Einleitung
„Alles, was Männer über die Frauen geschrieben haben, muß verdächtig sein, denn sie sind zugleich Richter und Partei.“
Poulain de la Barre 1
Die Frauenbilder, die uns in der Historie begegnen sind fast ausschließlich von den männlichen Wunsch- und Schreckensbildern ihrer Zeit geprägt. Und auch wenn das in der, dieser Arbeit zugrunde liegenden Erzählung „Die Verlobung in St. Domingo“ von Kleist nicht anders ist, soll diese Arbeit doch aufzeigen, in wieweit die von ihm dargestellten Frauenbildern von den gesellschaftlichen Vorstellungen seiner Zeit geprägt sind und inwieweit es ihm vielleicht doch nur darum ging, ein bestimmtes Weiblichkeitsmuster seiner Zeit zu propagieren oder zu unterminieren. Dies soll in der hier vorliegenden Arbeit geklärt werden. Dazu werde ich zunächst auf das allgemein publiziert Frauenbild dieser Zeit eingehen, um dann die Frauenbilder in Kleists Erzählung „Die Verlobung in St. Domingo“ näher untersuchen zu können.
Dabei habe ich mich vor allem auf die zwei Weiblichkeitsmuster aus den Legenden konzentriert, in denen Gustav Toni zwei Frauenbilder aufzeigt, die zum einen als Wunsch- und Schreckensbilder um 1800 gelten, also der Zeit, in der Kleist lebte und wirkte, die zum anderen aber auch Gustavs eigenem Wunsch- und Angstbild entsprechen. Das andere Frauenbild, das Kleist in seiner Erzählung aufzeigt ist das der Mestize Toni, in deren Figur sich die Zuspitzung des Konflikt in der Erzählung verkörpert. In Kleists Erzählung spielt neben der Thematik der Stellung der Frau in der Gesellschaft auch der Rassendiskurs eine große Rolle. Da diese beiden sich in der Erzählung Überkreuzen ist es für die Untersuchung von größter Wichtigkeit beide im Zusammenhang zu betrachten und zu werten. Ich habe versucht dies in meiner Arbeit weitgehendst zu berücksichtigen.
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1 Beauvoir, Simone de: Das andere Geschlecht, Sitte und Sexus der Frau, Reinbek bei Hamburg 1968, S.7
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Frauenbilder in der Literatur um
2.1. Frauenbilder in Kleists „Die Verlobung in St. Domingo“
2.1.1. Das Negermädchen
2.1.2. Marianne Congreve - Die Weiße
2.1.3. Toni - Die Mestize
2.2. Toni und Gustav
3. Schlussbetrachtung
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Alles, was Männer über die Frauen geschrieben haben, muß
verdächtig sein, denn sie sind zugleich Richter und Partei.“
Poulain de la Barre[1]
Die Frauenbilder, die uns in der Historie begegnen sind fast ausschließlich von den männlichen Wunsch- und Schreckensbildern ihrer Zeit geprägt. Und auch wenn das in der, dieser Arbeit zugrunde liegenden Erzählung „Die Verlobung in St. Domingo“ von Kleist nicht anders ist, soll diese Arbeit doch aufzeigen, in wieweit die von ihm dargestellten Frauenbildern von den gesellschaftlichen Vorstellungen seiner Zeit geprägt sind und inwieweit es ihm vielleicht doch nur darum ging, ein bestimmtes Weiblichkeitsmuster seiner Zeit zu propagieren oder zu unterminieren. Dies soll in der hier vorliegenden Arbeit geklärt werden. Dazu werde ich zunächst auf das allgemein publiziert Frauenbild dieser Zeit eingehen, um dann die Frauenbilder in Kleists Erzählung „Die Verlobung in St. Domingo“ näher untersuchen zu können.
Dabei habe ich mich vor allem auf die zwei Weiblichkeitsmuster aus den Legenden konzentriert, in denen Gustav Toni zwei Frauenbilder aufzeigt, die zum einen als Wunsch- und Schreckensbilder um 1800 gelten, also der Zeit, in der Kleist lebte und wirkte, die zum anderen aber auch Gustavs eigenem Wunsch- und Angstbild entsprechen. Das andere Frauenbild, das Kleist in seiner Erzählung aufzeigt ist das der Mestize Toni, in deren Figur sich die Zuspitzung des Konflikt in der Erzählung verkörpert. In Kleists Erzählung spielt neben der Thematik der Stellung der Frau in der Gesellschaft auch der Rassendiskurs eine große Rolle. Da diese beiden sich in der Erzählung Überkreuzen ist es für die Untersuchung von größter Wichtigkeit beide im Zusammenhang zu betrachten und zu werten.
Ich habe versucht dies in meiner Arbeit weitgehendst zu berücksichtigen.
2. Frauenbilder in der Literatur um 1800
In der Geschichte sind „Genie und schöpferischer Geist, die man mit dem Vermögen verknüpft hatte“[2], Individuelles und Alltägliches zu transzendieren und somit für die Allgemeinheit mitteilbar zu machen, fast ausschließlich dem männlichen Geschlecht zugeschrieben.
Somit sind aber auch die Frauenbilder, die uns in der Historie begegnen, stark von den jeweiligen männlichen Schreckens- bzw. Wunschbildern geprägt. „Jeder Schriftsteller definiert in seiner Auffassung der Frau seine allgemeine Ethik und die spezielle Vorstellung, die er von sich selber hat“[3], für ihn ist also „die ideale Frau diejenige [..],die am deutlichsten das Andere verkörpert, das ihn sich selbst zu enthüllen vermag.“[4]
Als bedeutende Beispiele gelten dabei Frauenbilder wie Lilith, die erste Frau Adams, die sich nicht unterordnen, sondern gleichberechtigt mit ihm Leben wollte und somit das Bild des Mannes von der dominanten Frau prägt, und das von Eva, dem untergeordneten Weib Adams, das aber aufgrund seiner Schwäche für den Sündenfall der Menschheit verantwortlich ist.[5]
Auch die literarischen Frauenbilder des 18 Jahrhunderts sind von den herrschenden gesellschaftlichen, zumeist männlichen Neigungen geprägt. So forderten zwar aufgeklärte Schriftsteller wie Stendhal nach einem freien Wesen, das ihm gleich sei[6], während andere wie Auguste Comte den Altruismus der Frau bewunderten, aber auch als ihr Schicksal ansahen.[7] Doch auch in Stendhals Romanen kommt es oft vor, dass „die Frauen ihre Geliebten vor Untergang, Gefängnis oder dem Tod retten.“[8] Die Ergebenheit wird selbst da, wo sie nicht gefordert wird, doch zumindest vorausgesetzt. Frauen, die selbständig ihre Reize einsetzen, um ihre Ziele zu erreichen, sei es als Abenteurerin, als „Vamp“ oder auch als „femme fatale“, bleiben für den Mann ein beunruhigender Menschentyp.[9]
Ein weiteres beunruhigendes Frauenbild wird von den Journalen der Zeit geschürt. Die in den Revolutionspublikationen „propagierten Weiblichkeitsentwürfe erscheinen [ebenso] als (klischeebehaftete) Wunsch- oder Schreckensbilder; Ambivalenzen, Widersprüche oder Brüche sind [dabei] jedoch keine Seltenheit.“[10] Zum einen erscheint dort das erste Mal das Bild des „revolutionssüchtigen Weibes“, wobei Helga Brandes in ihren Darstellungen explizit darauf verweist, dass dies wohl stark übertriebene Darstellungen sein müssen, die nur selten mit der Realität übereinstimmen. Der konterrevolutionäre Journalismus um 1800 verstrickt sich jedoch ebenso in widersprüchliche Argumentationen. Dabei dient meist die Rousseausche Geschlechterphilosophie zur Legitimation der geschlechtsspezifischen Rollen-zuschreibung.[11] Doch nicht nur aufklärerische Modelle werden genutzt, um diese neuen Frauenbilder zu erklären bzw. zu werten. Man greift auch auf Lockes Schriften, im Sinne von „Some thoughts concerning education“, zurück und betont dabei den Einfluss der Erziehung auf die aufsässige Frau.[12]
Diesem Frauenbild, das die patriarchalische Ordnung des Mannes anzugreifen scheint und das somit zum Schreckensbild des Mannes um 1800 wird, wird das Wunschbild der Frau als Dienerin des Mannes entgegengesetzt.[13] Dabei taucht neben dem altbekannten Bild der Frau in ihrer traditionellen Rolle als treusorgende, sanfte und friedfertige Frau bzw. Mutter auch ein Frauenbild auf, das es vorher so nicht gab: Frauen, „denen politisch motiviertes Handeln zugestanden wird“[14]. Die sonst so beschworenen Gesetze der Natur, die immer wieder Anwendung fanden bei der Bestimmung der gefälligen weiblichen Attribute, werden dafür einmal mehr außer Kraft gesetzt. Stärke, Aktivität und auch Aggressivität werden als ehrenvolle Werte anerkannt und zugestanden. Als ein bekanntes Beispiel dieser Zeit lässt sich Charlotte Corday anführen, die als Mörderin Marats in die Geschichte einging.[15] Diesem starken Frauenbild mischen sich Züge des herkömmlichen Frauenbildes bei, und die Frau erscheint zugleich als Täterin und Opfer.[16]
Den größten Raum in den konterrevolutionären Journalen nimmt jedoch das „Bild der Frau ohne Eigen-Leben und Eigen-Sinn“ in Form der Märtyrerin ein.
[...]
[1] Beauvoir, Simone de: Das andere Geschlecht, Sitte und Sexus der Frau, Reinbek bei Hamburg 1968, S.7
[2] Bischoff, Doerte : „Gender als Kategorie der Kulturwissenschaft, IN: BeuthienS. 298
[3] Beauvoir, S.: Das andere Geschlecht,, S.252
[4] Beauvoir, S.: Das andere Geschlecht,, S.251
[5]
[6] vgl. Beauvoir, S.: Das andere Geschlecht,, S.250
[7] vgl. Beauvoir, S.: Das andere Geschlecht,, S.252
[8] Beauvoir, S.: Das andere Geschlecht,, S. 252
[9] vgl. Beauvoir, S.: Das andere Geschlecht,, S. 223
[10] Brandes, Helga : Täterinnen und Opfer, Frauenbilder in der Revolutionspublizistik um 1800, Oldenburg 1991, S. 8
[11] Brandes, H.:Täterinnen und Opfer,S.12
[12] Brandes, H.:Täterinnen und Opfer,S.12
[13] Brandes, H.:Täterinnen und Opfer, S.13
[14] Brandes, H.:Täterinnen und Opfer, S.18
[15] Brandes, H.:Täterinnen und Opfer,S.20
[16] Brandes, H.:Täterinnen und Opfer,S.20
- Arbeit zitieren
- Aline Wisniewski (Autor:in), 2004, Frauenbilder in Kleists "Verlobung in St. Domingo", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42018
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