Einleitung
Zunehmend lernen Kinder in den ersten Lebensjahren sprachliche Äußerungen zu verstehen und sich mitzuzeilen.
Diese sprachliche Entwicklung umfasst das Erlernen der Sprachlaute (phonetisch-phonologische Ebene), der Grammatik (morphologisch-syntaktische Ebene) sowie die Bedeutung von Begriffen und Sätzen (semantisch-lexikalische Ebene). Auch lernen Kinder, wie Sprache eingesetzt werden kann, um in seiner Welt sprachlich erfolgreich zu handeln (pragmatische Ebene).
Der ganzheitlich ablaufende Spracherwerb wird in dieser Hausarbeit aus systematischen Gründen in die genannten Spracherwerbsebenen unterteilt, somit thematisch eingeschränkt, dargestellt. Tatsächlich sind diese (und weitere Ebenen und Faktoren) eng miteinander verbunden und verlaufen zum Teil synchron. Es handelt sich um gegenseitige Bedingungsgefüge und aufeinander aufbauende Verbindungen, die teilweise erst durch die Interaktionen mit der Umwelt in ihrer Entwicklung angeregt werden.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist, eine Übersicht über die Entwicklung dieser Strukturen zu geben. Aus Gründen des möglichen Umfangs dieser Hausarbeit wird dabei nicht auf interaktionistische, kognitive oder generative Aspekte des Spracherwerbs eingegangen.
Die Gliederung der Arbeit folgt einer groben chronologischen Gewichtung der Erwerbsschritte. Nach einem kurzen Überblick über die Begrifflichkeit der Ebenen des kindlichen Spracherwerbs folgt eine Darstellung des Erwerbs der Lautproduktion unter Bezugnahme auf die Theorie Jakobsons. Daran anschließend werden phonetisch-phonologische Simplifizierungsprozesse, die das Kind zur Vereinfachung der komplexen Laute der Zielsprache verwendet, benannt.
Es folgt eine Betrachtung des Spracherwerbs auf der morphologisch-syntaktischen Ebene. Die Entwicklung dieser Strukturen wird in Anlehnung an die vorgestellten Phasen des Grammatikerwerbs nach Clahsen unter Berücksichtigung der syntaktischen Eigenschaften der Zielsprache Deutsch dargestellt.
Die abschließend folgende Ebene ist die des Sprachverständnisses, die semantisch-lexikalische Ebene.
[...]
Gliederung
Einleitung
1. Ebenen des kindlichen Spracherwerbs
2. Spracherwerb auf der phonetisch-phonologischen Ebene
2.1 Erwerb der Lautproduktion
2.2 Phonetisch-phonologische Simplifizierungsprozesse
3. Morphologisch – syntaktische Ebene
3.1 Phasen des Grammatikerwerbs nach Clahsen
3.2 Syntaktische Eigenschaften der Zielsprache Deutsch
3.3 Die Systematik der grammatischen Entwicklung bei Kindern
3.3.1. Grammatische Übergangslösungen und Lernstrategien
4. Worterwerb auf der semantisch – lexikalische Ebene
Literaturangabe
Einleitung
Zunehmend lernen Kinder in den ersten Lebensjahren sprachliche Äußerungen zu verstehen und sich mitzuzeilen.
Diese sprachliche Entwicklung umfasst das Erlernen der Sprachlaute (phonetisch-phonologische Ebene), der Grammatik (morphologisch-syntaktische Ebene) sowie die Bedeutung von Begriffen und Sätzen (semantisch-lexikalische Ebene). Auch lernen Kinder, wie Sprache eingesetzt werden kann, um in seiner Welt sprachlich erfolgreich zu handeln (pragmatische Ebene).
Der ganzheitlich ablaufende Spracherwerb wird in dieser Hausarbeit aus systematischen Gründen in die genannten Spracherwerbsebenen unterteilt, somit thematisch eingeschränkt, dargestellt. Tatsächlich sind diese (und weitere Ebenen und Faktoren) eng miteinander verbunden und verlaufen zum Teil synchron. Es handelt sich um gegenseitige Bedingungsgefüge und aufeinander aufbauende Verbindungen, die teilweise erst durch die Interaktionen mit der Umwelt in ihrer Entwicklung angeregt werden.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist, eine Übersicht über die Entwicklung dieser Strukturen zu geben. Aus Gründen des möglichen Umfangs dieser Hausarbeit wird dabei nicht auf interaktionistische, kognitive oder generative Aspekte des Spracherwerbs eingegangen.
Die Gliederung der Arbeit folgt einer groben chronologischen Gewichtung der Erwerbsschritte.
Nach einem kurzen Überblick über die Begrifflichkeit der Ebenen des kindlichen Spracherwerbs folgt eine Darstellung des Erwerbs der Lautproduktion unter Bezugnahme auf die Theorie Jakobsons. Daran anschließend werden phonetisch-phonologische Simplifizierungsprozesse, die das Kind zur Vereinfachung der komplexen Laute der Zielsprache verwendet, benannt.
Es folgt eine Betrachtung des Spracherwerbs auf der morphologisch-syntaktischen Ebene. Die Entwicklung dieser Strukturen wird in Anlehnung an die vorgestellten Phasen des Grammatikerwerbs nach Clahsen unter Berücksichtigung der syntaktischen Eigenschaften der Zielsprache Deutsch dargestellt.
Die abschließend folgende Ebene ist die des Sprachverständnisses, die semantisch-lexikalische Ebene.
1. Ebenen des kindlichen Spracherwerbs
1. Ebene der Sprachlaute: Phonetik und Phonologie
Die Phonetik ist die Lehre von der Erzeugung der (akustischen) Sprachlaute, während die Phonologie die Lehre von dem der Lautbildung zugrundeliegendem Regelsystem ist.
Phoneme sind die kleinsten, bedeutungsunterscheidenden lautlichen Einheiten. Wird z.B. bei dem Wort „Tasse“ der Anfangslaut durch ein [m] ersetzt, ergibt sich eine Bedeutungsverschiebung. Dieses sogenannte Minimalpaar unterscheidet sich nur in einem Phonem, dem [t] bzw. [m]. Dieser Laut ist bedeutungsunterscheidend, also Betrachtungsgegenstand der Phonologie.
2. Ebene der Grammatik: Morphologie und Syntax
Die Morphologie ist ein Teilbereich der Grammatik, sie ist die Lehre von der Wortbildung.
Morpheme sind die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten einer Sprache.
Die Syntax als weiterer Bestandteil der Grammatik bezieht sich auf den Bau und die Gliederung des Satzes.
Der Erwerb der Syntax ist für den Erwerb der Sprache maßgeblich, denn die Syntax beinhaltet die grundlegenden abstrakten Strukturen von Sprache.
3. Ebene des Sprachverständnisses: Semantik und Lexik
Die Semantik ist die Lehre von den Bedeutungen und Inhalten von Wörtern und Sätzen.
Auch die Fähigkeit zur Abstraktion, die sprachliche Möglichkeit auf etwas zu verweisen und etwas zu meinen, entwickeln Kinder. Sie stellen Referenzbezüge um das Wissen über die Welt und deren Repräsentationen her. Spracherwerb ist also ein Erwerb von Bedeutungen.
Damit sich Bedeutungen bilden können, müssen Kinder Worte lernen. Das Lexikon bezieht sich auf den gesamten, im Gehirn gespeicherten Wortschatz eines Menschen, darauf, welche phonologischen Repräsentationen der einzelne für bestimmte Dinge hat.
4. Ebene der Kommunikation und Pragmatik
Sprache hat kommunikativen Zweck. Fortschritt im Spracherwerb bedeutet eine Zunahme der Wirksamkeit von Äußerungen.
(nach Gadler, 1992)
2. Spracherwerb auf der phonetisch-phonologischen Ebene
Ebenso wie in den anderen Ebenen des Spracherwerbs muss auch bei der Entwicklung der Sprachlaute zwischen Entwicklung der Sprachrezeption und Sprachproduktion unterschieden werden: Beim Erwerb des phonologischen Systems geht der Prozess des Sprachverstehens dem Sprechen weit voraus, das Kind kann sehr viel früher lautlich verstehen, als es zu sprechen beginnt, auch wenn es bereits früh selbst Laute produziert.
Das Kind vernimmt zuerst aus den situativen Kontexten, in die es eingebunden ist, lautliche Ganzheiten, die durch Intonation und Melodieführung Bedeutung erhalten. Daraufhin ist auch das sogenannte "Mutterische“ („Ammensprache", „Baby-Talk-Register“) ausgerichtet. Das Mutterische ist die in allen Kulturkreisen ähnliche Sprache von Erwachsenen, die "instinktiv" gegenüber einem Kleinstkind verwendet wird. Die besonderen Merkmale des Mutterischen sind im Vergleich zur Erwachsenensprache eine höhere Grundfrequenz, ein größerer Frequenzumfang und eine stärkere Frequenzvariabilität (melodisches Auf und Ab), eine größere Dynamik die Lautstärke betreffend, sowie eine langsamere Aussprache.
2.1 Erwerb der Lautproduktion
Berücksichtigt werden muss, dass der Lauterwerb nicht losgelöst von den Wörtern geschieht. Die phonetische Seite darf bei der Untersuchung der phonologischen Entwicklung nicht vernachlässigt werden. (...) Die phonologische Entwicklung scheint durch die Veränderung der Aussprache in einzelnen Wörtern zu geschehen. (Oksaar, S. 50)
Die Linguistik unterscheidet zwischen eigentlicher Sprache und den lautlichen Äußerungen eines Säuglings. Der Begriff Sprache in der Linguistik meint Zeichen im Saussureschen Sinne: Jedes Zeichen besteht aus zwei Komponenten, seiner Bedeutungsseite -Signifikat- (Zeicheninhalt, Vorstellung) und seiner Ausdrucksseite -Signifikant-. Die Linguistik betrachtet Äußerungen also erst als Sprache, wenn ein Laut mit einer bestimmten semantischen Bedeutung verbunden ist.
Beim Erwerb der Phonologie kann somit eine vorsprachliche, prälinguistische Phase ausgemacht werden, eine Zeit, in der ein Laut noch nicht mit einer bestimmten semantischen Bedeutung verbunden ist.
Der Erwerb der Aussprache kann in vier Schritte gegliedert werden:
- Prälinguistisches Stadium, Gurren, Lallen, Echosprache (0;0 – 1;0 Jahre)
- Phonologie der ersten 50 Wörter (ab 1;0 Jahre)
- Erwerb des phonologischen Systems mit phonetisch-phonologischen Simplifizierungsprozessen (ab 1;6 Jahre)
- Vervollkommnung des phonologischen Systems
(vergl. Tracy)
Mit etwa 0;6 Jahren beginnt das Kind Laute zu produzieren und einfache Silben häufig spielerisch zu wiederholen (Lallen). Einige Monate später kann es einfache vorgesprochene Wörter ansatzweise imitieren (Echosprache).
Das Kind zeigt in seinen Lallproduktionen, dass es alle menschlichen Laute und Lautkombinationen erzeugen kann. Die „Melodieführung" weist dabei Ähnlichkeiten mit Sätzen und Phrasen der Erwachsenensprache auf. Das Kind beherrscht also schon die sprachlichen Signifikanten bevor es in einem linguistischen Sinne spricht.
Laut der bekanntesten Theorie der phonologischen Entwicklung von Roman Jakobson, 1941, wird das Erlernen einzelner Sprachlaute nicht mit einer Zunahme der motorischen Geschicklichkeit der Sprechorgane erklärt. Jakobson geht von universellen Lautentwicklungsreihen aus, d.h. die relative Zeitfolge des Lauterwerbs bleibt in allen Sprachen die gleiche, während das Tempo individuell ist.
Die folgende Theorie der universal gültigen Lautentwicklungsreihe nach Jakobson muss jedoch kritisch betrachtet werden, denn jedes Kind und seine Sprache sind verschieden.
Jakobsons vielverbreitete Theorie ist schon früh kritisiert worden (Velten 1943; Leopold 1947, S.199 ff), da der Lauterwerb keineswegs universal und nach einem festen Programm verläuft. Schon wegen der schmalen Grundlage seiner Daten kann keine Allgemeingültigkeit beansprucht werden. Ferner ist fraglich, ob so früh schon phonologische Kontraste belegbar sind. Nicht selten ist das erste Wort eines Kindes etwas anderes als papa, mama, z.B. auto.“(Oksaar, S. 49)
Nach Jakobson erfolgt der Erwerb des Phonemsystems stufenweise nach dem Prinzip des maximalen Kontrastes und des kleinsten Kraftmaßes. „Zuerst werden die einfachen Strukturen des gröbsten Kontrastes erworben: a als der erste Vokal und ein labialer Verschlusslaut als der erste Konsonant.“ (Oksaar, S. 49) Es kontrastieren offener Laut und Verschlusslaut, was dem Muster von Konsonant/ Vokal (K/V) entspricht, beispielsweise [ma]. Dieses Grundschema wird redupliziert, K/V/K/V, [mama], und später variabel verändert [mami]. Das Konsonant/Vokal Muster bildet ein sogenanntes Minimalpaar. Kinder lernen anhand des Kontrastes eines Minimalpaares, Laute zu differenzieren.
Die Entwicklung der Konsonantenartikulation verläuft entsprechend der Artikulationsstellen von vorne nach hinten, d.h., dass im ersten Lebensjahr gezielte Lautverbindung von Labialen (Lippenlaute) [m], [b], [p] und Vokalen gebildet werden. Im zweiten Lebensjahr werden Dentale (Schneidezähne und Alveolardamm) und Alveolare (Übergang von Zähnen zum Hartgaumen, [t],[d],[n]) erworben. Im dritten Lebensjahr folgt die Produktion erster einfacher Konsonantenverbindungen und zunehmend werden Palatale (Hochgaumen, [j],[ç]), Velare (Velum / Gaumensegel, [k],[g],[x]), Uvulare (Zäpfchenlaute, [r],[q],[g]) und Glottale (Stimmlippenlaute) erworben.
Mit sechs Jahren sollte das Kind alle Laute und Lautverbindungen korrekt artikulieren können.
(vergl. Wirth, S. 112 ff)
Lauterwerb ist so ein Differenzierungsprozess, der Laute einander gegenüberstellt und der vom Einfachen zum Differenzierten fortschreitet (vorderer Laut zum hinteren Laut).Im Fortschreiten der lautlichen Entwicklung werden die weniger strukturierten Einheiten durch mehr strukturierte ersetzt, die einfachen und groben Gegensätze entwickeln sich zu feineren und differenzierteren.
2.2 Phonetisch-phonologische Simplifizierungsprozesse
Vergleicht man die Aussprache eines Kindes mit der Umgebungssprache, ergibt sich das Bild regelhafter Abweichungen im Sinne von Simplifizierungstaktiken. Ein großer Teil der Abweichungen der kindlichen Äußerungen von der Umgebungssprache lässt sich mit phonologischen Prozessen charakterisieren. Einige von ihnen treten fast obligatorisch auf. „Hierzu zählen die Auslassung unbetonter Silben, die Reduplikation, die Auslassung finaler Konsonanten, die Reduktion von Mehrfachkonsonanz, vermutlich auch die Alveolarisierung und die Plosivierung“ (Hacker, S. 28).
1. Silbenstrukturprozesse
Silbenstrukturprozesse verändern die Silbenstruktur intendierter Zielwörter. Unterscheiden lassen sich hierbei vorrangig die Auslassung unbetonter Silben
(Beispiel: Paket – tet), die Vereinfachung mehrsilbiger Wörter (Beispiel: Lokomotive - ´tivә) sowie Reduplikationen. Die ersten Wörter, die Kinder erlernen, wie beispielsweise „Mama“ oder „Papa“, bestehen aus verdoppelten Silben. Doch auch andere Wörter werden von Kindern entsprechend redupliziert (Beispiel: Ball – bala). Auch werden häufig finale Konsonaten ausgelassen (Beispiel: Brot – bo). Zentral ist die Reduktion von Mehrfachkonsonanz. Mehrere aufeinander folgende Konsonanten in einem Wort sind von Kindern aufgrund der hohen mundmotorischen Koordinations-Anforderung schwer auszusprechen. Dementsprechend lassen Kinder oft Konsonanten aus der Verbindung weg oder ersetzen sie. In der Regel wird das Segment ausgelassen, das auch als Einzelkonsonant entwicklungsgemäß gegenüber dem andern später in Erscheinung tritt.
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- Citation du texte
- Claudia Sellhoff (Auteur), 2004, Wie lernen Kinder sprechen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42171
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