalisierung. Viele Mitarbeiter sind entsprechend in die Entwicklung und Umsetzung der Strategien eingebunden.
Besonders die Führungskräfte der Pilotbereiche entwickeln einen Bezug zum Thema. Es werden Governance- und Steuerungsmodelle auf Pilot- und Bereichsebene erprobt. Schrittweise stellt sich bereits die Frage nach der Wirtschaftlichkeit entsprechender Ansätze. Durch permanente Diskussionen rund um das Thema entwickelt sich eine frühe Kultur des Wandels.
4. Integrated
Beim Reifegrad Integrated entsteht durch Diskussionen rund um die wirtschaftlichen Effekte digitaler Projekte, Produkte und Strategien eine tiefere Integration digitaler Technologie in Betriebs- und Geschäftsprozesse. Dafür werden dezidierte Strategien entwickelt und ganzheitlich umgesetzt. Für den Wandel existiert ein klares Management-Commitment und verantwortliche Organisationseinheiten. Häufig werden entsprechende Projekte durch mehrere Führungskräfte getragen. Die Digitalisierung erreicht die Kernprozesse, Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens. Aus den Kernprozessen lassen sich wirtschaftliche Effekte nachweisen. Diese fließen in Governance und Steuerungsmodelle ein. Es bilden sich lokale Kompetenzcenter. Der digitale und kulturelle Wandel gewinnt an Dynamik.
5. Transformed
Der Reifegrad Transformed zeichnet sich dadurch aus, dass durch die Integration der Digitalisierung in Kernprozessen, Produkten und Dienstleistungen neue Ansätze im Geschäfts- und Betriebsmodell entstehen. Diese werden im Innovationsprozess schrittweise umgesetzt. Die etablierte Aufbauorganisation wird zu Gunsten der Umsetzung digitaler Prozesse angepasst. Funktonale Silos verlieren an Bedeutung. Dabei nimmt die Transparenz und Dynamik auf Organisationsebene deutlich zu. Dies führt zu einer Veränderung etablierter Kommunikations- und Führungsmodelle. Kultur und Geschäftsmodell haben sich nachhaltig verändert.[85]
Die folgende Abbildung dient als Übersicht für das methodische Vorgehen zur Validierung des Entwicklungsstandes der Digital Transformation in den verschiedenen Bereichen der Automobilindustrie.
Abbildung 10: Übersicht Methodik
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung
3.2 Digitale Produktinnovationen
Das folgende Kapitel behandelt digitale Entwicklungen und Innovationen des Kernproduktes der Automobilindustrie, dem Auto. Zu diesem Zweck werden zwei der zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Arbeit aktuellen Themen beleuchtet. Zum einen handelt es sich dabei um die Vernetzung von Fahrzeugen, ferner um die Entwicklung (voll-)autonomer Autos.
3.2.1 Vehicle-2-X
Als Basis zahlreicher Services und Features ist die Vernetzung von Fahrzeugen in unterschiedlichen Ausprägungen bereits in Serie. Das folgende Kapitel führt daher zunächst in die Funktion und Vorteile ein und schildert bisherige, technische Umsetzungen. Darauf aufbauend ergeben sich Barrieren bis zur Massenreife der Technologie. Anhand von Praxisbeispielen wird beschrieben, wie die Automobilindustrie mit diesen Barrieren umgeht und Lösungen entwickelt beziehungsweise erprobt.
Vehicle-2-X, kurz V2X, beschreibt die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien zwecks Steigerung von Sicherheit, Effizienz und Komfort des Straßenverkehrs.[86]
Wenn es beispielsweise in der Umgebung eines vernetzten Fahrzeugs Warnmeldungen wie ein Einsatzfahrzeug mit Signalfahrt oder ein Pannenfahrzeug existiert, wird der Fahrer rechtzeitig vorher informiert und die Gefahrenstelle etwa auf einer Karte markiert. Damit hat der Fahrer die Möglichkeit, seine Fahrweise und Geschwindigkeit so anzupassen, dass eine gefährliche Situation von Anfang an vermieden werden kann. Auch kann der Fahrer dank V2X -Technologie frühzeitig vor Geisterfahrern oder gefährlichen Witterungsbedingungen gewarnt werden.[87]
Um diese Informationen bereitzustellen, kann jedes Fahrzeug, das mit V2X -Technologie ausgestattet ist, auch Gefahren an andere Verkehrsteilnehmer senden und damit zu einer Erhöhung der Sicherheit im Straßenverkehr beitragen. Viele dieser Gefahren können entsprechende Fahrzeuge aufgrund der nahtlosen Integration des V2X-Systems in die Fahrzeugsysteme automatisch erkennen, ohne dass es einer Aktivität des Fahrers bedarf. Für Gefahren, die nicht oder noch nicht automatisch detektierbar sind, besteht auch eine manuelle Meldemöglichkeit. Per Interaktion des Fahrers mit dem System lassen sich so Pannenfahrzeuge oder Tiere auf der Fahrbahn, Geisterfahrer oder verlorene Ladung an Fahrzeuge in der unmittelbaren Umgebung melden.[88] Die V2X-Technologie arbeitet im Hintergrund und informiert den Fahrer zum gegebenen Zeitpunkt über sicherheitsrelevanten Situationen.[89]
Besonders entscheidend ist die Art und Weise, wie Fahrzeuge Informationen austauschen. Denn faktisch kommunizieren nicht ausschließlich Fahrzeuge mit einander. Eine Information wird von einem Fahrzeug an unterschiedliche Ziele übermittelt und weitervermittelt, weshalb die Technologien den Überbegriff V2X erhielten.[90]
Ein Problem der alleinigen Vehicle-to-Vehicle-Kommunikation ist die sehr hohe Dynamik des ad-Hoc-Netzwerkes oder VANets (Vehicle-ad-hoc-Network). Zwar erlaubt dies den direkten und damit latenzarmen Informationsaustausch zwischen Fahrzeugen, allerdings setzt der Erhalt und damit die Verbreitung von Informationen Netzwerkknoten, also Autos, im Empfangsradius voraus. Fahrzeuge im Straßenverkehr haben jedoch eine Eigenschaft, die zur Umgehung des Problems zum Beispiel nachts oder in ländlichen Gegenden nutzbar ist: Autos fahren fast ausschließlich auf Straßen. Das heißt, dass gewisse Dynamiken vorhersehbar und damit ausnutzbar sind. Beispielsweise wird eine Kreuzung von vielen Autos, die dazu noch aus unterschiedlichsten Richtungen kommen, befahren. Durch den Einsatz einer sogenannten Roadside-Unit (RSU), einem fixen Netzwerkknoten, der sich etwa in einer Ampel befindet, können so Informationen von sehr vielen Fahrzeugen empfangen, gespeichert und zeitversetzt an andere Fahrzeuge weiterversendet werden, auch wenn sich kein anderes, sendendes Auto in unmittelbarer der Nähe befindet.[91] Allerdings ist sind diese Units lokal gebunden und unterstützen die Überwindung einer der entscheidenden Hürden, der Dynamik des teils weit verteilten Netzwerks von Fahrzeugen, auf dem Weg zum flächendeckenden Einsatz von V2X-Technologien nur bedingt.
Trotz aller Potentiale stehen der Massenreife von V2X noch einige, weitere Herausforderungen im Weg. Eine der wichtigsten ist der Netzwerkeffekt. Zum produktiven und Mehrwert generierenden Betrieb eines solchen Netzwerks ist eine Mindestanzahl an ausgerüsteten Fahrzeugen, sprich Netzwerkknoten, unumgänglich. Hierbei steht die Akzeptanz und somit der erkennbare Nutzen für den Verbraucher im Vordergrund, wobei das Kosten-/Nutzenverhältnis eine wichtige Rolle spielt. Doch selbst unter besten marktforscherischen Bedingungen bleibt ein weiteres Problem auf dem Weg der Marktpenetration bestehen. Im Hinblick darauf, dass Fahrzeuge mitunter 10 Jahre im Gebrauch sind bevor sie durch neue ersetzt werden, ist eine schnelle Verbreitung von ausgerüsteten Fahrzeugen schwierig. Ein Nutzen der V2V-Technik wird erst bei einer Verbreitung von 10% aller Fahrzeuge im Straßenverkehr wirksam. Selbst wenn jedes neu zugelassene Fahrzeug mit dieser Technik ausgestattet wird, wird die Einführung mindesten 18 Monate dauern bis jedes 10. Fahrzeug damit ausgestattet ist und weitere 4,5 Jahre bis die Technik flächendeckend im Einsatz sein wird. Hier ergibt sich eine Henne-Ei-Problematik. Fraglich ist, ob ein Verbraucher in einen Zusatznutzen investiert, der über einen längeren Zeitraum nicht sinnvoll nutzbar sein wird.[92]
Die Findung eines herstellerübergreifenden, zukunftssicheren Standards ist gleich aus mehreren Gründen essentiell für den langfristigen Erfolg von V2X. Allerdings begegnen sich hierbei zahlreiche Stakeholder-Interessen, die nicht immer harmonisieren. Ein Beispiel für dieses Spannungsfeld ist die von der EU-Kommission beschlossene, verpflichtende Einführung eines eCall-Systems[93] bei Neuwagen ab Frühjahr 2018. Einige Hersteller bieten zwar bereits eigene Notrufsysteme an, die in hauseigenen Callcentern eingehen. Es existiert jedoch noch kein herstellerübergreifendes System. In diesem Anwendungsfall bestehen Interessenskonflikte zwischen den Anbietern von Rettungsdiensten, Automobilherstellern und Anbietern der Kommunikationstechnik. So steht zurzeit nicht fest, ob die Umsetzung daran scheitert, dass keine Einigung erzielt werden kann.[94] [95]
Eine weitere Herausforderung besteht darin, ein System in die Fahrzeuge zu integrieren, welches über den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeuges weiterentwickelt werden kann. Denn im Durchschnitt hat ein Fahrzeug eine Nutzungsdauer von mindestens 10 Jahren. Im Gegenzug kommen Neuheiten aus dem Bereich der Kommunikations- und Sicherheitstechnik in einem Takt von wenigen Monaten auf den Markt.[96]
Eine entscheidende Entwicklung auf dem Weg zur Massenreife von V2X-Technologie ereignete sich im September 2016. Die Audi AG, BMW Group, Daimler AG, Ericsson, Huawei, Intel, Nokia und Qualcomm Inc. gaben die Gründung der 5G Automotive Association (5GAA) bekannt. Die Organisation soll neue Kommunikationslösungen für Fahrzeuge entwickeln, testen und fördern, ihre Standardisierung unterstützen sowie ihre Marktverfügbarkeit und globale Verbreitung beschleunigen. Mittlerweile umfasst der Verband über 30 Mitglieder, darunter die wichtigsten Hersteller und Zulieferer der Automobil-, als auch der Telekommunikationsbranche. Hierbei sind besonders Ford, Bosch, Continental, Denso, ZF Friedrichshafen, ATT und Samsung zu nennen. Wie der Name schon vermuten lässt, bestrebt die 5G Automotive Association die Möglichkeiten von Mobilfunknetzen der nächsten Generation für Fahrzeugvernetzung ausschöpfen. Ein zentraler Punkt hierbei ist die Kommunikation von Autos mit ihrer Umwelt, auch Cellular-Vehicle-To-Everything (C-V2X) genannt.[97] Bisherige Entwürfe von VANets basierten auf WLAN-Technologien. Zu diesem Zweck muss jedes Fahrzeug mit einer WLAN-Dipolantenne ausgestattet werden, welche für die Verknüpfung mit dem nächstgelegenen Fahrzeug mit Antenne verantwortlich ist. Dabei ist jedes vernetzte Fahrzeug ein Netzwerkknoten, der nicht nur zum Empfangen, sondern auch zur Übertragung von Informationen an weitere Fahrzeuge fungiert. Dazu dient der eigens für V2V geblockte WLAN-Standard IEEE 802.11p.[98]
Für C-V2X spricht allerdings, dass Gefahrenmeldungen aller Art durch Mobilfunk sehr viel weiter und zuverlässiger übermittelt werden können als durch VANets. Jedoch sollen die Vorteile des mobilfunkunabhängigen Ad-Hoc-Netzwerkes auch für C-V2X nutzbar sein. Aus diesem Grunde sollen die der Vernetzung zugrundeliegenden LTE- oder perspektivisch 5G-Module auch direkte Verbindungen untereinander ohne Umweg über einen Mobilfunkmast ermöglichen. Die von 5GAA erforschte Technologie von Direktverbindungen auf Basis von Mobilfunktechnologie wird als Radio Local Area Network (RLAN) bezeichnet und agiert auf einer Frequenz von ca. 5,9 Ghz.
Neben den Vorteilen der Vernetzung via Mobilfunknetz ist die Technologie zur Verbindung von Fahrzeugen dem WLAN-Standard sowohl in Reichweite, Zuverlässigkeit als auch Datenübertragungsrate deutlich überlegen. Dies demonstrierten Audi, Huawei und Vodafone auf dem Mobile World Congress 2017 in Barcelona. Zwei Autos fuhren in Kolonne. Auf dem Armaturenbrett des vorausfahrenden Audis wurde hierfür eine per Ethernet mit Technik im Kofferraum angebundene 720p-Kamera montiert, die ihr Signal in das LTE-Netz von Vodafone speiste. Das Signal wurde wieder über einen Server in Ingolstadt geleitet und schließlich in das Infotainment-System des verfolgenden Fahrzeugs übertragen, wie Abbildung 11 zeigt. Das führt aufgrund der langen Signalwege des Testaufbaus aktuell noch zu einer Latenz von circa 1,5 Sekunden. Hier werden bis zur Serienreife mit Nutzung von 5G-Direktverbindung Latenzen im Millisekundenbereich angestrebt. Diese Anwendung wäre mit dem zuvor erwähnten WLAN-Standard nicht denkbar gewesen, welcher lediglich eine Übertragungsrate von maximal 27 Mbit/s und dies auch nur auch kurzen Distanzen bei schwankender Zuverlässigkeit erlaubt hätte.[99]
Abbildung 11: Fahrerdisplay zeigt Sichtfeld des vorrausfahrenden Autos
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: La Rocco (2017), Online im Internet
Einer der wesentlichen Vorteile, die Vernetzung von Fahrzeugen und Infrastruktur auf Basis von Mobilfunk- statt auf WLAN-Technologie zu fußen, ist ferner die Skalierbarkeit und das dazugehörige Entwicklungspotential. Dies basiert auf dem Umstand, dass sowohl Direkt- als auch Netzwerkverbindungen über die selbe Technologie abgewickelt werden. Dabei handelt es sich um eine bereits etablierte aber dennoch permanent gewartete und weiterentwickelte Netzwerktechnologie. Eine flächendeckende Anwendung dieser würde nicht nur die Einführungsbarrieren durch die Kosten der Errichtung einer das netzwerkunterstützenden Infrastruktur in Form von Roadside-Units erheblich senken. Wie am Beispiel Audi zuvor demonstriert sind durch die bessere Direktverbindung bereits zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Arbeit performantere Sicherheits- und Komfort-Features möglich.
Darüber hinaus ermöglicht die Technologie ein breites Spektrum an zukünftigen Innovationen und Services, da sie nicht nur bereits in äußerst performanter Form existiert, sondern auch von Mobilfunkunternehmen und Netzanbietern kontinuierlich weiterentwickelt wird. Es ist zu erwarten, dass zukünftige Entwicklungen in diesem Bereich die Herausforderung des Internet of Things noch stärker reflektieren werden, weshalb 5GAA ihren Fokus bereits in 2016 auf den zukünftigen Mobilfunkstandard 5G legte.
Meldungen und sonstiger Datenaustausch kann darüber hinaus ohne Umwandlung aus der Direktverbindung in das Netzwerk oder umgekehrt erfolgen, da die zugrungeliegenden Technologien den gleichen Standards obliegen. Dabei werden die Latenzzeiten weiter optimiert und sicherheitsrelevante Meldungen können sowohl über Direkt- als auch über Netzwerkkommunikation je nach Netzabdeckung beinahe verzögerungsfrei übertragen werden.[100]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 12: V2V- / V2I-Verbndungen in C-V2X
Quelle: Eigene Darstellung nach Quallcomm (2016), Online im Internet
Anhand von Abbildung 12 lassen sich die Potentiale des mobilfunkbasierten Systems treffend resümieren. Durch das Senden von Meldungen via Mobilfunk an einen zentralen Server sowie die Möglichkeit des Weiterleitens der Meldung an alle sich im Netzwerk befindlichen Empfänger wird die zuvor beschriebene Herausforderung des Netzwerkeffekts adressiert. Der ungehinderte Austausch von Meldungen zwischen Fahrzeugen, die sich nicht in unmittelbarer Nähe zueinander befinden, ermöglicht auch bei geringerer Marktdurchdringung etwa kurz nach der Einführung bereits sicherheits- und komfortsteigernde Effekte. Darüber hinaus entwickeln die Mitglieder der 5GAA das redundante Senden und Empfangen von Meldungen durch die parallele Nutzung beider Kanäle, sofern es die Netzwerksituation erlaubt. So kann selbst bei hoher Verkehrsdichte die latenzarme Übertragung über mindestens einen Kanal gewährleistet werden. [101]
Zuletzt bietet die Verarbeitung aller versandten Meldungen über einen zentralen Server interessante Potentiale in Bezug auf mögliche Services. Eine Möglichkeit wäre die Anreicherung der über den Server versandten Meldungen durch externe Informationsquellen, wie Unfallorte durch Polizeimeldungen oder Unwetterwarnungen. Diese könnten je nach Situation die vom Navigationsgerät vorgeschlagene Route beeinflussen, was eine effizientere Verkehrssteuerung und sicherere Fahrten erlaubte. Eine einem vergleichbaren Konzept folgende Smartphone-Anwendung existiert bereits seit 2008 in Form der Waze-App, bei der Benutzer Unfälle, Staus und sogar polizeiliche Verkehrskontrollen manuell melden und somit für alle Anwender sicht- und nutzbar machen können. Waze bezeichnet diese durch Schwarmintelligenz beeinflusste Wegfindung als Crowdsourced Map. [102]
In Europa sind seit Ende 2016 die ersten Nutzer Teil eines Audi-eigenen Fahrzeugnetzwerkes und damit der Schwarmintelligenz. Mit dessen Hilfe werden Daten zu Verkehrszeichen, Staus oder Gefahrensituationen wie Glatteis gesammelt. Die Informationen werden dann per Mobilfunk an einen zentralen Server bei Audi geschickt und von dort aus an Audi-Fahrzeuge verteilt, deren Systeme kompatibel sind. Laut eigener Aussage dient dies der Vorbereitung der Einführung eines herstellerübergreifenden, mobilfunkbasierten Standards, wie ihn die Mitglieder der 5GAA, unter ihnen auch die Audi AG, entwickeln. [103]
Eine zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Arbeit noch hypothetische Potentialprognose ist die Vorhersage von Verkehrssituationen oder sogar Unfällen durch eine an den zentralen V2X-Server angebundene künstliche Intelligenz auf Basis lernender, neuronaler Netze, wie sie in Kapitel 2.4.2 eingeführt wurden. Durch die Clustering-Analyse könnte beispielsweise eine Kette von Meldungen von sich in direkter Nähe zueinander befindlichen Fahrzeuge mit älteren, ähnlichen Ketten verglichen werden um zu überprüfen, zu welchen Folgen diese führten. Führten mehrere vergleichbare Meldeketten zu Unfällen, könnte zunächst eine entsprechende Meldung an alle Fahrzeuge im Umkreis der potentiellen Gefahrensituation verteilt werden. Sollte kurz darauf der Kontakt zu einem der Fahrzeuge durch schwere Unfallbeschädigungen abbrechen, könnte die KI Fahrer in der näheren Umgebung zur Überprüfung und gegebenenfalls Sicherung der Unfallstelle und der Durchführung von Erste-Hilfe-Maßnahmen auffordern sowie Polizei und Rettungskräfte alarmieren.
Dass es sich hierbei noch um ein hypothetisches Konstrukt handelt, ist dem Umstand geschuldet, dass sowohl künstliche Intelligenz als auch zukunftsorientierte V2X-Technologien nur langsam und schrittweise ihren Weg in marktreife Fahrzeuge finden.
Die synergetische Nutzung von V2X-Sensordaten und -Meldungen in Kombination mit künstlicher Intelligenz wird besonders mit Blick auf (voll-)autonome Fahrzeuge diskutiert. So schließt das White Paper zur Gründung von 5GAA mit dem Statement, dass es sich bei C-V2X um ein vitales Netzwerk handle, welches dem Fahrer und den fahrzeugeigenen Assistenzsystemen latenzarm und zuverlässig Meldungen anderer Verkehrsteilnehmer zur Verfügung stellt. Dies ermögliche, durch die Bordsensorik unterstützt, einen sichereren und komfortableren Straßenverkehr. Die alleinige Nutzung der Bordsensorik würde Vorhaben wie die Vision Zero, wonach sich in absehbarer Zeit keine Unfälle mit stärkerem Personenschaden mehr im Straßenverkehr ereignen sollen[104], in weite Ferne rücken. Vielmehr würde die Fusion von immer besseren, vernetzten Sensordaten und künstlicher Intelligenz perspektivisch mit menschlicher Wahrnehmung und Problemlösungsfähigkeit gleichziehen und sie schlussendlich übertrumpfen.[105]
Abbildung 13: Zusammenspiel von Sensorik und Vernetzung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach Qualcomm (2016), Online im Internet
Einen ersten Schritt in Richtung der Unterstützung von V2X-Technologie durch künstliche Intelligenz wurde Anfang 2017 durch ein Joint Venture des Automobilzulieferers ZF Friedrichshafen und dem Hersteller von Grafikprozessoren nVidia vorgestellt. ZF und Nvidia entwickeln gemeinsam ein System für künstliche Intelligenz in der Mobilität. Auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas stellt ZF ein erstes System auf Basis der Nvidia-AI-Technologie vor, das automatisierte Autobahnfahrten unterstützt: Das Modul ZF ProAI lässt Fahrzeuge ihre Umgebung verstehen, indem es mittels KI-Technologie Sensor- und Kameradaten verarbeitet und interpretiert. ZF ProAI nutzt eine skalierbare Rechnerplattform und künstliche Intelligenz, um Eingangssignale mehrerer Kameras plus LiDaR-, Radar- und Ultraschallsensoren zu verarbeiten. Eine detaillierte Einführung in die Sensortechnik moderner Fahrzeuge erfolgt im nächsten Kapitel. Das System soll so die Peripherie des Fahrzeugs in Echtzeit erfassen können, es auf hochaufgelösten Karten präzise lokalisieren und einen sicheren Fahrweg gewährleisten. Die Serienfertigung ist ab dem Jahr 2018 geplant. ZF liefert ZF ProAI als ins Fahrzeug integriertes System. Aktualisierungen erfolgen über eine Cloud-Anbindung via Mobilfunknetz. Außerdem sind so im Verlauf des Produktlebenszyklus zusätzliche Funktionen und Services installierbar, um das System an neue Richtlinien oder Mobilfunkstandards anzupassen. Das System ist für C-V2X-Applikationen ausgelegt, kann also mit anderen Fahrzeugen und mit der Mobilfunk-Infrastruktur kommunizieren. [106]
Anfang 2017 stellte der Chiphersteller und 5GAA-Gründungsmitglied Intel unter dem Namen Intel GO eine Plattform für die Entwicklung und Steuerung autonom fahrender Autos vor. Die Intel GO In-Vehicle Development Platform for Automated Driving soll es den Herstellern ermöglichen, Lösungen für Beobachtung der Umgebung und die Entscheidungsfindung zu entwickeln. Die Intel GO Automotive 5G Platform bietet eine Anbindung an das kommende 5G-Mobilfunknetz. Kurz vor Vorstellung der Plattform hatte Intel ein passendes 5G-Modem angekündigt, das noch in 2017 verfügbar sein soll. Das plattformeigene Intel GO Automotive Software Development Kit umfasst verschiedene Entwicklungstools etwa für Deep Learning und Computer Vision. Intel GO soll in der zweiten Jahreshälfte 2017 in 40 autonomen Fahrzeugen getestet werden, die BMW zusammen mit Mobileye, dem israelischen Hersteller von Fahrerassistenzsystemen, entwickelt. [107] [108]
Evaluierung
Aktuelle Entwicklungen in der V2X-Technologie korrelieren mit einigen, wichtigen Indikatoren der Digital Transformation. Zentral ist zunächst der erste Indikator aus der Dimension Produktinnovation 1. Wir haben unsere Produkte und Dienstleistungen mit digitalen Angeboten ergänzt. Die Möglichkeit, Internetdienste wie Facebook oder Hotelsuchen über in das Fahrzeug integrierte Systeme zu nutzen ist bereits in Serie. Bei BMW handelt es sich dabei um ConnectedDrive, Mercedes hat Comand Online und Volkswagen das Car-Net. Darüber hinaus sind internetbasierte Informationsdienste wie etwa die aktuelle Verkehrslage, Wetterberichte, eine Tankstellensuche aber auch Radiosender und Musik als Stream Teil der angebotenen Leistungen. Die dafür nötige Internetverbindung wird über eine Mobilfunkverbindung gewährleistet. Auch Nachrüstmöglichkeiten in Form von bezahlbaren Mini-Routern sind bereits erhältlich. [109]
Eine wichtige, technische Voraussetzung für das von 5GAA angestrebte C-V2X ist damit bereits bis zur Marktreife entwickelt und erhältlich. Ein weiterer, entscheidender Anspruch an zukunftsfähige V2X-Technologie ist die Aktualisier- und Erweiterbarkeit. ZFs zuvor beschriebene ProAI demonstriert die diesbezüglichen Potentiale der mobilfunkbasierten Lösung durch Softwareupdates und Funktionserweiterungen über Mobilfunk. Dies tangiert einen Indikator aus der Dimension Informationstechnologie: 1. Wir sind in der Lage, unsere digitalen Angebote auch kurzfristig anzupassen, wenn es unser Geschäft erfordert. Digitale Angebote umfassen in diesem Sinn in Zukunft somit auch sicherheitsrelevante Dienste auf Basis von V2X.
Eine der schwierigsten Hürden zur Massenreife von V2X ist die Findung eines herstellerübergreifenden Standards, um Fahrer mit sicherheitsrelevanten Meldungen aus einem großen Netzwerk zu unterstützen. 5GAA zielt mit der Etablierung der Mobilfunktechnologie für C-V2X auf die Einführung eines solchen performanten, skalierbaren und offenen Standards. Durch die für andere, mobile Services genutzte Funktechnologie ist darüber hinaus die synergetische Anbindung dieser Services an C-V2X-Services denkbar. Dies entspricht dem Indikator 2. Wir können unsere Systeme dank offene Schnittstellen problemlos an neue eigene oder fremde Angebote anbinden.
Aus unternehmerischer Sicht stellt die Einigung auf einen gemeinsamen TechnologieStandard jedoch auch ein Risiko dar. Besonders die im stetigen Wettkampf um Marktanteile und innovative Alleinstellungsmale befindlichen, deutschen Premiumhersteller opfern für die Markt- und Massenreife der V2X-Technologie eben jenes potentielle Alleinstellungsmerkmal der sicherheitsorientierten Fahrzeugvernetzung. Das Vorhaben, sicherheitsrelevante Technologien in Kooperation unter der Perspektive eines sichereren Straßenverkehrs anstatt isoliert und im Zeichen des Shareholder-Value voranzutreiben betrifft die Dimension Kultur: 5. Wir fördern die Entwicklung von innovativen, digitalen Lösungen, auch wenn wir wissen, dass dies ein finanzielles Risiko darstellen kann.
Abschließend ist festzustellen, dass die Vernetzung von Fahrzeugen untereinander sowie mit anderen digitalen Services ein zentraler Bestandteil der Digitalisierung des Automobils ist. In der Vergangenheit fand die Entwicklung eher zögerlich statt und beschränkte sich auf die Erfüllung kommender, staatlicher Vorschriften wie dem eCall oder Komfortfeatures wie Musikstreaming. Hürden waren das Fehlen eines Standards und die damit ungewisse Zukunft von V2X. Doch die Gründung von 5GAA im Herbst 2016 und die nur wenige Monate darauffolgende, bereits erwähnte Demonstration von mobilfunkbasierter Vernetzungstechnik durch die 5GAA-Gründungsmitglieder Audi, Intel und BMW ebnen nicht nur den Weg für herstellerübergreifende Fahrzeugvernetzung und einem damit sichereren Straßenverkehr, sondern für auch (voll-)autonome Individualmobilität. Jedoch handelt es sich bei den genannten Ereignissen um zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Arbeit aktuell stattfindende Entwicklungen. Eine flächendeckende, herstellerübergreifende Implementierung von C-V2X ist genau wie die Einführung und Verbreitung des 5G-Standards frühestens 2019 zu erwarten.[110]
Somit befindet sich V2X aktuell auf dem Übergang vom Reifegrad 2 Conceptual zum Reifegrad 3 Defined. Lange hielten unterschiedliche Standards und Pilotprojekte von Herstellern und Zulieferern den Bereich in Conceptual. Doch jüngste, technische Entwicklungen und Perspektiven sowie branchenübergreifende Kooperationen signalisieren eine klare Strategie für die Zukunft.
3.2.2 Autonomes Fahren
Eine der aktuell meistbeachteten und -diskutierten Entwicklungen der Automobilindustrie ist der Weg zu vollautonomen Fahrzeugen. Neben der technischen Herausforderung hat diese Entwicklung auch gesellschaftliche, soziale und juristische Implikationen. Im Folgenden wird daher zunächst der Begriff des autonomen Fahrens durch die Schilderung der Automatisierungsgrade von Fahrzeugen gemäß der US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA eingeführt. Darauf folgt ein Überblick über die technischen Voraussetzungen des autonomen Fahrens und die damit verbundenen Herausforderungen. Vor der Validierung des Entwicklungsstandes wird auf die aktuellen, juristischen Rahmenbedingungen und Entwicklungen eingegangen.
Die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA teilt Fahrzeuge hinsichtlich ihres Automatisierungsgrades wie folgt ein:
Stufe 0: Keine Automation. Allein der Fahrer steuert das Fahrzeug in allen Verkehrslagen, zu jeder Zeit und ist für die Überwachung des Verkehrs im Fahrzeugumfeld voll verantwortlich.
Stufe 1: Funktionsspezifische Automation. Bestimmte Fahrzeugfunktionen können voneinander unabhängige, isolierte Aufgaben selbstständig übernehmen. Beispiele sind das Antiblockiersystem (ABS) oder das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP). Der Fahrer ist weiterhin allein für die Fahrzeugführer verantwortlich.
Stufe 2: Integrierte Assistenzsysteme. Auf dieser Stufe agieren funktionsspezifische, selbstständige Systeme im Verbund miteinander. In spezifischen Verkehrssituationen können diese Systeme sicherheitsrelevante Fahrzeugführungsfunktionen übernehmen. So kann eine Gefahrenbremsung durch ein Radarsignal aufgrund eines Hindernisses bei schlechten Sichtverhältnissen wie Nebel autonom ausgelöst werden. Der Fahrer ist weiterhin für die Sicherheit des Fahrzeugs voll verantwortlich und muss jederzeit manuell eingreifen können, wenn die Verkehrslage dies erfordert.
Stufe 3: Begrenzt-autonomes Fahren. Unter besonderen Umstanden, beispielsweise bezogen auf Verkehrslage oder Witterung, übernimmt das Fahrzeug die komplette Kontrolle über alle sicherheitsrelevanten Fahrzeugfunktionen. Das Fahrzeug übernimmt die vollständige Überwachung der Verkehrslage und informiert den Fahrer bei Bedarf, dass er die Kontrolle über das Fahrzeug übernehmen muss, was jedoch mit einem zeitlichen Vorlauf erfolgt.
Stufe 4: Vollautonomes Fahren. Das Fahrzeug agiert in allen Verkehrslagen selbstständig und ist für die eigene Sicherheit und die seiner Umgebung voll verantwortlich. Außer für die Vorgabe des Fahrziels ist der Fahrer zu keiner Zeit für die Steuerung oder Überwachung des Fahrzeugs verantwortlich. [111]
Ein vollautonomes Fahrzeug der 4. Stufe ist auf Bündelung diverser Technologien angewiesen. Die folgende Abbildung fasst diese Kerntechnologien und ihre Ausprägungen zusammen.
Abbildung 14: Umfelderfassung für das hochautomatisierte Fahren
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach Estl (2016), Online im Internet
Eine bereits zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Arbeit in vielen Fahrzeugen verbaute Sensortechnik sind Radarsensoren unterschiedlicher Reichweite und Signalstärke. Diese auf elektromagnetischen Wellen basierende Technik zur Ortung und Distanzmessung von Objekten erlaubt zuverlässige Unterstützung bei Parkvorgängen oder Abstandsregeltempomaten, um einen konstanten und sicheren Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug zu halten. Ebenfalls kommt zur Überwachung des direkten Fahrzeugumfeldes ultraschallbasiertes Sonar zum Einsatz. Um dem Fahrer einen Rundumblick zu ermöglichen und so tote Winkel zu eliminieren werden ferner Kameras eingesetzt, die ihr Signal einerseits über einen dem Fahrer gut sichtbaren Bildschirm anzeigen, als auch als Input zur Umfeldanalyse durch das Steuergerät dienen können. Kameras liefern ein zweidimensionales Abbild eines dreidimensionalen Umfelds in Form von hoch aufgelösten Grauwerten oder Farbbildern, aus denen bei genügend Kontrast einzelne Objekte mit Methoden der Bildverarbeitung extrahiert werden können. Eine Bestimmung der Objektentfernung ist mit Mono-Kameras allerdings nur mit oft zu Fehlern führenden Annahmen wie einer ebenen Fahrbahn möglich. [112]
Eine Sensorneuerung im Hinblick auf autonomes Fahren stellt Light Detection and Ranging, kurz LiDaR, dar. Dabei handelt es sich um lasergestützte, an schnell rotierenden Bauteilen befestigte Sensoren, die in Echtzeit und im breiten Umfeld Gegenstande und ihre Entfernung zum Fahrzeug fast auf den Zentimeter genau erkennen können. [113]
Sonar-, Radar-, aber auch LiDaR-Sensoren liefern sehr genaue und nahezu distanzunabhängige Entfernungsmessdaten. Sie können aber aufgrund der geringeren Winkelauflösung die Konturen, sprich die Außenabmessungen von Objekten, schlecht erfassen. Dies gilt insbesondere für Radarsensoren. Aufgrund dieser unterschiedlichen Messeigenschaften werden die unterschiedlichen Sensortypen für die Aufgabe der maschinellen Wahrnehmung in der Regel kombiniert verwendet. Dies wird auch als Sensorfusion bezeichnet. [114]
Ein Beispiel für Sensorfusion ist ein Videokamerasystem, das mit einem Radarsystem kombiniert werden kann. Somit kann das System im Nebel trotzdem das Ende eines Staus erkennen oder bei besonders unüberschaubaren Verkehrsverhältnissen ein Gesamtrisiko berechnen und die Fahrzeuggeschwindigkeit anpassen. Ein solches System haben verschiedene Anbieter bereits im Angebot, so zum Beispiel das RaCam -System des Automobilzulieferers Delphi aus dem Jahr 2016. [115]
Mit den fusionierten Sensordaten lassen sich bewegte und statische Objekte, aber auch Fahrbahnmarkierungen grundsätzlich erkennen und vermessen. Die möglichen Messdimensionen hängen vom spezifischen Sensor-Setup ab. Typisch erfassbare, physikalische Messdaten sind die Abmessungen eines Objekts als Quadermodell mit Länge, Breite und Höhe sowie seine Position absolut in der Welt oder relativ zum eigenen Fahrzeug. Im Fall von bewegten Objekten kommen die Objektgeschwindigkeiten und Objektbeschleunigungen als relativ einfach bestimmbare Zustandsgrößen hinzu. Schwerer und in der Regel sehr unsicher bestimmbar aus Sensormessungen ist die Gierrate, also die Rate der Bewegungsrichtungsänderung anderer Verkehrsteilnehmer. Diese Größe ist ohne V2X-Kommunikation nur für das eigene Fahrzeug zuverlässig ermittelbar.
Einen Überblick über die technischen Herausforderungen des autonomen Fahrens liefert die Abbildung in Anhang 1 auf Seite 92 . Diese beziehen sich hauptsächlich auf Sensorik und bereits im vorherigen Kapitel behandelte Fahrzeugvernetzung, sowie eine weitere Kategorie: Einer der größten Kostenfaktoren bei der Entwicklung des autonomen Fahrzeugs stellen geeignete Algorithmen dar. Dabei handelt es sich um verschiedene, auf einander folgende Aufgaben, die die Software zu bewältigen hat. Die erste und den weiteren Verarbeitungsschritten zugrundeliegende Aufgabe stellt zunächst die Signalkonversion dar. Dies bezeichnet die Übertragung der Sensorsignale in ein Abbild der Außenwelt für die interne Wahrnehmung des Fahrzeugs. Auf Basis dieses Abbildes erfolgt die Signalinterpretation. Objekterkennung und -klassifizierung sind hierbei die Schwerpunkte. So ist zu ermitteln, ob es sich bei einem Signalinput um eine Straßenmarkierung, ein Verkehrszeichen oder gar um ein Hindernis handelt. Hierzu kommt es zur beschriebenen Fusion von Sensordaten. [116]
Der letzte Schritt ist schließlich die Entscheidungsfindung anhand der aktuellen Datenlage und gehört zu den besonderen Herausforderungen in diesem Kontext. Während eine Autobahnfahrt bereits komplexe Entscheidungen verlangt, ist die Liste verschiedener Sonderfalle in einem Stadtgebiet ungleich länger. Überholen eines Müllabfuhrwagens, Fahren über Zebrastreifen, an dem Menschen stehen, die jedoch die Straße nicht überqueren möchten, Verhalten in Straßenverengungen unter Teilnahme von Schienenfahrzeugen oder Erkennung von Umzugslastern und entsprechendes Verhalten in ihrer Nähe setzten bereits bei menschlichen Fahrern Vorrausicht und Erfahrung voraus. Da die Komplexität dieser Algorithmen oft exponentiell ist und die Sensordaten häufig ungenau sind, wie etwa Kameradaten im leichten Nebel, können auch die schnellsten Systeme keine hundertprozentige Objekterkennung garantieren. [117]
Auch in besonders kritischen Situationen, in denen ein Unfall nicht mehr verhindert werden kann, muss das Fahrzeug unverzüglich eine Entscheidung treffen, die zu einem möglichst geringen Schaden führt. Eine neue Klasse von Echtzeit-Mustererkennungs- und Entscheidungsheuristiken muss daher eine Reife erreichen, die sowohl technischen, juristischen als auch ethischen Anforderungen genügt. [118]
Ein neues, am 30.3.2017 im Bundestag verabschiedetes Gesetz ändert das bestehende Straßenverkehrsgesetz und lässt künftig auch in Serienfahrzeugen auf öffentlichen Straßen technische Systeme zu, die die Steuerung des Autos zumindest zeitweise übernehmen. Diese Stufe umfasst Technik, die das Lenken, Beschleunigen und Bremsen für einen bestimmten Zeitraum oder in spezifischen Situationen übernimmt. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung den Fahrern von Wagen mit der neuen Technik, die sich aktuell in der Entwicklung befinden, Rechtssicherheit geben – und den Autoherstellern Planungssicherheit. [119]
Bisher verlangt die Straßenverkehrsordnung, dass der Fahrer die gesamte Fahrzeit über seinen Blick auf die Straße richtet und mit ständiger Aufmerksamkeit den Wagen lenkt. Das neue Gesetz lockert diese Vorgabe: Im automatisierten Modus darf der Fahrer sich künftig vom Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugsteuerung abwenden. Die Technik darf nur in genau definierten Fällen zum Einsatz kommen. Ist eine bestimmte Funktion etwa nur für Autobahnen entwickelt, darf sie auf der Landstraße nicht aktiviert werden oder überhaupt aktivierbar sein. Welche Nebentätigkeiten aber im automatisierten Modus erlaubt sind, führt das Gesetz nicht ausdrücklich auf.
Doch ob jegliche Nebentätigkeiten für Fahrzeugführer überhaupt ratsam sind, ist angesichts der Pflichten, die das Gesetz dem Fahrer weiterhin auferlegt, diskutabel. Selbiger ist jederzeit dazu verpflichtet, nach Aufforderung durch das System, etwa durch ein akustisches Signal, die Steuerung des Wagens wieder zu übernehmen. Dafür räumt das Gesetz dem Fahrer eine ausreichende Zeitreserve ein, die es ihm ermöglichen soll, sich wieder auf den Verkehr und die Fahrsituation einzustellen. [120] Dieser Grad der Automatisierung ist vergleichbar mit Stufe 3 der zuvor beschriebenen Einteilung der NHTSA und bildet dementsprechend die letzte Vorstufe zu vollautonomen Fahrzeugen.
Gegenstand umfangreicher Diskussionen von Gesetzgebern und Herstellern war und ist die Haftungsfrage bei Unfällen von Fahrzeugen im automatisierten Modus. Das neue Gesetzt geht auf diese Frage wie folgt ein: Zunächst ist zu klären, ob das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Unfalls im automatisierten Modus war. Wenn ja, muss geprüft werden, ob die Technik bestimmungsgemäß eingesetzt wurde oder ob, wie eben beschrieben, die Voraussetzungen dafür nicht oder nicht mehr vorlagen und der Fahrer die Fahrzeugsteuerung nach Aufforderung des Systems nicht wie vorgeschrieben unverzüglich übernahm. [121]
Diese Herangehensweise wurde von Politiker Herbert Behrens, Bundestagsabgeordneter der Fraktion Die Linke, während der dritten Beratung des deutschen Bundestages am 20.2.2017 zur beschriebenen Gesetztesänderung scharf kritisiert. Seiner Ansicht nach verfolge das Gesetz nicht primär das Ziel, moderne Technologie zur Erhöhung der Verkehrssicherheit zu ermöglichen, sondern der Automobilindustrie ein neues Geschäftsfeld zu eröffnen. Dies stehe im Gegensatz zu einander, da mithilfe dieses Gesetztes Autofahrer und andere Verkehrsteilnehmer als Versuchspersonen missbraucht würden. Durch die im Gesetz verankerte Pflicht des Autofahrers, in Notsituationen jederzeit wieder die volle Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen, könne die Industrie Entwicklungsbedarfe und Optimierungspotentiale ermitteln und nähme zu diesem Zweck die Gefährdung der Bürger in Kauf. Dazu beruft sich Behrens auf eine Mitteilung der Bundesverbraucherzentrale, wonach das Gesetz klare Haftungsregeln vermissen lässt und die Rechtsprechung lediglich auf dem konkreten Tatbestand und den Gerichten beruht. [122]
Der amerikanische Hersteller Tesla ging bei der Vorstellung des 2018 final erscheinenden Ausstattungspakets Fully Autonomous Capability bereits über den Punkt hinaus, den Behrens glaubte aufzudecken. Die Kunden des Ausstattungspakets in 1.000 Fahrzeugen, produziert im 4. Quartal 2016, konnten den vollen Funktionsumfang des Extras zu Beginn noch nicht in Gänze nutzen, sondern lediglich durch manuelles Fahren ein gewaltiges Training-Dataset durch die neuen mit dem Packet installierten Sensoren aufbauen. Dieses Dataset wird die künstliche Intelligenz, auf der viele der Sicherheitsfeatures fußen, trainieren und so das Autonomous Feature vor dem tatsächlichen Veröffentlichung final verfeinern. Um Sensordaten in Fahrbefehle umzuwandeln, rüstet Tesla die neuesten Modelle mit Nvidia’s Drive PX 2 aus, einem sehr leistungsfähigen Computer, welcher auf Basis von Deep Learning permanent die Leistung des Systems in allen Verkehrssituationen optimiert. [123]
Ein weiterer Kritikpunkt Behrens‘ ist der Datenschutz. Der Umgang mit den erzeugten und via Netzwerk versandten Daten sei im Gesetz nicht verbrauchergerecht repräsentiert. Die Linke-Fraktion hatte einen Antrag eingereicht, wonach Sensordaten ausschließlich nach Unfällen gespeichert und Dritten zugänglich gemacht werden dürften. [124]
In Sachen Datensicherheit sei künftig verstärkt ein gesellschaftlicher Diskurs nötig, wenn es darum geht, Daten im autonomen Fahrzeug zu erfassen, zu verarbeiten und via Vernetzung zu versenden, so Michael Fausten, Bosch-Projektleiter für automatisiertes Fahren. Automatisierte Fahrzeuge brauchen viele Daten etwa über die aktuelle Verkehrssituation oder Gefahrenstellen. Dabei sei es aber nicht wichtig, von welchem Auto die Daten stammten. Über spezielle Verfahren könnten die erfassten Identitätsnummern der Fahrzeuge anonymisiert werden, so dass die Daten nicht individuell rückführbar seien. Es sei wichtig, dass erklärt wird, was mit den Daten geschieht, so Fausten. [125]
In Anlehnung an das im nächsten Kapitel vorgestellte Plattform-Prinzip schließt dieses Kapitel mit einer wegweisenden, branchenübergreifenden Entwicklung.
Die Unternehmen BMW, Intel, Mobileye und Delphi wollen gemeinsam eine herstelleroffene Plattform für autonomes Fahren entwickeln. Das kündigten die Firmen am Dienstag gemeinsam an. Ziel ist es, gemeinsam ein Kooperationsmodell aufzusetzen, das skalierbare Lösungen für die gesamte Automobilindustrie sowie potentiell weitere Branchen liefert. Weitere Integrations- und Entwicklungspartner sind bereits einer Kooperation interessiert, um Automobilhersteller bei der Erfüllung der zukünftigen Kundenbedürfnisse zu unterstützen. Schon im vergangenen Juli hatten der Autohersteller BMW, der Chiphersteller Intel und der Kamerahersteller Mobileye eine Zusammenarbeit bei der Entwicklung hoch- und vollautomatisierter Fahrzeuge angekündigt. Mobileye und der Automobilzulieferer Delphi gaben wiederum im August 2016 bekannt, gemeinsam bis zum Jahr 2019 ein schlüsselfertiges System für selbstfahrende Autos auf den Markt bringen zu wollen. Im November 2016 teilte Intel mit, für Mobileye und Delphi die Prozessoren zu liefern. Im März dieses Jahres kaufte Intel dann den israelischen Kamerahersteller für 15 Mrd. Dollar. BMW hatte auf der CES 2017 angekündigt, noch in der zweiten Hälfte des Jahres 2017 rund 40 autonome Testautos mit der Technik von Intel und Mobileye auszurüsten. Die Serienproduktion von hoch- und vollautomatisierten Fahrzeugen soll bis 2021 ermöglicht werden. [126]
Delphi soll den drei Kooperationspartnern dabei helfen, die neu entwickelten Systeme für andere Hersteller anbieten zu können. Der Zulieferer solle dafür sorgen, die entwickelten Lösungen in die jeweiligen Fahrzeugarchitekturen der entsprechenden Hersteller zu integrieren. Zudem stellt Delphi notwendige Hardware-Komponenten wie Sensoren bereit oder sorgt für die spezifische Anpassung der Technik an Kundenwünsche. [127]
Evaluierung
Branchenbezogen wirken auf die Validierung des Entwicklungsstandes der Digital Transformation in diesem Bereich die gleichen Indikatoren wie für das zuvor beschriebene, vernetze Fahrzeug. V2X stellt in vielerlei Hinsicht eine Voraussetzung für autonomes Fahren in höheren NHTSA-Automatisierungsstufen dar. Die jüngsten, technischen Entwicklungen werden autonomem Fahren daher in absehbarer Zukunft den Weg Richtung Serienreife durch groß angelegte Feldversuche und hersteller- oder sogar branchenübergreifende Kooperation wie 5GAA und beschriebene BMW-Kooperation ebnen. Entscheidend ist darüber hinaus die jüngste, legislative Entwicklung. Zwar schafft diese in Deutschland Rechtssicherheit für Autofahrer und den Autoherstellern Planungssicherheit, jedoch ist lediglich ein Automatisierungsgrad der Stufe 3 gesetzlich verankert. Dabei bleiben wichtige Fragen zu Datenschutz oder vollautonomem Fahren weitestgehend unberücksichtigt. Unterdessen bilden Hersteller Allianzen und Partnerschaften mit Technologieunternehmen und Zulieferern um Pilotprojekte auf den Weg zu bringen.
Daher wird der Entwicklungsstand des vollautonomen Fahrens als Reifegrad 2 Conceptual eingestuft.
3.3 Digital Transformation der Geschäftsmodelle
" Diese digitale Transformation ist bei uns in vollem Gange. Mercedes-Benz wandelt sich vom Automobilhersteller zum vernetzten Mobilitätsanbieter." – Dieter Zetsche, CEO Daimler AG [128]
Daten sind das neue Gold des 21. Jahrhunderts - dieser Satz verdeutlicht die zunehmende Bedeutung von Digitalisierung im Bereich der Mobilität der Zukunft. Mobilität wird demnach nicht mehr nur von der Automobilindustrie geprägt. Vielmehr wird die Mobilitätsbranche durch die Vernetzung mehrerer Industrien bestimmt. Informations- und Kommunikationstechnologien spielen eine ebenso bedeutende Rolle wie Internet-Dienstleistungsunternehmen, Energieversorger, die Telekommunikationsbranche, Personenbeförderungsgesellschaften im Nah- und Fernverkehr sowie öffentliche und kommunale Einrichtungen. Durch die Vernetzung verschiedener Industrien findet ebenso eine Transformation und Vernetzung der Produkte und Dienstleistungen, sowie eine Digitalisierung der Angebote statt. Insbesondere digitale Dienstleistungen spielen dabei eine übergeordnete Rolle, wie anhand von Praxisbeispielen im folgenden Kapitel erläutert wird.[129]
Gerade in Ballungsräumen lässt sich eine abnehmende Gebundenheit an ein Fahrzeug unter anderem auf Grund gut ausgebauten öffentlichen Verkehrs beobachten. In den letzten Jahren lässt sich ebenfalls ein Wandel der Nutzung aller Verkehrsmittel aufgrund moderner Informations- und Kommunikationsmedien feststellen. Begonnen hat diese Entwicklung im Kfz-Bereich durch den Einsatz von Navigations- und Fahrerassistenzsystemen, womit die Nutzung komfortabler wurde. Von dieser Entwicklung kann auch der öffentliche Personenverkehr seit einigen Jahren profitieren. Durch den Einsatz des mobilen Internets ist es beispielsweise möglich, Echtzeit-Fahrtgastinformationen bereitzustellen oder den Erwerb von Fahrausweisen online durchzuführen. Darüber hinaus unterstützen die Veränderungen im IT-Bereich auch den Trend der Shareconomy und somit Sharing-Angebote und Mitfahrsysteme.[130]
Das folgende Kapitel schildert die neuen Dynamiken und Herausforderungen, denen die Automobilindustrie gegenübersteht. Dabei wird zunächst auf digitale Plattformen eingegangen, die Anbietern die synergetische Kopplung von Services oder die Kooperation von Unternehmen zwecks digitaler Dienstleistungen ermöglichen. Beispiele dieser Dienstleistungen unter anderem unter der Verwendung von Plattformen werden im darauffolgenden Kapitel erörtert. Ferner wird auf neue Entwicklungen in branchenübergreifenden Konkurrenzsituationen als auch Kooperationen eingegangen. Aufgrund der inhaltlich starken Verzahnung der beiden, folgenden Unterkapitel erfolgt eine Evaluierung des Entwicklungsstandes der Digital Transformation erst zum Ende des zweiten Unterkapitels 3.3.2.
3.3.1 Digitale Plattformen
Plattformen sind Systeme auf deren Basis neben den Plattformentwicklern auch andere Anbieter eigene Produkte und Dienstleistungen anbieten können. Damit können Plattformen an unzählige Bedürfnisse und Nischen angepasst werden, die die ursprünglichen Entwickler nicht antizipiert haben oder für die sie nicht über die notwendigen Ressourcen verfügten.[131] Beispielsweise trugen zum großen Erfolg der Smartphones zahlreiche Entwickler bei, die Funktionen der Smartphones durch Apps erweiterten. Was als mobiles Telefon mit Internet-Zugang konzipiert war, wurde bald als Kassensystem, Spielekonsole oder für medizinische Untersuchungen eingesetzt.
Die Vernetzung von Fahrzeugen bietet Chancen für neue Plattformen. Viele Hersteller haben proprietäre Angebote entwickelt, wie an späterer Stelle noch beschrieben wird. Versuche, Standards zu entwickeln kommen insbesondere im B2B-Bereich traditionell nur langsam voran, worauf ebenfalls im weiteren Verlauf noch eingegangen wird.[132] Mit Hilfe von Plattformen können Anbietern dennoch gemeinsam Leistungen entwickeln und so den Kunden einen höheren Nutzen zu bieten.[133]
Plattformen gehören zu den attraktivsten Geschäftsmodellen. Die Betreiber profitieren in der Regel durch gegenseitige Synergien oder von den Leistungen anderer Anbieter. So nimmt Apple beispielsweise 30% Provision auf Umsatze im Apple Store. Gleichzeitig sind Plattformen im Wettbewerb von Vorteil. Ihre Innovationsrate ist durch die Partnerschaft der Plattformentwickler und den Einbezug externer Anbieter hoch.[134] Dazu kommen Netzwerk-Effekte. Je mehr Teilnehmer das Netzwerk umfasst, desto mehr Potentiale ermöglichen sie.
Während Anbieter neuer Plattformen mit entsprechend übersichtlichem Netzwerk externen Entwicklern und Anbietern anfangs wenig zu bieten haben, haben die ersten Anbieter Vorteile, da sich ihr Ökosystem bereits entwickelt hat, wenn weitere Anbieter einsteigen und die Plattform wächst.[135]
Durch die Vernetzung des Autos und die Entwicklung digitaler Services entstehen im Mobilitätssektor neue Märkte, deren Anteilsverteilung auf die Marktteilnehmer noch nicht entschieden ist, sondern die sich erst bilden und strukturieren. Geschäftsmodelle werden entwickelt, Allianzen und Partnerschaften gebildet, neue Akteure drängen auf den Markt und fordern etablierte Hersteller heraus. Generell deutet es sich jedoch an, dass sich nur offene Modelle bzw. Plattformen behaupten werden, während proprietäre Lösungen einzelner Hersteller nie eine nennenswerte Marktdurchdringung erreichen. So hat kein etablierter Hersteller genügend Marktmacht, damit es für Entwickler und Anbieter von digitalen Lösungen attraktiv genug wäre, lediglich für dessen proprietäre Plattform zu entwickeln. Stattdessen muss ein Entwickler heute für jeden Hersteller explizite Anpassungen durchführen, die nicht skalierbar und somit ökonomisch nicht nachhaltig zu tragen sind. Dies behindert die Entwicklung eines fruchtbaren Ökosystems und öffnet somit die Türen für bereits etablierte Plattformen für digitale Services, beispielsweise von IT- Unternehmen Apple und Google.[136]
Nokia Here Maps
Die Kooperation von Automobilherstellern zwecks digitaler Plattformen ist zwar kein altes, aber in Anbetracht der zuvor eingeführten Gründe vielversprechendes Phänomen.
Die Audi AG, BMW Group und die Daimler AG schlossen die gemeinsame Übernahme des digitalen Kartengeschäfts Here Maps von Nokia Ende 2015 erfolgreich ab. Die drei Partner übernehmen den Kartendienst jeweils zu gleichen Teilen. Während den Übernahmeverhandlungen waren der Ridehailing-Anbieter Uber sowie Facebook als Bieter für Nokia Here Maps ausgeschieden.
Für die Automobilhersteller ist Nokia Here nicht nur ein wichtiger Lieferant von Kartenmaterial und Echtzeitverkehrsinformationen für Navigationssysteme. Vielmehr wird Nokias exaktes Kartenmaterial für Versuche und Pilotprojekte mit hoch- und vollautomatisiert fahrenden Autos benötigt. Auch für die Weiterentwicklung der bereits vorhandenen Fahrerassistenzsysteme und für alle Arten von ortsbezogenen Diensten ist das Material entscheidend wichtig. Dabei werden hochpräzise, digitale Karten mit Echtzeit-Fahrzeugdaten fusioniert, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen und neue Produkte und Dienstleistungen zu ermöglichen. Auf Grundlage der gemeinsamen Rohdaten können die Automobilhersteller ihren jeweiligen Kunden differenzierte und markenspezifische Dienste anbieten. All diese Technologien benötigen einen aktuellen und genauen Umgebungsplan des Fahrzeugs, um frühzeitig auf sicherheitsrelevante Situationen reagieren zu können. Diese Kartendaten soll Here Maps liefern.
Audi, BMW und Daimler wollen die Kartendienste von Here Maps auch anderen Kunden aus der Automobilindustrie und anderen Branchen zur Verfügung stellen. Das Management von Here solle auch weiterhin weitestgehend unabhängig agieren können. Übergeordnetes Ziel ist es, das Geschäftsmodell von Here als für alle Kunden offene Plattform weiter voranzutreiben. Das Konsortium der drei deutschen Automobilhersteller wolle sich nicht im Tagesgeschäft engagieren, wie Audi, BMW und Daimler im Zuge der Übernahme betonten. Neben Kartendaten agiert Here bereits zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Arbeit als Plattform für Verkehrsinformationen wie Staus, Unfälle oder Straßensperrungen. Durch den Ausbau dieser Funktionen ist Here eine geeignete Basis für die Visualisierung und Verteilung von via C-V2X ins Netzwerk gemeldeten Gefahrensituationen wie Witterungsverhältnissen und Geisterfahrern.[137]
Projekt DIPP
Insgesamt sieben Unternehmen aus der deutschen Industrie, sowie der Banken- und Versicherungswelt riefen Anfang 2017 eine eigene Datenplattform ins Leben. Neben Daimler sind die Allianz, Axel Springer, die Deutsche Bank mit der Postbank sowie die IT-Beratung Core und der Kartendienst Here Maps an Bord. Gemeinsam wollen sie eine Registrierungs-, Identitäts- und Datenplattform schaffen, um es Kunden zu erleichtern, sich für digitale Services zu registrieren. Die sieben Unternehmen unterzeichneten eine entsprechende Absichtserklärung. Arbeitstitel des Bündnisses ist Projekt DIPP.
Die Kooperation soll ein wettbewerbsfähiger, europäischer Gegenpool zu Google, Facebook und weiteren IT-Firmen sein. Diese Firmen bieten auf verschiedensten Webseiten von Drittanbietern die Möglichkeit, sich nicht mit manuell eingetragenen Daten registrieren zu müssen, sondern gleich das eventuell bereits vorhandene Facebook-, Twitter-, LinkedIn-, oder Google-Profil zu nutzen. Dies gestaltet sich äußerst anwenderfreundlich, da für Registrierung und Anmeldung lediglich ein Klick notwendig ist. Für die Anbieter eines solchen Services ist es darüber hinaus höchst wertvoll, da Nutzer- und Nutzungsdaten zwischen beispielsweise Facebook und der Webseite, die den 1-Klick-Service anbietet, ausgetauscht werden können. Auf diese Weise ist es Facebook möglich, den betreffenden Nutzer über das hauseigene, soziale Netzwerk hinaus zu charakterisieren und neben Diensten vor allem Werbung an seinen Präferenzen auszurichten. Datenschützer bereiteten diese Prozesse seit jeher Sorgen.[138]
Die Plattform der Unternehmen Daimler, Allianz, Axel Springer und Co. soll nun eine Antwort auf diese Anmeldeprozesse von amerikanischen Unternehmen wie Google oder Facebook liefern, die mittlerweile weltweit etabliert sind. Zudem betonen sie, bei dieser Plattform höchste Standards bei Datensicherheit und Datenschutz gewährleisten zu wollen. Zu diesem Zweck soll die nötige Server-Infrastruktur in Deutschland betrieben werden. Statt auf vereinzelte Integrationslösungen zu setzen, wollen die Initiatoren eine gemeinsame Infrastruktur nutzen. Diese ermöglicht eine unternehmensübergreifende Vernetzung, die wiederum Basis für neue Anwendungen und Services darstellen kann. Zwischen Daimler und der Allianz Versicherung ist somit eine Kooperation nach dem Beispiel der Kooperation von Bosch und HUK-Coburg denkbar. Beide entwickelten gemeinsam eine neue Anwendung, die exakt das Fahrverhalten des Autohalters auf Basis von Telematikdaten registriert und entsprechend daran die Versicherungsrate bemisst. Bevorzugte Zielgruppe sind Fahranfänger, die mit den Tarifen zu einer vorsichtigen Fahrweise motiviert werden sollen.[139]
Zudem soll die Plattform offen konzipiert und kompatibel zu laufenden Vorhaben des Bundes, der Länder und der Kommunen, wie etwa den Bürgerportalen sein. In einer späteren Ausbaustufe sind zusätzliche Funktionen wie etwa ein digitaler Behördenzugang denkbar. Auch die Entwicklung digitaler Zahlungs- und Finanzdienstleistungen sind mit dieser Plattform möglich.[140]
3.3.2 Digitale Dienstleistungen
Digitale Plattformen und Kooperationen, wie im vorherigen Kapitel am Beispiel 5GAA geschildert, sind nicht nur Garant für die Skalierbarkeit und Entwicklungsmöglichkeiten einer Technologie, sondern auch einer digitalen Dienstleistung oder Geschäftsmodells.
Die Digital Transformation begünstigt damit Ansätze der Intermodalität, also der Wahlmöglichkeit innerhalb eines Weges verschiedene Verkehrsmittel miteinander zu kombinieren.[141] [142]
Daimler Moovel
Aufbauend auf diesen und weiteren Auslösern wird anhand eines Praxisbeispiels exemplarisch die daraus resultierende Digital Transformation von Geschäftsmodellen im Bereich der Mobilität erläutert, indem ein Vorreiter vernetzter, intermodaler Mobilität, die Daimler AG, mit dem Tochterunternehmen moovel GmbH analysiert wird. Die moovel GmbH ist eine hundertprozentige Tochter der Daimler AG und organisatorisch der Daimler Financial Services zugeordnet. Moovel wurde im Jahr 2012 als Pilotprojekt des Daimler Bereichs Business Innovation in Stuttgart gestartet und ging aus dem hauseigenen Carsharing-Service Car2Go hervor. Mittlerweile kann das Angebot deutschlandweit genutzt werden.
Daimler baute vor der Gründung von Moovel bereits ein vielfältiges Angebot an neuen Mobilitätsdiensten auf. Zu den bekanntesten Diensten zählt die bereits genannte und 2008 gegründete Carsharing-Tochter Car2go. Die Wagen können per Smartphone gemietet werden und nicht nur an bestimmten Stationen wie bei anderen Carsharing-Anbietern wieder abgestellt werden. Im Jahr 2016 ist die Zahl der Kunden nach Angaben des Unternehmens um 43% auf 2,2 Millionen gestiegen. Weltweit wurden rund 14 000 Fahrzeuge mehr als 22 Millionen mal angemietet.[143] Das erklärte Ziel von Moovel ist es, die Mobilität zu vereinfachen. Dabei bietet die moovel GmbH ihren Kunden verschiedene Mobilitätsdienstleistungen aus einer Hand an.
Mit der moovel App hat der Nutzer Zugriff auf Verkehrsmittelinformationen, Reservierungen, Buchungen und Bezahlung für Car2go, myTaxi, ÖPNV, Deutsche Bahn, Taxizentralen oder Mietfahrräder in ganz Deutschland. Die moovel App vergleicht die Mobilitätsangebote der verschiedenen Mobilitätsdienstleister und zeigt dem Nutzer Möglichkeiten auf, mit welchem Verkehrsmittel oder welcher Kombination das Ziel am schnellsten, preiswertesten oder bequemsten zu erreichen ist. Dabei ist die Plattform grundsätzlich für externe Mobilitätsdienstleister offen. Lediglich eine Kooperation mit Daimler ist Voraussetzung für die Nutzung der moovel App als Vertriebskanal für die eigenen Mobilitätsdienstleistungen.
Aus Sicht der Kunden steht die Marke Mercedes-Benz für Sicherheit, Effizienz und eine seriöse Außendarstellung. Anders hingegen gestaltet sich dies bei der moovel GmbH. Hier steht im Privatkundenbereich das Nutzen statt Besitzen im Vordergrund, ohne sich wirtschaftlich an ein Fahrzeug zu binden. Das zugrundeliegende Prinzip wird auch als Pay-per-Use beschrieben. Zu der Hauptkundengruppe gehören überwiegend Smartphone-affine, junge, gebildete Stadtbewohner. Bei den Geschäftskunden handelt es sich um Start-Up-Unternehmen in Metropolregionen, welche sich keinen eigenen Fuhrpark leisten können oder wollen.[144]
Den herausgehobenen Status als Daimler-Tochter für digitale Mobilitätsdienstleistungen hat die moovel GmbH jedoch im Oktober 2015 eingebüßt. Daimler konsolidierte die die Aktivitäten auf das App-Geschäft und gliederte die moovel GmbH wieder als moovel Group ohne eigenen CEO in den Mutterkonzern ein.
Moovel hatte es von Anfang an schwer, galt die App doch als schwergängig und überflüssig. Die meisten Car2Go -Kunden nutzen beispielsweise eine separate App. Es gab Alternativdienste für intermodale Mobilität wie Ally, die neben Car2go auch Daimler-Konkurrenten wie den Carsharing-Dienst der BMW AG namens DriveNow in die Routenberechnung einbeziehen. Hinzu kamen technische Probleme, etwa bei der Integration des Carsharers der Deutsche Bahn Flinkster, die sich um mehrere Monate verzögerte und schließlich scheiterte.[145]
Wie Abbildung 15 zusammenfassend zeigt, sind im Zuge der Konsolidierung neben Flinkster auch andere Partnerschaften nicht mehr aktuell. Carpooling, der ehemalige Betreiber der Ridesharing-Plattform mitfahrgelegenheiten.de, an der Daimler als Minderheitsgesellschafter beteiligt war, wurde beispielsweise bereits Anfang 2015 vom europaweit agierenden Konkurrenten BlaBlaCar übernommen.[146]
Abbildung 15: Mobilitäts-Partner der moovel-App 2015 vs. 2017
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Schallmo et al. (2016), S. 385 / moovel (2017), Online im Internet
Wie bereits zuvor angedeutet stellen Start-Ups mit digitalen Mobilitätsdienstleistungen wie Ally oder BlaBlaCar nicht nur Konkurrenten, sondern auch potentielle Kooperationspartner oder Übernahmekandidaten etablierter Automobilhersteller dar. Dies ist, wie das Beispiel Moovel demonstriert, oft über eine dem Digitalbereich oder der Konzern-IT unterstellten Tochterunternehmen organisiert. Unter dem ehemaligen Daimler-Tochterunternehmen waren unter anderem das das zugekaufte myTaxi sowie die Beteiligung an carpooling und Flixbus gebündelt.
VW Moia
Besonders Ridehailing-Anbieter wie Uber, Lyft oder Juno fordern die etablierten Hersteller heraus, da sie eine Alternative zum Autobesitz und damit zum Kerngeschäftsmodell der Hersteller darstellen, ohne die Vorzüge von Individualmobilität zu vernachlässigen. Auch der VW-Konzernschuf mit Moia im Dezember 2016 eine neue Marke auf Basis eines ebenfalls neuen, gleichnamigen Tochterunternehmens.
Moia ist damit das jüngste Unternehmen im Volkswagen Konzern. MOIA bestrebt nach eigener Aussage, die Mobilität von Menschen im urbanen Raum neu zu definieren. Das Unternehmen mit Sitz in Berlin versteht sich nicht als Automobilhersteller oder reiner Car-Sharing-Anbieter, sondern will bis 2025 einer der weltweit führenden Mobilitätsdienstleister werden. Im Fokus steht die Entwicklung IT-basierter On-Demand-Angebote wie etwa Ridehailing- oder Carpooling-Services. Hierzu investiert Moia auch gezielt in digitale Startups und arbeitet mit Städten und etablierten Verkehrsanbietern zusammen. Moia-CEO Ole Harms nannte dies Anfang 2017 im Interview eine Buy-and-Build-Strategie.[147]
Das bereits 2010 gegründete, neue Investment Gett.com, in das VW in 2016 etwa 300 Millionen Dollar investierte, ist einer der älteren Anbieter auf dem Ridehailing-Markt. Die Firma vermittelt ähnlich wie das umstrittene US-Unternehmen Uber Fahrdienstleistungen auf Abruf, ähnlich wie Daimlers myTaxi beschränkt sich die Vermittlung jedoch auf lizensierte Taxifahrer. Ein weiterer, wichtiger Unterschied zu Uber ist die nachfrageunabhängige Kontinuität der Fahrpreise. Bei starker Nachfrage erhöht der US-Anbieter Uber die Preise, um mehr Fahrer zum Angebot von Fahrten zu motivieren und dem Fahrgast so mehr Planungssicherheit zu bieten. Dies wird auch als Ubers Surge-Pricing-system bezeichnet. Gett.com konnte in den USA dem weitaus größeren Konkurrenten Uber mit einer Mischung aus aggressiver Werbung und niedrigen Preisen Kunden streitig machen, indem die Tarife in hochfrequentierte Gebieten wie Manhattan fixiert und in gewissem Rahmen weder fahrstrecken- noch fahrzeitabhängig sind. Ein im Rahmen dieser Arbeit durchgeführter Feldversuch in Manhattan bestätigte die Existenz und Funktion dieser werbewirksamen Maßnahme, wie die in Abbildung 16 gezeigten Impressionen verdeutlichen.[148]
Abbildung 16: Gett Deal / Kein Surge-Pricing / Optionales Trinkgeld
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigener Feldversuch in Manhattan, 19.4.2017, 8:24 Uhr
Um Fahrer dennoch zur Nutzung der Anwendung zu begeistern, integrierte Gett die Möglichkeit des Trinkgeldgebens direkt in die App. Im Rahmen des Feldversuches wurde sich für die höchstmögliche Rate von 20% entschieden. Dieser Prozentsatz bezieht sich jedoch lediglich auf den dem Fahrer zukommenden Nettobetrag, in diesem Fall 9,25$[149]. Ebenso lässt dies die Annahme zu, dass Gett 7,5% der Fahrtkosten bei Fahrten in Manhattan zu diesem Preis als Provision einbehält. Die Konkurrenten von Uber und Lyft werben gegenüber Fahrern mit einer Provision von 25%, wobei diese in ausgewählten Märkten bereits auf 30% erhöht wurde.[150]
Bislang ist Gett weltweit in etwa 100 Städten vertreten, wobei die bisherige Expansionsstrategie auch in Kooperation mit dem neuen Teilhaber VW fortgeführt werden soll. So übernahm Gett im April 2017 den kleineren Konkurrenten Juno aus New York. Gett rüstet sich durch den Juno -Zukauf für den Wettkampf mit dem Rivalen Lyft um den zweiten Platz im US-Fahrdienst-Geschäft. Damit wächst Gett für Moia und VW zu einem zentralen Baustein im Geschäftsbereich der digitalen Mobilitätsdienstleistungen.[151]
Shared Autonomy
Im Jahr 2016 legte die Unternehmensberatung Roland Berger eine Studie zur Entwicklung der Automobilbranche vor, die voraussagte, dass sich der Mobilitätsbedarf bis zum Jahr 2030 gewaltig verschieben werde. Die hierfür entscheidenden Auslöser und Trends wurden in Kapitel 2.2 eingeführt. Nach diesem Szenario könnte ein Siegeszug von vollautonom fahrenden Taxen dazu führen, dass der Besitz eines eigenen Autos zur Nutzung der Vorteile der Individualmobilität immer weiter in den Hintergrund rückt.
Ein Beispiel für die Digital Transformation von mobilitätsbezogenen Geschäftsmodellen ist in diesem Kontext die Kooperation der Daimler AG mit dem Fahrdienstanbieter Uber. Diese stellt eine Antwort auf diese in der Branche erwartete Verschiebung der Gewichte dar. Für den Autoexperten Stefan Bratzel, Leiter des Forschungsinstituts Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach, ist dies eine Zusammenarbeit von ursprünglich harten Konkurrenten. Unternehmen wie der Fahrdienstanbieter Uber, aber auch Unternehmen wie Google oder Apple, entwickeln sich zu neuen Wettbewerbern der Autobauer, da sie als Alternativen zum Geschäftsmodell der Hersteller auftreten. Zugleich versuchen die etablierten Hersteller Kräfte mit diesen branchenfremden Unternehmen zu bündeln, um auf den neuen Wachstumsfeldern möglichst frühzeitig Fuß zu fassen. Für Stefan Bratzel ist noch nicht erwiesen, für welchen der Kooperationspartner sich die Zusammenarbeit als vorteilhafter erweisen wird. Der Autobauer hält sich bedeckt, wie diese Zusammenarbeit genau aussehen werde. Noch sei unklar, wer die Spielregeln bestimme, so Bratzel. Es sei für beide Seiten ein profitables Geschäft, versichert dagegen ein Sprecher des Stuttgarter Autobauers. Es sei keine Technologiepartnerschaft, stellt der Sprecher jedoch weiterhin klar. Daimler stellt autonom fahrende Autos, sobald diese verfügbar sind. Uber bietet diese über seine Plattform für Fahrten an. Ein Knowhow-Austausch finde demnach nicht statt. Auch ist die Zusammenarbeit nicht exklusiv. Daimler kann die Wagen auch auf anderen Plattformen anbieten, Uber kann ähnliche Vereinbarungen auch mit anderen Autobauern abschließen.[152]
Auch andere Mobilitätsdienste haben bereits Partnerschaften mit Automobilherstellern geschlossen. Lyft kooperiert beispielsweise mit dem US-Autobauer General Motors. Google arbeitet bei der Entwicklung von selbstfahrenden Autos inzwischen mit Fiat Chrysler zusammen und BMW testet mit ReachNow einen eigenen Mobilitätsdienst in den USA.[153]
Eine detaillierte Übersicht über von Automobilherstellern angebotenen Services findet sich im Anhang 4: Mobilitätsdienstleistungs-Matrix der globalen OEM, Stand: 6/2016.
Evaluierung
Die gemeinschaftliche Übernahme des Kartendienstes Here oder die Schaffung von Tochterunternehmen und Organisationseinheiten zur Entwicklung und Vermarktung von digitalen Mobilitätsdienstleistungen wie Daimlers moovel oder VWs Moia signalisieren ein signifikantes Management-Commitment der deutschen Automobilindustrie in Bezug auf digitale Geschäftsmodelle. Dies entspricht dem Indikator 2. Wir treiben digitale Innovationen systematisch und Zielgerichtet voran aus der Dimension Strategie. Kooperationen mit jungen Technologieunternehmen wie die Investition von Moia in den Ridehailing-Service Gett unterstreichen das Bewusstsein und das damit einhergehende Commitment, das traditionelle Geschäftsmodell der Automobilindustrie gemäß neuer Anforderungen junger, urbaner Kundschaft zu erweitern. Neben den bereits zu diesem Punkt genannten Praxisbeispielen ist hierbei auch BMW i Ventures zu nennen. Dabei handelt es sich im einen Inkubator, der ausgewählten Mobility-Start-Ups Frühphasenfinanzierung und weitere Unterstützung gegen Unternehmensanteile offeriert, um BMW die Gelegenheit zu geben, frühzeitig an innovativen Geschäftsmodellen und Produktideen zu partizipieren. Dies wird auch als Corporate Venture Capital bezeichnet und tangiert einerseits einen weiteren Indikator aus der Dimension Strategie, 1. Wir evaluieren systematisch neue Technologien und Veränderungen im Kundenverhalten zur Identifikation digitaler Innovationen., als auch aus der Dimension Organisation, 6. Auf dem Gebiet der Digitalisierung pflegen wir ein Partnernetzwerk mit externen Dienstleistern, Start-Ups oder Forschungseinrichtungen.
Die geplante Kooperation von Daimler mit dem amerikanischen Marktführer für Fahrdienstleistungen Uber mit der Perspektive des Ridehailings mithilfe von vollautonomen Fahrzeugen greift einen weiteren Indikator aus der Dimension Strategie auf: 7.Wir verstehen die digitale Transformation als kontinuierliche, strategische Weiterentwicklung unserer Unternehmung. Tesla-Gründer Elon Musk bezeichnete die so entstehende Kombination aus Ridehailing, Carsharing und vollautonomem Fahren jüngst als Shared Autonomy und als sichereintretende Zukunftsvision. Diese Vision gedenkt Musk mit dem Release der Plattform Tesla Network zu gestalten, auf der unterschiedliche Mobilitätsdienstleistungen entwickelt und angeboten werden sollen.[154]
Zuletzt betrifft das Plattform-Modell in seinen beschriebenen Umsetzungen einen Indikator aus der Dimension Informationstechnologie, 3. Wir können unsere Systeme dank offener Schnittstellen problemlos und schnell an neue eigene und fremde Angebote anbinden. Die Dimension und die Formulierung des Indikators weisen auf die technischen Potentiale von Plattformen und offenen Schnittstellen hin. Nicht zu vernachlässigen sind in diesem Kontext aber auch die Implikationen für kooperative, offene Innovationsprozesse und die Aufbauorganisation von Unternehmungen. Diese und weitere Bereiche werden in den folgenden Kapiteln analysiert
Der Entwicklungsstand der Digital Transformation der Geschäftsmodelle durch Mobilitätsdienstleistungen und Plattformen wird mit dem Reifegrad 4 Integrated bewertet. Strategien bezüglich Allianzen und Kooperationen wurden entwickelt und sind bei allen großen Herstellern der deutschen Automobilindustrie zum Beispiel in Form von Plattformen und weiteren Partnerschaften in Umsetzung. Darüber hinaus ist die deutsche Automobilindustrie bereits seit Langem bemüht, durch digital unterstützte Mobilitätsdienstleistungen wie Carsharing neuen Kundenanforderungen gerecht zu werden.
3.4 Organisation
Die Digitalisierung hat den Innovationswettbewerb stark beschleunigt. Dadurch greifen die durch Innovationen erreichten Wettbewerbsvorteile und Alleinstellungsmerkmale nur noch zeitlich begrenzt. Anstelle von Effizienz und Stabilität geht es jetzt um Dynamik und Agilität. Klassische, hierarchische Organisationsmodelle und auch das klassische Innovationsmanagement geraten zunehmend in Kritik.[155]
Im Folgenden werden klassische und agile Organisationsstrukturen diskutiert und verglichen. Zu diesem Zweck werden die Potentiale und Herausforderungen der Etablierung agiler Organisationsstrukturen beschrieben und anhand eines Praxisbeispiels veranschaulicht, bevor die Verbreitung und Umsetzung agiler Organisation in die Automobilindustrie evaluiert wird.
Agilität wurde detailliert im Kapitel 2.3.1 eingeführt und als solche weniger als eine Sammlung von Tools, Prozessen und Vorgehensmodellen vorgestellt, sondern viel mehr als eine Auswahl an Philosophien. Exemplarisch wurde das agile Manifest der Softwareentwicklung beschrieben. In diesen Kontext ist die Aussage von Thorsten Heilig, ehemaliger Personalchef der Daimler-Tochter Moovel, einzuordnen:
„ Es gibt viele Tools, viele Methoden, aber am Ende sind Mindset und Kultur das Wichtigste, damit sich bestehende Organisationen verändern oder neue den Zugang zu Agilität bekommen.“[156]
Dazu gehören vor allem Themen wie Befähigung, Transparenz und Vertrauen. Befähigung bezeichnet hier die Übertragung von Kompetenzen an Teams und Mitarbeiter, da Agilität ein neues Führungsverständnis und damit eine neue Aufteilung und Organisation der Arbeit bedeutet.
Transparenz ist ebenfalls wichtig: Wenn Selbstverantwortung, Entscheidungen zu treffen und Aufgaben selbstorganisiert und eigenverantwortlich zu bearbeiten, in Teams ermöglicht werden soll, so sind auch die dafür nötigen Informationen bereitzustellen. Da agile Organisationen sich weg von einer klassischen Kontrollkaskade hin zu mehr Autonomie entwickeln, bedeutet das seitens der Führungskräfte letztlich Vertrauen in das, was die Teams und Mitarbeiter leisten.[157]
Entscheidend für den Erfolg agiler Organisationen ist somit unter anderem der Abbau von steilen, vielschichtigen hin zu flachen Hierarchien. Führung ist in der agilen Organisationsstruktur nicht mehr nur die Domäne von Individuen. Vielmehr wird Führung geteilt. Als Beispiel möge die Rollenverteilung in Scrum-Teams in Product Owner, Scrum Master und Entwickler(-Team) dienen. Hierbei wird Verantwortung und Entscheidungsmacht aufgeteilt und durch regelmäßige Kommunikation eigenverantwortlicher und befähigter Mitarbeiter zusammengeführt.
Besonders im Kontext klassisch strukturierter Organisationen ist der Wandel oder der Aufbau neuer Organisationseinheiten mit dem Ziel der Agilität oft von Barrieren betroffen. Dabei kann es sich einerseits um Betriebsblindheit handeln, andererseits um Führungskräfte, die die mit Agilität verbundene Einschränkung ihrer angestammten Verfügungsgewalt und Autorität nicht grundsätzlich willkommen heißen. Moovel-Personalchef Heilig forcierte deshalb im Zuge des Organisationsaufbaus und -entwicklung der moovel GmbH unter dem Dach der Daimler AG im Jahre 2012 ein agil-typisches, iteratives Vorgehen. So entwickelten agile Teams orientiert an vorhanden, agilen Vorgehensmodellen für neue Aufgaben oder Produktideen eigene, nicht starre Vorgehen, um sich uneingeschränkt auf Anwender, Kunde oder Produkt konzentrieren zu können, was dem in Kapitel 2.3.1 eingeführten Tailoring entspricht. Positive wie negative Erfahrungen, Learnings oder Success Stories wurden kommuniziert und trugen so zur Entwicklung der gesamten Organisation bei. Das entspricht dem agilen Grundsatz Einzelpersonen und Interaktion sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge [158] . Das setzt voraus, individuelle Lösungen, Impulse und Beispiele zu schaffen, an denen der Prozess zur Veränderung von Kultur und Mindset sichtbar wird.[159]
„Ein Unternehmen zu digitalisieren bedeutet nicht nur, neue Technologien einzuführen, sondern vor allem Organisation, Kultur und Kommunikation zu verändern.“ - Jens Monsees, Vice President Digital Strategy, BMW Group [160]
Eine Befragung von 2.000 IT- oder Digitalisierungsverantwortlichen Anfang 2016 in deutschen Großunternehmen mit einem Mindestumsatz von jährlich mindestens 250 Mio. Euro ergab, dass die Verteidigung bestehender Strukturen die größte Herausforderung im Rahmen der Digital Transformation ist.
Abbildung 17: Die größten Hürden bei der Digitalisierung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach etventure (2016)
Diesem Ansatz folgend haben viele Automobilhersteller wie auch andere Industrieteilnehmer agil strukturierte Organisationseinheiten geschaffen oder entsprechende Tochterunternehmen gegründet. Volkswagens Moia oder Daimlers Moovel sind konkrete Beispiele.
Martin Hoffmann, Generalbevollmächtigter IT und Organisation der Volkswagen AG, teilte den IT-Entwicklungsprozess und seine Organisation bei Volkswagen in zwei Bereiche. Diese beschrieb er als IT 1.0 und IT 2.0, oder auch als alte und neue Welt.[161] Die alte Welt umfasst dabei den klassischen, auf Stabilität und Zuverlässigkeit ausgelegten IT-Betrieb und die dazugehörige Entwicklung in sequentiellen Vorgehensmodellen wie dem Wasserfallmodell. Entwicklungszyklen erstecken sich hierbei in der Regel über etwa ein Jahr. Grund dafür ist die kritische Bedeutung der Systeme für das Tagesgeschäft. Ausfall oder auch nur Instabilität eines Dealer Management Systems oder von ERP-Komponenten wie einem Warenwirtschaftssystems haben direkten Einfluss auf die Produktivität und Wertschöpfung des Unternehmens.
Als neue Welt stehen dem die neuartigen Ansätze in IT und Organisation gegenüber. Zu nennen sind hier die agilen Vorgehensmodelle, DevOps oder Open Innovation. Die auf diese Weise entwickelten Produkte und Dienstleistungen wie Webservices oder Mobile-Apps haben oft einen starken Konsumentenfokus. Um auf die immer kurzlebigeren Konsumentenanforderungen einzugehen, sind die kurzen Release-Zyklen der IT 2.0 Vorrausetzung. Basis dieser neuen IT-Organisation ist eine kreative Innovationskultur und Geschwindigkeit in Organisation und Innovation, wie zuvor an moovel verdeutlicht.
Stabilität ist in der industriellen IT der Automobilindustrie dennoch von hoher Relevanz. Volkswagen betreibt global über 100 Werke, welche für Soft- oder Hardware-Updates keine Testumgebung darstellen, sondern kontinuierlich und fehlerfrei operieren müssen. Die schnellen Release-Zyklen der IT 2.0 und des DevOps-Ansatzes stellen also ein Risiko für die etablierte, industrielle Wertschöpfung dar.
Dem gegenüber steht jedoch der Innovationsdruck, den neue Akteure aus der IT-Branche wie Google, Apple, Uber oder Amazon auf die etablierten Hersteller ausüben.[162]
„Wenn der erste VW Golf von 1974 in gleicher Weise Gegenstand bahnbrechender Innovationen gewesen wäre wie Intel-Prozessoren, dann wäre er heute eine Ariane-Trägerrakete.“ [163]
Die Gartner Group hat die Lösung dieses Konflikts unter dem Begriff Bimodale IT zusammengefasst. Wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich dabei um eine Theorie, dass zwei bekannte IT-Prozessmodelle parallel in einem Unternehmen laufen dürfen bzw. sollen: Einerseits der traditionelle IT-Prozess der alten Welt und auf der anderen Seite der agile Prozess der IT 2.0. Die Theorie der Bimodalen IT sieht nun vor, dass Unternehmen nicht länger Ressourcen zum Transformieren aller klassischen Prozesse aufwenden brauchen, um die agilen Ansätze im Unternehmen einzuführen. Sie richtet den Appell an die IT-Verantwortlichen, zu akzeptieren, dass beide Ansätze parallel existieren können.[164]
Entsprechend der Agile Automotive Survey 2015 ist agiles Vorgehen schon seit einer Weile aktiver Teil der Produktentwicklung in der Automobilindustrie.
Abbildung 18: Agile Methoden in der Produktentwicklung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Kugler Maag (2015), S.11
Wie Abbildung 18 zeigt, wurden zum Zeitpunkt der Befragung bereits in 36% der Multimedia-Entwicklungsprojekte agile Methoden angewandt. Multimedia umfasst neben Navigations- und standortbasierten Services auch die Verwendung und den digitalen Austausch von Telematikdaten. Auch bei der deutlich sicherheitsrelevanteren Fahrzeugelektronik werden in 27% der Projekte bezüglich Sensorik oder Instrumentencluster mit Agilität entwickelt. In Themen um Antriebsstrang und Fahrwerk sind es hingegen erst 21%. Schlusslicht mit 20% bilden die in die Fahrzeugelektronik integrierten Systeme und Dienste wie Fahrassistenz und aktive Sicherheit wie Toter-Winkel-Warner oder das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP).[165]
Die im Rahmen der Studie befragten Führungskräfte aus dem Automobilsektor teilten auch ihre Erfahrungen mit agilem Vorgehen. Die resultierenden Erfahrungen können allerdings als durchwachsen beschrieben werden. Zum einen gaben die Befragten an, dass Agilität hauptsächlich in der Softwareentwicklung sinnvoll zu Einsatz kommt. Bezüglich der verwendeten Methoden und Vorgehensmodelle stehen Scrum und Kanban zwar nach wie vor an erster bzw. zweiter Stelle, aber die blinde Verfolgung der vorgeschriebenen Prozessschritte habe zum Problemen geführt. Daher seien die Befragten verschiedenen Methoden oder einer Kombination dieser grundsätzlich offen gegenüber. Die englischsprachige Studie bezeichnet dies als Cherry Picking.[166] Diese Erkenntnis korreliert mit den zuvor geschilderten Erfahrungen des Moovel-Personalchefs Heilig bei der iterativen Organisationsentwicklung.[167]
Evaluierung
Wie die vorgestellte Befragung bezüglich der Anwendung von Agilität in der automobilen Produktentwicklung zeigte, haben agile Methoden hier bereits Einzug gehalten. VW-CIO Hoffmanns Impressionen über die Unvereinbarkeit von Agilität mit dem Betrieb großer Industrieanlagen wie den Werken von Volkswagen und sein darauf aufbauendes Plädoyer bezüglich Bimodaler IT lassen jedoch den Schluss zu, dass sich die Implementierung agiler Methoden und Organisationsstrukturen in der Automobilindustrie in absehbarer Zukunft hauptsächlich auf die IT-basierte Produktentwicklung und entsprechende Innovationsprozesse beschränken wird. Für die Entwicklung von Mobilitätsdienstleistungen und weiterer, digitaler Geschäftsmodelle sind die verantwortlichen Bereiche zwar agil organisiert, dafür aber strukturell vom übrigen Konzern getrennt. Dies zeigen die genannten Beispiele moovel und Moia sowie die im nächsten Kapitel behandelten Digital Labs. Der erste Indikator aus der Dimension Organisation 1. Digitale Projekte werden abteilungs- und funktionsübergreifend geplant und umgesetzt wird also nur bedingt angesprochen, da diese Ansätze durch die strukturelle Trennung von alter und neuer IT[168] bewusst eingedämmt werden. Gleichzeitig demonstriert der Aufbau der beschriebenen Organisationseinheiten die Fähigkeit der Umsetzung von Indikator 5. Wir verfügen im normalen Geschäftsbetrieb über genügend Ressourcen, um gleichzeitig digitale Innovationen voranzutreiben. aus der Dimension Organisation. Auch stellen beschrieben Tochterunternehmen und Digital Labs durch agiles Vorgehen in Verbindung mit Start-Up-Kooperationen eine Ausprägung von 3. Wir haben eine systematische Frühwarnung zur Identifikation von für uns relevanten Technologien oder Geschäftsmodellen dar. Dies wiederum erlaubt die Nutzung eines der entschiedensten Vorteile von Agilität, die folgender Indikator pointiert zusammenfasst: 4. Wir sind in der Lage, auf Änderungen im Technologie- und Marktumfeld schnell zu reagieren.
Wie die Notwendigkeit Bimodaler IT und die nicht flächendeckende Integration vom Agilität in der automobilen Produktentwicklung zeigen, wird agile Organisation die Strukturen von Automobilherstellern nie ganz ersetzten. Der höchste Reifegrade 5 Transformed, der eine grundlegende Anpassung der etablierten Aufbauorganisation voraussetzt, wird daher in absehbarer Zeit nicht erreicht. Dabei ist fraglich, ob dies je angestrebt wird, wie die Notwendigkeit Bimodaler IT zeigt. Dennoch hat Agilität die Geschäftsprozesse und Organisationsstruktur in nennenswertem Umfang erreicht und damit die Planungsphase verlassen.
Daher wird die Verwendung von Agilität im Rahmen der Digital Transformation im Bereich Organisation mit Reifegrad 4 Integrated bewertet.
3.5 Innovationsprozess
An Komplexität und Individualität zunehmende Kundenanforderungen in Verbindung mit der Erweiterung des Geschäftsmodells etablierter Automobilhersteller um digitale Dienstleistungen fordern einen beschleunigten Innovationsprozess in immer kürzeren Iterationen. Dadurch greifen die erreichten Wettbewerbsvorteile und Alleinstellungsmerkmale durch Innovationen nur noch zeitlich begrenzt. Anstelle von Effizienz und Stabilität sind daher Dynamik und Agilität entscheidende, treibende Kräfte. Klassische, hierarchische Organisationsmodelle und auch das klassische Innovationsmanagement geraten zunehmend in die Kritik.[169]
Das folgende Kapitel bezieht sich weniger auf konkrete Produktinnovationen, da diese bereits im Kapitel 3.1 behandelt wurden, sondern vielmehr die Veränderung und Digitalisierung des Innovationsprozesses. Die Indikatoren in dieser Dimension betreffen vor allem Aktivitäten, um bestehende Produkte und Dienstleistungen mit digitalen Innovationen zu ergänzen, die Motivation der Mitarbeiter, Ideen zur Innovation einzubringen und die Integration von Kunden in den Innovationsprozess. Daher werden zunächst die bereits im vorherigen Kapitel kurz erwähnten Digital Labs behandelt und auf den damit verbundenen Ansatz des Design Thinking eingegangen. Im zweiten Unterkapitel werden die Rapid-Methoden im Kontext der Hard- und Softwareentwicklung als auch der Produktion beleuchtet. Abschließend wird auf das Paradigma der Open Innovation eingegangen. Die Evaluierung der Digital Transformation in Form eines Reifegrades findet nicht wie in den vorherigen Kapiteln nach jedem Unterkapitel statt, sondern am Ende des übergeordneten Kapitels 3.5 Innovationsprozess . Grund dafür ist die starke inhaltliche und methodische Verzahnung der analysierten Enabler. Eine isolierte Evaluierung ist daher nicht sinnvoll.
3.5.1 Digital Labs
Einen wichtigen Baustein zur Digitalisierung von Produkten und Dienstleistungen können dauerhaft und nachhaltig betriebene Digital Labs liefern. Ziel eines Digital Labs ist es, eine flexible, schnelle und agile Organisationseinheit unter dem Dach des Mutterkonzerns zu schaffen, die digitale Produkt- und Prozessinnovationen für das Unternehmen hervorbringt.
Anders als ein Startup, das eine Geschäftsidee verfolgt, schafft ein Digital Lab den erforderlichen kreativen und organisatorischen Rahmen, um aus vielen unterschiedlichen Ideen innerhalb und außerhalb des Unternehmens die erfolgversprechendsten herauszufiltern und zu erproben. Dies zeigt bereits, dass ein digitales Lab kein statisches Konstrukt sein darf, sondern von permanenter Veränderung der Strukturen sowie der Inhalte profitiert.[170]
In diesem kreativen Rahmen können nun die erfolgversprechendsten Kundenwünsche und Ideen identifiziert, in einem kontrollierten Umfeld experimentell erprobt und gegebenenfalls weiterentwickelt werden. Erfolge werden fortgeführt, Misserfolge als Lernerfahrung verbucht. Das salopp formulierte Prinzip dahinter lautet "Fail fast - Fail often" und spielt damit auf kurze Iterationen und Erfahrungsaustausch an. Als Kontrast zu dieser Herangehensweise sollen die Branchen der Finanzdienstleistungen und des Handels dienen. Beide Branchen verfügen über ein hohes Niveau an digitalem Führungskräfte-Know-how, werden aber durch vielstufige Organisationshierarchien, sowie einem stark regulierten Umfeld an Investitionen in digitale Technologien und Strukturen gehindert, da der Fokus durch diesen Umstand auf Kostenreduktion und nicht auf Innovation gelegt wird.[171]
Das in Digital Labs oft praktizierte Vorgehen wird als Design Thinking bezeichnet. Der Name legt nahe, dass es auf der einen Seite um kreative Innovation mit hohen Anforderungen an die Inspiration geht. Auf der anderen Seite steht der transpirative Teil, in dem die Ideen diszipliniert einer schnellen Umsetzung unter Einsatz moderner Technologien zugeführt werden. Der Kunde oder Anwender ist nach Fertigstellung immer bewertendes Organ des entwickelten Nutzens bzw. Kundenerlebnisses, welches im Kontext des Design Thinking auch als Customer Journey bezeichnet wird. Dies erfolgt über das Customer Journey Mapping, wobei Interaktionsverläufe mit dem Kunden und dessen dabei wirksame Präferenzen, Erlebnisse und Emotionen an den verschiedenen Kontaktpunkten mit dem Ergebnis der Entwicklung auf der Grundlage von Interviews oder anderen Feedbacktechniken erforscht und dargestellt werden.[172]
Abbildung 19: Der Design-Thinking-Prozess
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: HPI-Academy (2017), Online im Internet
Abbildung 19 stellt die Prozessschritte des Design Thinking dar und veranschaulicht darüber hinaus einen der zentralen Wesenszüge der Methode: Das iterative Vorgehen, in der Abbildung durch die zyklischen Linien visualisiert. Anders als beim klassischen Vorgehen nach Modellen wie dem Wasserfallmodell sind hier Schleifen und Wiederholungen fester Bestandteil des Prozesses. Dieses Merkmal teilt sich Design Thinking mit den in Kapitel 2.3.1 Arbeits- und Projektorganisation vorgestellten, agilen Vorgehensmodellen der Softwareentwicklung. Auch die im folgenden Kapitel eingeführte Methode des schnellen Erstellens von praxisnahen Testobjekten oder Minimum Viable Products, dem Rapid-Prototyping, kommt im Design Thinking je nach Anwendungsfall zum Einsatz. Kern und Antrieb des Design Thinking ist die Kundenorientierung. Im 6-stufigen, iterativen Prozess des Design Thinking sind allein die ersten drei Stufen dafür vorgesehen, das Problem wie etwa das Kundenbedürfnis zu verstehen, bevor sich die Mitarbeiter an die Lösungsfindung begeben.[173]
Im Oktober 2016 eröffnete Volkswagen das konzerneigene Digital Lab in Berlin. Weitere VW-Labs dieser Art existierten bereits in München, Wolfsburg und San Francisco. Hier arbeiten Software-Experten gemeinsam mit dem US-Softwarespezialisten Pivotal an einem digitalen Ökosystem, das neue Mobilitätsservices sowie Dienste rund um das vernetzte Fahrzeug bieten soll. Die agil organisierten Labs dienen ferner als Nahtstelle zur Start-up-Welt und als somit als wertvolle Impulsgeber. Zugrundeliegende Motivation dessen ist die synergetische Kombination aus der Kompetenz und Erfahrung eines großen Unternehmens mit dem Pragmatismus und der Agilität eines Start-Ups.[174]
Das Digital Lab in der Bundeshauptstadt ist Teil eines weltweiten Netzes von IT-Labs und weiterer Kompetenzzentren des Volkswagen-Konzerns, mit denen das Unternehmen seine Anstrengungen in den Zukunftsfeldern IT, Digitalisierung und autonomes Fahren forciert. Die im Digital Lab entwickelten Produkte und Services stehen allen Konzernmarken zu Verfügung. Darüber hinaus unterstützt das Lab Fachbereiche wie Vertrieb und technische Entwicklung bei der Entwicklung passgenauer Softwareprodukte. Damit stärkt der Volkswagen Konzern sein Inhouse-Know-how im Bereich der Softwarelösungen. Unterstützt wurde die Gründung des Digital Labs mit Mitteln des Innovationsfonds für die Marke Volkswagen, einer gemeinsamen Initiative von Unternehmen und Betriebsrat. Der Innovationsfonds fördert Projekte, die über das bisherige Kerngeschäft von Volkswagen hinausgehen.
In den Labs arbeiten Programmierer, Data Scientists, Design-Thinking-Experten und Cloud-Architekten zusammen. Gesetzt wird dabei auf agile Arbeitsmethoden, so zum Beispiel das Pair Programming, bei dem Software-Entwickler in Zweier-Teams arbeiten. Dies fördert Austausch und Kreativität, beschleunigt die Entwicklung und ermöglicht schnellere Anpassungen bei sich kurzfristig ändernden Kundenanforderungen.
Die Labs im Volkswagen-Konzern sind somit IT-Entwicklungszentren mit Start-Up-Charakter und bieten die Möglichkeit, abseits der Linienorganisation in flachen Hierarchien mit neuen Technologien zu experimentieren. In enger Zusammenarbeit mit Universitäten, Forschungseinrichtungen und Technologiepartnern, beispielsweise den SoftwareSpezialisten von Pivotal, entstehen in den deutschen Labs in Berlin, München und Wolfsburg neue IT-Lösungen zu den Themen Industrie 4.0, Big Data, Advanced Analytics, Maschinelles Lernen, Künstliche Intelligenz, Connectivity und dem Internet der Dinge. Darüber hinaus sind die Labs auch Impulsgeber für neue Arbeitsmodelle und Methoden der Personalgewinnung.[175]
Auch die Daimler AG eröffnete im Herbst 2015 offiziell ihr neues IT Innovation Lab in Peking. Der neue Think-Tank in der Daimler-IT-Abteilung in China arbeitet daran, innovative Ideen und Lösungen schnell und flexibel umzusetzen. Ziel des Labs ist es, neue Werte und Innovationen im digitalen Zeitalter zu schaffen, von denen sowohl das Unternehmen als auch die Kunden profitieren. Die Kernkompetenz des Labors liegt in der schnellen Entwicklung, Erprobung und, falls nötig, kurzfristigen Anpassungen von Software-Prototypen für zahlreiche Daimler-Geschäftsbereiche. Gearbeitet wird in funktionsübergreifenden Teams, um unterschiedliche Perspektiven zusammenzubringen. Eines der ersten Prototypen war eine Smartphone-Anwendung für den Laderaum eines Fahrzeugs, mit der Kunden Pakete perfekt verladen und somit Zeit und Energie sparen können. Benutzer scannen einfach die Barcodes der Waren, die sie einladen möchten, und die App berechnet, ob die gescannten Waren in das Fahrzeug passen oder nicht.
Da die Fähigkeit, Big Data nutzen zu können, ein wichtiger Erfolgsfaktor in zukünftigen Unternehmensnetzwerken sein kann, sind Big Data und Predictive Analysis weitere Schwerpunktthemen für das IT-Management und sein neu eröffnetes IT Innovation Lab, heißt es dazu in einer Mitteilung. Dadurch können Produkte, Dienstleistungen und Prozesse optimiert und für das Unternehmen und seine Kunden in Zukunft ein Mehrwert geschaffen werden.[176]
Evaluierung
Digital Labs als Inkubator digitaler Innovationen liefern mehrere, entscheidende Indikatoren aus der Dimension Produktinnovation für einen fortgeschrittenen Entwicklungsstand der Digital Transformation. Zu nennen sind dabei besonders 3. Wir haben für die Entwicklung von digitalen Innovationen geeignete Rahmenbedingungen geschaffen, wie Strategien, finanzielle und personelle Ressourcen sowie zeitliche Freiräume. sowie 4. Unsere Mitarbeitenden bringen regelmäßig Ideen für digitale Produkte ein. Ersterer Indikator beschreibt den Inkubator-Charakter, der als Ziel hinter der Schaffung eines Digital Labs steht. Ferner sind Digital Labs jedoch auch Schauplatz von Workshops und Innovationswettbewerben, zu denen die Belegschaft des Unternehmens oder eines nicht dem Lab angehörigen Teilbereiches eingeladen wird. Beispiel sind hier unter anderem Programmierwettbewerbe, auch Hackathons genannt.
Durch ihre agile und offene Organisation betreffen Digital Labs jedoch auch einen Indikator aus der Dimension Organisation, und zwar 4. Wir sind in der Lage, auf Änderungen im Technologie oder Marktumfeld schnell zu reagieren. Kaum hierarchie- oder strukturbedingte Barrieren stehen digitaler Innovation in einem Digital Lab im Weg. Als plakatives Beispiel mag hier der Umstand dienen, dass im Berliner Data Lab des VW-Konzerns, einem auf Big Data und Analytics fokussierten Lab, fast alle Möbel und Trennwände auf Rollen montiert sind, sodass die komplette Raumaufteilung des offen und großräumig gestalteten Büros kurzfristig an neue Bedarfe bezüglich kommunikativer Sitzordnung oder Gruppentischen für Workshops angepasst werden kann.
3.5.2 Rapid-Methoden
Im Folgenden wird zunächst das Rapid Prototyping und seine Potentiale für den Innovationsprozess geschildert. Dieses auch als additiv bzw. generativ bezeichnetes Fertigungsverfahren wird darauf mit Praxisbeispielen am Beispiel des 3D-Drucks veranschaulicht. Vor der Evaluierung werden die additiven Verfahren des Rapid Manufacturing und Rapid Tooling kurz beleuchtet.
Rapid-Prototyping lässt sich frei in „ Schneller Bau eines Modells “ übersetzen und beschreibt eine Methode, die es erlaubt, schon in der Phase der Entwicklung auf einfache Weise Modelle zu bauen und Tests zu unterziehen. Somit können schon frühzeitig Fehler oder Schwächen am Entwurf selbst oder im Zusammenspiel mit anderen Komponenten des finalen Produktes oder der Dienstleistung erkannt und behoben werden, bevor innerhalb des richtigen Produktionsprozesses oder schlimmer noch erst im produktiven Betrieb hohe Aufwände entstehen würden, um erst dann entdeckte Fehler zu beheben.
Generell ist der Begriff Rapid Prototyping als Dachbezeichnung für viele Möglichkeiten und Verfahren einer schnellen und unkomplizierten Modellanfertigung ausgelegt. Rapid Prototyping ist eine Spezialform des normalen Prototypings, wobei die Herangehensweise aus der Fertigungstechnik stammt. Hier findet eine durch Maschinen automatisierte Produktion von Prototypen statt, bei der die Maße und Beschaffenheit durch digitale Modelle eingelesen und somit der Maschine vorgegeben werden. Ziel des Rapid-Prototyping-Verfahrens ist es so zum Beispiel, 3D-Modelle von materiellen Produkten mittels eines 3D-Druckers zu drucken, die dem final angestrebten Produkt möglichst nahe in Bezug auf Optik, Haptik und vor allem Schwächen und Fehlern kommen.[177]
Als Grundlage für das Verfahren des angesprochenen 3D-Druckens zur Produktion von dreidimensionalen Prototypen dienen oft sogenannte CAD-Daten (Computer-Aided Design). Diese Daten enthalten computergestützte Entwürfe und werden vor dem eigentlichen Fertigungsprozess maschinell eingelesen. In der Rapid-Prototyping-Maschine werden die Daten dann konvertiert. Der 3D-Drucker beispielsweise baut ausgehend von einem Querschnitt die Form des gewünschten Produktes Schicht für Schicht in 3D auf und fertigt so das Modell an. Diese Technik hat neben der schnellen Erstellung von Anschauungsmaterial vor allem den Zeck, in Hinblick auf den gesamten Fertigungsprozess Zeit zu sparen.[178]
Durch die Möglichkeit, noch vor der Fertigung das Produkt über eine Simulation auf CAD-Basis bereits im virtuellen Stadium zu analysieren und zu optimieren, entstehen für die Unternehmen vielfältige Möglichkeiten, Produkte nicht nur sehr schnell entsprechend den individuellen Kundenanforderungen auszulegen und zu entwickeln. Darüber hinaus können entwickelte Produktprototypen durch den Abfall vermeidenden, effektiven Materialeinsatz mit Hilfe der additiven Fertigungsverfahren kostengünstig produziert werden.[179]
Im Softwarebereich bezeichnet Rapid Prototyping die automatische Generierung von Codes, etwa aus Wireframe-Programmen, welche der Entwicklung von Webseiten dienen. In welcher Form auch immer Rapid-Prototyping stattfindet, haben doch alle Variationen gemeinsam, dass sind durch ihre einfache, automatisierte und vor allem schnelle Durchführung weitaus kostengünstiger als die herkömmlichen Arten des Prototypings sind.
Klassische Anwendungsbeispiele für den 3D-Druck finden sich vor allem in Bereichen, in denen maßgeschneiderte und zum Teil sehr komplexe Komponenten in kleinen Stückzahlen erforderlich sind, was unter anderem in der Fahrzeugerprobung oder für Concept- und Showcars von Relevanz ist. Aber auch bei der kompletten Neufahrzeugentwicklung, wie beispielsweise den BMW-i-Fahrzeugen, spielte die Technologie eine große Rolle. Da für die geplanten Modelle von BMW i keine Vorgängerfahrzeuge verfügbar waren, auf denen ein entsprechender Prototyp hätte fußen können, wurden die ersten Prototypenfahrzeuge zum Großteil additiv gefertigt. Besondere Herausforderung stellte hierbei die auf sehr leichter aber dennoch belastbarer Kohlestofffaser basierende Karosserie der Fahrzeuge dar.[180]
Das Team des Rapid Technologies Centers der BMW Group bearbeitete 2015 nahezu 25.000 Prototypenaufträge und lieferte dabei fast 100.000 Bauteile an BMW-interne Kunden aus. Das Spektrum reicht vom kleinen Kunststoffhaltern über Designmuster bis hin zu Fahrwerkskomponenten für die Funktionserprobung. Je nach Verfahren und Bauteilgröße stehen die Bauteile dabei bereits nach wenigen Tagen zur Verfügung.
Seit dem Produktionsstart im Jahr 2012 wurden für den Rolls-Royce Phantom die Kunststoffhalterungen für Warnblinker, Türentriegelungstaste, elektronische Parkbremse und Steckdose additiv produziert. Auch für den Rolls-Royce Dawn entstehen seit Anfang 2015 Halterungen für Lichtleiter im 3D-Drucker. Über die Modelllaufzeit wird das Unternehmen mehrere tausend der benötigten Clips additiv produzieren und verbauen.[181] Diese auf additiven Verfahren beruhende Produktionsmethode wird auch als Rapid Manufacturing bezeichnet.[182]
Abbildung 20: Olli von Local Motors im DB-Design
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Doris (2017), Online im Internet
Ein weiteres, innovatives Automobil aus größtenteils additiver Entwicklung und Fertigung ist der von Local Motors Mitte 2016 vorgestellte Kleinbus Olli. Die erste Version von Olli erreichte bei Testfahrten Geschwindigkeiten von bis zu 40 Km/h und fuhr komplett autonom. Als Teil der Entwicklung des Kleinbusses testete Local Motors die Potentiale des 3D-Drucks anhand des ersten, gedruckten Autos der Welt, dem Strati. Ziel war die Erforschung von additiver Fertigung in der Serienproduktion komplexer Komponenten. Laut Local-Motors-Produktionsingenieur James Earle war der Versuch lehr- und erfolgreich, sodass Ollis Produktion durch 3D-Druck optimiert werden konnte. Während die Serienproduktion im Laufe des Jahres 2017 anlaufen wird, testete die Deutsche Bahn die Potentiale von Olli bereits im Rahmen eines Pilotprojektes in Berlin Schöneberg.[183]
Seit Mitte 2014 setzt die BMW Group in der Fahrzeugmontage ein ergonomisches Hilfswerkzeug aus 3D-Druck ein, welches die Mitarbeiter bei bestimmten Montagetätigkeiten vor einer übermäßigen Belastung der Daumengelenke schützt. Jede der flexiblen Montagehilfen ist ein Unikat und wird individuell auf die jeweilige Handform und -größe des einzelnen Mitarbeiters angepasst. Dieses Verfahren fällt unter eine Subkategorie der additiven Fertigung, dem sogenannten Rapid Tooling.[184]
Evaluierung
Der wichtigste Indikator, den Rapid-Methoden liefern, stammt aus der Dimension Informationstechnologie: 2. Wir können neue Produkte und Services anhand von Prototypen schnell testen und modifizieren. Im Kontext immer kürzerer Innovations- und Produktlebenszyklen aufgrund sich stetig verändernder Kundenanforderungen und technischen Fortschritts sind additive Verfahren in Entwicklung und Fertigung ein wichtiger Baustein einer schnellen Time-to-market. Dieser Umstand spiegelt sich im folgenden Indikator aus der Dimension Organisation wieder, da additive Fertigung keiner langen Planungsprozesse bedarf, wie das Beispiel des Rapid Technologies Centers der BMW Group zeigt, und zwar 4. Wir sind in der Lage, auf Änderungen im Technologie oder Marktumfeld schnell zu reagieren. In Anlehnung an das im vorherigen Kapitel eingeführte Design Thinking in Form von stark kundenorientierter und iterativer Innovationsprozesse helfen Rapid-Methoden, die durch die Lehre aus den Entwurfsfehlern der additiv gefertigten Prototypen identifizieren Optimierungspotentiale schnell greifbar zu machen und so die Entwicklung voranzutreiben. Dieser offene und konstruktive Umgang mit Defiziten entspricht einem Indikator aus der Dimension Kultur Expertise: 7. Wir werten gemachte Fehler aus, um unsere digitalen Prozesse und Lösungen zu verbessern.
3.5.3 Open Innovation
Die bereits in 2.3.2 Digital Innovation Management vorgestellte Methode der Open Innovation und ihre Relevanz in Zeiten informierter Kunden und sich stetig wandelnden Kundenanforderungen findet auch in der Automobilindustrie Anwendung. Im Folgenden werden einige Praxisbeispiele für Projekte nach dem Outside-In- bzw. Inside-Out-Prozess eingeführt. Im Anschluss daran wird die Bedeutung dieses Verfahrens für die Digital Transformation und der Entwicklungsstand bezüglich Open Innovation evaluiert.
Outside-In-Prozess
Volkswagen forciert Innovationskultur zum Beispiel durch interne und externe Innovationswettbewerbe wie dem Programmierwettbewerb codeFEST, bei dem Studenten innerhalb von 28 Stunden digitale Innovationen entwickeln und präsentieren sollen. Zum Sieger des letzten codeFEST 2015 wurde das Team roadgenius aus Karlsruhe gekürt. Es hatte eine Quiz-App entwickelt, die mit einer Online-Community für Kinder und Eltern interagiert. Ziel ist die Bewältigung der Langeweile von Kindern auf längeren Autofahrten, die für den Fahrer zur gefährlichen Ablenkung werden kann, wenn die Kinder ihren Unmut über die Monotonie lautstark kundtun. Die Fragen seien regionsbezogen und altersgerecht. Über eine Rangliste können sich Spieler vergleichen. Eine Challenge-Funktion ermöglicht es, die Mitreisenden herauszufordern. VW-CIO Martin Hofmann erklärte, dass diese Lösung hervorragend zum familienfreundlichen Unternehmen Volkswagen passe. Er sehe gute Chancen, einige der von den Teilnehmern vorgeführten Prototypen gemeinsam mit der Konzern-IT und dem Marketing weiterzuentwickeln.[185]
Local Motors ist ein US-amerikanischer Automobilhersteller, der Nischenfahrzeuge in Kleinserien produziert. Das Unternehmen wurde 2007 von Jay B. Rogers gegründet. Vorschläge für Design und die Technik der Fahrzeuge werden komplett in einer Online-Community mit über 30.000 Mitgliedern erstellt, gesammelt und abgestimmt. Seine Mitglieder nennt die Plattform Co-Creators, zu Deutsch Mitschöpfer. Alle Entwicklungsschritte werden als einzelne Wettbewerbe ausgeschrieben und von den Mitgliedern entwickelt. Die Ideen werden der gesamten Community präsentiert. Anschließend wird in Form einer Abstimmung entschieden, welche Lösung es in das Produkt schafft.
Die entstehenden Fahrzeugentwürfe werden als Open Source unter freier Lizenz veröffentlicht und verbinden neue Chassis-Designs mit bereits existierenden Komponenten wie Motoren und Lichtanlagen etablierten Zulieferer. Das im Namen angedeutete Grundprinzip sieht vor, dass Kunden ihre eigenen Fahrzeuge vor Ort in kleinen Micro-Factory genannten Werkstätten selbst unter Anleitung von Fachpersonal zusammensetzen. In einer ersten Micro-Factory in Chandler in Arizona, USA, wird seit 2010 als erstes, marktreifes Produkt das Offroad-Fahrzeug Rally Fighter gebaut. Das neuste Produkt ist der bereits im vorherigen Kapitel vorgestellte, autonom fahrende Kleinbus Olli.[186]
Die Website localmotors.com hat sich unterdessen zu einer Symbiose aus
Crowdfundig-, Crowdsourcing- und Vertriebs-Homepage entwickelt. Die Produktpalette erweitert sich stetig. Alle Produkte und Projekte haben einen mehr oder weniger starken Bezug zum Mobilitätssektor. Neben Kraftfahrzeugen wie dem Rally Fighter oder Olli können über die Plattform entwickelte E-Bikes, Motorräder und sogar Skateboards erworben werden.
Zielgruppe der Produkte sollen vor allem enthusiastische Liebhaber sein, die sich besonders für ihre Fahrzeuge begeistern. Local Motors betreibt daher einen erheblichen Aufwand, um den Kunden Produkte anzubieten, die deren Enthusiasmus reflektieren. Diese Attitüde würde sich zwar jeder Autobauer, sogar jedes kunden- und profitorientierte Unternehmen unabhängig von der Branche sofort attestieren, aber Local Motors nähert sich diesem Anspruch auf unkonventionelle und vor allem intensive Weise.
“We make cool cars. We make them five times faster than the average car business. And we make them 100 times less capital-intensively.” (dt.: Wir bauen coole Autos. Wir bauen sie fünf Mal schneller als ein durchschnittliches Automobilunternehmen. Und wir machen sie 100 Mal weniger kapitalintensiv.“). Laut Aussage des Gründers Rogers habe er Local Motors mit der Absicht gegründet, die Automobilbranche zu revolutionieren.[187] Dies soll auch der in Abbildung 5 dargestellte Slogan verdeutlichen.
Abbildung 5: Local Motors - Reinvent
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: localmotors.com (2016), Online im Internet
Rogers’ Aussagen über geringere Kapitalintensität seiner Unternehmung sind beleg- und nachvollziehbar. Die komplette Produktentwicklung beschränkt sich seitens Local Motors nur auf Konsolidierung der von externen Quellen erbrachten Entwürfe, Entwicklungen und Designs sowie auf Montage von zugelieferten Komponenten. Selbst die Endmontage wird teils vom Kunden übernommen, was ermöglicht, dass Local Motors aktuell nur etwa 200 Mitarbeiter beschäftigt.[188]
Zu einem gewissen Punkt nachteilig aber dennoch höchst öffentlichkeitswirksam ist die Tatsache, dass ein Großteil der in den Produkten verwendeten Designs und Entwicklungen lizenzfrei sind und daher kaum Urheberrechte bei Local Motors liegen. Die Firma ist tatsächlich derart OPEN, dass sogar grade in der Fabrik anwesende Kunden den Teambesprechungen der Mitarbeiter beiwohnen dürfen.[189]
Inside-Out-Prozess
Selbstlernende Algorithmen, Machine Learning und andere Bereiche der künstlichen Intelligenz sind in vielen, technischen Produkten und Prozessen unterschiedlicher Branchen enthalten. In diesem Kontext arbeiten Experten für künstliche Intelligenz in Volkswagens Data Lab in München an Deep-Learning-Algorithmen, die mit Unsicherheiten und Wahrscheinlichkeiten umgehen können. Eine besondere Herausforderung in diesem Kontext stellt das Fehlen von entscheidungsrelevanten Informationen dar. Algorithmen liefern Vorschläge, der Mensch entscheidet da, wo notwendig, so VWs CIO Martin Hoffmann. Volkswagen habe sich deshalb entschieden, weltweit mit Forschungsinstituten und Organisationen, wie zum Beispiel OpenAI, zusammenarbeiten. OpenAI ist eine Initiative, die von einer Gruppe um Elon Musk, Peter Thiel und Sam Altman gegründet wurde. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, künstliche Intelligenz sinnvoll und zum Wohl des Menschen zu nutzen. VW stellt daher alles, was es zum Thema KI erforscht und entwickelt, der Open-Source-Community zur Verfügung und veröffentlichen die Algorithmen, an denen gearbeitet wird. Die so erzeugte Transparenz dient zum Austausch mit Experten und Partnern unter anderem zur frühzeitigen Erkennung und Korrektur von Fehlern. Hoffmann ist ferner davon überzeugt, dass sobald sich autonomes Fahren durchsetzt, der Gesetzgeber schon aus Haftungsgründen vorschreiben wird, Entscheidungsalgorithmen offenzulegen.[190]
Eine vergleichbare Strategie fährt Tesla-CEO und -Gründer Elon Musk in Bezug auf die Innovationen seiner Firma. Am 12. Juni 2014 gab er die Freigabe sämtlicher Patente der Firma bekannt:
„ Als ich meine erste Firma, Zip2, gründete, glaubte ich noch an den Vorteil von Patenten und unternahm große Anstrengungen, um Patente erteilt zu bekommen. Vielleicht waren sie ja in der Vergangenheit wichtig, doch dienen sie heute zumeist dazu, echten Fortschritt zu verhindern, die Position der Großkonzerne zu festigen und Anwälte statt Investoren zu bereichern.“[191]
Musks erklärtes Ziel hinter dieser Strategie ist das Beschleunigen des Aufkommens nachhaltiger Transpostmittel. Die Firma habe im Geiste der Open-Source-Bewegung die Rechte an ihren Patenten aufgegeben, um die Verbreitung der Elektrofahrzeugtechnologie zu erleichtern. Das Unternehmen werde keine Patentrechtsklagen einreichen, wenn andere Firmen die von der Firma entwickelte Technologie verwendeten, so Musk.[192]
Dass das bewusste Verschenken von Patenten durchaus einer gewissen ökonomischen Raison folgt, ist nicht von der Hand zu weisen. Solange es nur eine geringe Zahl an Elektroautos zugelassen wird, ist es schwieriger für Tesla, Käufer von ihnen zu überzeugen und Regierungen zum Ausbau der entsprechenden Infrastruktur zu bewegen. So wurden in Deutschland in 2016 lediglich 11.410 Elektroautos zugelassen.[193] Auch spezielle Zulieferprodukte für Elektroautos, Pannenhilfe oder Ladestationen lohnen sich eher oder werden preiswerter, wenn die die Zahl der batteriebetriebenen Fahrzeuge steigt.[194]
Evaluierung
Open Innovation wird maßgeblich durch den Einfluss und die Unterstützung digitaler Technologien im Innovationsprozess ermöglicht. Digitale Plattformen und offene Standards ermöglichen Kollektiven die kollaborativ entwickelten Innovationen. Die im Kapitel 3.5.1 Digital Labs beschriebene, agile und flexible Organisation dieser Labs stellt ferner eine wichtige Grundlage zur kurzfristigen Entwicklung und Erprobung von kundengetriebenen Produkt- und Dienstleistungsinnovationen dar. Auch die in vielen dieser Labs angewandte Methode des iterativen, stark kundenorientierten Design Thinking kann durch einen gut organisierten Outside-In-Prozess unterstützt oder gar erst ermöglicht werden. Open Innovation kann daher besonders auf zwei Indikatoren aus der Dimension Produktinnovation bezogen werden: 5. Wir binden Kunden aktiv in die Entwicklung von neuen Ideen für digitale Produkte ein. und 6. Wir befragen unsere Kunden systematisch, um unsere digitalen Produkte und Kanäle zu verbessern.
Es steht außer Frage, dass die zuvor beschriebenen Beispiele von Open Innovation und Kundenintegration sehr image- und werbewirksam sind. Oft allerdings rückt bei aller öffentlichen Sympathie für solcherart Projekte die Frage nach dem tatsächlichen Nutzen und Vermarktbarkeit in den Hintergrund. Deutlich wird dies etwa durch die Analyse eines im Jahre 2015 ausgetragenen Usability-Design-Wettbewerbs. Die BMW Group hatte über das Co-Creation Lab mit dem Customer Innovation Lab zu ConnectedDrive eine Plattform für Lead-User zur Generierung von Ideen geschaffen. 1045 User reichten teils in Teams ihre Visionen und Vorstellungen ein, sodass 215 Ideen über die Plattform eingingen. Lediglich zwei Lösungen wurden von BMW bis zur Marktreife entwickelt.[195] Auch Daimler startete Anfang 2015 mit Move Forward ein vergleichbares Plattform-Projekt, dessen Reichweite und Bekanntheit allerdings bis zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Arbeit einer durchwachsenen Entwicklung unterliegt.[196]
Local Motors gibt einen möglichen Weg vor. Jedoch scheuen viele Hersteller scheinbar und nicht unberechtigterweise die Risiken, die eine Öffnung des Innovationsprozesses verursachen könnte und praktizieren Open Innovation nur sehr zurückhaltend.
Mittlerweile erscheint es sogar so, dass eines der selbstbewusstesten Manöver des Inside-Out-Prozesses, die Offenlegung aller Patente Teslas durch Elon Musk, nicht wie gemeinhin erwartet vonstattengehen könnte. Bereits kurz nach der Bekanntmachung Mitte 2014 wurden Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieser Entscheidung laut. Anscheinend waren diese Zweifel nicht unbegründet, so eine Analyse der auf Patentrecht spezialisierte Anwaltskanzlei Kather Augenstein aus Düsseldorf aus dem Herbst 2016. Deren Partner Christof Augenstein hatte beim Europäischen Patentamt recherchiert und herausgefunden, dass Tesla für zahlreiche Patente im Register des Europäischen Patentamtes nach der Ankündigung angeblich noch Verlängerungsgebühren bezahlt hatte. Aus dem Register gehe zudem hervor, dass Tesla auch 2015, im Jahr nach der Bekanntmachung durch Musk, noch Patente anmeldete.[197]
Die Digitalisierung des Innovationsprozesses in der Automobilindustrie wurde in den vorangegangenen Unterkapiteln anhand von Digital Labs, Rapid-Methoden und Open Innovation untersucht. Digital Labs wurden dabei als wichtige Inkubatoren von Innovationen, besonders von digitalen Innovationen aufgrund ihrer agilen Organisation und Flexibilität, identifiziert. Dies konnte durch Praxisbeispiele reflektiert und belegt werden. Gleichsam unterliegt die Etablierung von Digital Labs in den Innovationsprozess aktuell noch der Entwicklung, sodass sie bisher mehr dem Aufbau von Kompetenzen dienten als zum Entwickeln von Innovationen. Die Voraussetzungen der Nutzung von innovationsfördernden Potentialen der Agilität und flacher Hierarchien stellen sie dennoch dar. Rapid-Methoden unterstützen nicht nur das iterative Vorgehen des Design Thinking wie es in Digital Labs praktiziert wird, sondern erlauben auch die kurzfristige Fertigung hochindividualisierter Bauteile, Komponenten und Werkzeuge. Entsprechende Prozesse sind in der Automobilindustrie bereits etabliert, wie die Praxisbeispiele belegten. Zuletzt wurde Open Innovation als für kundenorientierte Produktentwicklung als sinn- und wertvoll beschrieben. Besonders junge, amerikanische Unternehmen wie Local Motors und Tesla zeigen in diesem Bereich Engagement. Auch deutsche Hersteller praktizieren durch Programmierwettbewerbe oder entsprechende Internetplattformen Open Innovation. Allerdings finden nur wenige der so entwickelten Ideen ihren Weg zur Marktreife. Somit mutet Open Innovation in der deutschen Automobilindustrie eher als Mittel werbe- und öffentlichkeitswirksamer Projekte an, ohne nennenswerten Einfluss auf tatsächliche Produkte und Dienstleistungen zu haben.
Durch aktuelle Entwicklungen befindet sich die Digital Transformation des Innovationsprozesses im Übergang von Reifegrad 3 Defined zu Reifegrad 4 Integrated. Digitale Strategien sind entstanden und entsprechende Projekte und Prozesse befinden sich im Aufbau oder sind bereits in Umsetzung. Damit einhergehend gewinnt ein kultureller Wandel an Dynamik, den das agile Manifests der Softwareentwicklung, wie in Kapitel 2.3.1 eingeführt, anschaulich beschreibt: Einzelpersonen und Interaktion sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge. und Die Fähigkeit, auf Änderungen zu reagieren, ist wichtiger als das Verfolgen eines Plans.
4 Fazit
Im Folgenden werden die aus der Validierung des Entwicklungsstandes der Digital Transformation gewonnen Erkenntnisse anhand der zu Beginn der Arbeit gestellten Forschungsfragen geschildert und kritisch reflektiert.
1. Wird die Digital Transformation durch die hohe Marktmacht und starren Organisationsstrukturen der etablierten Hersteller ausgebremst?
Bei der Entwicklung digitaler Produktinnovationen wie Fahrzeugvernetzung und autonomem Fahren sind die deutschen Hersteller führend.[198] Organisationseinheiten und Tochterunternehmen sowie agile Innovationsprozesse mit dem Fokus auf digitale Produkte und Dienstleistungen befinden sich bei vielen Herstellern im Aufbau oder sind bereits produktiv, wie durch agil organisierte Digital Labs und Unternehmen wie die VW-Tochter Moia gezeigt wurde. Auch werden eigene Plattformen als Basis neuer Geschäftsmodelle erschaffen oder übernommen. Die Übernahme von Nokias Here Maps durch die deutschen Automobilhersteller zwecks Schaffung einer gemeinsam genutzten Plattform wurde in diesem Kontext als Praxisbeispiel eingeführt. Es ist jedoch anzumerken, dass aus den genannten Maßnahmen der deutschen Hersteller zwar digitale Dienstleistungen, aber keine nennenswerten Innovationen oder neue Geschäftsmodelle hervorgingen. Selbst das Konzept der zuvor genannten, intermodalen Mobilitätsapp moovel der gleichnamigen Daimler-Tochter existierte zum Zeitpunkt der Produkteinführung bereits am Markt in Form des Dienstes Ally.
Um nicht den Anschluss zu verlieren, gehen Hersteller Start-Up-Kooperationen ein und entwickeln mit branchenfremden Akteuren digitale Produkte und Dienstleistungen. In diesem Kontext wurden das Engagement der Frühphasenförderung von mobilitätsbezogenen Start-Ups durch BMW i Ventures und die geplante Kooperation von Daimler mit Uber zwecks digitaler Vermittlung autonomer Fahrzeuge eingeführt. Daher ist festzustellen, dass in den verschiedenen Bereichen der Industrie Transformationsprozesse eingesetzt haben, zu deren Unterstützung auch branchenübergreifend kooperiert wird. Die deutsche Automobilindustrie wiegt sich also weder aufgrund ihrer globalen Führungsposition in Sicherheit, noch wird an starren Organisationsstrukturen in den Bereichen der digitalen Produktentwicklung festgehalten.
2. Reflektieren die Entwicklungen der Automobilbranche aktuelle Megatrends wie Urbanisierung und Individualisierung?
Die Automobilindustrie begegnet den aktuellen Megatrends, eingeführt in Kapitel 2.2 Auslöser von Veränderungen im Bereich der Mobilität , auf verschiedenste Weise. Die fortschreitende Urbanisierung erfordert neue Mobilitätskonzepte. Durch die Vernetzung des Straßenverkehrs kann dieser sicherer und effizienter gestaltet werden. Entwicklungsziele wie Shared Autonomy, welches unter anderem von der Kooperation zwischen Daimler und Uber angestrebt wird, sollen sichere und komfortable Individualmobilität zu günstigen Konditionen zugänglich machen. Bereits 2008 gründete Daimler darüber hinaus die Carsharing-Tochter Car2Go, um besonders Stadtbewohnern die Nutzung eines Autos ohne finanzielle Bindung zu ermöglichen. Individualisierung zeigt sich nicht nur in dem sich stetig verbreiternden Portfolio an Fahrzeugangeboten. Auch das Aufkommen intermodaler Mobilitätsdienstleistungen wie moovel erlauben die unkomplizierte Planung eines Weges durch Nutzung und Kombination verschiedener Mobilitätsangebote nach individuellen Vorlieben. Auch ökologischen Motivationen kann so Tribut gezollt werden.
Somit ist die Automobilindustrie bemüht, den aktuellen Megatrends gerecht zu werden. Dies geschieht allerdings hauptsächlich in Form von Reaktionen auf wirtschaftliche oder gesellschaftliche Entwicklungen. Proaktive Innovation findet besonders im Bereich der Mobilitätsdienstleistungen nur selten statt.
3. Ist die Branche der Konkurrenz durch branchenfremde Akteure wie Uber, Apple und Google gewachsen?
Um die eigene Position gegenüber der digitalen Konkurrenz zu stärken, planen Daimler und BMW aktuell eine Fusion ihrer Mobilitätsdienstleistungen. Unter anderem sollten die Carsharing-Töchter Car2Go und DriveNow künftig unter einem gemeinsamen Markennamen operieren. Konkurrenten wie der amerikanische Ridehailing-Anbieter Uber und auch Google sollen es so möglichst schwer haben, mit digitalen Mobilitätsdienstleistungen auf dem Europäischen Markt Fuß zu fassen. Nach aktuellen Plänen wird Daimler auch die digitale Taxivermittlung myTaxi und die Plattform moovel in die Allianz einbringen. Der neue Verbund soll auch für weitere Partner offengehalten werden. Anfragen anderer Autohersteller gebe es bereits.[199]
Im Bereich der Innovationen um das Kernprodukt der Branche, dem Auto, ist branchenfremde Konkurrenz deutlich ungefährlicher. Entsprechende Bemühungen der amerikanischen Technologieunternehmen Apple und Google verlaufen durchwachsen. Der US-Konzern Apple scheiterte Anfang 2016 damit, Daimler oder BMW also Produktionspartner für den Bau des Apple iCar zu gewinnen.
Neben der Frage nach der industriellen Führung des Projektes war das Thema Datenschutz von entscheidender Bedeutung. Während Apple plante, das Auto eng in die hauseigene iCloud einzubinden, beharrten die deutschen Hersteller auf dem Datenschutz ihrer Kunden.[200] Auch Google kommt mit einem vergleichbaren Vorhaben nur schleppend voran, wie eine Reihe von Unfällen im Rahmen von Testfahrten autonomer Entwicklungsfahrzeuge auf öffentlichen Straßen vermuten lässt.[201]
Somit ist festzustellen, dass IT-Unternehmen bisher nicht im Stande sind, ohne branchenübergreifende Kooperation ein konkurrenzfähiges Fahrzeug zu entwickeln und zu produzieren. Allerdings gilt dies ebenfalls für die Entwicklung digitaler Mobilitätsdienstleistungen durch die Automobilhersteller. Daher stehen IT- und Automobilbranche im Endkundenkontakt bisher nicht in direkter Konkurrenz, da es beiden Industrien bisher nicht im nennenswerten Umfang gelungen ist, der jeweils anderen mit innovativen Produkten oder Dienstleistungen Marktanteile streitig zu machen. Dass Daimler in Zukunft Mobilitätsdienstleistungen mit Uber entwickeln wird und Apple sich um Partnerschaften mit Daimler und BMW bemühte, unterstreicht diese Feststellung.
4.1 Zusammenfassung
Nachdem in Kapitel 1 eine allgemeine Einführung in das Thema gegeben und die Motivation, Problemstellung sowie Zielsetzung erläutert wurde, wurden in Kapitel 2 die Grundlagen und Enabler der Digital Transformation näher betrachtet. Dazu wird zunächst eine Begriffseinordnung der Digital Transformation vorgenommen. Darauf folgen eine Einführung in Auslöser von Veränderungen im Bereich der Mobilität sowie eine Vorstellung von Enablern in Form relevanter Technologien und organisatorischer Strukturen.
Darauf folgte Validierung der Digital Transformation in der Automobilindustrie anhand aktueller Entwicklungen. Nach Motivation der gewählten Schwerpunkte und Schilderung der Methodik begann die Analyse mit digitalen Produktinnovationen. Die komfort- und sicherheitssteigernde Vehicle-2-X-Kommunikation befindet sich im Übergang von Reifegrad 2 Conceptual zu Reifegrad 3 Defined. Entscheidend im Kontext dieser Entwicklung ist die Gründung der 5G Automotive Association durch die deutschen Hersteller und wichtigen Akteuren aus IT- und Telekommunikationsbranche. Die vielbeachtete Entwicklung vollautonomer Fahrzeuge befindet sich jedoch noch im Reifegrad 2 Conceptual. Fortschritte in Technik, wie Cellular-V2X und künstliche Intelligenz sowie in der Gesetzgebung durch die Verabschiedung eines neuen Gesetztes im Frühjahr 2017 treiben die Entwicklung voran. Allerdings sind noch viele ethische, technische und juristische Fragen ungeklärt, wie die Analyse offenbarte.
Die Digital Transformation des Geschäftsmodells auf Basis von Plattformen und digitalen Dienstleistungen wurde mit dem Reifegrad 4 Integrated bewertet. Alle deutschen Hersteller bieten verschiedene, digitale Mobilitätsdienste an und beteiligen sich an branchenübergreifenden Kooperationen. Für die nachhaltige Marktdurchdringung eines digitalen Geschäftsmodells besonders relevant und zukunftsweisend ist das Modell der digitalen Plattform. Anhand der Beispiele Here Maps und Projekt DIPP, welche beide durch die deutsche Automobilindustrie sowie Akteure anderer Branchen getragen werden, wurde eine nachhaltige Strategie und ein starkes Management-Commitment ermittelt.
Auch die Digital Transformation der Organisationsstrukturen wurde mit dem Reifegrad 4 Integrated bewertet. Um die Vorteile agilen Vorgehens im Hinblick auf branchentypisch kurze Produktlebenszyklen der digitalen Welt nutzen zu können, wurden agile Organisationseinheiten wie Digital Labs oder Tochterunternehmen geschaffen. Ob eine agile Transformation je die gesamte Industrie ergreifen und damit in den Reifegrad 5 Transformed steigen wird, wurde aufgrund des auf Stabilität und Zuverlässigkeit beruhenden Betriebs der Produktionsanlagen als unsicher bezeichnet. Die Konsequenz ist eine IT der zwei Geschwindigkeiten, auch Bimodale IT genannt.
Im Rahmen der Validierung der Digital Transformation des Innovationsprozesses wurden zunächst Digital Labs als wichtige Inkubatoren digitaler Innovation eingeführt. Auch Rapid-Methoden sind bereits gewinnbringender Teil von Forschung, Entwicklung und Produktion. Zuletzt wurde das Konzept der Open Innovation analysiert. Trotz zahlreicher Initiativen auf Basis des Inside-Out- als auch des Outside-In-Prozesses haben die so erlangten Innovationen nur einen geringen Einfluss auf marktreife Produkte. Generell befindet sich der Innovationsprozess jedoch im Übergang von Reifegrad 3 Definded auf 4 Integrated.
4.2 Ausblick
Eine im Jahre 2015 von der Unternehmensberatung Roland Berger veröffentlichte Befragung von Führungskräften verschiedener Branchen gab der Digitalisierung in der Automobilindustrie einen Reifegrad von 31% mit einem potentiellen Einfluss von 49%. So waren über ein Drittel der Potentiale unerschlossen. Aktuelle Entwicklungen wie die Gründung der 5GAA, agiler Organisationseinheiten und die Vermarktung digitaler Mobilitätsdienstleistungen vermitteln den berechtigten Eindruck, dass diese ungenutzten Potentiale nicht nur identifiziert wurden. Vielmehr werden entsprechende Strategien zu ihrer Erschließung entwickelt und umgesetzt.
Die Automobilhersteller und ihre Zulieferindustrie befinden sich in der Digital Transformation und haben eine Reihe entscheidender Maßnahmen angestoßen, wie die branchenübergreifende Entwicklung eines mobilfunkbasierten Standards für C-V2X-Kommunikation. Konkrete Ergebnisse wurden im Zuge der Validierung des Entwicklungsstandes der Digital Transformation behandelt, etwa die Fortschritte im hochautomatisierten und autonomen Fahren von Audi, BMW und Mercedes. Für die Zukunft sind vor allem folgende Fragen entscheidend:
- Wer wird die digitale Kommunikationsschnittstelle mit Fahrer und Fahrzeughalter besetzen?
- Wem gehören die Daten, die im und am Fahrzeug entstehen?
- Welche Softwarestandards und Plattformen im und um das Fahrzeug setzen sich durch?
- Wie verändern hochautomatisiert fahrende Autos die Individualmobilität?
Diese Arbeit schließt mit zwei Zitaten:
„Die individuelle Beweglichkeit, zusammen mit der Digitalisierung unserer Welt, wird es dem System Auto ermöglichen, Marktanteile weiter auszubauen und sich in ein Mobilitätsnetz zu integrieren.“ – Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft Fakultät Ingenieurswissenschaften der Universität Duisburg Essen[202]
„Die nächsten fünf Jahre werden entscheidend sein, da Hersteller ihre digitalen Fähigkeiten ausbauen und damit schneller zu digitalen Ergebnissen zum Vorteil der Firma gelangen.“ - Markus Rossmann, Leiter des internationalen Kernteams der Digital Manufacturing Services bei Capgemini Consulting[203]
Anhang
Anhangsverzeichnis
Anhang 1: Technologische Voraussetzungen für ein autonomes Fahrzeug
Anhang 2: Modal Split im Personenverkehr gemessen an Personenkilometern
Anhang 3: Entwicklung der globalen PKW-Profite nach Region in Mrd. €
Anhang 4: Mobilitätsdienstleistungs-Matrix der globalen OEM, Stand: 6/2016
Anhang 5: Indikatoren erfolgreicher Digital Transformation nach Dimensionen
Anhang 6: Neuronales Netzwerk für Machine Learning
Anhang 1: Technologische Voraussetzungen für ein autonomes Fahrzeug
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Johanning/Mildner (2015), S.65
Anhang 2: Modal Split im Personenverkehr gemessen an Personenkilometern
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: BMVI (2017), Online im Internet
Anhang 3: Entwicklung der globalen PKW-Profite nach Region in Mrd. €
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach McKinsey (2013), S.7
Anhang 4: Mobilitätsdienstleistungs-Matrix der globalen OEM, Stand: 6/2016
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: AutomotiveINNOVATIONS (2016)
Anhang 5: Indikatoren erfolgreicher Digital Transformation nach Dimensionen
[Abdruck wurde für Veröffentlichung entfernt]
Quelle: Berghaus/Back/Kaltenrieder (2016), S.2ff.
Anhang 6: Neuronales Netzwerk für Machine Learning
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach Reif (2000)
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[1] Vgl. UmweltDialog (2014), Online im Internet
[2] Vgl. CCI (2016)
[3] Vgl. CCI (2016)
[4] Vgl. Bounfour (2016), S.22f.
[5] Vgl. Wolan (2013), S.4
[6] Vgl. Roland Berger (2015), S.19f.
[7] Vgl. Bahn o.J., Online im Internet
[8] Vgl. agile-unternehmen.de, Online im Internet
[9] Vgl. agile-unternehmen.de, Online im Internet
[10] Vgl. Wyman (2011), S. 1
[11] Vgl. infas/DLR (2010), S. 1 ff.
[12] Vgl. Vereinte Nationen (2014)
[13] Vgl. BMVI (2017), Online im Internet
[14] Vgl. Obrist et al. 2012, S. 5
[15] Vgl. Schallmo et al. (2016), S.380f.
[16] Vgl. Winterhoff et al. (2009), S. 14 f.
[17] Vgl. Schallmo et al. (2016), S.381f.
[18] Zitat: Capgemini Studie IT-Trends (2017), S.15
[19] Vgl. Capgemini Studie Studie IT-Trends (2017), S.15
[20] Vgl .Wieczorrek/Mertens (2008), S. 53
[21] Zitat: Kütz (2010), S. 8 f
[22] Vgl. Henrich (2002), S. 30 ff.; vgl. Kütz (2010), S. 9; vgl.Wieczorrek und Mertens (2008), S. 53
[23] Vgl. Sandhaus/Berg/Knott (2014). S.23ff
[24] Vgl. Thaller (2002), S. 34
[25] Vgl. Sebastian (2010), Online im Internet
[26] Vgl. Schwaber/Sutherland (2013), S.4
[27] Vgl. Thaller (2002), S. 34
[28] Vgl. Manifest (2001), Online im Internet
[29] Vgl. Manifest (2001), Online im Internet
[30] Vgl. Manifest (2001), Online im Internet
[31] Vgl. Manifest (2001), Online im Internet
[32] Vgl. Schulzki (2003), S.4
[33] Zitat: A.a.O.: S.45
[34] Vgl. A.a.O.: S.39 f.
[35] Vgl. Degel (2013), S. 4
[36] Vgl. Wyman “Car Innovation 2015” (2007), S.11
[37] Vgl. Müller/Hörmann/Dittmann/Zimmer (2016), S. V
[38] Vgl. Müller/Hörmann/Dittmann/Zimmer (2016), S. V
[39] Vgl. Hanseth/Lyytinen (2010) S.1f., Lyytinen et al. (2016), S. 47f.
[40] Vgl. Ries (2011)
[41] Vgl. Nambisan/Lyytinen/Majchrzak/Song (2017), S.224f.
[42] Vgl. Lakhani/Panetta (2007), S.97
[43] Vgl. Nambisan/Sawhney (2007), S.62
[44] Vgl. Chesbrough (2003)
[45] Vgl. Bogers/West (2012), S.61f
[46] Vgl. Lusch/Nambisan (2015) S.155f
[47] Vgl. Parker et al. (2016)
[48] Vgl. Chesbrough (2003), S. iX
[49] Zitat: Henry Chesbrough (2003) , S. X
[50] Vgl. Reichwald/Piller (2009), S.19
[51] Vgl. Ili (2009), S. 52
[52] Vgl. Hering/Redlich/Wulfsberg/Bruhns (2011), S. 647-652
[53] Vgl. Pietzonka (2005), S.3
[54] Vgl. Gassmann/Enkel (2006), S. 132–138
[55] Vgl. Miller (2008), S. 9f.
[56] Zitat: Miller (2008), S. 10
[57] Vgl. Brockhoff (1994), S. 113
[58] Zitat: Gassmann (2006), S.12
[59] Vgl. Chesbrough (2006), S.49
[60] Vgl. Reichen (2016), Online im Internet
[61] Vgl. Dorschel (2015), S.256
[62] Vgl. Davenport (2013), S.14
[63] Vgl. Dorschel (2015), S.257
[64] Vgl. Davenport (2013), S.14
[65] Vgl. Gluchowski (2016), S. 273f
[66] Vgl. Gluchowski (2016), S. 273f
[67] Vgl. Gluchowski (2016), S. 273f
[68] Vgl. Apte (2010)
[69] Vgl. Bogon (2012), S.12
[70] Zitat: Nilsson (2010), S.2
[71] Vgl. Bogon (2012), S.12f.
[72] Zitat: Nilsson (2010), S.4
[73] Vgl. Noyes/Hülsbömer (2016), Online im Internet
[74] Vgl. Noyes/Hülsbömer (2016), Online im Internet
[75] Vgl. Petereit (2016), Online im Internet
[76] Vgl. Gumsheimer/Hecker/Krüger (2015), Online im Internet
[77] Vgl. Gumsheimer/Hecker/Krüger (2015), Online im Internet
[78] Vgl. Ilg (2017), Online im Internet
[79] Vgl. Gumsheimer/Hecker/Krüger (2015), Online im Internet
[80] Zitat: Gumsheimer/Hecker/Krüger (2015), Online im Internet
[81] Vgl. Gumsheimer/Hecker/Krüger (2015), Online im Internet
[82] Vgl. Ruoss (2015), Online im Internet
[83] Vgl. Berghaus/Back/Kaltenrieder (2016), S.2
[84] Vgl. Steimel et al. (2014), S. 40f.
[85] Vgl. Steimel et al. (2014), S. 40f.
[86] Vgl. Sandhoff/Luetti (2010)
[87] Vgl. Diallo/Göller/Kalmaz/Rohmann (2010)
[88] Vgl. Laglstorfer 2013 S. 17f.
[89] Vgl. Jordan 2013
[90] Vgl. Jiang/ Delgrossi 2010
[91] Vgl. Hartenstein/ Laberteaux 2010, S.21f.
[92] Vgl. Hüthig 2007
[93] Vgl. Wisdorff 2015
[94] Vgl. heise Autos: Bildungsinitiative für Autos, S. 1
[95] Vgl. Diallo/Göller/Kalmaz/Rohmann 2010
[96] Vgl. heise Autos: Bildungsinitiative für Autos, S. 1
[97] Vgl. 5GAA (2016), S.2
[98] Vgl. Hartenstein/ Laberteaux 2010, S.21f.
[99] Vgl. La Rocco (2017), Online im Internet
[100] Vgl. 5GAA (2016), S.6
[101] Vgl. 5GAA (2016), S.7
[102] Vgl. Myers (2013), Online im Internet
[103] Vgl. Bellmer (2016), Online im Internet
[104] Vgl. DVR (2013), Online im Internet
[105] Vgl. 5GAA (2016), S.8
[106] Vgl. Günnel (2017), Online im Internet
[107] Vgl. intel (2017), Online im Internet
[108] Vgl. CeBit (2017), Online im Internet
[109] Vgl. Hanraths (2015), Online im Internet
[110] Vgl. 5GAA (2016), S.11
[111] Vgl. Johanning/Mildner (2015), S.62
[112] Vgl. Estl (2016), Online im Internet
[113] Vgl. Johanning/Mildner (2015), S.62f.
[114] Vgl. Johanning/Mildner (2015), S.62
[115] Vgl. Systemplus (2016), Online im Internet
[116] Vgl. Estl (2016), Online im Internet
[117] Vgl. Johanning/Mildner (2015), S.67
[118] Vgl. Johanning/Mildner (2015), S.65f.
[119] Vgl. Breitinger (2017), Online im Internet
[120] Vgl. Breitinger (2017), Online im Internet
[121] Vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung - DS 18/11300 (2017), S.14f.
[122] Vgl. Behrens (2017), Online im Internet
[123] Vgl. Pluta (2017), Online im Internet
[124] Vgl. Behrens (2017), Online im Internet
[125] Vgl. Wilkens (2017), Online im Internet
[126] Vgl. Bay (2017), Online im Internet
[127] Vgl. Köllner (2017), Online im Internet
[128] Vogt (2016), Online im Internet
[129] Vgl. Weidner (2017), Online im Internet
[130] Vgl. Schallmo et al. (2016), S. 376 f.
[131] Vgl. Andreesen (2007), Online im Internet
[132] Vgl. Jankowski et al. (2014), S. 8
[133] Vgl. Nanterme/Daugherty (2015)
[134] Vgl. Regalado (2014), S. 3
[135] Vgl. Kelly (1998), S. 23ff.
[136] Vgl. Schallmo et al. (2016), S.167f.
[137] Vgl. Dirscherl (2015), Online im Internet
[138] Vgl. Lipinski (2017), Online im Internet
[139] Vgl. Wenig (2017), Online im Internet
[140] Vgl. Vogt (2017), Online im Internet
[141] vgl. Sommer und Mucha 2014, S. 503
[142] vgl. Mayr 2015, S. 78
[143] Vgl. Car2go (2016), Online im Internet
[144] Vgl. Schallmo et al. (2016), S. 386
[145] Vgl. Alvares (2015), Online im Internet
[146] Vgl. Ludwig (2015), Online im Internet
[147] Vgl. Weimer (2017), Online im Internet
[148] Vgl. Dörner (2016), Online im Internet
[149] Hochrechnung: 1,85$ / 0,2 = 9.25$
[150] Vgl. Huet (2015), Online im Internet
[151] Vgl. Heder (2017), Online im Internet
[152] Vgl. StN (2017), Online im Internet
[153] Vgl. Vetter (2017), Online im Internet
[154] Vgl. Lambert (2017), Online im Internet
[155] Vgl. Haun (2016), S.4
[156] Vgl. Haufe (2016), Online im Internet
[157] Vgl. Haufe (2016), Online im Internet
[158] Vgl. Manifest (2001), Online im
[159] Vgl. Haufe (2016), Online im Internet
[160] Zitat: Eisert/Dämon (2016), Online im Internet
[161] Vgl. Hoffmann (2015), Online im Internet
[162] Vgl. Hoffmann (2015), Online im Internet
[163] Zitat: Hoffmann (2015), Online im Internet
[164] Vgl. Hartl (2015), Online im Internet
[165] Vgl. Kugler Maag (2015), S.10f.
[166] Vgl. Kugler Maag (2015), S.4
[167] Vgl. Kugler Maag (2015), S.3
[168] Vgl. Hoffmann (2015), Online im Internet
[169] Vgl. Haun (2016), S.4
[170] Vgl. Laitenberger (2016), Online im Internet
[171] Vgl. Westermann/Tannou/Bonnet/Ferraris/McAffe (2012), S. 9f.
[172] Vgl. Brown (2008) S.84-92
[173] Vgl. Röwekamp (2016), Online im Internet
[174] Vgl. Schlesag (2016), Online im Internet
[175] Vgl. Schlesag (2016), Online im Internet
[176] Vgl. Dunker (2015), Online im Internet
[177] Vgl. Acar o.J. (2014), Online im Internet
[178] Vgl. Moser (2017), Online im Internet
[179] Vgl. Cibik (2016), S. 22ff.
[180] Vgl. Doris (2015), Online im Internet
[181] Vgl. Doris (2015), Online im Internet
[182] Vgl. Doris (2015), Online im Internet
[183] Vgl. Doris (2017), Online im Internet
[184] Vgl. Doris (2015), Online im Internet
[185] Vgl. Kossel (2015), Online im Internet
[186] Vgl. High (2017), Online im Internet
[187] Vgl. High (2017), Online im Internet
[188] Vgl. localmotors.com (2016), Online im Internet
[189] Vgl. localmotors.com (2016), Online im Internet
[190] Vgl. Berlin (2017) I, Online im Internet
[191] Zitat: Musk (2014), Online im Internet
[192] Vgl. Musk (2014), Online im Internet
[193] Vgl. statista.com,: Dossier Elektromobilität (2016)
[194] Vgl. Bös (2016), Online im Internet
[195] Vgl. CVC (2015), Online im Internet
[196] Vgl. Saternus (2016), Online im Internet
[197] Vgl. Bös (2016), Online im Internet
[198] Vgl. CCI (2016)
[199] Vgl. Freitag (2017), Online im Internet
[200] Vgl. Spiegel (2016), Online im Internet
[201] Vgl. t3n (2016), Online im Internet
[202] Zitat: Dudenhöffer (2016), S. 17
[203] Zitat: Berlin (2017) II, Online im Internet
- Citation du texte
- Leo Scherhag (Auteur), 2017, Validierung des Entwicklungsstandes der Digital Transformation in der Automobilindustrie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/423645
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