Kann man tatsächlich von einem (post-)modernen Dandyismus in Zeiten der Jahrtausendwende sprechen, der seinen Vorbildern aus dem 18. und 19. Jahrhundert gerecht wird?
Eine Antwort auf diese Frage zu geben, ist das oberste Ziel dieser Arbeit. Anhand des Romans Faserland (1995) von Christian Kracht als Paradebeispiel für die Popliteratur soll untersucht werden, ob man tatsächlich von einer ‚Wiedergeburt‘ des Dandys innerhalb dieser Literaturgattung und auch innerhalb dieser Epoche sprechen kann. Für einen direkten Vergleich mit der fin de siècle-Literatur ist der Roman The Picture of Dorian Gray (1890) von Oscar Wilde zweifelsohne geeignet, da er ein Exempel für seine literaturhistorische Umgebung und insbesondere für das literarische Dandytum statuiert. Methodisch basiert die Arbeit auf einer stoff- und motivgeschichtlichen Analyse des Dandy-Phänomens.
Das Zeitalter, in dem wir uns befinden, bietet jedem Individuum vermeintlich unbegrenzte Entfaltungsmöglichkeiten. Gleichzeitig aber werden die Vorstellungen vom Leben zunehmend auf Normen, Bilder und Stereotypen, die uns alltäglich durch die Medien vermittelt werden, reduziert. Dies führt dazu, dass unsere individuellen Bedürfnisse immer mehr nach dem vorherrschenden Mainstream ausgerichtet werden. Doch wie kann man seine Individualität gegen den Mainstream in Stellung bringen? Im 18. und insbesondere 19. Jahrhundert ist es der Dandy, der den Archetypus des Exzentrikers verkörpert. Ist das in dieser Radikalität auch in heutigen Zeiten des Massenkonsums noch denkbar? Diese Fragestellung formuliert die US-amerikanische Schriftstellerin Susan Sontag in ihrem 1964 erschienenen Essay Notes on „Camp“: „How to be a dandy in the age of mass culture.”
Etwa dreißig Jahre später scheinen auch die deutschen Pop-Autoren der 1990er Jahre eine Lösung auf die Frage zu liefern, wie man im Zeitalter der Massenkultur als Dandy auftreten kann. Diese Haltung schlägt sich auch in den Texten dieser Zeit nieder. Insbesondere Christian Kracht, aber auch einige seiner Zeitgenossen werden spätestens seit Veröffentlichung des Manifests Tristesse Royale in zahlreichen Feuilletons als moderne Dandys bezeichnet.
Inhalt
1. Einleitung
2. Das Dandytum – die Entstehung des Begriffs
2.1 Vorreiter des Dandytums
2.2 Beau Brummel als Urbild des Dandys
2.3 Der Dandy im fin de siècle
3. Dandyismus bei Oscar Wilde und Christian Kracht
3.1 Oscar Wilde
3.1.1 Kunstverständnis
3.1.2 Selbstinszenierung
3.2. Christian Kracht
3.2.1 Popkultur und Popliteratur
3.2.2 Intermediale Inszenierungen in der Popkultur
4. Vergleich: Dandy-Figuren in The Picture of Dorian Gray und Faserland
4.1 Ästhetizismus
4.2 Hedonismus und Müßiggang
4.3 Zynismus und Provokation
4.4 Kälte und Affektkontrolle
5. Fazit und Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Zeitalter, in dem wir uns befinden, bietet jedem Individuum vermeintlich unbegrenzte Entfaltungsmöglichkeiten. Gleichzeitig aber werden die Vorstellungen vom Leben zunehmend auf Normen, Bilder und Stereotypen, die uns alltäglich durch die Medien vermittelt werden, reduziert. Dies führt dazu, dass unsere individuellen Bedürfnisse immer mehr nach dem vorherrschenden Mainstream ausgerichtet werden. Doch wie kann man seine Individualität gegen den Mainstream in Stellung bringen? Im 18. und insbesondere 19. Jahrhundert ist es der Dandy, der den Archetypus des Exzentrikers verkörpert. Ist das in dieser Radikalität auch in heutigen Zeiten des Massenkonsums noch denkbar? Diese Fragestellung formuliert die US-amerikanische Schriftstellerin Susan Sontag in ihrem 1964 erschienenen Essay Notes on „Camp“: „How to be a dandy in the age of mass culture.”[1]
Laut Roland Barthes tötet die neue Mode, die durch industrielle Fertigung zum Massenphänomen mutiert, den Dandy[2], dessen Ursprung im ausgehenden 18. Jahrhundert liegt. Günter Erbe dagegen sieht weniger die Konfektion, sondern die „Kommerzialisierung des gesellschaftlichen Lebens“[3] als Gefahr für den Dandy, der sich durch Exklusivität und Individualität auszeichnet und dem „seine gesellschaftliche Grundlage und Bühne entzogen“[4] wurde. Susan Sontag findet die Antwort auf ihre Frage im sogenannten ‚Camp‘, einer ästhetizistischen Bewegung, die sich in den 1950ern und 60ern als „modern dandyism“[5] zeigt und an „dandyistische Ideale wie das Stilisierte, das Dekorative und die Verwandlung des Ernsten ins Frivole“[6] anknüpft:
The connoisseur of Camp has found more ingenious pleasures. Not in Latin poetry and rare wines and velvet jackets, bit in the coarsest, commonest pleasures, in the arts of the masses. Mere use does not defile the objects of his pleasure, since he learns to possess them in a rare way. Camp – Dandyism in the age of mass culture – makes no distinction between the unique object and the mass-produced object.[7]
Etwa dreißig Jahre später scheinen auch die deutschen Pop-Autoren der 1990er Jahre eine Lösung auf die Frage zu liefern, wie man im Zeitalter der Massenkultur als Dandy auftreten kann. Diese Haltung schlägt sich auch in den Texten dieser Zeit nieder. Insbesondere Christian Kracht, aber auch einige seiner Zeitgenossen werden spätestens seit Veröffentlichung des Manifests Tristesse Royale in zahlreichen Feuilletons als moderne Dandys bezeichnet.[8]
Doch kann man tatsächlich von einem (post-)modernen Dandyismus in Zeiten der Jahrtausendwende sprechen, der seinen Vorbildern aus dem 18. und 19. Jahrhundert gerecht wird? Eine Antwort auf diese Frage zu geben, ist das oberste Ziel dieser Arbeit. Anhand des Romans Faserland (1995) von Christian Kracht als Paradebeispiel für die Popliteratur soll untersucht werden, ob man tatsächlich von einer ‚Wiedergeburt‘ des Dandys innerhalb dieser Literaturgattung und auch innerhalb dieser Epoche sprechen kann. Für einen direkten Vergleich mit der fin de siècle-Literatur ist der Roman The Picture of Dorian Gray (1890) von Oscar Wilde zweifelsohne geeignet, da er ein Exempel für seine literaturhistorische Umgebung und insbesondere für das literarische Dandytum statuiert.
Methodisch basiert die Arbeit auf einer stoff- und motivgeschichtlichen Analyse des Dandy-Phänomens. Im ersten Teil der Arbeit wird der Dandy in seiner historischen Entwicklung dargestellt. Es erweist sich als äußerst schwierig, den Dandy zu definieren, da er im Laufe seines Werdegangs „kein einheitliches Gesicht“[9] zeigt. Daher erscheint es sinnvoll, die Figur von seinen Ursprüngen bis in unsere Gegenwart, genauer gesagt in die Popliteratur, zu betrachten. Zunächst werden also die frühesten Formen des Dandytums und seine Vorgeschichte dargelegt. Im Anschluss wird George Bryan Brummel als Urbild des Dandys im Regency-Zeitalter Anfang des 19. Jahrhunderts vorgestellt. Das darauf folgende Kapitel widmet sich der Epoche, in der das Dandytum erstmals ‚wiedergeboren‘ wird – dem fin de siècle. Hier werden markante Merkmale dieser Epoche herausgestellt sowie die Kennzeichen und Motive des Dandys im fin de siècle in Abgrenzung zum Dandy à la Brummel erörtert. Die Charakterisierung des dekadenten Dandys wird durch die nähere Betrachtung des Protagonisten der „Bibel der Décadence“[10], dem Roman À rebours von Joris-Karl Huysmans, ergänzt.
Das dritte Kapitel widmet sich zunächst den beiden Schriftstellern Oscar Wilde und Christian Kracht. Als Erstes wird Oscar Wilde und seine Auffassung von Kunst thematisiert. An dieser Stelle liegt der Fokus auf seinem Werk The Decay of Lying, in dem Wilde seinen offensiven Ästhetizismus proklamiert, bei dem die Kunst als wahre Realität bezeichnet wird, während das Leben an sich bloß ein Spiegel darstellt: „Life imitates Art far more than Art imitates Life“[11]. Darüber hinaus wird dargelegt, wie Oscar Wilde zum Meister der Selbstinszenierung wurde. Im Kapitel zu Christian Kracht wird der Autor vorgestellt und anschließend die Popliteratur als Phänomen der 1990er Jahre betrachtet, um anschließend speziell auf die intermedialen Inszenierungstechniken der Popliteraten eingehen zu können.
Im vierten Kapitel folgt die Analyse und Gegenüberstellung der beiden Romane The Picture of Dorian Gray und Faserland. An dieser Stelle werden die beiden Primärwerke auf ausgewählte Motive des Dandytums hin untersucht und verglichen: Welche Textstellen weisen typische Motive und Verhaltensweisen des Dandys auf? Inwiefern lassen sich Parallelen zwischen den Werken bzw. dem Ich-Erzähler aus Faserland und Lord Henry Wotton bzw. Dorian Gray aus The Picture of Dorian Gray ziehen? In welcher Form werden die Motive aus dem fin de siècle in der Popliteratur adaptiert bzw. modifiziert? Und schlussendlich: Ist es angemessen, von einer ‚Wiedergeburt des Dandys‘ in der Popliteratur zu sprechen?
Im Rahmen einer kritischen Schlussbetrachtung werden die Ergebnisse zusammengefasst sowie aktuelle Entwicklungen hinsichtlich der Thematik präsentiert.
2. Das Dandytum – die Entstehung des Begriffs
„A man who cares a lot about his clothes and appearance”[12]. So definiert das Oxford English Dictionary den Dandy. Der schottische Essayist und Historiker Thomas Carlyle spricht vom Dandy spöttisch als „clothes-wearing man“[13]. Die folgenden Ausführungen werden zeigen, dass man es kaum bei diesen oberflächlichen Definitionen des Dandys belassen kann. Spätestens nach der Lektüre des Essays Über das Dandytum und über George Brummel von Jules Barbey d’Aurevilly wird deutlich, dass das Dandytum wesentlich mehr darstellt, nämlich „eine ganze Art zu sein, und zwar nicht nur im Bereich des Sichtbaren.“[14] Umso schwieriger gestaltet es sich, eine klare Begriffsbestimmung des Dandys zu liefern, denn auch d’Aurevilly räumt ein, dass „das Dandytum […] beinahe genauso schwierig zu beschreiben wie zu definieren“[15] sei. Dennoch soll in den folgenden Kapiteln der Versuch unternommen werden, den Dandy in seiner Komplexität umfassend darzustellen.
An den Anfang sei eine kurze Erläuterung zur Begriffsentstehung gestellt: Die meisten Nachschlagewerke führen den Begriff „Dandy“ auf den Kinderreim „Jack-a-Dandy“ zurück, der Ende des 18. Jahrhunderts an der Grenze zu Schottland auftaucht und „einen lächerlichen Menschen, eine Art ulkigen Vogel oder Trottel“[16] bezeichnet. Oftmals wird auch auf das Lied „Yankee Doodle Dandy“ hingewiesen, das mutmaßlich von einem Engländer verfasst wurde, der über das Aussehen der amerikanischen Soldaten in den Kolonien spottete.[17] Mit Beginn des 19. Jahrhunderts etabliert sich der Begriff ‚Dandy‘ dann als Bezeichnung für „auffallend herausgeputzte Modehelden“[18] und löst die bis dahin gebräuchlichen Termini ab. Es existieren also bereits vor der eigentlichen Begriffsentstehung Formen des Dandys, über die das nächste Kapitel einen Überblick geben soll.
2.1 Vorreiter des Dandytums
Die Entstehung des Begriffs ‚Dandy‘ kann also im England des ausgehenden 18. Jahrhunderts verortet werden. Allerdings hat es „exzentrische Existenzen, dandeske Sozialcharaktere gegeben“[19] noch bevor der Begriff überhaupt geprägt wurde. Das Phänomen des Dandyismus reicht somit viel weiter zurück, als es auf den ersten Blick scheint. Zudem werden die folgenden Ausführungen zeigen, dass der Begriff des Dandys bis in unser heutiges Zeitalter Bestand hat. Jules Barbey d’Aurevilly begründet diese Tatsache folgendermaßen: „Das Dandytum ist in der Natur der Menschen aller Länder und Zeiten verwurzelt, da Eitelkeit universell ist.“[20] Im Laufe der Geschichte findet man also unzählige Beispiele von dandyistischen Persönlichkeiten und Figuren. Reduziert man den Dandy auf sein grundlegendes und offensichtliches Erkennungsmerkmal, die Eitelkeit, zeigt dieser sich schon in der griechischen Mythologie in Gestalt des Narziss, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebt. Auch im antiken Rom tritt etwa der Politiker Petronius laut Hans-Joachim Schickedanz als einer der „gefeiertsten Dandies“[21] Roms auf und gilt schon in dieser Zeit – wie später auch Beau Brummel – als „arbiter elegantiae“, also als „Schiedsrichter des feinen Geschmacks“[22].
In der Renaissance werden die Verhaltensweisen der höfischen Schicht von dem Schriftsteller Baldassare Castiglione beschrieben. Diese begründen später die „Gentleman-Qualitäten des Dandys“[23]: die „scheinbare Mühelosigkeit der Arbeit, Humor und Schlagfertigkeit, Eleganz und urbaner Lebensstil sowie eine umfassende Bildung in den schönen Künsten.“[24]
Bis ins 17. Jahrhundert handelt es sich nichtsdestotrotz um singuläre Erscheinungen eines frühen Dandytums. In Frankreich tauchen dann unter der Herrschaft von Philippe II. von Orléans die sogenannten roués auf. Diese Gruppe, die den Herzog mit einschließt, fällt vor allem durch ungestümes und anstößiges Verhalten und die öffentliche Zurschaustellung ihrer Ausschweifungen auf. Sie werden als Männer beschrieben, die weder Tugendhaftigkeit noch Prinzipien haben, ihre Lasterhaftigkeit aber dennoch durch Anmut und Witz veredeln.[25] Sie bringen vor allem „die Sinnenfreude des Dandysmus zum Ausdruck“[26]. Domna C. Stanton stellt in diesem Zusammenhang fest: „Negative behaviour which seeks a positive response […] lies at the heart of the dandy’s strategy.“[27]
In England findet man zu dieser Zeit ähnliche Phänomene, die unter den Begriff rake fallen. Interessant ist an dieser Stelle insbesondere John Wilmoth 2nd Earl of Rochester, dem das „vermeintlich erste schriftlich fixierte pornographische Werk Sodom, or the Quintessence of Debauchery zugeschrieben wird.“[28] Die Macaronis, „eine Gruppe wohlsituierter junger Männer, die sich in den 1760er und 1770er in Londoner Clubs“[29] zusammenfinden, lassen sich von der Mode der Adligen aus Frankreich und Italien inspirieren und provozieren mit einem äußerst „affektierten Habitus“[30]:
Lächerliche Frivolitäten wurden offen zur Schau getragen. Dazu zählten übergroße Kragen, winzige Hüte auf aufgetürmten Haaren, bunte Federn, diverse Formen von Röcken und Hosen, Korsetts, etc.[31]
In Frankreich folgen zum Ende des 18. Jahrhunderts die muscadins, die incroyables und die merveilleuses, die sich durch Exzentrik hinsichtlich ihrer Kleidung sowie politischen Einstellung einen Namen machen.[32] Erstere entstammen meist der Mittelklasse und zeichnen sich durch unhöfliche Manieren, obszöne Sprache und eine Mode aus, die als „Mittel des Protests gegen das repressive Regime und für mehr Freiheit“[33] dienen soll. Sie orientieren sich stark an den englischen Vorbildern, ähnlich wie die incroyables, die von ihren weiblichen Pendants, den merveilleuses, begleitet werden und vor allem durch einen überspitzten, extravaganten Kleidungsstil auffallen.
Im 19. Jahrhundert trifft man dann vermehrt auf dandyistische Figuren, so beispielsweise in Form der sogenannten swells, „gut gekleidete Gauner um 1810, die ihre unmoralischen Intentionen hinter einer schimmernden Fassade versteckten.“[34] Kurze Zeit später tauchen die exquisites vermehrt in England auf, die durch sehr aufwendige Kleidung mit grellen Farben auf den Straßen Londons auf sich aufmerksam machen. Französische Synonyme dieser Erscheinung sind unter anderem der fashionable und der Salonlöwe.[35]
All diese Vorläufer prägen vor allem ein grundlegendes Motiv des späteren Dandytums: die Eitelkeit und damit die herausgehobene Rolle des äußeren Erscheinungsbilds. Der unmittelbare Vorgänger des Dandys ist der sogenannte Beau, mit dem ein neuer, eleganter Kleidungsstil sowie eine „strenge Etikette zum gesellschaftlichen Umgang“[36] einhergeht. Jedoch sind „die Beaux […] keine Dandys, sie bereiteten ihnen bloß den Weg. Das Dandytum regte sich bereits unter der Oberfläche, kam aber noch nicht zum Vorschein.“[37] Zu den berühmten Beaux zählt unter anderem der Engländer George Bryan Brummel (genannt Beau Brummel), der jedoch in der späteren Rezeption als Dandys betitelt wird und England zur eigentlichen Geburtsstätte des Dandytums macht. Seine Person wird im nun folgenden Kapitel beleuchtet.
2.2 Beau Brummel als Urbild des Dandys
„Er wäre wohl in den Tiefen der Geschichte vergessen worden, hätte sich nicht Barbey d’Aurevilly seiner angenommen.“[38] Die Rede ist von George Bryan Brummel, der in der ersten und grundlegenden Arbeit über den Dandyismus aus dem Jahre 1844 behandelt wird. Der Franzose Barbey d’Aurevilly schreibt das Essay über Brummel anlässlich seines Todes im Jahre 1840.[39] Im Vorfeld ist bereits deutlich geworden, dass es schon vor Brummel Dandys gab, mit ihm wird jedoch Ende des 18. Jahrhunderts das „Ur-Bild des englischen Dandyismus geboren“[40]. Der ursprünglich eher negativ konnotierte Dandy-Begriff erfährt laut Günter Erbe durch Brummel eine entscheidende Aufwertung.[41]
George Bryan Brummel wird am 7. Juni 1778 als Sohn des Esquire William Brummel in Westminster geboren und stammt aus bürgerlichen Verhältnissen. Sein Vater bringt es zu einigem Wohlstand, schickt seine Kinder auf Eliteschulen und vererbt ihnen nach seinem Tod eine ansehnliche Summe Geld.[42] Bereits während seiner Zeit am Eton College fällt Brummel durch seine kühlen Umgangsformen und die sorgfältige Auswahl seiner Kleidung auf. Anschließend studiert er ein Trimester in Oxford, wo er sich jedoch anstatt seines Studiums eher „der Pflege und Besonderheit seiner Garderobe, blasierter Gelassenheit sowie rhetorischer Gewandtheit und ironischer Ausdrucksweise“[43] zuwendet. Er verlässt Oxford nach kurzer Zeit, um als Fähnrich ins 10. Husarenregiment unter dem Befehl des Prince of Wales, dem späteren König George IV, einzutreten. Letzterer empfindet eine spontane Zuneigung gegenüber Brummel und führt ihn in die „anspruchsvollste Fashionwelt“[44] ein:
Er [Brummel] zeigte dabei Eigenschaften, die der Prince of Wales am meisten schätzte: blühende Jugend, die Sicherheit eines Mannes, der das Leben kennt und meistert, die feinste und gewagteste Mischung aus Unverschämtheit und Respekt, schließlich vollendeten Geschmack und geistvolle Schlagfertigkeit.[45]
In der Zeit von 1798 bis 1816 herrscht Brummel über die Londoner Modewelt.[46] Doch wie kommt es dazu, dass ein Mann aus bürgerlichen Verhältnissen zu einem solchen Einfluss gelangt? Barbey d’Aurevilly beschreibt es folgendermaßen:
Er besaß Anmut, wie sie der Himmel schenkt und wie sie soziale Zwänge oft verfälschen. Aber er besaß sie und entsprach so dem Bedürfnis nach übermütigen Launen, das in gelangweilten, unter allzu harte Anstandsregeln gebeugten Gesellschaften auftritt.[47]
Zum einen ist es also seine bürgerliche Herkunft, zum anderen der Nährboden der gelangweilten und gleichzeitig modebesessenen englischen Oberschicht, der Brummel zu einer führenden Rolle in Londons Salons verhilft. Er beginnt die Männerkleidung zu reformieren und legt dabei stets Wert auf das rechte Maß:
Wichtiger als luxuriöse Prachtentfaltung war die tadellose Form des Rocks. Die Farbe des Fracks und der Hose war gedämpft. Einzig die Weste erlaubte einen Farbkontrast. Die neue Kleidung war auf den man about town, den müßiggängerischen Gentleman, zugeschnitten.[48]
Vom gewöhnlichen Gentleman unterscheidet den Dandy die besondere Art, die Kleidung zu tragen: „Ein Anzug bewegt sich ja nicht von allein! Im Gegenteil! Erst eine bestimmte Art, ihn zu tragen, bringt das Dandytum hervor.“[49]
Nachdem er seine Militärkarriere frühzeitig beendet hat, führt Brummel fortan in London ein Leben als Zivilist, „in den Salons, in denen Reichtum, Müßiggang und die neuesten Errungenschaften der Zivilisation reizende Affektiertheiten […]“[50] für ihn bereithalten. Er veranstaltet regelmäßig Diners mit den erlesensten Gästen, betrinkt sich gerne und oft und verfolgt das Ziel, trotz verhältnismäßig geringer Mittel sein Leben „ausschließlich dem Vergnügen zu widmen“[51].
Laut Günter Erbe sind es in erster Linie drei Prinzipien, die George Brummel als „exemplarischen Dandy“[52] ausmachen: Reduktion, Exklusivität und Unabhängigkeit.[53] Die Reduktion bzw. Simplizität äußert sich in erster Linie in seiner Kleidung, die von einer „raffinierte[n] Einfachheit“[54] gekennzeichnet ist. „Um gut angezogen zu sein, darf man nicht auffallen“[55], kommentiert Brummel selbst in diesem Zusammenhang. Nichtsdestotrotz verbringen er und die Dandys der Regency-Zeit mehrere Stunden mit ihrer ‚Toilette‘[56] und neigen zu einer gewissen Affektiertheit. Die Reduktion geht auch über seinen Kleidungsstil hinaus: Brummel vermeidet „jede weitschweifige Eloquenz.“[57] D’Aurevilly schreibt über ihn Folgendes:
Die Macht dieses zu oberflächlich beurteilten Mannes war so intellektuell, daß er mehr durch seine Miene als durch Worte herrschte. Seine Wirkung auf andere war unmittelbarer als wenn sie durch Sprache ausgeübt worden wäre. Er erzeugte sie durch Betonung, Blicke, Gesten, Andeutungen, sogar durch Schweigen; das ist eine Erklärung, warum von ihm so wenige Aussprüche überliefert worden sind.[58]
Das Exklusivitätsstreben ist ein weiteres Merkmal von Brummel und den Dandys in der Regency-Zeit: „Sie stellten eine geschlossene Gesellschaft dar. Ihr Aktionsrahmen war der fashionable Club.“[59] Innerhalb dieses gesellschaftlichen Rahmens ist es Brummel, der Regeln erlässt, den guten Ton bestimmt und schließlich zum „Diktator der Mode“[60] und „Autokrat der Meinungsbildung“[61] wird.
„Die Unabhängigkeit macht den Dandy aus.“[62] Er ist ein „Selfmademan“[63], der sich seine Position nicht durch Abstammung, sondern durch „die Eigenleistung als Schiedsrichter der Eleganz“[64] verdient. Seine Unabhängigkeit zeigt sich auch im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht. Für ihn bedeutet Liebe und Verlangen gleichzeitig Bindung und Sklaverei, daher entzieht er sich diesen Freuden weitgehend und zeigt eine Teilnahmslosigkeit und Kälte, die charakteristisch für den Dandy wird.[65]
Die „ewige[n] Spottlust des Dandys“[66] führt letztlich dazu, dass Brummel sich mit dem Prince of Wales überwirft, weil er über die Körperfülle des einstigen Gönners spottet. Zudem verliert er beim Glücksspiel gewaltige Summen und lebt fortan von dem Geld, das Freunde ihm leihen. Auch dieser allzu sorglose Umgang mit finanziellen Mitteln wird charakteristisch für den Dandy. Trotz allem gerät Brummels hohe gesellschaftliche Position zu dieser Zeit noch nicht ins Wanken. Als seine Schulden zu immens werden, verlässt er im Mai 1816 England und geht ins Exil nach Calais, wo er weiterhin über seine Verhältnisse lebt. Doch auch infolgedessen bricht der Einfluss des Dandys nicht ab, „er überdauert[e] seinen Weggang“[67]. Die Fashionwelt pilgert sogar nach Frankreich und er wird zum „ König von Calais “[68]. 1830 verlässt Brummel Calais, um in Caen das Amt eines englischen Konsuls anzutreten. Als die britische Regierung das Konsulat in Caen schließen lässt, gehen ihm die Geldmittel endgültig aus. 1835 wird er auf Veranlassung seiner Gläubiger verhaftet, aber aufgrund großzügiger Spenden seiner Freunde aus England nach kurzer Zeit wieder freigelassen.[69] Neben seinen Geldschulden verschlimmern sich allmählich sein Gesundheitszustand und seine geistige Verfassung, bis er letztendlich geistig verwirrt und völlig mittellos am 30. März 1840 stirbt.[70] Beinahe bis zuletzt kann er jedoch seine Position als arbiter elegentiarum aufrechterhalten. Dies zeigt, dass er tatsächlich „nicht nur der berühmteste aller Dandys, sondern auch der bei weitem einflussreichste“[71] war.
In Frankreich hält das Dandytum erst nach der napoleonischen Ära Einzug. Von England spricht man noch heute als „Land des gelebten“ und von Frankreich als „Land des literarischen Dandyismus.“[72] Erwähnenswert hinsichtlich letzterem sind vor allem die Werke von Balzac, Stendhal, Sue und Musset.[73] Der wichtigste Vertreter des französischen Dandyismus ist Charles Baudelaire, der das Dandytum jedoch bereits Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Metapher der „untergehende[n] Sonne“ bzw. des „sinkende[n] Gestirns“[74] als aussterbendes Phänomen beschreibt. England und Frankreich sind im 19. Jahrhundert die Zentren des Dandytums. Sie bieten durch ihre höfischen Traditionen den optimalen Nährboden für die Erlebnisweisen des Dandytums. In Deutschland entwickelt sich das Dandytum nur sehr zaghaft und bleibt eher „eine fremde und bizarre Erscheinung“[75].
2.3 Der Dandy im fin de siècle
Mit Beginn des viktorianischen Zeitalters in England verliert das Phänomen des Dandys merklich an Bedeutung.[76] Wiedergeboren wird der Typus dann im England und Frankreich des späten 19. Jahrhunderts, einer Zeit, die in Europa von einem ambivalenten Lebensgefühl geprägt ist: Bedingt durch die fortschreitende Industrialisierung beherrschen Weltschmerz und „diffuse Endzeitstimmungen“[77] ebenso wie Zukunftseuphorie und Innovationsstreben die Gesellschaft. Inmitten dieses zwiegespaltenen Gesellschaftsbewusstseins entwickelt sich eine Epoche, die von eben dieser Diskrepanz geprägt ist: Das fin de siècle, das den Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert darstellt und sich von etwa 1880 bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs erstreckt. Der Begriff wird synonym mit Jahrhundertwende gebraucht und taucht zum ersten Mal in Frankreich auf, bis er allmählich in ganz Europa zu einer Epochenbezeichnung wird. Den zahlreichen Strömungen in dieser Zeit gemeinsam ist „die Absage an den Naturalismus, die Abkehr vom bürgerlichen Liberalismus und die Wende zu irrationalistisch-lebensphilosophischen Konzepten“[78].
Die Décadence, wörtlich übersetzt „Verfall“ oder „Niedergang“, ist eine dieser Strömungen. Mit der Décadence wird die Auseinandersetzung mit dem Phänomen kulturellen Verfalls am Beispiel des römischen Staates wiederbelebt. Es handelt sich um „eine antibürgerliche Auflehnung gegen den als mal du siècle empfundenen ennui (frz. = Langeweile, Überdruss).“[79] Über die als „Ästhetik des Morbiden“ verstandene Décadence hinaus entsteht eine durch Théophile Gautier und Charles Baudelaire eingeleitete Aufwertung der Décadence als eigenständige ästhetische Position.[80] Hans-Joachim Schickedanz schreibt über die Décadence:
Die Neunziger Jahre sind der Abschluß einer großen Epoche, die man in ihrer Jugend Romantik, in ihrem Alter Ästhetizismus genannt hat. Die Dekadenz ist einerseits der Niedergang dieser großen Bewegung, andererseits jedoch auch wieder die Reaktion gegen sie.[81]
An dieser Stelle wird auf eine weitere wichtige Strömung des fin de siècle verwiesen, die zudem eng mit den dandyistischen Verhaltensweisen dieser Zeit zusammenhängt: der Ästhetizismus. Laut Wolfdietrich Rasch ist das geläufige literaturwissenschaftliche Verständnis von Ästhetizismus als „einseitige und extreme Vorliebe für die Schönheit als den höchsten aller Werte“[82] zu eng gefasst. Arthur Schopenhauer erweitert den Ästhetizismus-Begriff um die „ästhetische Betrachtungsweise“, bei der die Welt ein anderes Ansehen gewinnt: Das irdische Dasein selbst gilt als ein stetiges Leiden, während die Welt als Gegenstand bloßer Betrachtung von außen ein „bedeutsames Schauspiel“ biete.[83] Die ästhetische Sichtweise wird für das „Bewusstsein der Décadence zur eigentlichen Existenzform“, da die „verächtliche Wirklichkeit“ ästhetisiert und somit neutralisiert wird.[84]
Der Ästhetizismus und die Dekadenz der Jahrhundertwende präsentieren keine vollkommen neuen Ansätze. Die Aussage von Schickedanz hat es bereits angedeutet: Anbahnungen dieser Strömungen lassen sich bereits in der Romantik bei Karl Philipp Moritz, Immanuel Kant, Schlegel und Novalis feststellen, die zum ersten Mal das „Autonomwerden“ von Kunst philosophisch durchdenken.[85] Der Ästhetizismus um die Jahrhundertwende radikalisiert jedoch den Autonomieanspruch der Kunst und kann demnach „als eine deutlich wahrnehmbare Zäsur in der Entwicklung der Literatur zwischen klassisch-romantischer Epoche und Modernismus gewertet werden“[86]. Die proklamierte Autonomie, die vor allem auf den französischen Schriftsteller Théophile Gautier zurückzuführen ist, wird als „ästhetische Opposition“ verstanden, die in erster Linie eine Reaktion auf den Zweckrationalismus im ausgehenden 19. Jahrhundert darstellt.[87] Dementsprechend ist die Literatur zu dieser Zeit stark geprägt von der Selbstreferenz der ‚l’art pour l’art‘ (frz. Die Kunst um der Kunst Willen). Die Kunst verfolgt dieser Auffassung nach keinen primären Zweck, Priorität hat die künstlerische Form, die ästhetische Gestaltung eines Kunstwerks. Kopien der Natur, wie sie in der Klassik und dem Naturalismus zu finden sind, werden im Ästhetizismus des fin de siècle abgelehnt. Vielmehr geht es darum, „fiktive Wirklichkeiten“[88] zu erzeugen, um sich darin flüchten zu können.
Es ist eben diese ästhetizistische Lebensweise, die Flucht ins Fiktive, der Selbstkult und die Verherrlichung der Künstlichkeit, die die Dandys im fin de siècle anstreben. Sie vollziehen eine Distanzierung von einer Umwelt, die mehr und mehr dem Diktat der Zweckrationalität folgt und pflegen den Schönheitskult exzessiv. Das vorherrschende Ziel des Dandys, der vor allem in den Großstädten wie London oder Paris auftritt, besteht in erster Linie in einer „ästhetische[n] Selbststilisierung“[89]. Dabei ist und bleibt er „[…] Maske, Image, Exhibition und sonst nichts.“[90] Ebenso wie die mehrstündige Toilette eines Beau Brummels ist auch die Autoren- und Künstlerrolle eines Oscar Wilde im fin de siècle sorgsam abgestimmt und präzise inszeniert. Der Dandy kann also in gewisser Weise als Künstler bezeichnet werden, da er sich gerne bei öffentlichen Veranstaltungen im luxuriösen Umfeld präsentiert und dabei Künstler und Kunstwerk gleichzeitig repräsentiert. Denn ein Dandy verfolgt stets das Ziel, sein Leben wie ein Kunstwerk zu gestalten und sich selbst mithilfe seiner Kleidung und seinem Auftreten wie ein solches in Szene zu setzen. Trotz allem darf man den Dandy nicht auf sein Äußeres reduzieren, da das große Interesse an seiner Garderobe keineswegs nur oberflächlich ist, sondern „vielmehr seine nach außen gestülpte Innerlichkeit, seine die gesellschaftlichen Erschütterungen abwehrenden Bollwerke […]“[91] darstellen. In Zeiten des Niedergangs muss Ihr Auftreten in erster Linie als Rebellion gegen die Demokratie, den Ennui und die Trivialität des bürgerlichen Lebens angesehen werden.[92]
Der Dandy will absolute Unabhängigkeit und die Verwirklichung seiner Individualität und Originalität. Das lässt sich jedoch in keiner Gesellschaftsform durchsetzen, schon gar nicht in der bürgerlichen Gesellschaft, an deren Beginn der Dandy auftaucht. Die Folge: Der Dandy steht im Kampf mit der Gesellschaft.[93]
Aus dem Dasein als Künstler und Ästhet ergibt sich, dass der Dandy selten einem Beruf nachgeht – höchstens dem des arbiter elegentarium. Er führt das Leben eines Müßiggängers, die Pflege seines Äußeren und die Darstellung in der Öffentlichkeit nehmen seine ganze Zeit in Anspruch.
Wie bereits deutlich wurde, kommt es im fin de siècle zu einer „Wiederbelebung von Regency-Attitüden und einem ‚new dandysm‘“[94]:
[Sie] teilen […] mit ihren Regency-Ahnen das Bedürfnis, sich durch ein ostentativ von der Norm abweichendes und ritualisiertes Verhalten der sozialen Nivellierung zu entziehen.[95]
Spricht man vom ‚dekadenten Dandy‘ ist dennoch eine ganz bestimmte Erscheinungsform damit verbunden. Der Dandy im fin de siècle unterscheidet sich vom Dandy á la Brummel insofern, als dass er eher zur Exzentrik statt zum Understatement neigt. Dabei provoziert der Dandy zwar, bleibt aber stets innerhalb bestimmter Grenzen und verstößt keineswegs durch übertriebene Extravaganz gegen gängige Geschmacks- und Kleidungsnormen, sondern verändert und erneuert sie eher mit Vorsicht.[96] Denn „ein Überschreiten der Grenze brächte den Ausschluss aus der Gesellschaft mit sich und genau das will der Dandy nicht“[97], da er ansonsten seine Bühne, sein Publikum und somit seine Existenzberechtigung verlieren würde.
Laut Günter Erbe handelt es sich bei ihm lediglich um „einen Abglanz der hochmütigen Helden der Regency-Zeit“[98]. Gleichwohl erkennt man einige Motive aus Zeiten Brummels wieder, die ebenfalls bezeichnend für die Dandys des ausgehenden 20. Jahrhunderts werden. Zum einen der „Kult der Kälte“[99] und die Affektkontrolle, die charakteristisch für den Dandy und die „dandystische Überlegenheit“[100] ist. Dieses Verhalten resultiert vor allen Dingen aus dem unbedingten Streben nach Unabhängigkeit. Ein Dandy möchte auf niemanden angewiesen und niemandem verpflichtet sein, deshalb bewahrt er stets eine gewisse Distanz zu seinen Mitmenschen.[101] Diese Distanz wird auch durch seine „ironisch-satirische[n] Gabe“[102] unterstützt:
Wie andere soziale Einzelgänger oder Außenseiter, so ist auch der Dandy wenig angepaßt und neigt dazu, seine Außenseiterrolle und seine Unabhängigkeit zu glorifizieren. Dieses Um-sich-selbst-Kreisen, das Auf-sich-selbst-Zurückziehen des Dandy führt nicht selten in eine heroische Einsamkeit, auf deren Boden Ironie, Zynismus und Nihilismus prächtig gedeihen können.[103]
Dennoch bleibt der Dandy stets eine soziale Person und pflegt seine Kontakte. Mit Oscar Wilde tritt der Dandyismus im fin de siècle in das „Zeitalter der Massenkultur ein“[104], wobei die Bühne des Dandy immer mehr die breite Öffentlichkeit und weniger die Exklusivität in Klubs oder Salons wird. Der Dandy in Frankreich hingegen neigt eher dazu, „eine Außenseiterrolle am Rande der Gesellschaft“[105] einzunehmen.
Laut Günter Erbe stellt das Werk À rebours von Joris-Karl Huysmans nicht nur die Bibel der Décadence sondern auch die „Quintessenz des dekadenten Dandytums“[106] dar. Jean Floressas des Esseintes, die Hauptfigur des Romans, wird vielfach als „Inbegriff des Dandys“[107] betitelt. In der Forschung wird dennoch häufig darauf verwiesen, dass der Protagonist des Werks in vielen Hinsichten stark von der Norm des dekadenten Dandys abweicht. Des Esseintes wird in À rebours zu dem „einsamen Heros, der sich rebellisch gegen die Zumutungen der Moderne hinter eine nihilistischen Pose verschanzt.“[108] Der dekadente Dandy, der sich komplett zurückzieht, ist meist in der (französischen) Literatur zu finden.[109]
[...]
[1] Sontag, Susan: Notes on “Camp”, in: Against Interpretation and Other Essays, London: Penguin Books 2009 [Erstausgabe 1961], S. 275-292, hier S. 288.
[2] Vgl. Stauffer, Isabelle: Faszination und Überdruss. Mode und Marken in der Popliteratur, in: Tacke, Alexandra/ Weyand, Björn [Hrsg.]: Depressive Dandys. Spielformen der Dekadenz in der Pop-Moderne, Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 2009, S. 39-59, hier S. 43.
[3] Ebd. S. 44.
[4] Ebd.
[5] Sontag, Susan: Notes on “Camp”, S. 288.
[6] Stauffer, Isabelle: Faszination und Überdruss, S. 45.
[7] Sontag, Susan: Notes on “Camp”, S. 289.
[8] Siehe z.B. Zaimoglu, Feridun: Knabenwindelprosa, in: Die Zeit, Nr. 47 (1999). URL: http://www.zeit.de/1999/47/199947.poplit_.xml, abgerufen am 26. Mai 2014.
[9] Grundmann, Melanie [Hrsg.]: Der Dandy. Wie er wurde, was er war. Eine Anthologie, Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 2007 (Vorwort).
[10] Schickedanz, Hans-Joachim: Ästhetische Rebellion und rebellische Ästheten. Eine kulturgeschichtliche Studie über den europäischen Dandyismus, Frankfurt a. M.: Peter Lang GmbH Europäischer Verlag der Wissenschaften 2000, S. 134.
[11] Wilde, Oscar: The Decay of Lying, in: The Decay of Lying and other Essays, London: Penguin Books 2012, S.1-37, hier S. 36.
[12] Oxford Advanced Learners Dictionary, hrsg. von Sally Wehmeier, Oxford: Oxford University Press 2005, S. 385.
[13] Carlyle, Thomas: Sartor Reartus. The Life and Opinions of Herr Teufelsdrökh, Berkeley: University of California Press 2000, S. 200.
[14] Barbey d’Aurevilly, Jules: Über das Dandytum und über George Brummel, aus dem Französischen übersetzt v. Gernot Krämer, Berlin: Matthes & Seitz 2006, S. 28.
[15] Ebd. S. 27.
[16] Erbe, Günter: Der moderne Dandy. Zur Herkunft einer dekadenten Figur, in: Alexandra Tacke/ Björn Weyand [Hrsg.]: Depressive Dandys. Spielformen der Dekadenz in der Pop-Moderne, Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 2009, S. 17-38, hier S. 17 f.
[17] Vgl. ebd. S. 18.
[18] Ebd.
[19] Schickedanz, Hans-Joachim: Ästhetische Rebellion und rebellische Ästheten, S. 39.
[20] Barbey d’Aurevilly, Jules: Ein Dandy ehe es Dandys gab, in: Über das Dandytum und George Brummel. Aus dem Französischen übersetzt v. Gernot Krämer, Berlin: Matthes & Seitz 2006, S. 95-122, hier S. 97.
[21] Schickedanz, Hans-Joachim [Hrsg.]: Der Dandy. Texte und Bilder aus dem 19. Jahrhundert, Harenberg: Harenberg Verlag 1980, S. 9.
[22] Grundmann, Melanie: Einleitung, in: Grundmann, Melanie [Hrsg.]: Der Dandy. Wie er wurde, was er war. Eine Anthologie, Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 2007, S. 1.
[23] Ebd.
[24] Ebd.
[25] Vgl. Stanton, Domna C: The aristocrat as art. A Study of the Honnête Homme and the Dandy in Seventeenth- and Nineteenth-Century, New York: Columbia University Press 1980, S. 55.
[26] Grundmann, Melanie: Einleitung, S. 2.
[27] Stanton, Domna C: The aristocrat as art, S. 54.
[28] Grundmann, Melanie: Einleitung, S. 2 [Hervorhebungen im Original].
[29] Jenß, Heike: Sixties Dress Only: Mode und Konsum in der Retro-Szene der Mods, Frankfurt/ New York: Campus Verlag 2007, S. 68.
[30] Ebd. S. 69.
[31] Grundmann, Melanie: Einleitung, S. 3.
[32] Vgl. Stanton, Domna C: The aristocrat as art. S. 55.
[33] Grundmann, Melanie: Einleitung, S. 3.
[34] Grundmann, Melanie: Einleitung, S. 3.
[35] Ebd.
[36] Ebd. S. 4.
[37] Barbey d’Aurevilly, Jules: Über das Dandytum und über George Brummel, S. 40.
[38] Ebd. S. 5.
[39] Vgl. Krämer, Gernot: Editorische Notiz, in: Über das Dandytum und über George Brummel, aus dem Französischen übersetzt v. Gernot Krämer, Berlin: Matthes & Seitz 2006, S. 183-185, hier S. 183.
[40] Schickedanz, Hans-Joachim: Ästhetische Rebellion und rebellische Ästheten, S. 39 .
[41] Erbe, Günter: Aristokratismus und Dandytum im 19. Und 20. Jahrhundert, in: Knoll, Joachim u.a. [Hrsg.]: Der Dandy, Ein kulturhistorisches Phänomen im 19. Und 20. Jahrhundert, Berlin/Boston: Walter de Gruyter 2013, S. 11-27, hier S. 14.
[42] Vgl. Erbe, Günter: Dandys- Virtuosen der Lebenskunst. Eine Geschichte des mondänen Lebens, Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 2002, S. 27.
[43] Schickedanz, Hans-Joachim: Ästhetische Rebellion und rebellische Ästheten, S. 42.
[44] Barbey d’Aurevilly, Jules: Über das Dandytum und über George Brummel, S. 48.
[45] Ebd.
[46] Vgl. Erbe, Günter: Dandys- Virtuosen der Lebenskunst, S. 27.
[47] Barbey d’Aurevilly, Jules: Über das Dandytum und über George Brummel, S. 31.
[48] Erbe, Günter: Aristokratismus und Dandytum im 19. Und 20. Jahrhundert, S. 13 f. [Hervorhebungen im Original]
[49] Barbey d’Aurevilly, Jules: Über das Dandytum und über George Brummel, S. 27.
[50] Ebd. S. 55.
[51] Erbe, Günter: Dandys- Virtuosen der Lebenskunst, S. 29.
[52] Erbe, Günter: Aristokratismus und Dandytum im 19. Und 20. Jahrhundert, S. 14
[53] Vgl. Ebd. S. 15 ff.
[54] Ebd. S. 14.
[55] Barbey d’Aurevilly, Jules: Über das Dandytum und über George Brummel, S. 55.
[56] Vgl. Erbe, Günter: Dandys- Virtuosen der Lebenskunst, S. 37.
[57] Erbe, Günter: Aristokratismus und Dandytum im 19. und 20. Jahrhundert,. S. 15.
[58] Barbey d’Aurevilly, Jules: Über das Dandytum und über George Brummel, S. 62 f.
[59] Erbe, Günter: Aristokratismus und Dandytum im 19. und 20. Jahrhundert, S. 16.
[60] Erbe, Günter: Aristokratismus und Dandytum im 19. und 20. Jahrhundert, S. 16.
[61] Barbey d’Aurevilly, Jules: Über das Dandytum und über George Brummel, S. 51.
[62] Ebd. S. 54.
[63] Erbe, Günter: Aristokratismus und Dandytum im 19. und 20. Jahrhundert,. S. 17.
[64] Ebd.
[65] Vgl. Barbey d’Aurevilly, Jules: Über das Dandytum und über George Brummel, S. 50.
[66] Vgl. ebd. S. 66.
[67] Ebd. S. 79.
[68] Ebd. S. 84 [Hervorhebungen im Original].
[69] Vgl. Erbe, Günter: Dandys- Virtuosen der Lebenskunst, S. 46.
[70] Vgl. ebd.
[71] Grundmann, Melanie: Einleitung, S. 11.
[72] Schickedanz, Hans-Joachim: Ästhetische Rebellion und rebellische Ästheten, S. 15.
[73] Vgl. Erbe, Günter: Der moderne Dandy, S. 18 f.
[74] Baudelaire, Charles: Maler des modernen Lebens, in: Aufsätze zur Literatur und Kunst 1857-1860. Band 5 der Ausgabe in 8 Bänden, München: Carl Hanser Verlag 1989, S. 213-258, hier S. 244.
[75] Schickedanz, Hans-Joachim: Ästhetische Rebellion und rebellische Ästheten, S. 15.
[76] Vgl. Erbe, Günter: Der moderne Dandy, S. 18.
[77] Metzler Lexikon Literatur, herausgegeben von Dieter Burdorf, Christoph Fasbender, Burkhard Moenninghoff. 3. Auflage, Stuttgart: Verlag J.B. Metzler 2007, S. 243.
[78] Metzler Lexikon Literatur, S. 243.
[79] Ebd. S. 142 f.
[80] Ebd.
[81] Schickedanz, Hans-Joachim: Ästhetische Rebellion und rebellische Ästheten, S. 27.
[82] Rasch, Wolfdietrich: Die literarische Décadence um 1900, München: Verlag C.H. Beck 1986, S. 58.
[83] Vgl. ebd. S. 59.
[84] Ebd. S. 60.
[85] Vgl. Simonis, Annette: Literarischer Ästhetizismus. Theorie der arabesken und hermetischen Kommunikation der Moderne, Tübingen: Max Niemeyer Verlag 2000, S. 11.
[86] Ebd. S. 20.
[87] Ebd.
[88] Ebd. S. 16.
[89] Erbe, Günter: Aristokratismus und Dandytum im 19. und 20. Jahrhundert, S. 22.
[90] Horstmann, Ulrich: Ästhetizismus und Dekadenz. Zum Paradigmenkonflikt in der englischen Literaturtheorie des späten 19. Jahrhunderts, München: Wilhelm Fink Verlag 1983, S. 119. [Hervorhebungen im Original]
[91] Schickedanz, Hans-Joachim: Ästhetische Rebellion und rebellische Ästheten, S. 21.
[92] Vgl. ebd. S. 32.
[93] Grundmann, Melanie: Einleitung, S. 1.
[94] Erbe, Günter: Der moderne Dandy, S. 29, zit. Nach Holbrook Jackson.
[95] Horstmann, Ulrich: Ästhetizismus und Dekadenz, S. 118.
[96] Vgl. ebd. S. 123.
[97] Grundmann, Melanie: Einleitung, S. 6.
[98] Erbe, Günter: Dandys- Virtuosen der Lebenskunst, S. 215.
[99] Gnüg, Hiltrud: Kult der Kälte. Der klassische Dandy im Spiegel der Weltliteratur. Stuttgart: J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung 1988.
[100] Ebd. S. 59.
[101] Vgl. Schickedanz, Hans-Joachim: Ästhetische Rebellion und rebellische Ästheten, S. 18.
[102] Ebd. S. 19.
[103] Ebd. S. 20.
[104] Erbe, Günter: Der moderne Dandy, S. 35.
[105] Tietenberg, Anne Kristin: Der Dandy als Grenzgänger der Moderne. Selbststilisierungen in Literatur und Popkultur, München: Lit Verlag Dr. W. Hopf 2013, S. 215.
[106] Erbe, Günter: Der moderne Dandy, S. 30.
[107] Klappentext zu Huysmans, Joris-Karl: Gegen den Strich, übersetzt und herausgegeben von Walter Münz und Myriam Münz, Frankfurt a. M. /Leipzig: Insel Verlag 2006 [Erstausgabe 1883].
[108] Erbe, Günter: Der moderne Dandy, S. 17.
[109] Siehe z.B. Dujardin, Édouard: Les Lauriers sont coupés; Lautréamont: Les Chants de Maldoror.
- Citar trabajo
- Simona Dunsche (Autor), 2014, Die Wiedergeburt des Dandys in der Popliteratur? Über Oscar Wildes "The Picture of Dorian Gray" und Christian Krachts "Faserland", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/421403
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