Diese Arbeit hat das Ziel, Erkenntnisse zum Einsatz und Stellenwert von Zeit- und Selbstmanagementstrategien bei angehenden und berufserfahrenen Lehrkräften zu generieren und diese in einen Zusammenhang mit dem subjektiven Stress- und Belastungserleben der Lehrenden zu stellen. Die Gegenüberstellung von angehenden Lehrkräften beziehungsweise Referendaren und berufserfahrenen Lehrkräften erscheint besonders fruchtbar, weil sie sich in unterschiedlichen berufsbiographischen Stadien befinden, die durch vermeintlich divergierende Charakteristika, Anforderungen und potenzielle Stressoren geprägt sind. Daher soll in dieser Forschungsarbeit untersucht werden, ob und falls ja, inwiefern sich zwischen angehenden und berufserfahrenen Lehrkräften in folgenden Schwerpunkten Differenzen aufzeigen lassen:
(1) Die Beschreibung des Stressverständnisses und Stresserlebens, (2) die Identifikation von Techniken der Zeit- und Arbeitsorganisation und (3) die Identifikation von Selbstmanagementstrategien (darunter Work-Life-Balance, Erholungserleben, arbeitsbezogene Persönlichkeitsmerkmale).
Zur Erforschung der dargestellten Forschungsschwerpunkte werden in Kapitel 2 grundlegende Termini voneinander abgegrenzt, sodass darauf aufbauend verschiedene Forschungsperspektiven in Form von Stressmodellen dargestellt werden können. Anschließend erfolgt eine Betrachtung von Stress im Arbeitskontext – zunächst generell und anschließend im Kontext des Lehrerberufs. An dieser Stelle wird auch ein Überblick über Belastungsfaktoren des Lehrerberufs und des Referendariats gegeben. Kapitel 3 fokussiert eine salutogenetische Perspektive, indem Zeit- und Selbstmanagement definitorisch verortet, konzeptuell bestimmt und ihre Bedeutung für den Lehrerberuf in den Blick genommen werden. In Kapitel 4 werden die Forschungsfragen und Hypothesen dieser Untersuchung vorgestellt, die sich aus den theoretischen Erkenntnissen ableiten lassen. Dieses Kapitel umfasst zudem eine Beschreibung des Forschungsdesigns sowie dem Vorgehen bei der Datenerhebung und -auswertung. Kapitel 5 stellt die Ergebnisse anhand von Auswertungskategorien zunächst dar, diskutiert diese unter berufsbiographischen Gesichtspunkten und fasst die Ergebnisse zusammen, auf deren Grundlage eine Hypothesengenerierung und -modifikation erfolgen kann. An die Limitation der Ergebnisse in Kapitel 6 schließen sich ein Fazit und Ausblick an.
Inhaltsverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
2. Grundlagen der Stress- und Belastungsforschung
2.1 Begriffsklarung
2.1.1 Belastung und Beanspruchung
2.1.2 Stress
2.2 Klassische Stressmodelle
2.2.1 Reaktionsorientiertes Stressmodell
2.2.2 Situations- und reizbezogenes Stressmodell
2.2.3 Transaktionales Stressmodell
2.2.4 Zusammenfassung
2.3 Belastung, Beanspruchung und Stress im Arbeitsalltag
2.3.1 Stress und Arbeit - Aktuelle Befunde
2.3.2 Belastung, Beanspruchung und Stress im Lehrerberuf
2.3.2.1 Modell des Lehrerstress nach Rudow
2.3.2.2 Belastungsfaktoren des Lehrerberufs und des Referendariats
3. Vom Zeitmanagement zum Selbstmanagement
3.1 Zeitmanagement
3.1.1 Definition
3.1.2 Konzepte - Techniken - Strategien
3.2 Selbstmanagement
3.2.1 Definition
3.2.2 Konzepte - Techniken - Strategien
3.3 Zur Bedeutung von Zeit- und Selbstmanagement fur den Lehrerberuf
4. Forschungsdesign
4.1 Fragestellung und Hypothesen
4.2 Forschungsdesign
4.2.1 Methodisches Vorgehen
4.2.2 Stichprobe
4.3 Datenerhebung und -auswertung
5. Auswertung der Ergebnisse
5.1 Ergebnisdarstellung
5.1.1 Stresserleben
5.1.1.1 Beruf
5.1.1.2 Privatleben
5.1.2 Zeit- und Arbeitsorganisation
5.1.2.1 Relevanz
5.1.2.2 Innerschulische Struktur
5.1.2.3 AuBerschulische Struktur
5.1.3 Selbstmanagement
5.1.3.1 Work-Life-Balance
5.1.3.2 Selbstregulation
5.2 Ergebnisdiskussion
5.2.1 Stressverstandnis
5.2.2 Stresserleben
5.2.3 Zeit- und Arbeitsorganisation
5.2.4 Selbstmanagement
5.3 Zusammenfassung der Ergebnisse
6. Limitation der Ergebnisse
7. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Anhang 1: Interviewleitfaden
Anhang 2: Interviewtranskripte
Anhang 3: Transkriptionsschlussel
Anhang 4: Zusammenfassende Inhaltsanalyse
Anhang 5: Codestruktur
Anhang 6: Auswertungsleitfaden
Anhang 7: Ergebnismatrix
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1: Stress im weiteren Sinne - Der Stressprozess, Bartholdt/Schutz 2010,
Abbildung 2: Das allgemeine Adaptationssyndrom nach Selye, Gerrig 2016,
Abbildung 3: Das transaktionale Stressmodell, Busse et al. 2006,
Abbildung 4: Modell des Lehrerstress nach Rudow (1994, 93) van Dick/Stegmann 2013, 47 nach van Dick 2006,
Abbildung 5: Belastungsfelder des Referendariats, Braun 2017, 49 nach Kiel/WeiB 2015,
Abbildung 6: Das Eisenhower-Prinzip, eigene Darstellung in Anlehnung an Poppelreuter/Mierke 2012,
Abbildung 7: Das Zeit-Balance Modell, Seiwert 2016 nach Seiwert/Peseschkian 2002 in Zusammenarbeit mit der Wiesbadener Akademie fur Psychotherapie
Abbildung 8: Raster zur Einordnung empirischer Studien der Lehrerbelastungsforschung, Krause/Dorsemagen/Baeriswyl 2013,
Abbildung 9: Vier spezifische Forschungsdesigns, Mayring 2010, 231 nach Mayring
Abbildung 10: Auswertungsprozess der Interviewstudie, eigene Darstellung
Tabelle 1: Ubersicht uber Stressoren im Lehrerberuf, eigene Darstellung nach Braun 2017, 48 und
Krause/Dorsemagen 2014,
Tabelle 2: Ubersicht der Stichprobe, eigene Darstellung
1. Einleitung
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zahlt Stress zu den groBten Gesundheitsrisiken des 21. Jahrhunderts (vgl. Poulsen 2012, 13). Stress ist zu einem festen Bestandteil der Leistungsgesellschaft avanciert, sodass vor allem im Arbeitskontext eine stetige Zunahme subjektiver Stressoren und Beanspruchungsreaktionen konstatiert wird.1 Sowohl der „Stressreport“ der Bundesanstalt fur Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) (2012) als auch die „Stressstudie“ der Techniker Krankenkasse (TK) (2016) verweisen neben einem gestiegenen Arbeitspensum, erhohtem Zeit- und Termindruck sowie der zunehmenden Verantwortung des Einzelnen insbesondere auf die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf - ein Aspekt, der das Stresserleben der Arbeitnehmer maBgeblich pragt (vgl. Lohmann-Haislah 2012, 50; vgl. TK 2016).
Der Lehrerberuf nimmt im Zusammenhang mit dem Stress- und Belastungserleben eine Sonderstellung ein, denn Lehrkrafte agieren nicht nur als zentrale Akteure im Bildungssystem, sondern nehmen mit ihrem beruflichen Handeln auch Einfluss auf die Entwicklung von Schulern2 (vgl. Rothland/Klusmann 2012, 1), weshalb negative Beanspruchungsreaktionen vermutlich ernsthafte Auswirkungen auf den Lernerfolg der Schuler haben (vgl. Krause/Dorsemagen 2014, 987). Das berufliche Wohlbefinden von Lehrkraften stellt daher einen bedeutsamen Pradiktor fur die Qualitat von Schule und Unterricht sowie fur ihre berufliche (Weiter-)Entwicklung dar, der seit einigen Jahren verstarkt in den Fokus des bildungspolitischen und wissenschaftlichen Interesses geruckt ist (vgl. Rothland/Klusmann 2012, 2). Auffallig ist, dass die Forschung zum beruflichen Befinden von Lehrkraften mittlerweile zwei markante Pole hat: Am negativen Ende steht eine belastungs- und beanspruchungsorientierte Perspektive, die kritische Aspekte der Arbeitsbedingungen und Anforderungsstrukturen von Lehrkraften untersucht und dabei Begriffe wie ,Stress’ und ,Burnout’ fokussiert (vgl. Doring-Seipel/Dauber 2013, 11). Weil das berufliche Wohlbefinden von Lehrenden aber nicht allein durch die Abwesenheit von Stress und Burnout gepragt ist, entwickelte sich am positiven Ende eine gesundheits- forderliche Perspektive, die Ressourcen, Resilienz- und Widerstandsfaktoren sowie Bewaltigungs- und Praventionsmoglichkeiten in den Blick nimmt (vgl. ebd., 11 f.; vgl. Rothland/Klusmann 2012, 5). Geeignete MaBnahmen konnen sowohl an der Umwelt (Verhaltnispravention) als auch an der Person (Verhaltenspravention) ansetzen. Angesichts der Annahme, dass Stresserleben aber vor allem von der subjektiven Bewertung und Bewaltigung der betroffenen Person abhangig ist (vgl. Lazarus/Folkman 1984), stellen personenbezogene Interventions- und Praventionsstrategien im Sinne der Verhaltens- pravention vielversprechende Moglichkeiten zur Gesundheitserhaltung von Lehrkraften dar (vgl. Albrecht 2016, 11). Darunter werden MaBnahmen des Stressmanagements, des Zeit- oder Selbstmanagements genannt, denen die Annahme einer Reduzierung subjektiver Belastungen im Berufsleben zugrunde liegt (vgl. Rothland/Klusmann 2012, 11; vgl. Warwas 2008, 149). Angesichts der aktuell geringen Befundlage zu Preventions- und Interventionsstrategien im Lehrerberuf, leistet die vorliegende Untersuchung einen Beitrag zur Generierung diesbezuglicher Erkenntnisse.
Diese Interviewstudie positioniert sich an einer Schnittstelle der skizzierten Pole, mit dem Ziel, Erkenntnisse zum Einsatz und Stellenwert von Zeit- und Selbstmanagementstrategien bei angehenden und berufserfahrenen Lehrkraften zu generieren und diese in einen Zusammenhang mit dem subjektiven Stress- und Belastungserleben der Lehrenden zu stellen. Die Gegenuberstellung von angehenden Lehrkraften bzw. Referendaren und berufserfahrenen Lehrkraften erscheint besonders fruchtbar, weil sie sich in unterschiedlichen berufsbiographischen Stadien befinden, die durch vermeintlich divergierende Charakteristika, Anforderungen und potenzielle Stressoren gepragt sind (vgl. Braun 2017, 9). Daher soll in dieser Forschungsarbeit untersucht werden, ob und falls ja, inwiefern sich zwischen angehenden und berufserfahrenen Lehrkraften in folgenden Schwerpunkten Differenzen aufzeigen lassen:
- Beschreibung des Stressverstandnisses und Stresserlebens
- Identifikation von Techniken der Zeit- und Arbeitsorganisation
- Identifikation von Selbstmanagementstrategien (darunter Work-Life-Balance, Erholungserleben, arbeitsbezogene Personlichkeitsmerkmale)
Neben dem aus der Forschung begrundeten, wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse bietet diese Untersuchung Anknupfungspunkte an den Professionalisierungsprozess von Lehramtsanwartern und besitzt damit eine praktische und personliche Relevanz fur die Autorin. Das Kerncurriculum fur die Ausbildung im Vorbereitungsdienst sieht vor, dass sich „Lehrerinnen und Lehrer [...] der besonderen Anforderungen des Lehrerberufs bewusst“ (MfSW 2016, 9) werden, indem sie „lernen, mit Belastungen umzugehen“ (ebd.) sowie ihre „Arbeitszeit und Arbeitsmittel zweckdienlich und okonomisch“ (ebd.) einzusetzen. Vor dem Hintergrund dieser Anforderungen an Lehramtsanwarter eroffnet die Erforschung des Stresserlebens und der Stresspravention nicht nur die Moglichkeit, sich bereits im Vorfeld des Referendariats mit potenziellen Belastungsbedingungen und gesundheitsforderlichen MaBnahmen auseinandersetzen zu konnen, sondern auch einen kritischen Blick auf die derzeitige Lehramtsausbildung und Weiterbildung im Lehrerberuf werfen sowie neue Perspektiven entwickeln zu konnen.
Aufbau der Arbeit
Zur Erforschung der dargestellten Forschungsschwerpunkte werden in Kapitel 2 grundlegende Termini voneinander abgegrenzt, sodass darauf aufbauend verschiedene Forschungsperspektiven in Form von Stressmodellen dargestellt werden konnen. AnschlieBend erfolgt eine Betrachtung von Stress im Arbeitskontext - zunachst generell und anschlieBend im Kontext des Lehrerberufs. An dieser Stelle wird auch ein Uberblick uber Belastungsfaktoren des Lehrerberufs und des Referendariats gegeben. Kapitel 3 fokussiert eine salutogenetische Perspektive, indem Zeit- und Selbstmanagement definitorisch verortet, konzeptuell bestimmt und ihre Bedeutung fur den Lehrerberuf in den Blick genommen werden. In Kapitel 4 werden die Forschungsfragen und Hypothesen dieser Untersuchung vorgestellt, die sich aus den theoretischen Erkenntnissen ableiten lassen. Dieses Kapitel umfasst zudem eine Beschreibung des Forschungsdesigns sowie dem Vorgehen bei der Datenerhebung und -auswertung. Kapitel 5 stellt die Ergebnisse anhand von Auswertungskategorien zunachst dar, diskutiert diese unter berufsbio- graphischen Gesichtspunkten und fasst die Ergebnisse zusammen, auf deren Grundlage eine Hypothesengenerierung und -modifikation erfolgen kann. An die Limitation der Ergebnisse in Kapitel 6 schlieBen sich ein Fazit und Ausblick an.
2. Grundlagen der Stress- und Belastungsforschung
2.1 Begriffsklarung
Als zentrale Faktoren unseres Lebens nehmen Beruf und Arbeit groBen Einfluss auf die Gestaltung des Alltags, indem sie ihn maBgeblich strukturieren und bestimmen (vgl. Schaper 2014, 518). Mit der Bedeutung, Wirkung und den Folgen der Arbeitstatigkeit fur den Menschen beschaftigt sich die Arbeitspsychologie, wobei die Frage nach den Auswirkungen einer ungesunden Arbeitsumgebung bereits im Zuge der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert aufgeworfen wurde (vgl. ebd.). Hinsichtlich der definitorischen Bestimmung zentraler Termini ist es im Bereich der Belastungs- und Beanspruchungsforschung in den letzten Jahren zunehmend zu Unscharfen gekommen, was nicht zuletzt im Zusammenhang mit der z. T. synonymen Verwendung der Begriffe ,Belastung’ und , Stress’ in der neueren deutschsprachigen arbeitswissenschaftlichen Literatur steht (vgl. ebd.). An dieser Stelle soll zunachst eine Abgrenzung der unterschiedlichen Begrifflichkeiten erfolgen, um im weiteren Verlauf ausgewahlte theoretische Modelle darstellen zu konnen.
2.1.1 Belastung und Beanspruchung
Bereits in den 1970er Jahren pladierten Rohmert und Rutenfranz (1975) fur eine eindeutige Differenzierung zwischen Belastung und Beanspruchung (vgl. Bohm-Kasper 2004, 27). Unter Belastungen werden - anders als in der Medizin3 - objektive Faktoren und GroBen wie Larm, Zeitdruck oder Storungen des Arbeitsablaufs verstanden (vgl. ebd.), die in Anlehnung an die International Organization of Standardization (ISO) als „Gesamtheit aller erfassbaren Einflusse [...] von auBen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken“ (DIN EN ISO 10075). Fur die daraus resultierende psychische Beanspruchung hat sich folgende normierte Definition durchgesetzt: „Die zeitlich unmittelbare (nicht langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhangigkeit von seinen jeweiligen uberdauernden und augenblicklichen Voraus- setzungen, einschlieBlich der individuellen Bewaltigungsstrategien“ (DIN EN ISO 10075). GemaB den Definitionen von Belastung und Beanspruchung konnen vielfaltige Umweltfaktoren, neben auBeren Einflussen auch innerpsychische Faktoren, als Belastung verstanden werden, die bei Menschen zur Beanspruchung fuhren und bestimmte Reaktionen hervorrufen konnen (vgl. Schaper 2014, 518). Weder Belastung noch Beanspruchung sagen etwas uber die Starke oder den Stellenwert der Umwelteinflusse und Reaktionen darauf aus, sodass bei objektiv gleicher Belastung bei unterschiedlichen Personen sehr verschiedene Beanspruchungen resultieren konnen (vgl. van Dick 2006, 28). Im Unterschied zum negativ konnotierten Alltagsverstandnis sind Belastung und Beanspruchung im wissenschaftlichen Kontext somit neutrale Konzepte, die sich sowohl auf angenehme als auch auf unangenehme bzw. belastende Ausloser oder Zustande beziehen (vgl. Schaper 2014, 519; vgl. Bartholdt/Schutz 2010, 22).
2.1.2 Stress
Historisch betrachtet stammen sowohl die Begriffe ,Belastung’ und ,Beanspruchung’ als auch der Terminus , Stress’ aus der Physik bzw. Werkstoffkunde im Sinne der Veranderung eines Materials durch auBere Krafteinwirkung (vgl. Busse/Plaumann/Walter 2006, 2; vgl. Engelhardt 2015, 6 f.). Erst mit Walter Cannons Stresstheorie „Fight-or- Flight“ (1914) sowie den theoretischen Uberlegungen des Begrunders der Stressforschung Hans Selye erlangte der Terminus Relevanz im Bereich der Biologie, Physiologie und Psychologie (vgl. ebd.). Im Zuge der kognitiven Wende4 ruckte die Bewertung und Bewaltigung von Stress schlieBlich verstarkt in den Fokus (vgl. ebd.).
Im Alltag wird der aus dem Lateinischen stammende Begriff , Stress’ (lat. stringere = zusammendrucken) sowohl fur auslosende Faktoren wie Zeitdruck verwendet als auch fur Reaktionen auf diese Bedingungen (vgl. Engelhardt 2015, 6 f.; vgl. Bartholdt/Schutz 2010, 21). Diese terminologische Unklarheit macht vor der Wissenschaft nicht Halt, denn die wissenschaftliche Definition und Verwendung des Konzepts ,Stress’ variiert in Abhangigkeit der jeweiligen Disziplin - von Biologie und Medizin uber Soziologie bis hin zur Psychologie - sehr stark, sodass bis heute weder eine Einigung auf eine Definition noch auf eine Operationalisierung des Stresskonzepts erreicht werden konnte (vgl. ebd.). Zwar finden sich hinsichtlich der Begriffe Stress, Belastung und Beanspruchung Uberlappungen in der Alltagssprache, jedoch wird im wissenschaftlichen Sprachgebrauch zwischen den genannten Termini unterschieden (vgl. Rothland 2013, 8).
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird Stress als ein Konzept verstanden, das sich zwar dem Belastungs-Beanspruchungs-Konzept unterordnet, sich jedoch im Unterschied zu Belastung und Beanspruchung nicht auf objektive Ausloser oder Zustande bezieht, sondern unangenehme Aspekte fokussiert (vgl. Schaper 2014, 519). Dementsprechend wird von Stress erst dann gesprochen, „wenn die Belastungen die Ressourcen der Person ubersteigen und als aversive, von negativen Emotionen begleitete Beanspruchung erlebt werden“ (van Dick 2006, 29).
Stress im weiteren Sinne
Um sich dem Begriff trotz terminologischer Schwierigkeiten zu nahern, wird nachfolgend sowohl eine eng als auch eine weit gefasste Definition vorgestellt. Im weiteren Sinne wird Stress als Oberbegriff eines Prozesses betrachtet, der mit einem stressauslosenden Ereignis (Stressor) einsetzt, sich nach dessen Bewertung in einer unmittelbaren Stressreaktion fortsetzt und im Anschluss an Bewaltigungsversuche schlieBlich in mittel- bis langfristigen Folgen mundet (vgl. Bartholdt/Schutz 2010, 23 f.). Die Reaktion auf einen Stressor kann sich demnach unmittelbar in der stressauslosenden Situation (Stressreaktion) als auch zeitlich verzogert (Stressfolgen) zeigen (vgl. ebd.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Stress im weiteren Sinne - Der Stressprozess, Bartholdt/Schutz 2010, 23
Stress im engeren Sinne
Im engeren Sinne bezieht sich Stress5 auf die unmittelbare Stressreaktion, die insbesondere Hans Selye in den Fokus seiner Definition stellte und damit eine Orientierung fur die gesamte nachfolgende Stressforschung schuf: „Stress ist die unspezifische Reaktion des Korpers auf jede Anforderung, die an ihn gestellt wird“ (vgl. Selye 1984, 64). Im Gegensatz zu Selye betonen Greif, Bamberg und Semmer (1991) in ihrer Definition die subjektive Einschatzung einer Person und definieren Stress somit weniger als automatische, unspezifische Reaktion, sondern als einen „subjektiv intensiv unangenehmen Spannungszustand“ (Schaper 2014, 519), der aus der Befurchtung resultiert, eine als wichtig eingeschatzte Situation wahrscheinlich nicht vollstandig kontrollieren bzw. die Anforderungen erfullen zu konnen (vgl. ebd.). Die Ursache dieses Spannungszustandes kann aber weder allein einer Person noch allein der Umwelt zugeschrieben werden, sondern resultiert stets aus einem Ungleichgewicht der individuellen Kompetenzen einerseits und Anforderungen bzw. Moglichkeiten der Situation andererseits - ein Aspekt, in dem sich die neueren Ansatze zur Erklarung von
Stress einig sind (vgl. Bartholdt/Schutz 2010, 25). Zu Beginn der 90er Jahre einigten sich die wissenschaftlichen Disziplinen schlieBlich darauf, Stress als Ergebnis einer Transaktion zwischen der Umwelt und einer Person zu begreifen, deren Beziehung durch kognitive Bewertungsprozesse beeinflusst wird (vgl. van Dick/Stegmann 2013, 46; vgl. Blackert-Gosch 2009, 15). Dieses Verstandnis geht auf Lazarus und Folkman zuruck, die bereits in den 80er Jahren ein psychologisches Stressmodell entwickelt haben: „Psychological stress [...] is a relationship between the person and the environment that is appraised by the person as taxing or exceeding his or her ressources and endangering his or her well-being” (Lazarus/Folkman 1984, 21).
Stresserleben - positiver und negativer Stress
Ein stressauslosendes Ereignis muss nicht zwangslaufig dazu fuhren, dass die Gesundheit unter Stress leidet. Etwas, das fur eine Person im positiven Sinne eine Herausforderung ist, kann eine andere Person moglicherweise schon als Uberlastung empfinden (vgl. Mohr/Semmer 2002). Die Differenzierung in positiven und negativen Stress nahm Hans Selye vor, indem er feststellte, dass der Korper den Stress sowohl forderlich als auch nachteilig bzw. gesundheitsgefahrdend wahrnehmen und verarbeiten kann - je nach subjektiv wahrgenommener Dauer und Intensitat des Belastungszustandes (vgl. Selye 1981; vgl. Busse et al. 2006, 5). Mit ,Eustress’ bezeichnet Selye positiven Stress, bei dem der Korper zwar eine erhohte Aktivitat zeigt, jedoch nicht im Sinne eines bedrohlichen Empfindens der Stressoren, sondern im Sinne einer Herausforderung, die die Person zu hoherer Leistung anregt, sodass auf diese Weise Unterforderung vermieden wird (vgl. Schaper 2014, 532). ,Distress’ verweist hingegen auf negativen Stress, der fur die eigene Gesundheit bzw. das Wohlbefinden als bedrohlich empfunden wird (vgl. Kulbe 2009, 168). Ob ein Mensch Stressoren positiv oder negativ empfindet, hangt insbesondere von den wahrgenommenen Bewaltigungsmoglichkeiten wie z. B. der personlichen Selbsteinschatzung ab (vgl. ebd.). Schwierig erscheint, eine trennscharfe Linie zwischen ,Eustress’ und ,Distress’ zu ziehen, weil Herausforderungen schnell zu Belastungen werden konnen, etwa aufgrund fehleingeschatzter Situationen oder Handlungs- kompetenzen (vgl. Schaper 2014, 532.).
Hervorzuheben ist letztlich, dass Stress - vor allem in der neueren Stressforschung6 - als sehr individuelles Phanomen betrachtet wird, das durch ein komplexes Zusammenspiel externer Belastungsfaktoren und individueller Bewaltigungsmoglichkeiten bestimmt wird (vgl. Hedderich 2011, 29 ff.). Daher kann derselbe Stressor von verschiedenen Personen, in Abhangigkeit ihrer individuellen Ressourcen und Personlichkeitsmerkmale, unterschiedlich wahrgenommen werden und zu unterschiedlichem Stresserleben fuhren (vgl. ebd.).
2.2 Klassische Stressmodelle
Einschlagige wissenschaftliche Disziplinen, die die Ursachen und Auswirkungen von Stress beleuchten, nahern sich dem Stressverstandnis aus unterschiedlichen Blickwinkeln (vgl. Rothland/Klusmann 2012, 4). In der langen Tradition der Stressforschung werden ublicherweise drei Perspektiven voneinander unterschieden, die im Folgenden anhand ihrer stresstheoretischen Modelle gegenubergestellt werden (vgl. ebd.).
2.2.1 Reaktionsorientiertes Stressmodell
Hans Selye war einer der ersten modernen Forscher, der sich auf Grundlage von Tierversuchen mit physiologischen und insbesondere hormonellen Veranderungen im Korper bei Stresseinwirkung beschaftigte (vgl. Gerrig 2016, 476). Die Veroffentlichung seiner biologischen Stresstheorie im Jahr 1936 gilt als Geburtsstunde nachfolgender Ansatze7 (vgl. Engelhardt 2015, 8). Stress definiert Selye, ebenso wie Cannon, als unspezifische Reaktion des Organismus auf jegliche Storung der Homoostase8 und differenziert ferner zwischen Stress (Reaktion) und Stressoren (Reize), die aus beliebigen Faktoren entstehen konnen und stets eine Anpassung verlangen (vgl. Schaper 2014, 521; vgl. Busse et al. 2006, 64). So kommt es bei einem Stresserlebnis zu kurzfristigen Veranderungen der physiologischen Aktiviertheit oder Beeintrachtigungen der eigenen Befindlichkeit nach dem von Selye beschriebenen allgemeinen Adaptationssyndrom (AAS) (vgl. Schaper 2014, 528).
Wie in Abbildung 2 ersichtlich, vollzieht es sich in den Phasen der Alarmreaktion, des Widerstandes und der Erschopfung (vgl. ebd.). Wird ein Stressor wahrgenommen, zeichnen sich Alarmreaktionen als kurze Phasen korperlicher Erregung durch eine vermehrte Ausschuttung von Hormonen wie Adrenalin aus, was zu einer hoheren Aktiviertheit und Leistungsbereitschaft fuhrt (vgl. ebd., 529; vgl. Gerrig 2016, 476). Im Stadium des Widerstandes erreichen die adaptiven Reaktionen ihren optimalen Wert.
Dauert der Stressor jedoch langer an, erfolgt eine Gegenreaktion, um die ausgeschutteten Stresshormone wieder zu regulieren und den Korper auf ein normales Niveau zu bringen (vgl. ebd.). Der Organismus wird in dieser Phase gegen den aktuellen Stressor resistent, kann jedoch fur weitere Reize anfalliger sein. Gelingt die Adaption etwa aufgrund mangelnder Ressourcen oder ineffektiver Bewaltigungsstrategien nicht, kommt es zu einer wiederkehrenden Aktivierung des Korpers und schlieBlich zur Erschopfung (vgl. ebd.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Das allgemeine Adaptationssyndrom nach Selye, Gerrig 2016, 476
Mittelfristig konnen derartige Anpassungsprobleme im Sinne von andauerndem Stress zu BefindlichkeitsstOrungen auf emotionaler Ebene, verzerrter Wahrnehmung auf kognitiver Ebene sowie verminderter Leistungsfahigkeit und Uberforderung auf vegetativ- hormoneller Ebene fuhren (vgl. Schaper 2014, 529).
Trotz der Vorreiterstellung, die Selyes Stresstheorie einnahm, wurden verschiedene kritische Aspekte geauBert. Zum einen wurde Kritik an der von Selye angenommenen Unspezifitat des Reizes geubt, die sich in einem bestimmten, vom Reiz relativ unabhangigen Reaktionsmuster des Organismus manifestiert (vgl. Scherer/Wallbott/ Bergmann/Tolkmitt 1985). Zum anderen wurde kritisiert, dass Selye in seinem Modell psychologische Beurteilungsprozesse eines Individuums auBer Acht lasst, die Einfluss auf die Stressreaktionen nehmen konnen (vgl. van Dick 2006, 28).
2.2.2 Situations- und reizbezogenes Stressmodell
In situations- oder reizbezogenen Stressmodellen9, die hauptsachlich in der Soziologie und in den Arbeitswissenschaften Beachtung finden, wird Stress als eine unabhangige Variable sowie als ein Phanomen verstanden, in dessen Mittelpunkt der Stressor steht (vgl. Schaper 2014, 519; vgl. Engelhardt 2015, 9). Daher wird angenommen, dass jeder Stressor auf bestimmte Art und Weise auf eine Person einwirkt, spezifische Stressreaktionen auslost und unterschiedliche Verhaltensweisen zur (Stress-)Bewaltigung benotigt werden (vgl. Busse et al. 2006, 67). Stress wird in soziologischen Ansatzen nicht ausschlieBlich als Reiz oder Reaktion definiert, sondern vielmehr auf Grundlage der Reiz-Reaktions-Beziehung (vgl. ebd.).
Zur Unterscheidung von Stressoren fuhren Busse und Kollegen (2006) in Anlehnung an Anderson drei Ebenen an (vgl. Busse et al. 2006, 67; Anderson 1991, 685). Ebene I umfasst chronische Stressoren, die sich aus gesellschaftlichen und sozialen Bedingungen wie Rassismus, wirtschaftlicher Not oder Wohndichte ergeben und die Gesundheit negativ beeintrachtigen konnen (vgl. Busse et al. 2006, 67 f.). Wichtige Lebensereignisse (major life events) sowie alltagliche Belastungen (daily hassles) werden von Anderson (1991) auf den Ebenen II und III angefuhrt, wobei zu diesen Aspekten sogar eigenstandige Forschungsansatze existieren (vgl. ebd.). Seit den 60er Jahren steht die Live-Event- Forschung10 im engen Zusammenhang mit der Stressforschung und betont die Relevanz kritischer Ereignisse im Leben eines Menschen, indem deren Wirkungen auf die Auslosung und Aufrechterhaltung psychischer Storungen analysiert werden (vgl. Reinecker 2005, 281; vgl. Gerrig 2016, 477). Demnach stellen kritische Lebensereignisse wie der Tod einer nahestehenden Person, die Trennung vom Partner, ein Umzug oder Arbeitsplatzwechsel potenziell stressauslosende Reize dar (vgl. Busse et al. 2006, 67 f.). Auf Grundlage aktuellerer Erkenntnisse wird an diesem Ansatz jedoch kritisiert, dass subjektive Bewertungsprozesse und Bewaltigungsstrategien auBer Acht gelassen werden sowie die Tatsache, dass eine Person nicht passives Opfer auBerer Umstande ist, sondern seine Umwelt stets aktiv wahrnimmt, verarbeitet und in einer standigen Wechselbeziehung dazu steht (vgl. ebd., 69). Im Gegensatz dazu steht der Daily-Hassles-Forschungsansatz, in dem davon ausgegangen wird, dass vielmehr die Kumulation alltaglicher Belastungen zur gesundheitlichen Beeintrachtigung einer Person beitragen als die groBen, kritischen Lebensereignisse (vgl. Lazarus/Folkman 1984, 375). Zu berucksichtigen ist dabei jedoch auch, dass Alltagsprobleme durch tagliche positive Erfahrungen ausbalanciert werden konnen (vgl. Gerrig 2016, 482).
Trotz der unterschiedlichen Ausrichtung der Forschungsansatze, merken Busse et al. an, dass ,daily hassles’ und ,major life events’ nicht getrennt voneinander betrachtet werden konnen, weil kritische Lebensereignisse haufig aus der Summe alltaglicher Belastungen resultieren (vgl. Busse et al. 2006, 69).
2.2.3 Transaktionales Stressmodell
Kognitive Stressmodelle nehmen innerhalb der psychologischen Stressforschung einen hohen Stellenwert ein, wobei das transaktionale Modell, das von Richard Lazarus in den 60er Jahren entwickelt wurde, wohl den groBten Einfluss auf die weitere Stressforschung genommen hat (vgl. Schaper 2014, 521).11 Im Gegensatz zu den reaktions- und reizbezogenen Ansatzen formulieren Lazarus und seine Mitarbeiter Launier und Folkman mit ihrem Modell eine Antwort darauf, warum verschiedene Personen auf denselben Stressor unterschiedlich reagieren, indem eine Wechselwirkung zwischen Individuum und Umwelt statt ein einfaches Reiz-Reaktions-Schema angenommen wird (vgl. Schaper 2014, 521; vgl. Busse et al. 2006, 69). Stress definiert Lazarus als relationales Konstrukt, das einen permanenten Vergleich zwischen Handlungsmoglichkeiten der Person und Anforderungen der Situation bzw. Umwelt verlangt (vgl. van Dick/Stegmann 2013, 46). DemgemaB werden sowohl kognitive Bewertungen der Person hinsichtlich eines Stressors als auch Bewaltigungsmoglichkeiten miteinbezogen, weshalb die Frage, ob ein Umweltreiz tatsachlich einen Stressausloser darstellt oder nicht, immer von den kognitiven Bewertungsprozessen einer Person abhangig ist (vgl. Busse et al. 2006, 69).
Schwarzer (2000) fasst den Kernaspekt des transaktionalen Stressmodells in seiner zentralen Hypothese treffend zusammen:
Stress lasst sich also als ein Kraftespiel von Person und Umwelt darstellen, wobei beide Seiten aus der Perspektive des Betroffenen zu sehen sind. Es handelt sich [...] vor allem um eine kognitive Auseinandersetzung des Ich mit den Anspruchen der AuBenwelt [...], wobei sich Person und Umwelt im Fluss des Geschehens wechselseitig bedingen (Schwarzer 2000, 14).
Der von Schwarzer (2000) beschriebene Wechselwirkungsprozess basiert auf Bewertungsprozessen, die von einer Person hinsichtlich eines moglichen Stressors vorgenommen und daher als zentrale Elemente des Stressmodells konstituiert werden konnen (vgl. van Dick/Stegmann 2013, 46). Die Bewertung erfolgt in drei Stadien12 und stellt die Perspektive des Betroffenen auf die Stresssituation in den Mittelpunkt (vgl. ebd.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Das transaktionale Stressmodell, Busse et al. 2006, 70
1. Primare Bewertung (,primary appraisal’): In diesem Stadium wird eine Situation bzw. ein Reiz hinsichtlich der Bedeutung fur das eigene Wohlbefinden als neutral, positiv oder stresshaft wahrgenommen. Wird der Reiz als stresshaft erlebt, erfolgt eine Einordnung in die Kategorien Herausforderung, Bedrohung oder Schaden bzw. Verlust (vgl. Busse et al. 2006, 70).
2. Sekundare Bewertung (,secondary appraisal’): Bevor eine sekundare Bewertung erfolgt, versucht die Person, sich mit der Situation auseinanderzusetzen, indem sie dem Stressor mit routinemaBigem Verhalten begegnet oder alternative Losungswege sucht, um ein Gleichgewicht wiederherzustellen (vgl. ebd.). Gelingt dies nicht, werden mogliche Folgen auf psychischer, physischer und psychosozialer Ebene antizipiert sowie mogliche Bewaltigungsstrategien in der Phase der sekundaren Bewertung abgewogen (vgl. ebd.).
3. Neubewertung (,reappraisal’): Da es sich bei der Interaktion zwischen der Person und der Situation immer um eine transaktionale Beziehung handelt, konnen neue Informationen aus der Umwelt in die kognitiven Bewertungsprozesse miteinflieBen (vgl. van Dick/Stegmann 2013, 46). Daher ist eine Neubewertung der Situation in Abhangigkeit vom Erfolg oder Misserfolg der gewahlten Bewaltigungsstrategie erforderlich (vgl. ebd.).
Neben der Situationsbeurteilung nimmt das ,Coping’ eine zentrale Stellung im Stressmodell von Lazarus ein und bezeichnet „sich fortwahrend verandernde kognitive oder Verhaltensbemuhungen, die darauf abzielen, spezifische interne und/oder externe Anforderungen zu bewaltigen, welche als anstrengend oder als die Ressourcen der Person ubersteigend eingeschatzt werden“ (Lazarus/Folkman 1984, 141). Ferner unterscheiden Lazarus und Folkman zwischen problem- und emotionsorientiertem Coping. Ersteres beinhaltet intrapersonale Strategien im Sinne der Definition von Problemen und des Abwagens von Handlungsmoglichkeiten (vgl. Busse et al. 2006, 70). Letzteres umfasst kognitive Prozesse, die darauf abzielen, das erlebte Stressniveau zu verringern, indem Strategien wie Vermeidung, Distanzierung oder selektive Aufmerksamkeit eingesetzt werden (vgl. ebd., 70 f.). Bezuglich der Wirksamkeit der Coping-Strategien fanden Suls und Fletcher in einer Metaanalyse bereits 1985 heraus, dass emotionsorientierte Vermeidungsstrategien wie das Verlassen oder Verdrangen einer Situation zwar kurzfristig positiv sein konnen, jedoch konfrontative Strategien langfristig eine hohere Wirksamkeit bei der Stressbewaltigung zeigen (vgl. Busse et al. 2006, 71; vgl. Suls/Fletcher 1985).
2.2.4 Zusammenfassung
Die Darstellung zentraler Termini und stresstheoretischer Modelle verdeutlicht, dass sich innerhalb der Stressforschung eine Entwicklung hinsichtlich des Stressverstandnisses vollzogen hat. Einerseits entstand die Schwierigkeit, das Phanomen Stress definitorisch eindeutig zu bestimmen, jedoch wurden andererseits unterschiedliche Perspektiven zur Erklarung des Stressgeschehens, dessen Ursachen und Auswirkungen hervorgebracht, die in den dargestellten Stressmodellen Ausdruck finden. Deutlich wird, dass sich die Theorien uber viele Jahre hinweg, in Abhangigkeit gesellschaftlicher Veranderungen weiterentwickelt haben, sodass weder die wissenschaftliche Diskussion zum Phanomen Stress noch die Erweiterung und Veranderung stresstheoretischer Modelle als abgeschlossen gelten konnen (vgl. Busse et al. 2006, 75). Angesichts des Forschungs- interesses dieser Arbeit, die Wahrnehmung und den Umgang mit Stressoren im Lehrerberuf zu analysieren sowie Moglichkeiten der Pravention bzw. Stressbewaltigung aufzuzeigen, wird insbesondere das transaktionale Stressmodell zur Analyse der Forschungsergebnisse herangezogen. Analog zur Annahme eines transaktionalen Konstrukts zwischen Person und Umwelt, wird in dieser Untersuchung die subjektive Wahrnehmung und Interpretation des Betroffenen hinsichtlich der von auBen einwirkenden Stressoren und der zur Verfugung stehenden Bewaltigungsmoglichkeiten fokussiert.
Das folgende Kapitel ubertragt das Thema Stress in die Arbeitswelt, indem aktuelle Befunde aus der Stressstudie der Techniker Krankenkasse dargestellt werden. Der Fokus des Kapitels liegt schlieBlich auf einer Betrachtung von Stress(-erleben) sowie potenziellen Stressoren im Zusammenhang mit dem Lehrerberuf.
2.3 Belastung, Beanspruchung und Stress im Arbeitsalltag
2.3.1 Stress und Arbeit - Aktuelle Befunde
Nach Ergebnissen der Europaischen Agentur fur Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (OSHA) aus dem Jahr 2002 stellt „arbeitsbedingter Stress nach Ruckenschmerzen das zweithaufigste arbeitsbedingte Gesundheitsproblem“ (OSHA 2002, 1) dar. Innerhalb von 14 Jahren hat sich eine alarmierende Entwicklung vollzogen - so lautet die Bilanz der TK-Stressstudie aus dem Jahr 2016: „Die Arbeit ist Stressfaktor Nummer eins in Deutschland“ (TK 2016, 21).
Doch wie arbeiten die Menschen in Deutschland uberhaupt? Welche Faktoren der Arbeit losen den Stress aus? Und welcher Zusammenhang kann zwischen Arbeit und Gesundheit angenommen werden? Diesen Fragen ging die Stressstudie der Techniker Krankenkasse, nach 2008 und 2013, in 2016 bereits zum dritten Mal nach, indem ein reprasentativer Querschnitt der deutschen Bevolkerung zum personlichen Stresslevel, Stressauslosern sowie dem individuellen Umgang mit Stress befragt wurde (vgl. ebd., 2).
Um arbeitsbedingten Stress zunachst definitorisch zu verorten, soll nachfolgend eine Definition der Europaischen Kommission vorgestellt werden. Dort wird arbeitsbedingter Stress beschrieben als „Gesamtheit emotionaler, kognitiver, verhaltensmaBiger und physiologischer Reaktionen auf widrige und schadliche Aspekte des Arbeitsinhalts, der Arbeitsorganisation und der Arbeitsumgebung. Dieser Zustand ist durch starke Erregung und starkes Unbehagen, oft auch durch ein Gefuhl des Uberfordertseins charakterisiert“ (EU 2002, 5).
Hinsichtlich der Arbeitszeit haben sieben von zehn Beschaftigten regelmaBige Arbeitszeiten, wobei der Durchschnitt 40 Stunden pro Woche arbeitet - weniger als im Jahr 2013 (vgl. TK 2016, 21). Signifikante Geschlechterunterschiede zeigen sich beim Blick auf die Verteilung der Arbeitszeit: Knapp ein Viertel der Frauen arbeitet unter 30 Stunden bzw. in Teilzeit, aber lediglich acht Prozent der Manner (vgl. ebd., 22). Diese Werte verdeutlichen, dass Frauen in den meisten Fallen ihre Arbeitszeit reduzieren, um mehr Zeit fur die Kindererziehung zu haben (vgl. ebd.). Interessant erscheint, dass insbesondere Erwerbstatige mit Kindern ihrem Beruf mit SpaB nachgehen und diesen als wichtigen Teil ihres Lebens sowie als Ausgleich zum Familienleben betrachten (vgl. ebd., 22 f.). Stressausloser ist in diesem Zusammenhang jedoch die unzureichende Vereinbarkeit der beiden Welten Familie und Beruf, weshalb ,Work-Life-Balance’13 in Hinblick auf die Erhaltung psychischer und physischer Gesundheit ein wichtiges Zukunftsthema darstellt (vgl. ebd., 23). Ubergreifend kann konstatiert werden, dass diejenigen, die sich haufig gestresst fuhlen, seltener SpaB an ihrem Job verspuren (vgl. ebd.). 62 Prozent derjenigen, die haufig Stress empfinden, sind mit SpaB bei ihrer Arbeit, wohingegen 77 Prozent der selten oder nie Gestressten Freude bei ihrer Arbeit verspuren (vgl. ebd.).
Aber welche Arbeitsfaktoren sind es, die den Stress auslosen? Zweifelsfrei steht bei dieser Frage das Arbeitspensum an erster Stelle (vgl. ebd.). Ein Zuviel an Arbeit beeinflusst das Stresserleben der Befragten, sodass zwei Drittel ein Missverhaltnis zwischen der Arbeitsmenge und der dafur zur Verfugung stehenden Zeit als Belastung empfinden (vgl. ebd.). Doch dieses Ergebnis ist nicht nur hinsichtlich des individuellen Wohlbefindens ernst zu nehmen, sondern auch hinsichtlich der Qualitat der Arbeit. Es bleibt keine Zeit fur die Erledigung der To-Do-Liste, geschweige denn fur kreatives Denken oder strategische Uberlegungen (vgl. ebd.). Neben dem Arbeitspensum nennen die Befragten Termindruck bzw. Hetze und Unterbrechungen als Top-Stressoren (vgl. ebd., 24). Immerhin knapp ein Viertel beklagt, wie oben beschrieben, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf (vgl. ebd.). Entgegen der Annahme, Teilzeitkrafte verspuren einen besonders hohen Druck aufgrund der (Rollen-)Anforderungen in Beruf und Familie14, zeigen die Ergebnisse der Stressstudie jedoch ein anderes Bild: Das Stresslevel ist generell bei denjenigen hoher, die mehr Zeit bei der Arbeit verbringen, sodass sich eine leichte Reduzierung der Stundenzahl positiv auf das Wohlbefinden der Beschaftigten auswirken wurde - zu dieser Bilanz kommt ein schwedisches Projekt, das mit einem 6-Stunden-Tag bei gleichbleibendem Lohn experimentiert hat (vgl. ebd., 25). Im Zusammenhang mit den dargestellten Ergebnissen stellt sich ferner die Frage, inwiefern Weiterbildungen zur Entwicklung von Zeit- und Selbstmanagement-Kompetenzen dazu beitragen konnten, sowohl den Arbeitsalltag mit seinen facettenreichen Aufgaben strukturieren und seine Arbeitszeit effizienter nutzen als auch mogliche Belastungen besser bewaltigen zu konnen, um schlieBlich Beruf und Privatleben in eine Balance bringen zu konnen.15
Inwiefern sich die Ergebnisse der TK-Stressstudie in den Aussagen der fur diese Studie befragten Lehrkrafte widerspiegeln, soll im Verlauf der Ergebnisauswertung diskutiert werden.
2.3.2 Belastung, Beanspruchung und Stress im Lehrerberuf
Die Verwendung der Begriffe Belastung, Beanspruchung und Stress erfolgt - das bestatigen auch die zuvor dargestellten Ergebnisse der TK-Stresstudie 2016 - zumeist im Zusammenhang mit einer Arbeitstatigkeit, wobei der Lehrerberuf besonders haufig in das Blickfeld belastungsbezogener Diskussionen gerat (vgl. van Dick/Stegmann 2013, 44). Eine hohe Pravalenzrate psychischer Erkrankungen16 als Ursache von Berufsunfahigkeit und fruhzeitigen Pensionierungen fuhrt zu der Frage, ob Lehrkrafte in ihrem Arbeitsalltag auBergewohnlichen Gesundheitsrisiken ausgesetzt sind (vgl. Doring-Seipel/Dauber 2010, 1). Eine uberwiegende Anzahl an Studien zur Lehrerbelastung konzentrieren sich daher auf die Identifikation berufsspezifischer Belastungsfaktoren, die im Zusammenhang mit Beanspruchungs- und Stressreaktionen betrachtet werden (vgl. ebd.). Erst die Ubertragung transaktionaler Stressmodelle auf Fragestellungen der Lehrerbelastungsforschung ermoglicht eine neue Sichtweise, bei der die Frage nach den krankmachenden Bedingungen erganzt wird durch die Suche nach spezifischen Formen des Umgangs mit beruflichen Anforderungen und Belastungen, die stressinduzierend und -verstarkend oder aber stressreduzierend wirken. Damit rucken die Ressourcen und Bewaltigungspotenziale in den Fokus, die Einfluss auf die Entstehung und den Verlauf von Stressprozessen nehmen (Doring- Seipel/Dauber 2010, 2).
Die Verschmelzung beider Perspektiven der Lehrerbelastungsforschung wird mit dieser Forschungsarbeit angestrebt. Der Fokus liegt neben personalen Merkmalen der Lehrkrafte, verstarkt auf dem Einsatz und Stellenwert gesundheitserhaltender, praventiver Strategien im Umgang mit Stress und Belastungen. Dementsprechend werden sowohl potenzielle Stressoren und spezifische Umgangsformen angehender und berufserfahrener Lehrkrafte identifiziert als auch der Stellenwert von Zeit- und Selbstmanagement fur den Arbeitsalltag und das Stresserleben bzw. -bewaltigung der Befragten untersucht. Zu diesem Zweck wird nachfolgend zunachst ein Lehrerstress-Modell dargestellt, um darauf aufbauend potenzielle Belastungsfaktoren fur angehende und berufserfahrene Lehrkrafte an ihrem Arbeitsplatz Schule zu skizzieren sowie Moglichkeiten der Stressbewaltigung darzustellen.
2.3.2.1 Modell des Lehrerstress nach Rudow
Auf Basis der Uberlegungen von Lazarus, die er in seinem transaktionalen Stressmodell zum Ausdruck brachte, entwickelten Kyriacou und Sutcliffe17 1978 ein Modell, das das Phanomen Stress in Hinblick auf den Arbeitsalltag von Lehrkraften beleuchtet und die Charakteristika des Lehrerberufs auf das Stresserleben bezieht (vgl. van Dick 2006, 37 f.). Das Modell wurde von Rudow erstmals modifiziert und erweitert, wobei Abbildung 4 eine leicht uberarbeitete Fassung von van Dick (2006) zeigt, der eine Beziehung zwischen Tatigkeits- und Personlichkeitsmerkmalen annimmt (vgl. van Dick/Stegmann 2013, 47).
Vergleichbar mit den Prozessen im transaktionalen Stressmodell wird davon ausgegangen, dass Arbeitsaufgaben und -bedingungen, z. B. Disziplinprobleme in einer Klasse, als potenzielle Stressoren (1) einer Bewertung (2) unterzogen werden (vgl. Rudow 1994, 92; vgl. van Dick 2006, 38). Wird die Belastung von der Lehrkraft als mogliche Gefahrdung der tatigkeitsbestimmenden Bedurfnisse wahrgenommen, dann wird die Belastung zum Stressor (3) (vgl. ebd.). AnschlieBend erfolgt eine sekundare Bewertung (4), d. h. eine Einschatzung der zur Verfugung stehenden individuellen und umweltseitigen Ressourcen zur Bewaltigung des Stressors (vgl. ebd.). Auf Grundlage dieser Einschatzungen schlieBt sich ein aktiver Bewaltigungsversuch an (5), sodass bei Erfolg nicht nur die Entstehung von Stress verhindert wird, sondern auch das zukunftige Erleben selbiger Stressoren als Belastung (vgl. ebd.). 1st der Versuch jedoch nicht erfolgreich, konnen Stressreaktionen auf unterschiedlichen Ebenen auftreten (6). In Abhangigkeit der Wirksamkeit der Bewaltigung erfolgt eine Neubewertung der Arbeitsbelastung (7) (vgl. ebd.). Bleibt der Stressorencharakter erhalten, wird versucht, eine andere Bewaltigungsmethode einzusetzen (vgl. Rudow 1994, 93). Sollte sich diese ebenfalls als ineffizient erweisen, kann sich chronischer Stress als Folgereaktion einstellen, der sich insbesondere in Form funktioneller Storungen und psychosomatischer Beschwerden auBert (8) (vgl. ebd.). Ferner nimmt chronischer Stress Einfluss auf den Umgang mit auBerberuflichen Belastungen (9), indem die Lehrkraft verstarkte oder uberempfindliche Reaktionen auf Schwierigkeiten in der Familie zeigen kann, sodass zusatzliche Stressoren hervorgerufen werden konnen und Ressourcen schneller erschopfen (vgl. Rudow 1994, 94; vgl. Engelhardt 2015, 18). Neben auBerberuflichen Belastungen nehmen Personlichkeitsmerkmale der Lehrkraft, wie emotionale Starke, Berufsalter oder Widerstandsfahigkeit, Einfluss auf die Bewertung potenzieller Stressoren im schulischen Arbeitsalltag (vgl. ebd.).
Ein weiterer Bereich, der Einfluss auf die Bewertungs- und Bewaltigungsprozesse der Lehrkraft nimmt, sind Tatigkeitsmerkmale, die Rudow als bedeutendes Element seinem Modell hinzugefugt sowie van Dick in Beziehung zu den Personlichkeitsmerkmalen gesetzt hat (vgl. van Dick 2006, 37 f.; vgl. Rudow 1994, 94). Er konstatiert, dass die Charakteristika18 des Lehrerberufs, zu denen er u. a. die Aufgabenkomplexitat, Aufgabentransparenz, Rollenvielfalt, Entscheidungsspielraum und Verantwortlichkeit zahlt, einen hohen Stellenwert hinsichtlich der Wahrnehmung und Auspragung der Arbeitsbelastungen, der sekundaren Bewertung sowie der aktiven Bewaltigung einnehmen und sich sowohl begunstigend als auch nachteilig auf diese Prozesse auswirken konnen (vgl. van Dick 2006, 38). Diese Uberlegungen machen deutlich, dass die Effekte und Einflusse der unterschiedlichen Faktoren im dargestellten Modell zu einem ,Teufelskreis’ bezuglich des Stresserlebens fur Lehrer fuhren konnen (vgl. Engelhardt 2015, 18).
Jedoch, so kritisiert van Dick (2006), kann sich auch ein positives Resultat ergeben, das Rudow in seinem Modell nicht vorsieht (vgl. van Dick 2006, 38). Ein Lehrer, der einen dauerhaft effizienten Umgang mit schwierigen Situationen in der Schule erreicht, kann nicht nur die Unterbrechung des Stressprozesses im Sinne des Fernbleibens von Stress erwarten (vgl. ebd.). In Anlehnung an die ,hardy personality’19 sowie an den ,Eustress’- Begriff nach Selye (1981) konnen Personen, die Schwierigkeiten als Herausforderungen wahrnehmen und sich adaptiv verhalten, an diesen Situationen wachsen und eine erhohte Widerstandskraft ausbilden (vgl. van Dick 2006, 38) - in der Forschungsliteratur haufig als ,Resilienz’ bezeichnet. Hierbei handelt es sich um ein Konstrukt, das je nach Kontext unterschiedlich definiert wird, u. a. als „psychische Widerstandsfahigkeit gegenuber [...] Entwicklungsrisiken“ (Wustmann 2004, 18) sowie als „Fahigkeit von Menschen, Krisen im Lebenszyklus unter Ruckgriff auf personliche und sozial-vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass fur Entwicklung zu nutzen“ (Welter-Enderlin 2006, 13). Zwar wird Resilienz in der deutschsprachigen Literatur fast ausschlieBlich im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen gebraucht, jedoch wird Resilience’ in der angelsachsischen Literatur in Verbindung mit Lehrkraften erforscht und als „tagtaglich benotigter Faktor gesehen, um Belastungen der Berufsausubung zu verarbeiten und dabei die Gesundheit zu erhalten“ (Stiller 2015, 115; vgl. Day/Gu 2010, 174 ff.). Die Frage, inwieweit es sich bei Resilienz aber um ein relativ stabiles Personlichkeitsmerkmal oder um eine professionelle und erlernbare Kompetenz handelt, kann nicht eindeutig beantwortet werden, jedoch vertritt die Mehrzahl der Autoren die Position, dass Resilienz kein angeborenes Personlichkeitsmerkmal, sondern eine Fahigkeit ist, die im Laufe der Entwicklung erworben wird (vgl. Stiller 2015, 115; vgl. von Hagen/Roper 2007, 17).
2.3.2.2 Belastungsfaktoren des Lehrerberufs und des Referendariats
In kaum einem anderen Berufsfeld existieren derartig detaillierte und tief verankerte Erfahrungen und Vorstellungen von Aspekten des Handelns und der Berufsausubung wie im Lehrerberuf. Uber einen Zeitraum von mindestens neun Jahren reichert jeder Mensch Erfahrungs- und Erinnerungswissen an, das seine Wahrnehmung des Lehrerberufs entscheidend pragt, wobei Schuler Aspekte der Lehrertatigkeit anders wahrnehmen und beurteilen als Eltern oder als Erwachsene, die sich retrospektiv an ihre Schulzeit erinnern (vgl. Rothland 2013, 21 f.). Verachtet werden darf dabei jedoch nicht, dass es sich immer „um eine individuell beschrankte, uber die jeweilige Rolle oder das selektive Erinnerungsvermogen bestimmte Sicht handelt“ (ebd., 22), die teilweise verengt erscheint, weil sich zahlreiche Aspekte des Lehrerhandelns der Beobachtung der genannten Gruppen entziehen - so etwa die Arbeit der Lehrkrafte am heimischen Arbeitsplatz (vgl. ebd.). Daher ergibt sich die Notwendigkeit, Anforderungen, Tatigkeiten und Bedingungen aufzuzeigen, die den Lehrerberuf charakterisieren und unter bestimmten Umstanden als Belastungen wahrgenommen werden konnen, woraus Stress entstehen kann (vgl. ebd.). Obwohl Stressoren prinzipiell rein subjektiv und individuell wahrgenommen und bewertet werden, konnten unterschiedliche Studien innerhalb der Lehrerbelastungsforschung generelle bzw. haufig auftretende Stressoren konstatieren, die auf verschiedenen Ebenen20 angeordnet werden konnen (vgl. Engelhardt 2015, 21). Vor dem Hintergrund eines Vergleichs zwischen angehenden und berufserfahrenen Lehrkraften hinsichtlich ihres Stresserlebens sollen nicht nur Belastungsfaktoren des Lehrerberufs dargestellt werden, sondern auch die besondere Situation des Referendariats als Berufseinstiegphase in den Blick genommen und Belastungsfelder skizziert werden.
Belastungsfaktoren des Lehrerberufs
Sowohl nationale21 als auch internationale22 Studien bestatigen die Vielzahl an Belastungsfaktoren, die mit dem Lehrerberuf einhergehen. Einen Uberblick uber potenzielle Stressoren des Lehrerberufs einschlieBlich der dazugehorigen Forschung bietet Tabelle 1. Laut Untersuchungen, die mittels standardisierter Fragebogen subjektive Einschatzungen der Belastungen im Lehrerberuf erheben, zahlen vor allem Aspekte des Schulerverhaltens, schlechte strukturelle Rahmenbedingungen sowie ein zu hohes Arbeitspensum mit einhergehendem Zeitdruck zu den am haufigsten genannten Stressoren. Der letztgenannte Aspekt erhalt im Lehrerberuf besondere Relevanz, weil Lehrkrafte nicht nur mit dem Problem einer unvollstandig geregelten Arbeitszeit, sondern damit einhergehend mit einer prinzipiellen Grenzenlosigkeit der Aufgabenstellung konfrontiert sind (vgl. Rothland 2013, 24). Dementsprechend bleibt es der einzelnen Lehrkraft selbst uberlassen, wie viel Zeit sie uber die festgeschriebenen Unterrichtsstunden hinaus fur Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, Korrekturen, Elternarbeit, Verwaltungsaufgaben etc. aufwendet (vgl. Rothland 2013, 24). Die Entscheidung, wann ihr Engagement genugt und Aufgaben erfullt sind, liegt im individuellen Ermessen der Lehrkraft, was haufig eine Herausforderung darstellt, denn sie „arbeite[t] im Hinblick auf ein Ziel, dessen Erreichung bei aller Anstrengung nie ausreichend und nie dauerhaft gesichert zu sein scheint“ (Lange 2004, 197; vgl. Rothland 2013, 24). Insbesondere uberengagierte Lehrer, die sich nur schwierig von der Arbeit distanzieren konnen oder ein perfektionistisches Anspruchsniveau verfolgen, fuhlen sich haufig von dem subjektiven Gefuhl verfolgt, „noch mehr tun, sich noch besser vorbereiten, sich noch eingehender mit schwierigen Schulern befassen, noch mehr Fachbucher lesen“ (Giesecke 2001, 10; Herv. im Original) zu konnen. Die Arbeitszeitbelastung darf somit nicht nur im Zusammenhang mit der im Schulsystem unvollstandig geregelten Arbeitszeit betrachtet werden, sondern kann ebenso Folge zu hoher eigener Anspruche oder ineffektiver Arbeits- und Zeitorganisation sein, sodass dann von einer personlichkeits-abhangigen Belastung gesprochen werden muss (vgl. van Dick 2006, 46 f.; vgl. Engelhardt 2015, 27).
Zudem stellten Bauer et al. (2007) in einer Studie fest, dass sich vor allem teilzeitbeschaftigte Lehrerinnen im Vergleich zu vollzeitbeschaftigten Lehrkraften belasteter fuhlen, was zum einen mit der im Durchschnitt langeren Arbeitszeit von Teilzeitlehrkraften im Verhaltnis zu ihrer prozentualen Anstellung (vgl. Herzog 2007, 94) zusammenhangen konnte sowie zum anderen mit der doppelten Belastung von Familie und Beruf (vgl. Bauer et al. 2007, 203), wobei die Ergebnisse diesbezuglich nicht ganz eindeutig erscheinen23 (vgl. Gehrmann 2013, 180 ff.). Die Zweiteilung des Arbeitsplatzes im Lehrerberuf kann ferner dazu fuhren, dass eine Trennung von Arbeit und Privatleben nur schwierig vollzogen werden kann, weil unerledigte, arbeitsbezogene Aufgaben sichtbar auf dem heimischen Schreibtisch platziert und auf diese Weise die gedankliche Distanzierung von der Arbeit erschweren konnen (vgl. Braun 2017, 27; vgl. Lehr/Heber/Thiart 2012).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Ubersicht uber Stressoren im Lehrerberuf, eigene Darstellung nach Braun 2017, 48 und Krause/Dorsemagen 2014, 992
Als Folge mangelnder Distanzierungsfahigkeit und erhohten Perfektionsstrebens24 konnen Lehrkrafte Misserfolge, Desillusionierungen und Selbstuberforderung erleben, was uber einen langeren Zeitraum z. B. in chronischem Stress munden kann (vgl. Klippert 2006, 46). Neben strukturellen und personlich bedingten Stressoren benennen Lehrkrafte die Interaktion mit Schulern als Hauptbelastungsfaktor, wobei der „Umstand, dass Schuler wahrend des Unterrichts schwatzen, unruhig sind oder Streitigkeiten austragen, [...] am starksten belastend erlebt“ wird (Lehr 2004, 127).25 Aktuelleren Erkenntnissen26 zufolge differenzieren Lehrkrafte jedoch zwischen der grundsatzlichen Interaktion mit Schulern und spezifischen Verhaltensaspekten wie Disziplin und Motivation (vgl. SuBlin 2012, 7). So fallt das generelle Urteil der Lehrer uber Schuler weitestgehend positiv aus: 68 Prozent beschreibt das Schulerverhalten gegenuber den Lehrern alles in allem als gut (vgl. ebd.). Anlass zur Kritik sehen die befragten Lehrer hingegen bei der Disziplin und Motivation der Schuler, wobei sich Lehrer an Haupt-, Real- bzw. Sekundarschulen besonders kritisch auBern (vgl. ebd.).
Braun (2017) liefert in ihrer Studie Ergebnisse, die auf eine hohere Belastung erfahrener Lehrkrafte durch Unterricht hinweisen (vgl. Braun 2017, 160). Im Vergleich zu Referendaren fuhlen sie sich durch aufmerksamkeitsfokussierende MaBnahmen, individuelle Forderung und auf innere Differenzierung zugeschnittene Anforderungen am starksten beansprucht (vgl. ebd., 161; vgl. Keller-Schneider 2010, 170). Gegenuber Schulern stetige Konsequenz zeigen zu mussen, stellt eine besondere Herausforderung dar, so tragen sie fur ihr erzieherisches Handeln im Vergleich zu Referendaren die alleinige Konsequenz und konnen die Belastung abschatzen, die solch ein konsequentes Verhalten nach sich zieht (vgl. Braun 2017, 161). Keller-Schneider (2010) resumiert, dass „die dynamische Interaktion mit den Schulerinnen und Schulern [...] auch erfahrene Lehrpersonen laufend heraus[fordert] und [...] zu Beanspruchungen [fuhrt]“ (Keller- Schneider 2010, 166). Aufgrund besser vernetzter Wissensstrukturen gelingt es erfahrenen Lehrkraften aber leichter, die mit ihrem Handeln einhergehenden Schwierigkeiten und Konsequenzen realistisch zu antizipieren (vgl. Braun 2017, 161). Hinsichtlich sozialer Aspekte fuhrt Braun (2017) in ihren Ergebnissen noch an, dass berufserfahrene Lehrkrafte sich in Belastungssituationen zuruckziehen bzw. isolieren statt auf soziale Unterstutzung im Kollegium zuruckzugreifen, die sich begunstigend auf den Umgang mit Belastungen auswirken wurde (vgl. Braun 2017, 163; Rothland 2013; Fussangel 2008). Moglicherweise erwarten Lehrkrafte im Kollegium aber keine Unterstutzung, sondern entwickeln eher Angste, ihre Emotionen zu offenbaren oder Fehler einzugestehen (vgl. Braun 2017, 163). Auf Grundlage ihrer Forschungsergebnisse resumiert Braun (2017), dass erfahrene Lehrkrafte ihren Beruf im Vergleich zu angehenden Lehrkraften in einigen Facetten negativer bzw. belastender erleben (ebd., 160), weil „positive Aspekte mit zunehmenden Berufsjahren nicht (mehr) als solche wahrgenommen werden“ (ebd.). Ubergeordnet resumiert zwar auch SuBlin (2012), dass sich ein uberwiegender Anteil der Lehrkrafte zunehmenden beruflichen Belastungen ausgesetzt sieht, die vor allem aus Schwierigkeiten im Umgang mit Schulern und Eltern resultieren, jedoch konstatiert er im gleichen Zuge, dass mehr als 70 Prozent der befragten Lehrkrafte - uber alle Schultypen und Erfahrungsstadien hinweg - Freude am Beruf empfinden (vgl. SuBlin 2012, 4).
Belastungsfaktoren des Referendariats
Dem Berufseinstieg kommt als Phase des Ubergangs vom Lernenden zum Berufstatigen und der Initiation einer neuen Lebensphase eine besondere Bedeutung zu (vgl. Keller- Schneider 2016, 290). Berufseinsteiger werden mit unbekannten Anforderungen konfrontiert, „die, als zu losende Entwicklungsaufgaben angenommen, Professionali- sierungsschritte ermoglichen“ (ebd., 291), sich im Lehrerberuf im Unterschied zu anderen Berufsfeldern jedoch nicht immer sukzessive ergeben. Stattdessen mussen Lehr- amtsanwarter nahezu vom ersten Tag an Verantwortung in der Institution Schule ubernehmen (vgl. Tynjala/Heikinnen 2011, 12). So stehen sie nach dem Abschluss ihres Studiums vor der ubergeordneten Aufgabe, „eigenstandig zu arbeiten und in Eigenverantwortung in ihrer Rolle als Lehrkrafte die Bildungs- und Erziehungsaufgaben wahrzunehmen“ (Braun 2017, 33), wobei die Tragweite und mogliche Belastungsintensitat dieser Aufgabe keinesfalls unterschatzt werden darf (vgl. Kiel/Pollak 2011, 10). SchlieBlich befinden sich Referendare nicht nur in ihrer Rolle als Lehrkrafte in der Schule, sondern gleichzeitig als Lernende im Studienseminar und mussen vielfaltigen ausbildungsbezogenen Anforderungen gerecht werden (vgl. Kosinar 2010, 3). Die lehrberuflichen Anforderungen werden durch die Formulierung von Standards und Kompetenzen (u. a. KMK 2004) prazisiert, die sowohl Theorien zur Unterrichtsgestaltung und die Auseinandersetzung mit Werten und Normen als auch den Erwerb praktischer Fahigkeiten fur den Lehrerberuf umfassen (vgl. Braun 2017, 32).
Trotz der Bedeutsamkeit der Berufseinstiegsphase wurde das Referendariat hinsichtlich konkreter Anforderungen und Belastungsfaktoren bisher nur in wenigen Studien27 erforscht. Dabei stehen insbesondere Lehramtsanwarter in einem Spannungsfeld zwischen ihrer Ausbildung mit Prufungen und Bewertungen und den Aufgaben einer regularen Lehrkraft, fur die ihnen noch die Erfahrungen fehlen (vgl. Kosinar 2010, 2; vgl. Dobrich/Abs 2007). Auf Grundlage existierender Studien fassen Kiel und WeiB (2015) die Vielfalt und Komplexitat der im Referendariat zu bewaltigenden Aufgaben zu Belastungsfeldern zusammen, die in Abbildung 5 dargestellt sind. Das eigen- verantwortliche Unterrichten mitsamt der Vor- und Nachbereitung stellt fur Referendare einen zentralen Aufgabenbereich dar, der neben dem eigenen Unterricht vor allem durch Hospitationen, Lehrproben und Beurteilungen gekennzeichnet ist (vgl. Keller-Schneider/ Hericks 2014, 397). Fehlende Routine sowie die Ambition, methodisch und materiell aufwandige Unterrichtsstunden prasentieren zu wollen, resultieren haufig in einer zeitaufwandigen Vorbereitung, die im privaten Bereich Schlaf- und Freizeitmangel nach sich ziehen kann (vgl. Kosinar 2010, 8 f.). Zeitmangel, Bewertungsdruck sowie permanente Beobachtung stellen nach einer Studie von Schubarth, Speck und Seidel (2007) Stressoren dar, die primar aus dem Abhangigkeitsverhaltnis von den Betreuern resultieren und das Belastungsempfinden der Referendare maBgeblich pragen (vgl. Schubarth et al. 2007, 112). Erschwerend hinzu kommt haufig ein hohes Perfektions- streben sowie der Anspruch, die teils divergierenden Erwartungen von auBen erfullen zu wollen (vgl. Kosinar 2010, 9). In diesem Zusammenhang beschreiben Referendare eine Divergenz zwischen dem Anpassungsdruck an die, allzu haufig intransparenten, Bewertungskriterien bzw. Erwartungen der Ausbilder und dem Ziel, einen individuellen Weg in den Beruf zu finden (vgl. Schubarth et al. 2007; vgl. Pille 2013). Jedoch fuhlen sich Referendare, den Forschungsergebnissen von Storr (2006) sowie Strietholt und Terhart (2009) nach zu urteilen, durch die Einflusse ihrer Ausbilder gelenkt, sodass die Lehrprobe vielmehr als „Showunterricht“ (Storr 2006, 111) empfunden wird, deren Beurteilung fur sie oftmals nicht nachvollziehbar erscheint (vgl. Strietholt/Terhart 2009, 625).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Belastungsfelder des Referendariats, Braun 2017, 49 nach Kiel/WeiB 2015, 94
Ferner wird von einem Rollenkonflikt gesprochen, in dem sich Lehramtsanwarter befinden, denn einerseits erfullen sie eine Lehrerrolle, in der sie Schuler unterrichten und erziehen, aber andererseits stehen sie ihren Betreuern in einem asymmetrischen Verhaltnis als Lerner gegenuber (vgl. Hartig 2005, 43; vgl. Helsper 2014). Doch nicht nur im Zusammenhang mit ihren Betreuern und dem Unterrichten klagen Lehramtsanwarter uber mangelnde Einflussnahme und Anerkennung, sondern auch in der Interaktion mit Kollegen, denn „die Akteure der Schule erzeugen durch die zumeist informellen oder intern abgesprochenen Vereinbarungen einen nur schwer zuganglichen Einheitskorper, der den Novizen ihre ,Nicht-Zugehorigkeit’ spiegelt“ (Pille 2013, 104).
Hinsichtlich ubergeordneter Aspekte wie Arbeitszufriedenheit und der generellen Wahrnehmung der Berufseinstiegsphase durch Referendare, lassen sich keine ubereinstimmenden Ergebnisse finden. So verweisen Rosati, Druge und Schleider (2014) in ihrer Studie auf schlechte Werte bei der ,Arbeits-’ und ,Lebenszufriedenheit’ sowie den ,Gedanken an die Berufsaufgabe’ und resumieren, „dass der Vorbereitungsdienst fur die angehenden Lehrkrafte eine Phase darstellt, die mit starken Belastungen einhergeht“ (Rosati et al. 2014, 21). Klusmann, Kunter, Voss und Baumert (2012) stellen zwar auch einen Anstieg in der Beanspruchung und emotionalen Erschopfung im Referendariat fest, konstatieren jedoch, dass die meisten Lehramtsanwarter diese Phase gut bewaltigen, weshalb keinesfalls von einem „normativ-krisenhaften Ubergang“ (Klusmann et al. 2012, 285) gesprochen werden kann. Bemerkenswert erscheinen vor allem die jungst veroffentlichten Ergebnisse aus einer Studie von Annika Braun (2017), die sich damit dem Belastungserleben von Referendaren und Lehrkraften gewidmet hat. Die Befunde verweisen „nicht nur auf eine reduzierte Wahrnehmung von Belastung“ (Braun 2017, 157), sondern sogar auf „positive Emotionen, die zwei Drittel der befragten Berufseinsteiger, ausgelost durch eigene Unterrichtserfahrungen, erleben“ (ebd., 155).
Insgesamt wird deutlich, dass „der Prozess des Lehrerwerdens [...] ein komplexer, krisenhafter und individueller Entwicklungsprozess“ (Keller-Schneider/Hericks 2014, 386) ist, jedoch muss beachtet werden, dass dieser sich „aus dem Zusammenspiel von person- und situationsspezifischen Faktoren ergibt“ (ebd.), sodass Anforderungen und Bedingungen von den Berufseinsteigern stets unterschiedlich wahrgenommen werden konnen (vgl. Braun 2017, 33). Die dargestellten Belastungsfaktoren konnen daher lediglich als Zusammenfassung verschiedener Studien dienen, die stressauslosende Bedingungen des Referendariats untersucht haben. Dieser verstarkt belastungs- und defizitorientierten Sichtweise steht eine salutogenetische bzw. ressourcenorientierte Perspektive gegenuber, die Widerstandsressourcen sowie Praventions- und Interventionsstrategien im Umgang mit Stress und Belastungen fokussiert (vgl. Kiel/WeiB 2015, 94 f.; vgl. Doring-Seipel/Dauber 2010, 3).
3. Vom Zeitmanagement zum Selbstmanagement
Ein Drittel verbringt der Mensch in der Regel bei der Arbeit, ein Drittel braucht er zum Schlafen. Es bleibt also ein Drittel, um die eigene Arbeitskraft zu regenerieren, um Wege, Mahlzeiten und Privates zu erledigen (TK 2016, 29) Verandert sich diese Gewichtung von Arbeit und Regeneration, etwa durch ein hohes Arbeitspensum28 oder ein belastendes Privatleben, dann kann Stress entstehen (vgl. ebd.). Immerhin 45 Prozent der in der Stressstudie befragten Manner und 31 Prozent der Frauen klagen uber die Vernachlassigung von Familie und Freunden aufgrund beruflicher Verpflichtungen (vgl. ebd.). Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Familie und Freunde „eine besonders wertvolle Ressource im Kampf gegen den Stress sind“ (ebd.), erscheint folgendes Ergebnis alarmierend: 60 Prozent der Personen, die sich haufig gestresst fuhlen und viel arbeiten, geben an, dass ihre Familie und Freunde oft zu kurz kommen (vgl. ebd.).
Vor dem Hintergrund zunehmender Belastungen am Arbeitsplatz und der verstarkten Fokussierung krankmachender Bedingungen im vorangegangenen theoretischen Kapitel, ergibt sich die Notwendigkeit einer salutogenetischen, d. h. gesundheitserhaltenden Perspektive. In diesem Kontext erscheinen haufig die Begriffe ,Zeitmanagement’ und ,Selbstmanagement’, die verschiedene Verhaltens- und Arbeitstechniken zur Organisation und Strukturierung des beruflichen Alltags sowie zur Balancierung von Arbeits- und Privatleben subsumieren (vgl. Poppelreuter/Mierke 2012, 217). Ziel dieses theoretisch grundlegenden Kapitels ist es, die benannten Termini definitorisch einzuordnen, ausgewahlte Techniken und Strategien des Zeit- und Selbstmanagements darzustellen sowie die Bedeutung fur den Lehrerberuf bzw. fur den Umgang mit Belastungsfaktoren im Lehreralltag zu diskutieren.
3.1 Zeitmanagement
3.1.1 Definition
Terminologisch betrachtet umfasst der Begriff ,Zeit’, abhangig von der wissenschaftlichen Disziplin, vielfaltige Phanomene: Zum einen bezeichnet Zeit eine Dimension der Erde sowie zum anderen „die vom Menschen wahrgenommene und anscheinend bestandig fortschreitende Abfolge oder Ordnung im Auftreten von Ereignissen“ (Poppelreuter/ Mierke 2012, 217). Im psychologischen Sinne ist die Wahrnehmung von Zeit bzw. das menschliche Zeitgefuhl vor allem von ihrem Verstreichen gepragt, wohingegen in den Naturwissenschaften Zeit als erfassbare MessgroBe verstanden wird, die gemeinsam mit dem Raum ein Kontinuum bildet (vgl. ebd.). In den Wirtschaftswissenschaften wird Zeit als Wertgegenstand betrachtet; in den Sprachwissenschaften bezeichnet Zeit das Tempus, die grammatische Form der Zeitworter (vgl. ebd.).
Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen (Seneca) In der modernen Informations- und Industriegesellschaft gilt Zeit als wertvollstes Gut unserer Arbeitswelt, denn sie ist knapp, jedoch weder kauflich noch kann sie gelagert oder vermehrt werden (vgl. Poppelreuter/Mierke 2012, 217; vgl. Seiwert 2014, 1). Stattdessen verrinnt Zeit kontinuierlich und unwiderruflich - Zeit ist Leben (vgl. Seiwert 2014, 1). Daher wird Zeit im utilitaristischen29 Sinne als nutzenstiftende Ressource betrachtet, die effizient genutzt werden sollte (vgl. Rager 2012, 10; vgl. Hinz 2000, 125). Ziel soll es sein, seine (Lebens-)Zeit zu optimieren bzw. zu maximieren, was aus okonomischer Perspektive die Anwendung eines Zeitmanagements notwendig macht (vgl. Poppelreuter/Mierke 2012, 218). Zielt der Begriff ,Management’ auf die Leitung eines Unternehmens, einer Abteilung oder Personengruppe mithilfe professioneller Methoden ab, so wird mit ,Zeitmanagement’ auf „systematisches und diszipliniertes Planen von Zeit“ (ebd.) abgehoben, „das dazu dient, die vorhandene Zeit sinnvoll zu verwenden“ (ebd.). Laut Seiwert, einem der erfolgreichsten ,Zeitexperten’, impliziert Zeitmanagement bezogen auf Arbeit und Beruf, die Kontrolle uber die eigene Arbeit und Zeit zu haben statt sich davon beherrschen zu lassen (Seiwert 2014, 6). Prinzipiell waren somit nicht nur Fuhrungskrafte, sondern ware jeder Arbeitnehmer in der Lage, weniger zu arbeiten und aus der zur Verfugung stehenden Zeit ein optimiertes Arbeitsergebnis zu erzielen (vgl. Poppelreuter/Mierke 2012, 220). Das okonomische Konzept des professionellen Zeitmanagements ist aber nicht neu, sondern wurde bereits in den 50er Jahren in einer Studie untersucht, die das Arbeitsverhalten schwedischer Manager analysierte (vgl. Rager 2012, 4). Neben dem Werk „The Effective Executive“ von Drucker (1966) trugen Autoren wie Covey, Mackenzie und Seiwert zur Popularisierung des Zeitmanagement-Konzepts bei, wobei dies hauptsachlich Gegenstand zahlreicher Seminare und Literatur in Form von Ratgebern, aber selten Gegenstand wissenschaftlicher, empirischer Arbeiten ist, weshalb bereits fruh auf erhebliche Lucken in der Theorie und Empirie von Zeitmanagement hingewiesen wurde (vgl. Davoine/Tscheulin 1999, 444; vgl. Rager 2012, 1). Die Ausfuhrungen in diesem Kapitel beziehen zwar wissenschaftliche Literatur und empirische Forschungsarbeiten mit ein, jedoch musste angesichts der dargestellten Problematik zusatzlich auf Ratgeberliteratur zuruckgegriffen werden.
3.1.2 Konzepte - Techniken - Strategien
Obwohl der Begriff Zeitmanagement einen weitgefacherten Referenzbereich suggeriert, wird im uberwiegenden Teil der Zeitmanagementliteratur von einem personlichen Management im Sinne der individuellen Planung und Strukturierung der Zeit im beruflichen Alltag gesprochen (vgl. Rager 2012, 4). Da nicht von einem universalistischen Zeitmanagement-Konzept ausgegangen werden kann, existieren hinsichtlich der Art und Weise des Zeitmanagements vielfaltige Konzepte, die unterschiedliche Strategien und Techniken bereitstellen, seine Zeit effektiver zu nutzen (vgl. ebd., 5).
Auf Grundlage des idealtypischen Zeitmanagement-Modells von Macan (1994) besteht Zeitmanagement aus drei wesentlichen Faktoren:
- Ziel- und Prioritatensetzung
- Techniken des Zeitmanagements (z. B. schriftliches Festhalten von Aufgaben)
- Planungs- und Organisationspraferenzen (z. B. Ablagesystem, Register nutzen)
Zwar ubt der Einsatz derartiger MaBnahmen keinen direkten Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit oder das Stresserleben aus, jedoch fuhren sie zu einer subjektiv wahrgenommenen Kontrolle uber die Zeit, die mit den tatsachlichen Auswirkungen am Arbeitsplatz zusammenhangt: „Thus, it is not the time management behavior per se that affects these outcomes but the perceived control over time that these behaviors afford an individual” (Macan 1994, 382). Unterschiedliche Untersuchungen weisen auf die positiven Aspekte von Kontrollerlebnissen hin, so z. B. die Reduktion von somatischen Spannungen und betrieblichem Stress. Inwiefern die wahrgenommene Kontrolle uber die Zeit aber tatsachlich zu effizienterem Arbeiten fuhrt, mussen weitere Studien zeigen (vgl. Rager 2012, 5).
In Anlehnung an Seiwert (2014) und Gratzfeld (2007) sollen nachfolgend konkrete Zeitmanagement-Techniken dargestellt werden.
Zeitinventur
Um Zeit sinnvoll und effektiv planen zu konnen, bedarf es zunachst eines Uberblicks uber den Ist-Zustand, d. h. den tatsachlichen Zeitverbrauch (vgl. Poppelreuter/Mierke 2012, 221). Dafur wird zum einen der Zeitverbrauch fur bestimmte Tatigkeiten inklusive auftretender Unterbrechungen erfasst sowie zum anderen Quellen fur Zeitverluste und Storquellen analysiert, z. B. mithilfe von Fragebogen zur Selbsteinschatzung (vgl. ebd.).
Zielsetzung
Ein elementarer Schritt innerhalb eines guten Zeitmanagements ist die Festlegung von Zielen, um den Uberblick im Arbeitsalltag nicht zu verlieren sowie seine Tatigkeiten und Krafte auf einen bestimmten Fokus ausrichten zu konnen (vgl. ebd.). Absichten und Wunschvorstellungen mussen dazu in konkret formulierte (Handlungs-)Ziele ubertragen sowie deren Erfullung stets kontrolliert werden (vgl. Rager 2012, 6). Seiwert (2014) fuhrt fur den Zielsetzungsprozess die Zi el definition, die Planung der MaBnahmen zur Zielerreichung, die Umsetzung der MaBnahmen und schlieBlich die Kontrolle der Zielerreichung an (vgl. Seiwert 2014, 16). Hingegen differenziert Gratzfeld (2007) lediglich die drei Schritte Zielanalyse, Situationsanalyse und Zielformulierung voneinander (vgl. Gratzfeld 2007, 523 ff.)
Zeitplanung
Um festgelegte Ziele erreichen und realisieren zu konnen, muss eine konkrete Zeitplanung erfolgen, die die zur Verfugung stehende Zeit strukturiert. Dieser Schritt bietet nicht nur den Vorteil, Zeit bei der Zielerreichung einzusparen, sondern vor allem Hektik und Stress im Alltag abzubauen sowie letztlich eine Balance zwischen allen Lebensbereichen zu erreichen (vgl. Poppelreuter/Mierke 2012, 222). Das Erstellen einer Zeitplanung sollte idealerweise schriftlich erfolgen und umfasst neben der Identifikation von Aufgaben und Tatigkeiten, die Zuweisung von Zeitvorgaben und Fristen, das Setzen von Prioritaten und Einplanen von Pufferzeiten (vgl. ebd.).
Eine bewahrte Strategie zur Zeitplanung ist die ALPEN-Methode30. Die nachfolgend dargestellten funf Schritte konnen in ungefahr acht Minuten durchlaufen werden, sodass auf diese Weise eine systematische Zeitplanung fur den Tag erreicht werden kann. Eine
Planung am Vorabend ermoglicht zudem, dass der nachste Tag plan- und greifbar wird im Sinne einer bewaltigbaren Herausforderung (vgl. Rusch 2012, 88; vgl. Seiwert 2014).
1. Aufgaben und Aktivitaten in einem Tagesplan schriftlich festhalten
2. Lange der Tatigkeiten schatzen und aufsummieren
3. Pufferzeiten einplanen fur unvorhergesehene Ereignisse
4. Entscheidungen uber Prioritaten, Kurzung auf einen realistischen Aufgabenumfang
5. Nachkontrolle bisher unerledigter Aufgaben
Festlegung von Prioritaten
Dem vierten Arbeitsschritt kommt in der ALPEN-Methode die groBte Bedeutung zu, weil die geschatzte Arbeitszeit in den meisten Fallen uber der tatsachlich verfugbaren Arbeitszeit liegt (vgl. Rusch 2012, 88). Daher kommen an dieser Stelle Methoden zur Priorisierung zum Tragen, wie bspw. das Pareto-Prinzip, die ABC-Analyse oder das Eisenhower-Prinzip.
Das Pareto-Prinzip wurde nach seinem Begrunder, dem italienischen Volkswirt und Soziologen Vilfredo Pareto benannt (vgl. Neuburger 2010, 14). Seine ursprungliche Erkenntnis, dass 20 Prozent der Bevolkerung uber 80 Prozent des Grundbesitzes verfugen, fuhrte ihn zu einer ahnlichen Annahme in Bezug auf Aufgaben und Arbeitszeit: In 20 Prozent der verfugbaren Arbeitszeit konnen 80 Prozent der Ergebnisse erreicht werden, wohingegen sich Arbeitnehmer in 80 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Aufgaben beschaftigen, die nur 20 Prozent ihres Erfolges bringen (vgl. ebd.). Eben dieses Prinzip stellt den Ursprung der ABC-Analyse dar, die eine Wertanalyse der Zeitverwendung vorsieht, denn haufig entspricht die tatsachliche Zeitaufwendung nicht dem Wert der Tatigkeit, sodass viel Zeit und Energie in nebensachliche Aufgaben gesteckt wird (vgl. Seiwert 2014, 23). Die Idee hinter der ABC-Analyse ist die Einordnung von Aufgaben nach Wichtigkeitsstufen (vgl. Poppelreuter/Mierke 2012, 223). Fur das Erreichen der eigenen Ziele gibt es demnach einige wenige, sehr wichtige und dringliche A-Aufgaben, die nicht delegiert werden konnen sowie B-Aufgaben, die von durchschnittlicher Wichtigkeit sind und fur eine spatere Erledigung terminiert werden konnen (vgl. ebd.). C-Aufgaben sind hingegen nicht wichtig oder dringlich und konnen delegiert oder in den Papierkorb geworfen werden (vgl. ebd.). Wahrend bei der ABC-Analyse die Konsequenzen der Erledigung bzw. Nicht-Erledigung das Kriterium der Aufgabeneinteilung ist, besteht die grundlegende Idee des Eisenhower-Prinzips31 in der Einschatzung von Dringlichkeit und Wichtigkeit der Aufgaben, weil in der Flut dringender Aufgaben haufig die wirklich wichtigen Aufgaben ubersehen werden (vgl. Zuger 2007, 58). Die Aufgaben, die innerhalb einer bestimmten Zeiteinheit erledigt werden sollen, werden analog zur ABC-Analyse in A-, B- und C-Aufgaben unterteilt und mithilfe der in Abbildung 5 dargestellten Entscheidungsmatrix priorisiert (vgl. Poppelreuter/Mierke 2012, 223).
Abbildung 6: Das Eisenhower-Prinzip, eigene Darstellung in Anlehnung an Poppelreuter/Mierke 2012, 223
Aus dieser Matrix ergeben sich vier Moglichkeiten: Wenn eine Aufgabe wichtig und dringlich ist (A-Aufgaben), muss diese umgehend und wenn moglich zu einer idealen Zeit hinsichtlich des eigenen Biorhythmus und der Leistungsfahigkeit erledigt werden (vgl. Poppelreuter/Mierke 2012, 223 f.; vgl. Rager 2012, 7). Sollte eine Aufgabe wichtig, jedoch nicht dringlich sein (B-Aufgaben), kann die Erledigung terminiert oder delegiert werden (vgl. ebd.). Bei dringlichen, aber unwichtigen Aufgaben (C-Aufgaben), die meist zum typischen Tagesgeschaft gehoren, kann eine Delegation erfolgen, weil es nicht wichtig ist, diese selbst zu erledigen (vgl. ebd.). Sind Aufgaben hingegen weder wichtig noch dringlich, konnen diese unberucksichtigt abgelegt werden oder sogar direkt in den Papierkorb wandern (vgl. ebd.). Um sich im Alltag tatsachlich auf die richtigen Aufgaben zu konzentrieren, kann folgende Faustregel fur die Zeiteinteilung angenommen werden: 65 Prozent der Arbeitszeit fur A-Aufgaben, 20 Prozent fur B-Aufgaben und 15 Prozent fur C- Aufgaben einsetzen (vgl. Zuger 2007, 59).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.2 Selbstmanagement
3.2.1 Definition
Wenn mithilfe geeigneter Zeitmanagement-Strategien die subjektive Kontrolle uber die Zeit erhoht werden kann, resultiert daraus eine erhohte Lebensbalance, definiert als „Angemessenheit der Zeitverteilung uber die wichtigsten Lebensbereiche hinweg“ (Gropel/Kuhl 2006, 54) - zu dieser Erkenntnis gelangten Gropel und Kuhl (2006) in ihrer Studie zur Zeitverteilung im Alltag, in der sie die Zusammenhange zwischen Lebensbalance und Selbststeuerung untersuchten (vgl. ebd.). Neben Zeitmanagement als moglichem, jedoch nur indirekt wirksamem Pradikator der Lebensbalance erforschten sie die Rolle der Selbstmotivierung, Selbstberuhigung und Selbstbestimmung, wobei Letzteres als wichtiger Faktor zur Verbesserung der Lebensbalance konstatiert werden kann (vgl. Poppelreuter/Mierke 2012, 226; vgl. Gropel/Kuhl 2006, 54). Wird von Selbstbestimmung als „Fahigkeit, sich selbst Ziele zu setzen und entsprechend Aktivitaten zu initiieren“ (Poppelreuter/Mierke 2012, 226) gesprochen, so kann dieser Begriff neben Selbstkontrolle, Selbstregulation oder Selbstintervention als bedeutungsnahes Synonym fur ,Selbstmanagement’ stehen (vgl. ebd., 227), dessen Terminologie, Konzeptualisierung und Bedeutung fur den (Lehrer-)Beruf im Fokus dieses Kapitels steht.
Selbstmanagement ist in der Gesellschaft in den letzten Jahren zu einem Begriff avanciert, der, ahnlich wie Zeitmanagement, aus der Weiterbildungsbranche nicht mehr wegzudenken ist (vgl. Schade 2016, 5). Anwendungsorientierte Ratgeberliteratur und Seminare sollen daher dem Bedurfnis gerecht werden, Selbstmanagement als Kompetenz erwerben zu wollen, wobei sich die Bandbreite an Veroffentlichungen uber die Bereiche des Managements, der Psychologie bis hin zur Medizin erstreckt (vgl. ebd.). Aufgrund steigender Anforderungen, einem Zuwachs psychischer Belastungen am Arbeitsplatz sowie hoheren Daten- und Informationsmengen wird zudem ein weiterer Bedeutungs- zuwachs erwartet (vgl. Graf 2012, 25 ff.). Zeitgleich muss dieser Thematik angelastet werden, dass dem Begriff Selbstmanagement keine einheitliche Definition bzw. Begriffsverwendung innewohnt (vgl. Schade 2016, 8). Stattdessen existiert eine Reihe unterschiedlicher, mal mehr und mal weniger umfassender Definitionen, die trotz ihrer vielseitigen Akzentuierungen den gemeinsamen Grundgedanken besitzen, dass „Klienten zu besserer Selbststeuerung angeleitet und moglichst aktiv zu einer eigenstandigen Problembewaltigung fahig werden“ (Kanfer et al. 2012, 5; vgl. Schade o. J., 2). DemgemaB stammt der Begriff Selbstmanagement aus der Verhaltenstherapie, wo er vor allem durch Frederick Kanfer gepragt wurde (vgl. Graf 2012, 35).
An dieser Stelle soil darauf hingewiesen werden, dass die Begriffe Zeit- und Selbstmanagement in dieser Arbeit nicht synonym verwendet werden, auch wenn dies in der Literatur des Managements haufig der Fall ist (vgl. Schade 2016, 9). Zeitmanagement kann lediglich als Bestandteil des Selbstmanagements gesehen werden sowie als Voraussetzung fur ein erfolgreiches Selbstmanagement gelten, wenn Zeitmanagement als Steuerung und Kontrolle des eigenen Verhaltens zum Umgang mit der Zeit betrachtet wird (vgl. ebd., 9; vgl. Bischof/Bischof 2004, 39; vgl. Muller Schoppen/Kesper 2011, 75).
Hervorzuheben ist zudem, dass Selbstmanagement in dieser Arbeit nicht als eindimensionale, sondern als komplexe personale Kompetenz verstanden wird, deren Forderung von elementarer Bedeutung ist (vgl. Schade 2016, 20; vgl. Graf 2012, 20). Aus Sicht der Autorin wird die nachfolgende Definition von Selbstkompetenz diesem Verstandnis gerecht und soll daher als theoretische Grundlage dienen:
Selbstmanagement ist das selbstverantwortliche Ausbalancieren von beruflichen und privaten Tatigkeiten im Einklang der Anforderungen aus dem Umfeld, der sozialen Kontakte, des eigenen Wohlbefindens, der Leistungsbereitschaft sowie -fahigkeit, aber auch die Steuerung der eigenen Ziele, Werte und Motive und hiernach das eigene Handeln auszurichten (Schade 2016, 20).
In der obigen Definition liegt der Fokus u. a. auf der Balance von Beruf und Privatleben. Im Zusammenhang mit Selbstmanagement stellt ,Work-Life-Balance’ ein relevantes, beinahe unumgangliches Thema dar, dessen Erforschung sich eine Vielzahl an Studien gewidmet hat (vgl. Poppelreuter/Mierke 2012, 227). In einer vom Bundesministerium fur Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) sowie von acht deutschen GroBunternehmen initiierten Studie wird Work-Life-Balance definiert als „eine neue, intelligente Verzahnung von Arbeits- und Privatleben vor dem Hintergrund einer veranderten und sich dynamisch verandernden Arbeits- und Lebenswelt“ (Prognos 2005, 1). Im Rahmen des Selbstmanagements geht es darum, verschiedene Aspekte des Berufs- und Privatlebens auszubalancieren, um so wesentliche Voraussetzungen fur das eigene Wohlbefinden, die Leistungsfahigkeit und -bereitschaft zu schaffen (vgl. Graf 2012, 41). Dazu bedarf es geeigneter Konzepte, Techniken und Strategien, die im Mittelpunkt des nachfolgenden Abschnitts stehen.
3.2.2 Konzepte - Techniken - Strategien
In der heutigen Arbeitswelt ist kaum noch eine Berufsgruppe denkbar, die nicht durch adaquate Selbstmanagement- und Selbstregulationsstrategien unterstutzt werden konnte, um gegebene Arbeitsanforderungen bewaltigen zu konnen (vgl. Landmann 2012, 18). Selbstregulation geht dabei noch uber den Selbstmanagement-Begriff hinaus, indem Techniken zur strukturierten Regulation von Gedanken, Gefuhlen und Verhalten hinsichtlich der Erreichung personlicher Ziele subsumiert werden (vgl. ebd., 313). Nach Kanfer et al. (2012) erfolgt die Regulation durch die Modifikation des Verhaltens oder durch die Beeinflussung der Verhaltensbedingungen. Selbstregulatorisches Verhalten beruht auf dem Zusammenwirken dreier verschiedener Faktoren, die Kanfer bereits 1987 in seinem Selbstregulations-Modell beschrieb, das auf dem Ansatz der Selbstmanagement- Therapie basiert (vgl. Poppelreuter/Mierke 2012, 228):
- a-Variablen: Menschliches Verhalten wird immer durch externe Faktoren beeinflusst, die sich auf einer beobachtbaren Ebene befinden.
- P-Variablen: Ferner basiert menschliches Verhalten auf Variablen, die innerhalb des Individuums liegen.
- y-Variablen: SchlieBlich nehmen genetische und biologische Variablen Einfluss auf menschliches Verhalten (vgl. ebd.).
Kanfer und Karoly (1972) betonen, dass Merkmale der Selbstregulation dann zum Tragen kommen, wenn a- und y-Variablen nur einen geringen Einfluss haben, sodass Ansatzpunkte fur die Veranderung menschlichen Verhaltens insbesondere bei den P- Variablen liegen, die stark durch die eigene Entwicklung und Biographie gepragt werden (vgl. Poppelreuter/Mierke 2012, 228). Unter Selbstmanagement versteht Kanfer (1987) die Schritte der Selbstbeobachtung, der Selbstbewertung und der Selbstbelohnung bzw. -bestrafung (vgl. ebd.). Selbstbeobachtung dient der Feststellung des Ist-Zustandes, indem das eigene Verhalten beobachtet wird (vgl. ebd.). Der Schritt der Selbstbewertung umfasst einen Abgleich des Ist- mit einem Soll-Zustand, d. h. einen Vergleich zwischen dem selbstbeobachteten und dem zielrelevanten Verhalten (vgl. ebd.). SchlieBlich folgt eine Selbstbelohnung oder -bestrafung, das als motivationales Element der Veranderung des eigenen Verhaltens sowie des Soll-Ist-Vergleichs dient (vgl. ebd.). Auf diese Weise konnen Ansatzpunkte fur die Veranderung menschlichen Verhaltens generiert werden, so z. B. in Hinblick auf gelernte und automatisierte Prozesse wie Arbeitseinstellungen und Arbeitsweisen, die z. T. ineffizient sein oder dysfunktionale Konsequenzen fur die Person haben konnen (vgl. Poppelreuter/Mierke 2012, 228).
Die von Kanfer entwickelten Strategien der Selbstbeobachtung, Zielsetzung und Selbstbelohnung konnen zweifelsfrei als bewahrte Selbstmanagement-Techniken gelten. So stellten Klein, Konig und Kleinmann (2003) in ihrer Studie32 fest, dass der Selbstmanagement Ansatz von Kanfer (1987) im Vergleich zu dem weit verbreiteten Training von Seiwert (2001) eine deutlich hohere Wirksamkeit sowohl hinsichtlich kurzfristiger (berufliche Selbstwirksamkeit) als auch langfristiger Effekte (Selbst- management-Fahigkeiten, allgem eine Lebenszufriedenheit) zeigt (vgl. Klein/Konig/ Kleinmann 2003, 157 ff.). Eine mogliche Erklarung sehen Klein et al. (2003) in der Art der eingesetzten Ziele, denn Kanfer setzt im Gegensatz zu Seiwert (2001) in seinem Modell konkrete Ziele als Startpunkt fest, die schneller erreicht und somit fruher Erfolge erlebt werden konnen (vgl. Sonntag/Stegmaier 2007, 107 f.).
Neben diesen Selbstmanagement- und Selbstregulations-Strategien, deren Grundlagen in der Verhaltenstherapie liegen, wird nachfolgend der Blick auf einen konkreten Ansatz gerichtet, der im Spektrum der Selbstmanagement-Ansatze dem Bereich ,Work-Life- Balance’ zuzuordnen ist. Grundlegende Erkenntnisse lieferte Dr. Nossrat Peseschkian, der vier elementare Einflussfaktoren auf Beruf- und Privatleben feststellte und in ein Modell integrierte, das von Lothar Seiwert anschlieBend modifiziert wurde (vgl. Wodraschke- Staudinger 2007, 276; vgl. Seiwert 2001; vgl. Peseschkian 1997).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Das Zeit-Balance Modell,
Seiwert 2016 nach Seiwert (2014) / Peseschkian (1997) in Zusammenarbeit mit der Wiesbadener Akademie fur Psychotherapie
Das in Abbildung 6 visualisierte Zeit-Balance-Modell grundet auf der Annahme, dass die vier Dimensionen ,Korper/Gesundheit’, ,Arbeit/Leistung’, ,Familie/Kontakt’ und ,Sinn/Kultur’ nicht unabhangig voneinander, sondern in wechselseitiger Abhangigkeit im Leben eines Menschen funktionieren (vgl. Wodraschke-Staudinger 2007, 276 f.). Erhalt ein Lebensbereich eine ubermaBige Gewichtung, werden die anderen Dimensionen zwangslaufig vernachlassigt, sodass bspw. eine Uberbetonung der Arbeit dazu fuhrt, dass private Kontakte, Beziehungen oder sogar die eigene Gesundheit in den Hintergrund gedrangt werden (vgl. ebd., 277). Langfristig kann auch die Leistung negativ beeinflusst werden, denn ohne eine Stutze durch klare Sinnorientierungen und Wertvorstellungen werden die personliche Motivation und Leistungsfahigkeit sinken (vgl. ebd.). Befinden sich die vier Lebensbereiche hingegen im Gleichgewicht, kann sich eine Steigerung der Leistungsbereitschaft einstellen (vgl. ebd.). Peseschkian (1997) stellte sogar eine Rangordnung der Lebensbereiche fur die westlichen Industrienationen heraus. Rang 1 nimmt der Bereich Leistung ein, was sich durch hohes Engagement und Verantwortungs- bewusstsein im Beruf sowie durch den Wunsch, sich beruflich weiterzuentwickeln, auszeichnet (vgl. Seiwert 2014, 19). Ein Zuviel an Arbeit, unklare Prioriaten und Termindruck konnen jedoch in Zeitstress resultieren, der sich negativ auf die anderen Lebensbereiche ubertragt (vgl. ebd.). Auf Rang 2 positioniert Peseschkian die Gesundheit, deren Stellenwert fur viele Menschen meistens erst dann deutlich wird, wenn sie korperliche Beschwerden haben. Der Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit muss daher haufig viel Zeit gewidmet werden - leider zu oft unter der Pramisse, die berufliche Leistungsfahigkeit noch steigern zu wollen (vgl. ebd.). Rang 3 nehmen Kontakte zu Ehe- oder Lebenspartner, zu den Kindern, Freunden, Eltern, Arbeitskollegen und Mitmenschen ein, die einen hohen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden sowie die Balance von Arbeits- und Privatleben nehmen (vgl. ebd.). Leidet der Kontakt zu Familie und Freunden aufgrund des Arbeitspensums, mangelnder Distanzierungsfahigkeit oder des Zeitdrucks im Alltag, drohen Entfremdung und Isolierung, die wiederum negative Effekte fur die emotionale Stabilitat und Gesundheit haben konnen (vgl. ebd.). Die Frage nach sinntragenden Werten und Zielen fur das eigene Leben rangiert an vierter Stelle, wobei die Relevanz dieses Bereiches nicht unterschatzt werden darf (vgl. ebd.). So nimmt die Auseinandersetzung mit der Zukunft der Umwelt, der Menschheit und Fragen des Glaubens einen immer groBer werdenden Stellenwert ein (vgl. ebd.). Die Balance der unterschiedlichen Lebensbereiche sollte nach Seiwert und Peseschkian ein ubergeordnetes Ziel darstellen, das nur erreicht werden kann, wenn die kostbare Ressource ,Zeit’ sinnvoll genutzt und verteilt wird (vgl. ebd.).
Gropel (2005) orientierte sich an den von Peseschkian (1997) und Seiwert (2001) angenommenen Lebensbereichen und entwickelte Messinstrumente, um zu erfassen, inwiefern eine Person subjektiv genugend Zeit fur die vier Dimensionen aufwendet (vgl. Strehlau 2008, 13; vgl. Gropel 2005). Einen positiven Zusammenhang konnte Gropel (2005) zwischen einer Balance der vier Lebensbereiche und Wohlbefinden, Lebenszufriedenheit und seelischer Gesundheit sowie einen negativen Zusammenhang mit somatischen Beschwerden konstatieren (vgl. ebd.).
Obwohl Seiwerts Modell in der Ratgeberliteratur relativ weit verbreitet ist, bleibt es durchaus kritisch zu betrachten, weil seine Erkenntnisse trotz Gropels (2005) Befunden bisher nicht systematisch empirisch gesichert werden konnten (vgl. Strehlau 2008, 14). Zudem lasst Seiwerts Konzept hinsichtlich der Annahme, die vier postulierten Lebensbereiche fuhren fur alle Individuen zu einem Gleichgewicht, absolutistisch anmuten und lasst sich ferner nicht auf eine empirisch gesicherte Begrundung zuruckfuhren (vgl. ebd.). Daher stellt sich die Frage, inwiefern der von Seiwert formulierte Zielzustand, eine Balance zwischen exakt vier Lebensbereichen zu erreichen, tatsachlich fur alle Menschen erstrebenswert und realisierbar ist (vgl. ebd.).
3.3 Zur Bedeutung von Zeit- und Selbstmanagement fur den Lehrerberuf
Die strukturellen Charakteristika und Anforderungen, die den Lehrerberuf bestimmen, konnen unter bestimmten Umstanden als subjektive Belastung wahrgenommen und zu einer Beanspruchungsreaktion wie Stress fuhren. Weil viele Belastungsfaktoren jedoch nicht oder nur langfristig veranderbar sind, mussen Lehrkrafte aktiv daran arbeiten, eine mogliche Beeintrachtigung durch etwaige Faktoren in ihrem Alltag auf ein Minimum zu reduzieren (vgl. GEW Berlin 2003, 7 f.). Neben der Reflexion der „eigenen beruflichen Haltungen, Erfahrungen und Kompetenzen sowie deren Entwicklung“ (vgl. MfSW 2016, 9) stellt ein angemessener Umgang mit Belastungen und Stress daher eine unabdingbare Kompetenz fur angehende und berufserfahrene Lehrkrafte dar, um die eigene Situation im Sinne der Lehrergesundheit positiv beeinflussen zu konnen (vgl. ebd.). Die Identifikation von hilfreichen Verarbeitungsweisen und Ressourcen sowie die Entwicklung von Praventions- und Interventionsstrategien erscheint damit als wichtige Forschungsaufgabe (vgl. Doring-Seipel/Dauber 2010, 3), der sich mit dieser Interviewstudie insofern gewidmet werden soll, als dass die Bedeutung und Nutzung von Zeit- und Selbstmanagementstrategien fur angehende und berufserfahrene Lehrkrafte untersucht wird. Bevor das eigentliche Forschungsvorhaben dargestellt wird, soll nachfolgend ein Blick auf theoretische und empirische Erkenntnisse zum Stellenwert von Zeit- und Selbstmanagement im Lehrerberuf geworfen werden.
Wie in Abschnitt 2.3.2.2 dargestellt wurde, sind angehende und berufserfahrene Lehrkrafte mit einer komplexen Anforderungsvielfalt in ihrem Job konfrontiert. Viele Aufgaben unterliegen dabei zeitlichen Vorgaben, wie etwa die Vergabe von Zeugnisnoten oder die Korrektur von Klausuren, weshalb objektive arbeitsbedingte Belastungen unter Zeit- und Termindruck schnell zu Beanspruchungen fuhren und Stress auslosen konnen (vgl. Meloefski 2012, 21). So umfasst Zeitstress u. a. „das Gefuhl, bei der Arbeit permanent zu Hast und Eile getrieben zu sein [...] sowie das Bedurfnis nach mehr zeitlichen Freiraumen und Erholungspausen“ (Warwas 2008, 152; vgl. Morgenroth 2008, 12 ff.) Insbesondere im Vorbereitungsdienst resultiert Zeitstress haufig daraus, dass sich Referendare fur ihre Arbeit zu viel Zeit nehmen und „Zeit-Schulden“ (ebd.) machen, die sich auf ihr gesundheitliches Wohlbefinden auswirken - sie fuhlen sich beansprucht, gestresst und vermissen Zeit fur Erholung, Entspannung und Ausgleich (vgl. ebd.). Die Tatsache, dass Zeit im Referendariat zu einer raren Ressource wird, resultiert jedoch zwangslaufig aus den spezifischen, meist nicht zu vereinbarenden Anspruchen der zwei unterschiedlichen Institutionen Schule und Seminar, zwischen denen Referendare meist mehrmals wochentlich pendeln mussen. (vgl. ebd.). Fur die Betroffenen ergibt sich daher die Frage, wie sie Beruf und Privatleben besser miteinander vereinbaren konnen (vgl. ebd.). In Hinblick auf die Balancierung der Lebensbereiche und damit einhergehend der Erhaltung der (Lehrer-)Gesundheit kann ein gutes Zeitmanagement nicht nur effizientes und damit stressfreieres Arbeiten ermoglichen, sondern daruberhinaus Freiraume schaffen, die zur Balancierung von Arbeits- und Privatleben genutzt werden konnen (vgl. ebd.). Umso unverstandlicher erscheint die Tatsache, dass „Zeitmanagement [...] bislang ein in der Lehrerausbildung weitgehend vernachlassigtes Thema [ist], etwa nach dem Motto: ,Entweder man kann es oder man ist diesbezuglich eben - gewissermaBen ,von Natur aus’ - chaotisch’“ (Hillert et al. 2016, 142). Die individuelle Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeitszeitgestaltung und -organisation erscheint aber insbesondere vor dem Hintergrund der prinzipiellen Grenzenlosigkeit der Aufgabenstellung im Lehrerberuf als Notwendigkeit (vgl. Boecker/Drahmann 2016, 62). In der Ratgeber-Literatur lasst sich eine unuberschaubare Vielzahl an Tipps und Tricks finden, die schnelle Hilfe fur eine gelingende Zeitgestaltung suggerieren. Boecker und Drahmann (2016) warnen in diesem Zusammenhang jedoch vor einer unhinterfragten Ubernahme von Vorschlagen und pladieren daher fur eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Inhalten (vgl. ebd., 63). Entscheidend ist ihrer Ansicht nach bei der Zeitorganisation vor allem die Reflexion des personlichen Umgangs mit Zeit (vgl. ebd.), sodass auf diese Weise mogliche Storfaktoren, die einen unnotigen Zeitaufwand verursachen, erkannt und ausgeschaltet werden konnen (vgl. Meloefski 2012, 22). Bei der Arbeits- und Zeitplanung ist es hilfreich, eine Portionierung umfangreicher Aufgaben vorzunehmen, „um uberschaubare Arbeitseinheiten zu schaffen und diese zeitgerecht zu erledigen“ (ebd., 23). Bspw. kann die Korrektur von Klassenarbeiten auf verschiedene Etappen mit einer festgelegten Anzahl an Heften aufgeteilt werden. Ferner sollte die eigene Zeitplanung immer wieder reflektiert werden, um Zeitgrenzen und -leerlauf erkennen sowie Zeitlucken nutzen zu konnen (vgl. ebd.). Inwiefern sich das individuelle Zeitmanagement auf das Belastungserleben auswirken kann, untersuchte Warwas (2008) in ihrer Studie mit schulischen Fuhrungskraften. Die Ergebnisse verweisen auf einen signifikanten Zusammenhang zwischen „Storungs- management & Zeitdisziplin“ (ebd., 157). „Je besser es einer Fuhrungskraft gelingt, Storquellen zu kontrollieren und eigene Zeitplane durchzusetzen“, so Warwas (2008), „desto weniger fuhlt sie sich unter Zeit-, Verantwortungs- und Erwartungsdruck, und desto weniger fuhlt sie sich in Gesundheit und Wohlbefinden oder durch ausbleibende Erfolgserlebnisse beeintrachtigt“ (ebd., 158). Daruberhinaus bestatigen die korrelativen Analysen, dass sich negative Beanspruchungsreaktionen umso starker reduzieren, je mehr die individuelle Arbeitsorganisation an Zeitmanagement-Prinzipien ausgerichtet ist (vgl. ebd., 164). Resumierend schreibt Warwas (2008) Zeitmanagement-Methoden zwar den Stellenwert einer „belastungsmindernde[n] Technik zur Optimierung der individuellen aufgabenbezogenen Arbeitsorganisation“ (ebd.) zu, jedoch kann diese Technik - entgegen der Suggestion vieler Ratgeber - weder eine Beherrschung der Zeit noch eine stressfreie Ausubung des Berufes garantieren (vgl. ebd.).
In Hinblick auf zu bewaltigende Anforderungen im Lehrerberuf wurden in bisherigen Forschungsarbeiten neben der Unterrichtsqualitat auch das berufliche Wohlbefinden fokussiert, die beide als Indikatoren fur erfolgreiches Lehrerhandeln angesehen werden (vgl. Kunter et al. 2011, 280). „Berufliches Wohlbefinden kann als Resultat eines erfolgreichen Umgangs mit den Belastungen des Berufs verstanden werden und druckt sich in der Zufriedenheit mit der beruflichen Situation und der Abwesenheit von Beanspruchungssymptomen aus“ (ebd., 280). Somit stellt berufliches Wohlbefinden zwar ein Kriterium beruflichen Erfolgs dar, das jedoch vor dem Hintergrund zunehmender Belastungen im Lehrerberuf keinesfalls als selbstverstandlich betrachtet werden kann (vgl. ebd.). Doch welche Kompetenzen brauchen Lehrkrafte, um mit der Komplexitat der Anforderungen in ihrem Berufsalltag erfolgreich umzugehen, um guten Unterricht zu machen und gleichzeitig personlich zufrieden und gesund zu sein (vgl. Klusmann/Kunter 2009, 1 f.)? Diesen Fragen gingen Wissenschaftler im Rahmen des COACTIV-Projekts nach und konzentrierten sich neben fachlichem und padagogischem Wissen insbesondere auf die Selbstregulation (vgl. ebd.). In Abgrenzung zu dem in 3.2.2 dargestellten, psychologisch orientierten und eher grundlegenden Verstandnis von Selbstregulation wird diese im COACTIV-Projekt als Teil der professionellen Kompetenz von Lehrkraften im Umgang mit den eigenen Ressourcen im Beruf betrachtet (vgl. ebd., 279). Unter Ressourcen konnen sowohl Gegenstande (z. B. materielle Werte), personliche Merkmale (z. B. Selbstwirksamkeit, hardiness), auBere Bedingungen (z. B. beruflicher Status) als auch Energien (z. B. Zeit, Wissen) gefasst werden, denen eine Person Wertschatzung zukommen lasst (vgl. ebd.). Zentrale Annahme im Rahmen des COACTIV-Projekts ist „eine Balance aus Engagement und Distanzierungsfahigkeit, [die] die beste Strategie sowohl fur das eigene Befinden als auch fur die Qualitat des Unterrichts sein soll“ (Klusmann/Kunter 2009, 2). Empirisch untersucht wurde diese Annahme mithilfe des von Schaarschmidt und Fischer entwickelten Messinstruments zur Erfassung arbeitsbezogener Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM) (vgl. ebd.). Zentrale Erkenntnisse dieses Projekts verweisen auf den Stellenwert kognitiver Kompetenzen von Lehrkraften fur die Unterrichtsqualitat und ihr berufliches Wohlbefinden (vgl. ebd.). Jedoch verfugt nur ein geringer Teil der befragten Lehrkrafte uber hinreichend ausgepragte selbstregulative Fahigkeiten im Sinne der Balancierung der eigenen Ressourcen, um sowohl eine angemessene Unterrichtsqualitat gewahrleisten als auch eine geringe Erschopfung und hohe berufliche Zufriedenheit erleben zu konnen (vgl. Kunter et al. 2011, 292). Vor diesem Hintergrund erscheint die Integration der Vermittlung selbstregulativer Fahigkeiten in den Aus- und Weiterbildungskontext angehender und berufserfahrener Lehrkrafte unerlasslich (vgl. ebd.).
4.1 Fragestellung und Hypothesen
„Eine Wissensgesellschaft, deren wesentliches Gut die Innovationskraft ihrer Burger ist, benotigt leistungsfahige Schulen“ (DGUV 2013 2008, 11). Die Qualitat des Schulsystems basiert auf dem Zusammenspiel einer Vielzahl von Faktoren auf der Ebene der Individuen, des Unterrichts und der Institution Schule (vgl. ebd.). Gut ausgebildete, leistungsstarke und gesunde Lehrkrafte bilden in diesem Gefuge einen zentralen Baustein, ohne den leistungsfahige Schulen nicht denkbar waren (vgl. ebd.). Die Faktoren aber, mit denen Lehrkrafte in ihrem Beruf konfrontiert sind, „bilden eine Anforderungsstruktur, die die Bewaltigungsmoglichkeiten stark strapaziert und auf lange Sicht die psychische Gesundheit der Betroffenen gefahrdet“ (Doring-Seipel/Dauber 2010, 2). Stress- und Uberforderungsreaktionen sind daher nicht selten die Folge subjektiv wahrgenommener Belastung (vgl. ebd.).
Dass der Lehrerberuf als besonders belastend gilt, darauf verweisen unterschiedliche Studien33 in der Lehrerbelastungsforschung, die sich der Beschreibung, Erklarung und Veranderung potenzieller Belastungen und Beanspruchungen aus verschiedenen Blickwinkeln gewidmet haben (vgl. Braun 2017, 38). Die Lehrerbelastungsforschung, darauf verweist Abbildung 8, ist nicht genuin erziehungswissenschaftlich, sondern interdisziplinar ausgerichtet - von der Arbeits- und Organisationspsychologie34 uber die Arbeitsmedizin und -wissenschaft35 bis hin zur Gesundheitspsychologie36 (vgl. Klusmann/Philipp 2014) -, wobei der Schwerpunkt, neben einigen situations- und bedingungsbezogenen Untersuchungen, auf der personenbezogenen Forschung liegt (vgl. Braun 2017, 38).
Die vorliegende Forschungsarbeit ordnet sich in unterschiedlichen Bereichen der Lehrerbelastungsforschung ein, zum einen an einer Schnittstelle zwischen der subjektiven Wahrnehmung arbeitsbezogener Einflussfaktoren (2) und kurzfristig, affektiven Beanspruchungsreaktionen (5), zu denen Stress gezahlt werden kann (vgl. Oesterreich 2015, 15). So wird im Bereich Stress und Stresserleben untersucht, welches Verstandnis von Stress - fur den Beruf und das Privatleben - bei angehenden und berufserfahrenen Lehrkraften vorliegt und wie ihr Stresserleben, d. h. ihre subjektive Wahrnehmung von Belastungsfaktoren, ausgepragt ist. Zum anderen wird eine salutogenetische Perspektive eingenommen, weshalb der Hauptfokus dieser Forschungsarbeit dem Bereich der Verhaltenspravention (9) zuzuordnen ist.
MaBnahmen der Verhaltenspravention [...] zielen vor allem darauf ab, eine Veranderung individueller gesundheitsgefahrdender Verhaltensmuster (z. B. Rauchen, Ineffektives Coping) oder Einstellungen (z. B. Kontrolluberzeugung) herbeizufuhren.
Das Individuum als eigenverantwortliche Person steht im Mittelpunkt und soll befahigt werden, kunftig erfolgreich mit belastenden Arbeitsbedingungen umzugehen (Kauffeld/Hoppe 2014, 257).
Ubertragen auf den Forschungsgegenstand dieser Interviewstudie sollen individuelle Moglichkeiten des Umgangs mit und der Bewaltigung von Stress durch Zeit- und Selbstmanagement im Lehrerberuf erforscht und in einen Kontext mit dem Stresserleben der Befragten gestellt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8: Raster zur Einordnung empirischer Studien der Lehrerbelastungsforschung, Krause/Dorsemagen/Baeriswyl 2013, 65
Die nachfolgend dargestellten Fragestellungen sind fur diese Untersuchung leitend und adressieren die Vergleichsgruppe angehender und berufserfahrener Lehrkrafte. Die Gruppe angehender Lehrkrafte subsumiert sowohl Referendare als auch Lehrkrafte, die den Vorbereitungsdienst absolviert haben und am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn als Lehrer stehen. Die Gruppe berufserfahrener Lehrkrafte verfugt bereits uber mehrjahrige Berufserfahrung, wobei sowohl vollzeit- als auch teilzeitbeschaftigte Lehrkrafte befragt wurden. Auf Grundlage der dargelegten theoretischen und empirischen Erkenntnisse wurden folgende Haupt- und Subforschungsfragen sowie sich daran anschlieBende Hypothesen fur den Bereich Stress bzw. Stresserleben abgeleitet. Weil zu diesem Bereich in der Lehrerbelastungsforschung hinreichend Erkenntnisse vorliegen, wird ein hypothesenuberprufendes Vorgehen eingesetzt. Fragestellung 1 basiert auf Brauns (2017) jungsten Erkenntnissen, die auf ein differenziertes, berufsbezogenes Belastungserleben der Vergleichsgruppen hinweisen. Die Hauptforschungsfrage wurde ferner in zwei Subforschungsfragen unterteilt, um einerseits das Stressverstandnis der Befragten zu erforschen (vgl. Subforschungsfrage 1.1) und andererseits Stressoren zu identifizieren (vgl. Subforschungsfrage 1.2). Basierend auf der in 2.1.2 erlauterten terminologischen Unklarheit und teilweise synonymen Verwendung des Stressbegriffes im Alltag wurde die Subforschungsfrage 1.1 einschlieBlich der dazugehorigen Hypothese entwickelt. Inwiefern Brauns (2017) Annahme, dass angehende und berufserfahrene Lehrkrafte sich hinsichtlich ihrer subjektiven Wahrnehmung berufsbezogener Belastungsfaktoren (Stressoren) unterscheiden (vgl. Braun 2017, 160), in dieser Untersuchung bestatigt werden kann, soll anhand der Subforschungsfrage 1.2 uberpruft werden. Die Hypothesen basieren auf den in 2.3.2.2 dargestellten Erkenntnissen zu Belastungsfeldern des Lehrerberufs und Referendariats.
Fragestellung 1: Unterscheiden sich angehende und berufserfahrene Lehrkrafte in ihrem Stresserleben?
1.1: Gibt es Differenzen zwischen angehenden und berufserfahrenen Lehrkraften hinsichtlich ihres Stressverstandnisses?
1.2: Gibt es Differenzen zwischen angehenden und berufserfahrenen Lehrkraften hinsichtlich subjektiv wahrgenommener Stressoren?
Hypothese zu 1.1
- Das Stressverstandnis angehender und berufserfahrener Lehrkrafte korrespondiert insofern, als dass Stress synonym zu Begriffen wie Belastung oder Beanspruchung verwendet bzw. verstanden wird.
Hypothesen zu 1.2:
- Angehende Lehrkrafte fuhlen sich neben berufsphasenspezifischen Charakteristika insbesondere in den Bereichen belastet, in denen sie Novizen sind: ,Unterricht’, ,Schulerverhalten’ und ,schulische Rahmenbedingungen’.
- Berufserfahrene Lehrkrafte fuhlen sich insbesondere in den Bereichen ,Unterricht’, ,Interaktion mit Schulern’ und ,strukturellen Rahmenbedingungen’ belastet.
Im Gegensatz zu den intensiv erforschten Bereichen der Wahrnehmung arbeitsbezogener Einflussfaktoren im Lehrerberuf (2) und den kurzfristig affektiven Beanspruchungs- reaktionen (5), zu denen Stress gezahlt werden kann, liegen zum Einsatz und Stellenwert von Zeit- und Selbstmanagement im Lehrerberuf, was dem Bereich der Verhaltens- pravention (9) zuzuordnen ist, wenige bis keine Befunde vor. Fur diesen Bereich erfolgt ein exploratives Vorgehen, das der Typik qualitativer Forschung entspricht (Mayring 2010, 232). „Das zentrale Element explorativer Studien ist, dass der Forschungsstand zum Gegenstand noch so rudimentar ist, dass keine prazisen Fragestellungen, Beschreibungsdimensionen oder Hypothesen formulierbar sind“ (ebd., 232). Begrundet durch Lucken des Forschungsstandes stellen sich die nachfolgend formulierten Fragestellungen somit relativ offen dar. Ziel dieses zentralen Forschungsbereiches ist es, Hypothesen und Erkenntnisse zu generieren, die Aufschluss uber die Bedeutung und Verwendung von Zeit- und Selbstmanagement(-strategien) angehender und berufserfahrener Lehrkrafte geben, um die gewonnenen Erkenntnisse letztlich in einen Zusammenhang mit ihrem Stresserleben stellen zu konnen.
Fragestellung 2: Unterscheiden sich angehende und berufserfahrene Lehrkrafte im zugeschriebenen Stellenwert und Einsatz von Zeit- und Selbstmanagement (-strategien)?
2.1: Gibt es Differenzen zwischen angehenden und berufserfahrenen Lehrkraften hinsichtlich ihrer Zeit- und Arbeitsorganisation?
2.2: Gibt es Differenzen zwischen angehenden und berufserfahrenen Lehrkraften hinsichtlich ihrer ,Work-Life-Balance’?
2.3 Gibt es Differenzen zwischen angehenden und berufserfahrenen Lehrkraften hinsichtlich ihres Erholungserlebens und ihrer arbeitsbezogenen Personlichkeitsmerkmale?
4.2 Forschungsdesign
Bereits im Erkenntnisinteresse und der Formulierung der Fragestellungen dieser Studie verwies die Autorin auf den gewahlten forschungsstrategischen Ansatz. Im Folgenden soil das methodische Vorgehen bei der Erhebung, die Stichprobenauswahl sowie die Vorgehensweise bei der Datenauswertung im Zusammenhang mit dem Forschungsgegenstand und -ziel begrundet dargelegt werden.
4.2.1 Methodisches Vorgehen
In der Literatur zu empirischen Forschungsmethoden wird haufig auf eine Kontroverse zwischen den Befurwortern quantitativer und qualitativer Forschung verwiesen, die an dieser Stelle jedoch nicht skizziert wird, weil die „traditionelle Frontstellung zwischen qualitativen und quantitativen Verfahren [...] uberwunden“ (Terhart 1995, 223) scheint, sodass sie langst nicht mehr als „unvereinbare Untersuchungsverfahren, sondern als sich erganzende Alternativen im Feld der empirischen Forschung“ (Lamnek/Krell 2016, 5) gelten. Entscheidend ist, dass der Nutzen und Wert eines methodischen Zugriffs nicht pauschal, sondern einzig und allein in Hinblick auf das verfolgte Erkenntnisinteresse und die Fragestellung beurteilt werden (vgl. Terhart 1995, 223).
Richtet sich das Forschungsinteresse auf „alltags- bzw. lebensweltliche Phanomene, Probleme und Prozesse sowie deren Ausdruck in den Sichtweisen, Aushandlungs- und Prasentationsformen der involvierten Akteure“ (Breuer 2010, 37), so handelt es sich um Grundelemente und -ziele qualitativer Forschung. Um sich subjektiven Wahrnehmungen, Empfinden und Handlungen annahern zu konnen, muss ein Zugang zur erlebten Alltagswelt, d. h. zur sozialen Wirklichkeit der Person geschaffen und „aus der Fulle der Alltagsinformationen bestimmte Erlebnisgehalte herausgenommen oder abstrahiert werden“ (Kleining 2007, 198). Qualitative Forschung verfolgt genau dieses Ziel und „ist besonders gut fur den Blick hinter die Kulissen geeignet, mit dem Wesentliches unter der Oberflache deutlich gemacht werden soll - manche Forscher sprechen von Tiefenstrukturen, die zu erschlieBen sind“ (Kuhn 2005, 8). Kleining (2007) empfiehlt qualitative Verfahren insbesondere dann, wenn Forschungsgegenstande und -themen u. a. komplex, widerspruchlich und differenziert zu sein scheinen (vgl. ebd., 16), was in Hinblick auf die Erfassung subjektiver Wahrnehmungen und Handlungen von Lehrkraften zutrifft. Auch die Tatsache, dass der Bereich des Zeit- und Selbstmanagements fur den Lehrerberuf sowie im Kontext mit individuellem Stress- und Belastungserleben bisher noch nicht ausreichend erforscht wurde, fuhrte die Autorin zu einem qualitativen Forschungsdesign (vgl. Flick/von Kardorff/Steinke 2005, 25). Bei dem Versuch, qualitative Forschungsdesigns naher zu systematisieren, gelangte Mayring (2010) zu einer Differenzierung vier spezifischer Vorgehensweisen, die in Abbildung 9 dargestellt sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9: Vier spezifische Forschungsdesigns,
Mayring 2010, 231 nach Mayring 2007
Zur Untersuchung der in 4.1 dargestellten Forschungsfragen wurden zwei Forschungsdesigns kombiniert. Der Bereich Stress(-erleben) wird deskriptiv untersucht, mit dem Ziel, „den Gegenstandsbereich moglichst genau und umfassend“ (Mayring 2010, 231) zu beschreiben. Aufgrund der Breite wissenschaftlicher Literatur und empirischer Erkenntnisse zur Wahrnehmung potenzieller Stressoren im Lehrerberuf wurde ein hypothesengeleitetes Vorgehen fur diesen Untersuchungsbereich gewahlt, wobei die generierten Hypothesen auf Grundlage der Interviewauswertung nicht nur uberpruft, sondern ggf. auch modifiziert und um neue Hypothesen erweitert werden.37 Der Typik qualitativer Forschung folgend, wurde fur den Bereich des Zeit- und Selbstmanagements im Lehrerberuf ein exploratives Design gewahlt, weil bisher nur wenig wissenschaftliche Befunde und Informationen zum Forschungsgegenstand vorliegen (vgl. ebd., 232). Zwar existiert eine Fulle an (Ratgeber-)Literatur zu Zeit- und Selbstmanagement allgemein, jedoch nur wenige bis keine Befunde in Hinblick auf den Lehrerberuf und einen Zusammenhang mit dem Stresserleben von Lehrkraften, sodass Exploration an dieser Stelle notwendig wird. Nach Kromrey (2000) „bezeichnet [Exploration] das umfassende, in die Tiefe gehende, detektivische Erkunden des Forschungsfeldes“ (Kromrey 2000, 67), um Hypothesen generieren und Theorien bilden zu konnen. Um eine moglichst groBe Nahe zum Forschungsfeld erreichen, d. h. einen intensiven Einblick in subjektive Wahrnehmungen und Handlungen der Lehrkrafte erhalten zu konnen, bietet sich die Feldforschung als qualitativer Ansatz an (vgl. Schreier 2013, 26). Dazu begibt sich der Wissenschaftler in das Feld respektive in die Alltagssituation der Befragten (vgl. ebd.) - hier die Institution Schule.
Als konkrete Erhebungsmethode wurden qualitative Interviews gewahlt, da auf diese Weise eine grundliche Auswertung und Nachvollziehbarkeit der Interpretationen, die auf den erstellten Transkripten basieren, gewahrleistet wird (vgl. Lamnek/Krell 2016, 329). Im Unterschied zu quantitativen Erhebungsmethoden, die zumeist der Identifikation von Ursache-Wirkungszusammenhangen dienen, helfen Interviews, „Erzahlungen zu generieren, Argumente und Begrundungen zu explorieren oder ausfuhrliche Beschreibungen einzuholen, die [...] in einem Dialog hervorgebracht werden“ (Mey/Mruck 2010, 431). Indem die befragten Lehrkrafte im Interview eigene Bedeutungen entwickeln konnen, findet anhand ihrer Innenperspektive eine Rekonstruktion der Wirklichkeit statt (vgl. Helfferich 2011, 22). In der qualitativen Forschung existiert jedoch nicht ,das’ Interview, sondern es kann als Sammelbezeichnung fur eine Reihe verschiedener Verfahren verstanden werden (vgl. Schreier 2013, 224). Fur die vorliegende Forschungsarbeit wurde eine Kombination von Elementen unterschiedlicher Verfahren vorgenommen, sodass zwar im Kern halbstandardisierte, leitfadengestutzte Interviews durchgefuhrt wurden, jedoch zudem Aspekte eines problemzentrierten Interviews enthalten sind. Der Grad der Standardisierung eines Interviews bezieht sich auf die Vorgehensweise der Befragung durch den Interviewer (vgl. ebd.), die im Falle dieser Interviewstudie als ,halbstandardisiert’ bezeichnet werden kann, weil die Reihenfolge und Formulierung der Fragen im Leitfaden zwar vorab konzipiert, aber flexibel dem Gesprachsverlauf angepasst wurden (vgl. ebd., 225). Der Vorteil von Leitfadeninterviews besteht daher in der relativ offenen Gestaltung der Interviewsituation, in der „die Sichtweisen des befragten Subjekts eher zur Geltung kommen als in standardisierten Interviews oder Fragebogen“ (Flick 2007, 194). Strukturgebendes Element des Interviews bildet der Leitfaden, der relevante, auf den Untersuchungsgegenstand bezogene Themenaspekte, vorformulierte Fragen und Erzahlstimuli enthalt und auf diese Weise sicherstellt, dass alle Aspekte im Interviewverlauf tatsachlich angesprochen werden (vgl. Schreier 2013, 225; vgl. Riesmeyer 2011, 224). Zudem ermoglicht der Leitfaden eine bessere Vergleichbarkeit der Interviews in der Auswertung (vgl. Schreier 2013, 225), was hinsichtlich der Vergleichsgruppen in dieser Forschungsarbeit einen Vorteil darstellt.
Die Konzeption des Leitfadens (vgl. Anhang 1) folgt dem Prinzip „So offen wie moglich, so strukturierend wie notig“ (Helfferich 2011, 560) sowie den von Helfferich (2011) entwickelten Anforderungen, denen ein Leitfaden genugen sollte.
- Offenheit als Prioritat: Der Leitfaden enthalt weder Suggestiv- noch Ja-/Nein- Fragen, die einer grdBtmoglichen Offenheit der Interviewsituation entgegenstehen und die AuBerungsmoglichkeiten des Befragten einschranken wurden.
- Ubersichtlichkeit: Fur eine bessere Ubersichtlichkeit wurde der Leitfaden in vier thematische Blocke eingeteilt, wobei fur jeden thematischen Abschnitt maximal vier Fragen konzipiert wurden, um die Erzahlzeit nicht zu beschranken.
- Anschmiegen an den Erzahlfluss: Trotz, dass der konzipierte Leitfaden in thematische Blocke unterteilt wurde, wurde versucht, in der Interviewsituation Ubergange zwischen den Themen herzustellen, indem z. B. an Aussagen oder Argumentationen der Befragten angeknupft wurde (vgl. Helfferich 2011, 567).
Neben den genannten Anforderungen soll ein Leitfaden erzahlende Passagen des Befragten unterstutzen (vgl. Helfferich 2011, 322). Zu diesem Zweck und den Charakteristika eines problemzentrierten Interviews folgend, wurde der Einstieg des Interviews mit einer Erzahlaufforderung gestaltet, die der „Kunstlichkeit der Forschungssituation“ (Witzel 2000, 3) sowie der Gefahr, „isolierte Antworten auf isolierte Fragen“ (ebd.) zu erhalten, entgegenwirken soll.
4.2.2 Stichprobe
Neben der Wahl eines geeigneten methodischen Vorgehens zur Untersuchung des Forschungsgegenstandes, ist auch die Auswahl einer adaquaten Stichprobe bzw. Untersuchungseinheit von Bedeutung, da es - unabhangig von der Forschungs- methodologie - nicht moglich ist, alle relevanten Falle in eine Untersuchung mitein- zubeziehen (vgl. Schreier 2010, 238). Anders als in der quantitativen Forschung steht in der qualitativen Forschung bei der Stichprobenbildung aber nicht die Frage der statistischen Reprasentativitat und Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse im Vordergrund, sondern die Zielsetzung, „detaillierte und in die Tiefe gehende Analysen der ausgewahlten Falle vorzunehmen“ (ebd.), was in der Regel zur Auswahl begrenzter, fur die Fragestellung typischen Falle (Ideal-, Extrem- und Prototypen) fuhrt, die einer absichtsvollen, theoretisch-systematischen und nicht zufalligen Auswahl unterliegen (vgl. ebd.; Lamnek/Krell 2016, 186; vgl. Stigler/Reicher 2012).
[...]
1 Vgl. Krause/Dorsemagen 2014, 992; vgl. Rothland 2013; vgl. Rothland 2016
2 Alle in der Arbeit verwendeten mannlichen Geschlechtsformen implizieren selbstverstandlich die weiblichen Formen. Zur sprachlichen Vereinfachung und damit zur besseren Lesbarkeit wird im weiteren Verlauf daher ausschlieBlich die mannliche Geschlechtsform verwendet.
3 In der Medizin wird Belastung verstanden als „starke korperliche und seelische Beanspruchung durch anhaltende auBere oder innere Aktivitat oder Reizeinwirkung“ (Brockhaus 1992).
4 Die kognitive Wende bezeichnet die Entwicklung vom Behaviorismus zum Kognitivismus, die einen starken Einbezug von Kognitionen und Denkvorgangen in Theoriebildung und Forschung mit sich brachte (vgl. Spektrum (o.J.)).
5 Stress wird hier synonym zur unmittelbaren Stressreaktion verstanden.
6 Vgl. die Ausfuhrungen zum transaktionalen Stressmodell in Abschnitt 2.2.3
7 Vgl. Dohrenwend 1967; vgl. Mason 1971
8 Walter B. Cannon pragte den Begriff der Homoostase und beschrieb damit die „koordinierten physiologischen Prozesse im Organismus, welche die meisten der gleichbleibenden Verhaltnisse im Organismus aufrechterhalten“ (Selye 1974, 66), wie bspw. der Blutdruck und seine Regulation (vgl. Silverthorn 2009, 5 f.).
9 Vgl. Holmes/Rahe 1967; vgl. Dohrenwend/Dohrenwend 1981; vgl. Filipp 1981; vgl. Elliot/Eisdorfer 1982
10 Vgl. hierzu Filipp 1981 sowie Perrez 1992
11 Vgl. Lazarus (1991); vgl. Lazarus/Folkman (1984); vgl. Lazarus/Folkman (1987). Vgl. auch Darstellungen des transaktionalen Stressmodells im deutschen Sprachraum von Jerusalem (1990), Krohne (1990) und Schwarzer (2000).
12 Trotz der Bezeichnung als primar und sekundar wird im Modell weder eine Unterscheidung hinsichtlich der Relevanz noch hinsichtlich der zeitlichen Abfolge vorgenommen (vgl. Busse et al. 2006, 69).
13 Vgl. Abschnitt 3.2
14 Bauer et al. (2007) stellten in einer Studie fest, dass sich vor allem teilzeitbeschaftigte Lehrerinnen im Vergleich zu vollzeitbeschaftigten Lehrkraften belasteter fuhlen, was mit der doppelten Belastung von Familie und Beruf zusammenhangen konnte (vgl. Bauer et al. 2007, 203). Nach Gehrmann (2013) erscheinen die Ergebnisse diesbezuglich jedoch nicht sehr eindeutig.
15 Vgl. Kapitel 3 fur Techniken und Strategien des Zeit- und Selbstmanagements sowie dessen Bedeutung fur den (Lehrer-)Beruf
16 „27 % der von Bockelmann et al. (2013) untersuchten Lehrkrafte gaben an, dass bei ihnen die emotionale Erschopfung, die Kernkomponente des Burn-out- Syndroms hoch ausgepragt war. Auch im Handbuch Lehrergesundheit (2012) wird bei etwa einem Drittel der Lehrkrafte uber eine hohe emotionale Beanspruchung berichtet. Nach dem Stressreport (2012) ist in der Allgemeinbevolkerung bei 13% der Manner und 20% der Frauen von korperlicher und emotionaler Erschopfung auszugehen. In der Branche Unterricht und Erziehung liegt bei 22% der Beschaftigten eine korperliche und emotionale Erschopfung vor, was im Branchenvergleich dem zweithochsten Wert entspricht“ (Scheuch/Haufe/Seibt 2015, 351).
17 Kyriacou und Sutcliffe definieren Lehrerstress als „das Erleben unangenehmer Emotionen“ (van Dick 2006, 35) und stellen damit die subjektive Wahrnehmung der Lehrkraft in den Fokus.
18 Vgl. Abschnitt 2.3.2.2 fur detaillierte Ausfuhrungen zu den beruflichen Anforderungen an Lehrkrafte
19 Der Begriff ,hardy personality’ stammt von Kobasa (1979) und bezieht sich auf Personlichkeitstypen, die gegenuber Belastungen und kritischen Lebensereignissen resistent sind (vgl. Cardwell/Flanagan 2005, 114). Der individuelle Umgang mit Stressoren ist durch die Komponenten ,Commitment’ (Engagement), ,Control’ (Kontrolle) und ,Challenge’ (Herausforderung) gepragt (vgl. ebd.). Gemeinsam mit ihrem Kollegen Salvator Maddi entwickelte Kobasa ein Trainingsprogramm, um ,hardiness’ zu trainieren (vgl. ebd.). Vgl. dazu Kobasa/Maddi/Kahn 1982; vgl. Kobasa/Maddi/Puccetti/Zola 1985.
20 Van Dick (2006) hat in Anlehnung an Kramis-Aebischer (1995) eine Anordnung potenzieller Stressoren auf drei Ebenen vorgenommen. Eine eindeutige Zuordnung der Stressoren ist jedoch schwierig, weil diese aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden konnen und sich gegenseitig beeinflussen konnen. Daher wird auf die Darstellung der unterschiedlichen Ebenen verzichtet und eine strukturierte Ubersicht moglicher Stressoren bevorzugt, die nach der Haufigkeit der Nennung geordnet sind.
21 Vgl. Wendt 2001, vgl. van Dick 2006, vgl. Bauer et al. 2007
22 Vgl. Kyriacou 2001; vgl. Dunham 2002; vgl. Chan 2007
23 Kontrar zu der Annahme von Bauer et al. (2007) konstatiert Gehrmann (2013, 180 ff.) eine hohere Zufriedenheit partnerschaftlich gebundener Lehrkrafte mit oder ohne Kinder im Vergleich zu Singles oder Alleinerziehenden.
24 Schaarschmidt und Kollegen identifizierten in der „Potsdamer Lehrerstudie“ (2005) arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster, um Interventionen fur Lehrkrafte in Form von Trainings abzuleiten (vgl. Schaarschmidt 2006). Sie unterscheiden vier Muster: Gesundheitstyp (G), Schonungstyp (S), Risikomuster (A), Risikomuster (B). Lehrkrafte, die uber mangelnde Distanzierungsfahigkeit und erhohtes Perfektionsstreben verfugen, sind dem Risikomuster B zu zuordnen. Insgesamt konnten sie bei 40-60% der Lehrkrafte Risikomuster in der Stressbewaltigung feststellen (vgl. Schaarschmidt/Kieschke 2013; vgl. Lehr 2014).
25 Diesen Befund bestatigen auch Schaarschmidt und Kollegen in der „Potsdamer Lehrerstudie“ (2005). Vgl. auch Friedman 2006; vgl. Krause 2004; vgl. Wendt 2001.
26 Im Jahr 2012 wurde im Auftrag der Vodafone-Stiftung eine Studie zum Prestige des Lehrerberufs publiziert, zu deren Ergebnissen sich Werner SuBlin vom Institut fur Demoskopie auBert.
27 Vgl. Christ/van Dick/Wagner 2004; vgl. Keller-Schneider 2010; vgl. Schubarth/Speck/Seidel 2007
28 Vgl. die Ergebnisse der TK-Stressstudie 2016, dargestellt in Abschnitt 2.3.1
29 Utilitarismus kann als Konzeption verstanden werden, „die ethische Urteile uber Handlungen und/oder Regeln auf den Nutzen stutzt, den sie stiften“ (Springer Gabler o. J.).
30 Diese Methode findet sich u. a. bei Seiwert (2014) oder Meier/Engelmeyer (2009)
31 Dieses Prinzip geht auf seinen gleichnamigen Begrunder Dwight D. Eisenhower, den 34. Prasidenten der USA, zuruck (vgl. Seiwert 2014, 71).
32 An der Studie nahmen Langzeitarbeitslose und selbstandige Trainer teil, fur die das Thema Selbstmanagement von hoher Bedeutung ist. Die Teilnehmer sollten an drei Messzeitpunkten Einschatzungen zu Selbstmanagement- Fertigkeiten, allgemeiner und beruflicher Selbstwirksamkeit, Lebenszufriedenheit, Zielerreichung und Transfer der Trainingsinhalte abgeben (vgl. Klein/Konig/Kleinmann 2003, 157 ff.; vgl. Sonntag/Stegmaier 2007, 107).
33 Vgl. Krause/Dorsemagen 2007; vgl. Hasselhorn 2009; vgl. Doring-Seipel/Dauber 2013;
34 Vgl. Semmer/Meier 2014
35 Vgl. Krause/Dorsemagen 2014; vgl. Seibt/Thinschmidt/Lutzkendorf/Hansch 2006
36 Vgl. Renneberg/Hammelstein 2006
37 Innerhalb der qualitativen Forschung existieren unterschiedliche Positionen hinsichtlich des (expliziten) Bezugs auf ein theoretisches Vorverstandnis. Vorherrschend ist zwar das Ziel der Hypothesengenerierung und -weiterentwicklung, jedoch konnen qualitative Analysen auch dazu dienen, „Hypothesen uber vorherrschende Muster der Deutung und Orientierung in spezifischen sozialen Einheiten“ (Hopf 1996, 12) zu uberprufen (vgl. Schmidt 2010, 474 f.).
- Citation du texte
- Isabel Haack (Auteur), 2018, Zeit- und Selbstmanagement im Kontext individuellen Stress- und Belastungserlebens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/419054
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