In der folgenden Arbeit wird die „Die große Bibel für Kinder“ von Tanja Jeschke (Texte) und Marijke ten Cate (Illustrationen) in der 8. Auflage aus dem Jahr 2015 analysiert. Die erste Auflage erschien im Jahr 2008.
Dabei wird die ausgewählte Kinderbibel vorgestellt und eine exemplarische Text und Bildanalyse einer Geschichte druchgeführt. Es folgt eine abschliessende Beurteilung des Buches.
Inhalt:
1. Einleitung
2. Vorstellung der ausgewählten Kinderbibel
3. Exemplarische Text- und Bildanalyse
4. Abschließende Beurteilung der Kinderbibel
Verwendete Literatur:
1. Einleitung
Ich untersuche in der folgenden Arbeit „Die große Bibel für Kinder“ von Tanja Jeschke (Texte) und Marijke ten Cate (Illustrationen) in der 8. Auflage aus dem Jahr 2015. Die erste Auflage erschien im Jahr 2008. Diese Kinderbibel habe ich vor allem mit Blick auf meinen sechsjährigen Sohn ausgewählt. Er gehört zur Kategorie der Kinder, die kein Interesse an längeren Prosa-Texten haben. Deshalb habe ich versucht, eine Kinderbibel auszuwählen, die vor allem mit Bildern die Aufmerksamkeit eines Kindes zu fesseln versucht.
2. Vorstellung der ausgewählten Kinderbibel
„Die große Bibel für Kinder“ enthält ein Vorwort und ein „Nachwort für die Erwachsenen“. Das zweiseitige Vorwort übernimmt zum Einen die Funktion eines etwas ausführlicheren Klappentextes: Das Buch wird in seiner Gesamtheit und in seinem Konzept vorgestellt. Es werden die Autorin und die Illustratorin eingeführt. Zudem gibt das Vorwort einige Hinweise zum Gebrauch der Kinderbibel. Wichtig scheint mir hier folgender Hinweis bezüglich der Originaltreue der Texte: „Diese Kinderbibel gibt die biblischen Erzählungen nah am „Original“ und dennoch leicht verständlich wieder.“
Das Nachwort umfasst zwölf Seiten. Hier wird auf der ersten Seite unter anderem erklärt, dass „Die große Bibel für Kinder“ bewusst neben den Erzählungen aus der Bibel auch einige andere literarische Formen enthält: einen Psalm, einen Abschnitt aus der Bergpredigt, einen Ausschnitt eines neutestamentlichen Briefes und ein poetisches Bild aus der Offenbarung. Als Begründung dafür wird genannt, dass die Kinder auf diese Weise lernen, „dass die Bibel so etwas wie eine Bibliothek ist, ein Buch, das sich aus vielen, verschiedenen Büchern zusammensetzt – das Buch der Bücher.“
Im Weiteren greift das Nachwort jede der Erzählungen der Kinderbibel nacheinander nochmals auf, fasst diese zusammen, ordnet sie in den biblischen Kontext ein und bietet an einigen Stellen eine mögliche Deutung an.
Dem Vorwort folgt ein Inhaltsverzeichnis. Es ist untergliedert in Texte aus dem Alten Testament und dem Neuen Testament. Dabei gibt es keine Seitenangaben. Die einzelnen Texte sind mit fortlaufenden Zahlen durchnummeriert. Das Alte Testament enthält die Texte unter den Nummern 1 bis 15. Das Neue Testament enthält die Texte unter den Nummern 16 bis 32. Die Zahl, die eine Geschichte im Inhaltsverzeichnis hat, steht am Anfang der Geschichte selbst im Buch. Unter jedem Titel einer Erzählung findet sich eine Stellenangabe aus der Bibel, auf die sich die jeweilige Erzählung bezieht. Es gibt in dem Buch ein Lesezeichen. Offensichtlich ist die Bibel einerseits für das selbständige Anschauen durch Kinder und andererseits für das Vorlesen durch Erwachsene gedacht. Das Neue Testament weist zwei Texte mehr auf als das Neue Testament. Es wird jedoch aus dem Mengenverhältnis der Texte im Alten und im Neuen Testament der Versuch deutlich, keinem der beiden Testamente eine Präferenz zu geben.
Im Vergleich zu vielen anderen Kinderbibeln, die für das Alter zwischen drei und ca. sieben Jahren konzipiert sind, erscheint die Anzahl der enthaltenen Geschichten als durchaus umfangreich. Daraus wird einerseits der Versuch deutlich, die große Varietät der unterschiedlichen Bibeltexte darzustellen. Andererseits möchte „Die große Bibel für Kinder“ offenbar so umfassend wie es im Rahmen einer Kinderbibel möglich ist, die Themen der Bibel abbilden. Das Buch ist relativ groß (22,5 x 25 cm) und hat 288 Seiten.
Der große Umfang der betrachteten Kinderbibel führt dazu, dass darin etliche Erzählungen aufgegriffen werden, die in Kinderbibeln eher selten Eingang finden. Auffällig ist dabei, dass aus dem Alten Testament verhältnismäßig viele, insgesamt vier, Frauenerzählungen ausgewählt wurden. Sie tragen folgende Titel und beziehen sich auf folgende Bibelstellen: „Rahab hilft“ (Josua 2-6), „Rut bleibt treu“ (Rut 1-4), „Hanna bekommt einen Sohn“ (1. Samuel 1-3), „Ester, die schöne Königin“ (Ester 2-7). Offensichtlich möchte „Die große Bibel für Kinder“ dadurch weibliche biblische Figuren in den Fokus rücken und damit auch Mädchen religiöse Identifikationsfiguren anbieten. Für diese Strategie spricht ebenfalls die neutestamentliche Erzählung „Jesus erweckt ein Mädchen vom Tod“ (Markus 5, 21-43). Anstelle der bekannteren Erzählung von der Auferweckung des Lazarus (Johannes 11, 1-45), wurde hier die Erzählung von der Auferweckung der Tochter des Jairus ausgewählt. Außerdem, dass die Tochter des Jairus als weibliche Identifikationsfigur dienen kann, bietet sie Kindern im allgemeinen die Möglichkeit zur Identifikation.
3. Exemplarische Text- und Bildanalyse
Für die exemplarische Analyse habe ich das „Gleichnis vom verlorenen Sohn“ (Lukas 15, 11-32) aus dem neuen Testament ausgewählt. In der von mir betrachteten Kinderbibel trägt diese Erzählung den Titel „Der verlorene Sohn“ und die Nummer 25. In der Vollbibel nimmt diese Erzählung 22 Verse ein, während sie in „Der großen Bibel für Kinder“ 14 Seiten umfasst. Offensichtlich wird dieser Erzählung in der betrachteten Kinderbibel eine große Bedeutung beigemessen.
Die Erzählung vom verlorenen Sohn wird folgendermaßen eingeleitet: „Oft erzählte Jesus Geschichten. Sie sollten den Menschen zeigen, wie es zugeht, wenn Jesus als König über die Welt regiert.“ Diese Passage kommt innerhalb der angegebenen Bibelstelle nicht vor und dient einerseits der Einordnung der darauf folgenden Erzählung als einer von Jesus erfundenen Geschichte. Zum anderen stellt sie den Versuch dar, die Funktion der literarischen Gattung des Gleichnisses zu erklären.
Mir erscheint dieser Erklärungsversuch als problematisch, da er einen überaus komplexen Sachverhalt auf zwei Sätze herunter bricht und dabei Jesus eine Absicht unterstellt, die so in der Bibel nicht belegt ist. Gleichnisse dienen zur Verdeutlichung, machen schwer Verständliches und Abstraktes greifbar. Meiner Meinung nach haben die einzelnen Gleichnisse innerhalb des Neuen Testaments sehr unterschiedliche Funktionen. Das Bild von „Jesus als König, der über die Welt regiert“ empfinde ich in diesem Zusammenhang als einseitig, unpassend und irreführend. Kinder und oft auch Erwachsene assoziieren in unserer aktuellen Zeit mit dem Bild eines Königs eine märchenhafte Gestalt, die meist willkürlich innerhalb bestimmter räumlicher Grenzen über eine gewisse Anzahl von Untertanen herrscht. Das Wort „regieren“ evoziert im Zusammenhang mit dem Wort „König“ das historische Bild eines absolutistischen Herrschers. Beide Assoziationsrichtungen scheinen mir für das religiöse Verständnis von Jesus als Sohn Gottes als unangebracht.
Die Bilder nehmen in der „Der großen Bibel für Kinder“ eine dominante Stellung gegenüber dem Text ein. Die meisten Bilder erstrecken sich jeweils über zwei aufgeschlagene Seiten des großformatigen Buches. Jedes Bild beansprucht den gesamten Platz auf zwei Seiten, es gibt keine Ränder oder Aussparungen. Die meisten Bilder sind somit ca. 45 cm breit und 25 cm hoch. Der Text zu einem Bild befindet sich meist nur auf einer Seite und ist jeweils in das Bild integriert. Im Rahmen der Erzählung vom verlorenen Sohn erstreckt sich der Text über mindestens drei bis maximal acht Zeilen auf einer Seite.
Die Erzählung vom verlorenen Sohn weist in der betrachteten Kinderbibel keine Rahmenerzählung auf und enthält auch keine weiteren Deutungen. Sie ist vorwiegend im Elementarstil nacherzählt, so dass sie Kindern leicht zugänglich sein dürfte. Der sprachliche Ausdruck wird gegenüber der Vollbibel oft „modernisiert“. So ist z.B. der folgende Abschnitt, der sich in der Vollbibel über drei Verse hinzieht:
„Als er nun all das Seine verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land, und er fing an zu darben und ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Säue fraßen; und niemand gab sie ihm.“ (Lukas 15, 14-16) folgender Maßen wieder gegeben:
„Aber dann ging das Geld aus. Und eine Hungersnot kam über das Land. Niemand mehr hatte genug zu essen! In seiner Not wurde der junge Mann Schweinehirte. Er lebte bei den Schweinen und hatte solchen Hunger, dass er am liebsten das Schweinefutter gegessen hätte. Aber das durfte er nicht!“
Wie man sehen kann, sind beide Textpassagen, was das Volumen angeht, in etwa gleich lang. Die Sprache wirkt jedoch stark verändert. Inhalte, die für das Verständnis des Wesentlichen für ein Kind als unerheblich erscheinen, werden weggelassen. Erklärende Umschreibungen werden hinzugefügt.
Daran, dass der Ausdruck „Hungersnot“ beibehalten und erklärt wurde, wird allerdings auch der Versuch deutlich, Kindern einen Eindruck von der Sprache der Bibel zu vermitteln. Die sparsame Einstreuung solch für Kinder schwer verständlicher Begriffe und die hinzugefügte Erklärung zeigen jedoch auch, dass das Konzept der „Der großen Bibel für Kinder“ vor allem darauf bedacht ist, dem Wissen und Verständnis von Kindern entgegen zu kommen.
Diese Annahme unterstützen auch weitere dem Bibeloriginal gegenüber fast schon radikal veränderte und an die heutige Lebenswelt von Kindern angepasste sprachliche Wendungen und einige Bilddetails.
So wird z.B. folgender Vers aus der Vollbibel: „Und nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land; und dort brachte er sein Erbteil durch mit Prassen.“ (Lukas 15, 13)
auf folgende Weise umformuliert:
„Begeistert zog der junge Mann los in ein fremdes Land und feierte lustige Feste. Er gewann viele neue Freunde, die lud er ein und sie aßen und tranken und hatten eine Menge Spaß.“
Es ist aus meiner Sicht fraglich, ob die Botschaft des biblischen Textes in seiner ganzen Tragweite erfasst werden kann, wenn die offensichtlich negative Beurteilung des Verhaltens des verlorenen Sohnes, wie sie im Originalwortlaut deutlich wird, in der Kinderbibel so vollkommen getilgt und neutralisiert wird.
Auch einige Bilder enthalten kleine Details, die der heutigen Lebenswirklichkeit entstammen. Auf einem Bild liegt der bettelnde verlorene Sohn z.B. vor einem Wirtshaus auf dessen Aushängeschild ein Weinglas und ein Bierkrug abgebildet sind. Auf dem Bild, das das Fest zur Wiederkehr des verlorenen Sohnes darstellt, sind Girlanden und Lampions abgebildet, wie sie in unserer heutigen westlichen Gesellschaft bei Kindergeburtstagen und Gartenpartys aufgehängt werden.
Wie weiter oben schon gesagt wurde, nehmen die Bilder in „Der großen Bibel für Kinder“ eine wichtige Stellung ein. Dabei haben sie vor allem eine visualisierende Funktion. Detailreiche Bilder wechseln mit eher reduzierten Darstellungsweisen ab. Auf ersteren können Kinder Kleinigkeiten suchen, entdecken, über diese staunen. Auf den letzteren sind vor allem Emotionen mit Hilfe großformatiger menschlicher Gestalten dargestellt. So bildet z.B. eine Darstellung den Vater ab, der seinen wiedergefundenen Sohn in die Arme schließt. Der Hintergrund ist neutral und ohne jegliche Details gehalten. Der Vater hüllt den Sohn fast vollständig in seinen roten Umhang ein, was das vollkommene Annehmen des Sohnes durch den Vater vermittelt. Die Aufmerksamkeit des Betrachters ist auf die Gesichter der beiden Gestalten gelenkt, die beide ein sehr tiefes Gefühl von Erleichterung und Dankbarkeit ausdrücken.
4. Abschließende Beurteilung der Kinderbibel
Der in „Der großen Bibel für Kinder“ verwendete elementare Sprachstil und die überragende visualisierende Funktion der Bilder spricht dafür, dass die betrachtete Kinderbibel für Kinder im Alter von ca. vier bis sieben Jahren geeignet ist.
Meiner Meinung nach liegt die Stärke „Der großen Bibel für Kinder“ in der sehr guten Qualität der Verarbeitung und Gestaltung. Dadurch dürfte das Buch auf Kinder sehr ansprechend wirken. Allein das große Format macht die Kinderbibel zu etwas Besonderem. Die großen, schön und vielseitig gestalteten Bilder auf dicken glänzenden Seiten lassen die Betrachtung des Buches zu einem visuellen und taktilen Erlebnis werden. Besonders schön ist der vielseitige und lebendige mimische Ausdruck der abgebildeten Figuren. Kinder werden vermutlich vor allem über die Abbildungen einen Zugang zu den Erzählungen, den darin beschriebenen Situationen und Emotionen der einzelnen Figuren finden können.
Die stark elementare, modernisierte und an die heutige Lebenswirklichkeit angepasste Sprache „Der großen Bibel für Kinder“ kann einerseits ebenfalls als Stärke empfunden werden, da sie Kindern im Kindergartenalter den Zugang zu dem Erzählten erleichtert. Andererseits geht dadurch jedoch eine gewisse sprachliche Tiefendimension verloren. Die Sprache wirkt ein Stück weit profan und alltäglich. Sie gibt nicht das Bewusstsein wieder, dass die Geschichte Gottes und der Menschen schon eine sehr lange und manchmal auch schwierige aber gerade dadurch besondere ist.
Nicht im gleichen Ausmaß aber in die gleiche Richtung gehend haben diese Wirkung meiner Meinung nach auch die kleinen Bilddetails, die auf unsere heutige Lebenswirklichkeit verweisen. Im Großen und Ganzen transportieren die Bilder detailreich und qualitativ überaus hochwertig die historischen Gegebenheiten der in der Bibel geschilderten Ereignisse. Für Erwachsene ist es daher sehr amüsant zwischen den historisch akkuraten Darstellungen der Lebensumstände des Nahen Ostens vor zwei oder drei tausend Jahren Attribute unserer heutigen westeuropäischen Zivilisation zu entdecken. Kinder haben jedoch noch nicht die Erfahrung um das eine vom anderen zu unterscheiden. In dem Ausmaß, in dem diese Details einen Wiedererkennungswert haben, nehmen sie den dargestellten Ereignissen jedoch auch ihre religiöse und historische Bedeutung und Besonderheit.
Verwendete Literatur:
- Deiss-Niethammer, Birgit (2016): Kinderbibeln. Arbeitsblätter Religionspädagogik
- Die Bibel. Nach der Übersetzung Martin Luthers (1985). Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft
- Jeschke, Tanja / ten Cate Marijke (2015): Die große Bibel für Kinder. Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft. 8. Auflage
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- Quote paper
- Katharina Schwitin (Author), 2016, Eine exemplarische Text- und Bildanalyse der Kinderbibel "Die große Bibel für Kinder" von Tanja Jeschke, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/418659
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