Obgleich Journalisten über aktuelle Ereignisse informieren sollen, kommen sie in ihrem Alltag des öfteren mit Schweigen in Berührung, sei es bewusst oder unbewusst. So gibt es Informationssperren seitens der Behörden sowie Gesprächspartner und Informanten, die auf einzelne Frage oder zu einem ganzen Themenkomplex nichts sagen können oder wollen.
Des weiteren müssen sie sich selbst ihrer Rechte und Pflichten zu schweigen bewusst sein, wenn es darum geht über brisante Themen Bericht zu erstatten oder vor Gericht als Zeugen auszusagen. Und schließlich besteht ihre Hauptaufgabe darin jeden Tag aus einer schier unerschöpflichen Flut von Nachrichten und Ereignissen das für die Öffentlichkeit Wichtigste herauszufiltern, weil die Anzahl der Seiten einer Zeitung oder Zeitschrift begrenzt sind, ebenso wie die Zeit für eine Nachrichtensendung im Rundfunk. Dies zwingt sie in ihren Augen weniger wichtige Informationen wegzulassen, sie dem Leser, Hörer oder Zuschauer zu verschweigen.
Ausgehend vom linguistischen Problemfeld des Schweigens will diese Arbeit den Fragen nachgehen, inwieweit es für Journalisten ein Recht gibt zu schweigen und ob gar Situationen existieren oder vorstellbar sind, in denen Journalisten eine Pflicht zu schweigen haben. Dies ist insofern interessant wie problematisch, als dass die Aufgaben der in Massenmedien tätigen Journalisten neben der Herstellung von Öffentlichkeit, dem Informieren derselben über aktuelle Ereignisse und der Integration und Sozialisation von Menschen auch in der (kulturellen) Bildung sowie in der Unterhaltung liegen.
Da diese Aufgaben zumeist nur unter Verwendung von sprachlicher Kommunikation hinreichend erfüllbar sind, lassen sich Journalisten auch als „Kommunikatoren“ oder Informationsmultiplikatoren bezeichnen. Und genau im Spannungsfeld der steten öffentlichen Erwartung an Journalisten vermittels von Sprache zu kommunizieren und der vor allem gesetzlich und berufsethisch bedingten Rechte und Forderungen zu schweigen, wird sich diese Arbeit hauptsächlich bewegen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Was heißt Schweigen? – Eine kurze Begriffs- und Gegendstandsbestimmung
3. Eine Typologie des Schweigens
4. Schweigen und Gesetz: Schweigerechte und Schweigepflichten
4.1. Das Recht zu schweigen für Journalisten
4.2. Die Pflicht zu schweigen für Journalisten
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Obgleich Journalisten über aktuelle Ereignisse informieren sollen, kommen sie in ihrem Alltag des öfteren mit Schweigen in Berührung, sei es bewusst oder unbewusst. So gibt es Informationssperren seitens der Behörden sowie Gesprächspartner und Informanten, die auf einzelne Frage oder zu einem ganzen Themenkomplex nichts sagen können oder wollen. Des weiteren müssen sie sich selbst ihrer Rechte und Pflichten zu schweigen bewusst sein, wenn es darum geht über brisante Themen Bericht zu erstatten oder vor Gericht als Zeugen auszusagen. Und schließlich besteht ihre Hauptaufgabe darin jeden Tag aus einer schier unerschöpflichen Flut von Nachrichten und Ereignissen das für die Öffentlichkeit Wichtigste herauszufiltern, weil die Anzahl der Seiten einer Zeitung oder Zeitschrift begrenzt sind, ebenso wie die Zeit für eine Nachrichtensendung im Rundfunk. Dies zwingt sie in ihren Augen weniger wichtige Informationen wegzulassen, sie dem Leser, Hörer oder Zuschauer zu verschweigen.
Ausgehend vom linguistischen Problemfeld des Schweigens, mit dem sich das gleichnamige Seminar beschäftigte, will diese Arbeit den Fragen nachgehen, inwieweit es für Journalisten ein Recht gibt zu schweigen und ob gar Situationen existieren oder vorstellbar sind, in denen Journalisten eine Pflicht zu schweigen haben. Dies ist insofern interessant wie problematisch, als dass die Aufgaben der in Massenmedien tätigen Journalisten neben der Herstellung von Öffentlichkeit, dem Informieren derselben über aktuelle Ereignisse und der Integration und Sozialisation von Menschen auch in der (kulturellen) Bildung sowie in der Unterhaltung liegen.[1] Da diese Aufgaben zumeist nur unter Verwendung von sprachlicher Kommunikation hinreichend erfüllbar sind, lassen sich Journalisten auch als „Kommunikatoren“[2] oder Informationsmultiplikatoren bezeichnen. Und genau im Spannungsfeld der steten öffentlichen Erwartung an Journalisten vermittels von Sprache zu kommunizieren und der vor allem gesetzlich und berufsethisch bedingten Rechte und Forderungen zu schweigen, wird sich diese Arbeit hauptsächlich bewegen.
2. Was heißt Schweigen? – Eine kurze Begriffs- und Gegendstandsbestimmung
Im Bedeutungswörterbuch der Duden-Reihe findet sich neben der Information grammatischer Art, dass es sich bei schweigen um ein intransitives Verb handelt, folgender Eintrag:
„ 1. nichts sagen, keine Antwort geben: der Angeklagte schweigt, die Regierung schwieg lange zu den Vorwürfen. Syn.: dichthalten (ugs.), stillhalten, die Klappe halten (salopp), den Mund halten (ugs.), kein Sterbenswort sagen, kein Sterbenswörtchen sagen, nicht antworten, nicht reden, nichts verraten, ruhig sein, sich in Schweigen hüllen, still sein, stumm sein, verschwiegen sein. Zus.: ausschweigen, stillschweigen, totschweigen, verschweigen.“[3]
Bereits hier wird deutlich, dass der Begriff des Schweigens zahlreiche Bedeutungsvarianten beinhaltet. Interessant ist allerdings, dass er uns in diesem Eintrag hauptsächlich als Negation des Sprechens, als Abwesenheit von Sprache präsentiert wird. Eine Bedeutung, die nicht nur die gebräuchlichste ist, sondern der Meinung zahlreicher Linguisten nach auch die grundlegendste darstellt.[4] Dies verweist allerdings auf eine negative Konnotation, da wir Schweigen offenbar als „Ausdruck eines Missstandes“[5] empfinden. Auf eine weitere, obgleich nicht primär negativ konnotierte, Bedeutungsvariante verweist Folgendes:
„ 2. nicht [mehr] erklingen, nicht [mehr] hörbar sein: die Musik schweigt, seit der Besetzung des Landes schweigt der Sender, die Waffen schweigen [seit heute] (es wird [seit heute] nicht mehr geschossen, gekämpft). Syn.: nicht mehr spielen, verklungen sein, verstummt sein.“[6]
In dieser Bedeutung meint schweigen das Abwesendsein jeglichen Geräuschs, Stille also. Eine Bedeutung auf die das Synonymwörterbuch des Bertelsmann Verlages explizit verweist[7] und die bei uns zumindest primär mit positiveren Assoziationen verbunden ist als die des Schweigens im Sinne von Nicht-Sprechen. Denn wir assoziieren damit zunächst „eine friedliche Stille“[8] oder auch „Ruhe“[9], ehe wir sie als „bedrohliche Stille“[10] empfinden.
Wird Schweigen als positiv empfunden, scheint dies vor allem auf die Assoziation mit Stille, Ruhe und damit verbundener Entspannung zu verweisen, in der das Sprechen möglicherweise als Zwang angesehen wird.
Das als negativ aufgefasste Schweigen hingegen scheint auf kommunikative Situationen hinzudeuten, in denen es eine Erwartung des Sprechens gibt und diese Erwartung durch Schweigen nicht erfüllt wird. Etwas, das im Besonderen für die Berufsgruppe der Journalisten zuzutreffen scheint, da Journalisten im öffentlichen Kommunikationsprozess die Position des Senders einnehmen und die Öffentlichkeit als Empfänger bezeichnet werden kann.
Wie dem auch sei, Schweigen ist ein anerkanntes Phänomen der Kommunikation, „eine soziokulturell bedingte Verhaltensweise, [die], genauso wie Sprechen, zur interaktionalen Kompetenz eines Sprechers/Hörers“[11] gehört. Ferner muss „das Schweigen gemeinsam mit dem Sprechen als eine für die Linguistik relevante Komponente gesehen werden“[12], nicht zuletzt, weil „beide feste Bestandteile der zwischenmenschlichen Kommunikation sind“[13]. Wie Ulsamer anmerkt, hat sich in der Gesprächslinguistik die Ansicht durchgesetzt: „Man kann nicht nicht kommunizieren“[14]. Folglich heißt das in Bezug auf Kommunikationshandlungen, dass man nicht nicht handeln kann, denn auch das Unterlassen einer Handlung ist Handeln und zwar im Sinne einer Unterlassungshandlung.[15] Schweigen, verstanden als Nicht-Sprechen, stellt demnach eine solche Unterlassungshandlung dar, weil gerade im Rahmen von Kommunikation zwischen Medien und Öffentlichkeit Sprechen erwartet wird.
[...]
[1] Zu den Aufgaben der Massenmedien vgl. unter anderem Claudia Mast: ABC des Journalismus. Konstanz, 1994, S. 80ff. und das Sächsische Gesetz über die Presse (SächsPresseG) § 3 Öffentliche Aufgabe der Presse In: Klaus Breitkopf/Peter Schiwy/ Beate Schneider: Medien und Telekommunikation. Alle Vorschriften und die wichtigste Rechtsprechung für Presse, Rundfunk, Multimedia. Starnberg, 1999.
[2] Vgl. u.a. Projektgruppe MV Journalistenweiterbildung (Hrsg.): Fernstudium Kommunikationswissenschaft Teil 1. München/Berlin, 1989, S. 29.
[3] Matthias Wermke/Kathrin Kunkel-Razum/Werner Scholze-Stubenrecht (Hrsg.): Duden Band 10. Das Bedeutungswörterbuch. Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich, 2002, S. 802.
[4] Vgl. u.a. Fleur Ulsamer: Linguistik des Schweigens. Eine Kulturgeschichte des kommunikativen Schweigens. Frankfurt/M., 2002, S. 32. So auch Wolfgang Heinemann: Das Schweigen als linguistisches Phänomen. S. 301ff. In: Hartmut Eggert/Janusz Golec (Hrsg.): „...wortlos der Sprache mächtig“. Schweigen und Sprechen in der Literatur und in sprachlicher Kommunikation. Stuttgart, 1999, S. 301 – 314. und Ulrich Schmitz: Beredtes Schweigen – Zur Sprachlichen Fülle der Leere. Über Grenzen der Sprachwissenschaft. S. 5. In: Ders. (Hrsg.): Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie. Bd. 42: Schweigen. 1990, S. 5 – 58.
[5] Fleur Ulsamer: Linguistik des Schweigens. Eine Kulturgeschichte des kommunikativen Schweigens. Frankfurt/M., 2002, ebd.
[6] Matthias Wermke/Kathrin Kunkel-Razum/Werner Scholze-Stubenrecht (Hrsg.): Duden Band 10. Das Bedeutungswörterbuch. Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich, 2002, ebd.
[7] Dort findet sich bei dem Substantiv Schweigen der Direktverweis auf Stille. Vgl. Siegrid Kroeber/Martha Spalier/Horst Leisering (Hrsg.): Bertelsmann Synonymwörterbuch. Sinnverwandte Wörter. Gütersloh/München, 2001, S. 556.
[8] Matthias Wermke/Kathrin Kunkel-Razum/Werner Scholze-Stubenrecht (Hrsg.): Duden Band 10. Das Bedeutungswörterbuch. Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich, 2002, S. 856.
[9] Ebd.
[10] Ebd.
[11] Els Oksaar: Pragmatische Aspekte des Schweigens. S. 401. In: Armin Burkhardt/Dieter Cherubim (Hrsg.): Sprache im Leben der Zeit. Beiträge zur Theorie, Analyse und Kritik der deutschen Sprache in Vergangenheit und Gegenwart. Helmut Henne zum 65. Geburtstag. S. 401 – 409.
[12] Fleur Ulsamer: Linguistik des Schweigens. Eine Kulturgeschichte des kommunikativen Schweigens. Frankfurt/M., 2002, S. 65.
[13] Ebd.
[14] Diese von Watzlawick geprägte Ansicht, ist hier zitiert nach Fleur Ulsamer: Linguistik des Schweigens. Eine Kulturgeschichte des kommunikativen Schweigens. Frankfurt/M., 2002, S. 51.
[15] Vgl. hierzu Jochen Rehbein: Komplexes Handeln. Elemente zur Handlungstheorie der Sprache. Stuttgart, 1977.
- Arbeit zitieren
- Thomas Haegeler (Autor:in), 2004, Berufsbedingtes Schweigen - Schweigerechte und Schweigepflichten bei Journalisten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42002
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