In der organisationalen Resilienzforschung wurde der gegenseitige Ideenaustausch mit verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen unvollständig angeregt. In dieser Arbeit integriere ich Sichtweisen aus der Literatur auf urbane und psychologische Resilienz, um vorzuschlagen, wie ein interdisziplinärer Vergleich das Verständnis von Resilienz in Organisationen beeinflussen kann. Die Gegenüberstellung der Disziplinen weist auf folgende fünf wichtige Erkenntnisse hin:
Erstens beschreibt Resilienz fächerübergreifend den erfolgreichen Umgang mit exogenen Störungen und dem Unerwarteten. Zweitens wird Resilienz über die Wissenschaftszweige unterschiedlich kontextspezifisch konzeptualisiert. Drittens erschwert der Kontrast der betrachteten Forschungsgegenstände in den einzelnen Fachbereichen eine universale Analyse. Viertens können Gemeinsamkeiten und Unterschiede des organisationalen Resilienzkonzeptes zu anderen Fachrichtungen festgestellt werden, die in anderen Studien bisher noch nicht untersucht wurden. Fünftens bietet der wissenschaftliche Vergleich ein großes Potenzial, um Rolle und Einfluss von Resilienz in Unternehmen besser zu verstehen. Ich schließe mit einer Darstellung über die Möglichkeiten und Fragen von zukünftiger Resilienzforschung in Organisationen ab.
INHALTSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1 EINLEITUNG
2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2.1 BEGRIFFSBESTIMMUNG RESILIENZ
2.2 RESILIENZFORSCHUNG
3 RESILIENZ IN STÄDTEN ALS SOZIOÖKOLOGISCHE SYSTEME
3.1 DEFINITIONEN URBANER RESILIENZ
3.2 DIMENSIONEN UND FAKTOREN URBANER RESILIENZ
3.3 PROZESSE URBANER RESILIENZ
3.3.1 Gleichgewichtszust ä nde Urbaner Systeme 8
3.3.2 Adaptive Cycle und Panarchy 8
3.4 SONDERFAKTOREN
3.4.1 Normativit ä t und Zielkonflikte 11
3.4.2 Urban Governance 13
4 RESILIENZ IN DER PSYCHOLOGIE
4.1 DEFINITIONEN PSYCHOLOGISCHER RESILIENZ
4.2 DIMENSIONEN UND FAKTOREN PSYCHOLOGISCHER RESILIENZ
4.3 PROZESSE PSYCHOLOGISCHER RESILIENZ
4.4 SONDERFAKTOREN
4.4.1 Soziokontextuelle Faktoren 22
4.4.2 Analyseebenen 25
5 RESILIENZ IN ORGANISATIONEN
5.1 DEFINITIONEN ORGANISATIONALER RESILIENZ
5.2 DIMENSIONEN UND FAKTOREN ORGANISATIONALER RESILIENZ
5.3 PROZESSE ORGANISATIONALER RESILIENZ
5.4 SONDERFAKTOREN
5.4.1 Berufliche Resilienz 38
5.4.2 Resiliente F ü hrung 39
6 ANALYSE DES DISZIPLINVERGLEICHES
6.1 DEFINITIONEN
6.2 DIMENSIONEN UND FAKTOREN
6.3 PROZESSE
7 IMPLIKATIONEN AUF ORGANISATIONSFORSCHUNG
7.1 AUS DER LITERATUR URBANER RESILIENZ
7.2 AUS DER LITERATUR PSYCHOLOGISCHER RESILIENZ
8 FAZIT UND AUSBLICK
LITERATURVERZEICHNIS
ABSTRACT
In der organisationalen Resilienzforschung wurde der gegenseitige Ideenaus- tausch mit verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen unvollständig angeregt. In dieser Arbeit integriere ich Sichtweisen aus der Literatur auf urbane und psy- chologische Resilienz, um vorzuschlagen, wie ein interdisziplinärer Vergleich das Verständnis von Resilienz in Organisationen beeinflussen kann. Die Gegenüber- stellung der Disziplinen weist auf fünf wichtige Erkenntnisse hin: Erstens be- schreibt Resilienz fächerübergreifend den erfolgreichen Umgang mit exogenen Störungen und dem Unerwarteten. Zweitens wird Resilienz über die Wissen- schaftszweige unterschiedlich kontextspezifisch konzeptualisiert. Drittens er- schwert der Kontrast der betrachteten Forschungsgegenstände in den einzelnen Fachbereichen eine universale Analyse. Viertens können Gemeinsamkeiten und Unterschiede des organisationalen Resilienzkonzeptes zu anderen Fachrichtungen festgestellt werden, die in anderen Studien bisher noch nicht untersucht wurden. Fünftens bietet der wissenschaftliche Vergleich ein großes Potenzial, um Rolle und Einfluss von Resilienz in Unternehmen besser zu verstehen. Ich schließe mit einer Darstellung über die Möglichkeiten und Fragen von zukünftiger Resilienz- forschung in Organisationen ab.
TABELLENVERZEICHNIS
TABELLE 1: Möglichkeiten und Fragen Zukünftiger Resilienzforschung in Organisationen
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ABBILDUNG 1: Anpassungskreis eines Urbanen Raums
ABBILDUNG 2: Rahmenmodell von Resilienz nach Kumpfer
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 EINLEITUNG
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem interdisziplinären Vergleich von Resilienz. Resilienz scheint überall zu sein und durchdringt wissenschaftliche und öffentliche Debatten. Das akademische Interesse an diesem Begriff ist in den letz- ten Jahren sehr gestiegen. Es zeigt sich zum einen im starken Anstieg von Publi- kationen und Zitationen in den Disziplinen, die Resilienz bereits längerfristig konzeptualisieren, zum Beispiel in der Erforschung urbaner Räume als SES oder der Psychologie (Martin-Breen & Anderies, 2011: S. 5; Xu & Marinova, 2013: S. 925 f.). Zum anderen rief das Phänomenen zunehmend in Fachgebieten Auf- merksamkeit hervor, die vor der Jahrtausendwende wenig Erfahrung mit Resilienz aufwiesen, beispielsweise in der Organisationsforschung (Duchek, 2014; Wink, 2016: S. 1f.). Organisationen benötigen Resilienz, um mit dem Unerwarteten zu- rechtzukommen, einzeln auslösende Ereignisse und Krisen zu bewältigen und den Zukunftserfolg zu fördern (Lengnick-Hall, Beck, & Lengnick-Hall, 2011: S. 244). Zwischen den Disziplinen besteht eine wichtige Gemeinsamkeit in der Benutzung des Begriffs im Hinblick auf den erfolgreichen Umgang mit Störungen, Verände- rungen oder Krisen, insbesondere durch Antizipations-, Bewältigungs- oder An- passungsfähigkeiten (Duchek, 2014; Wink, 2016: S. 1).
Resilienz steht trotz seiner Aktualität und Popularität in der Kritik, da die wissen- schaftlichen Disziplinen oftmals mit eigenen Definitionen, Theorien und Ver- ständnissen des Begriffs arbeiten (Linnenluecke, 2017: S. 4; Wink, 2016: S. 2). Es stellt sich die Frage, inwieweit durch das Untersuchen und Vergleichen der Konzeptualisierung von Resilienz in verschiedenen Kontexten das aktuelle Ver- ständnis von organisationaler Resilienz und seine Anwendbarkeit in verschiede- nen Situationen überdacht werden kann. Studien haben sich außerdem noch nicht explizit auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen organisationaler Resili- enz und anderen Disziplinen fokussiert. An dieser Stelle setzt die vorliegende Ar- beit an und schildert den Forschungsstand einzelner Disziplinen, um zu einem besseren Verständnis von organisationaler Resilienz zu gelangen und Möglichkei- ten für zukünftige Untersuchungen aufzudecken. Neben der Organisationsfor- schung beschränkt sich die Analyse dabei einerseits auf die urbane bzw. sozioöko- logische Forschung, auf dessen Grundlage die Erforschung organisationaler Resi- lienz aufbaute. Andererseits wird die psychologische Resilienz analysiert, um Einblicke in die berufliche Resilienz von Mitarbeitern zu gewinnen. Auf die Verwendung des Begriffs in anderen als den genannten wissenschaftlichen Disziplinen kann im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden. Es ist nicht das Anliegen dieser Arbeit, ein komplett neues Modell von organisationaler Resilienz aufzustellen. Vielmehr soll der Leser auf Schnittstellen und denkbare interdisziplinäre Anknüpfungspunkte hingewiesen werden.
Die Arbeit gliedert sich inhaltlich in die Betrachtung von Definitionen, Dimensionen und Faktoren, Prozessen und Sonderfaktoren der drei Einzeldisziplinen - und endet schließlich mit dem Vergleich der Organisationsforschung von Resilienz mit der urbanen und psychologischen Resilienz und sich daraus ergebenden Implikationen auf die Organisationsforschung.
2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2.1 Begriffsbestimmung Resilienz
Resilienz stammt vom lateinischen Wort „resilire“ ab, was sinngemäß mit abpral- len oder zurückspringen ins Deutsche übersetzt werden kann (Taormina, 2015: S. 36). Das Wort wird im Oxford Dictionary of English als „being ‚able to withstand or recover quickly from difficult conditions‘“ definiert (Soanes & Stevenson, 2006: S. 1498). Die Begriffsherkunft liegt in den Ingenieurwissenschaften, wo Resilienz Widerstandsfähigkeit und Belastbarkeit von Werkstoffen beschreibt. Resiliente Materialien sind extrem biegsam und nehmen nach einer Verformung durch Druck- oder Zugeinwirkung stets wieder deren ursprüngliche Form an (Hobfoll, Stevens, & Zalta, 2015: S. 174 f.).
In den letzten 40 Jahren hat das akademische Interesse stets zugenommen, sodass sich heute zahlreiche Wissenschaftszweige mit dem Begriff befassen. Da der Be- griff Resilienz in ganz verschiedenen Fachrichtungen genutzt wird, existiert eine universell gültige Definition nicht (Martin-Breen & Anderies, 2011: S. 2). Eine wichtige Übereinstimmung in den unterschiedlichen Disziplinen besteht jedoch in der Begriffsverwendung im Hinblick auf einen erfolgreichen Umgang mit Störun- gen, widrigen Situationen, Schocks oder unerwarteten Ereignissen. Unter diesen Umständen drückt sich Resilienz insbesondere durch Anpassungsfähigkeiten oder Möglichkeiten zur Verminderung negativer Konsequenzen aus. Resilienz wird als breites Konzept betrachtet, das eine positive Anpassung eines dynamischen Sys- tems an jede Art von Herausforderungen oder Bedrohungen darstellt (Folke, Car- penter, Elmqvist, Gunderson, Holling, & Walker, 2002: S. 438). Gemeinsame Konzepte und Ideen erklären Kapazität, Komplexität, enge Verbindungen, Anpas- sung und Feedbacks der betrachteten Subjekte als wichtige Eigenschaften, um auf Veränderungen zu antworten (Brown & Westaway, 2011: S. 7 ff.). Zusammenfas- send lässt sich sagen, dass Resilienz im erfolgreichen Umgang mit exogenen Stö- rungen verwendet wird und eine disziplinübergreifende Definition nicht existiert. Die Entwicklung der Resilienzkonzepte fand in mehreren Forschungsphasen statt.
2.2 Resilienzforschung
Richardson (2002: S. 2) beschreibt in seiner Arbeit drei Wellen der Resilienzfor- schung. Die erste Welle konzentrierte sich besonders auf das Definieren und Mes- sen von Resilienz (Reich & Zautra, 2010: S. 214). Außerdem wurde hinterfragt, 3 welche Charaktereigenschaften Menschen besitzen, die in Krisen und Risikosituationen widerstandsfähiger sind. Hierbei vollzog sich eine Paradigmenverschiebung von einem defizitbasierten zu einem stärke- und kompetenzbasierten Ansatz (Richardson, 2002: S. 309 f.).
Als vielzitierte Grundsatzstudie der ersten Welle gelten die Untersuchungen von Werner und Smith (1982: S. 1-229). In der sogenannten Kauai-Studie begleitete das Forscherteam über 30 Jahre 700 Kinder, die 1955 auf der hawaiianischen In- sel geboren wurden. Etwa ein Drittel der Kinder wuchs unter sehr schwierigen Bedingungen auf, was die Forscher als Risikokindheit bezeichneten (Werner & Smith, 1982: S. 8-50). Zwei Drittel dieser Risikokinder wurden später verhaltens- auffällig oder straffällig. Im Unterschied dazu nahm ein Drittel der Risikokinder eine positive Entwicklung (Werner & Smith, 1982: S. 153-157). Werner und Smith gelangten zu der Erkenntnis, dass bestimmte resiliente Eigenschaften und Strategien das Ausbrechen aus schwierigen und widrigen Umständen ermögli- chen. Hierzu zählen z.B. Robustheit, soziale Verantwortung und gute Kommuni- kation (Werner & Smith, 1982: 50-229). Eine Auflistung von internen und exter- nen resilienten Charaktereigenschaften und Schutzfaktoren war folglich das Re- sultat der ersten Welle (Richardson, 2002: S. 308).
Während der zweiten Welle widmeten sich Forscher der Identifizierung und dem Verständnis von Prozessen, mit der man die zuvor identifizierten resilienten Cha- raktereigenschaften erlangen kann und die zu Resilienz führen. Resilienz wurde als Prozess im erfolgreichen Umgang mit Stressoren, Widrigkeiten und Verände- rungen beschrieben, der zum Identifizieren, Verstärken und Bekräftigen von Schutzfaktoren führt (Richardson, 2002: S. 308). Die dritte Welle der Resilienz- forschung resultierte im Resilienzkonzept. Dies beinhaltet interdisziplinäre Moti- vationsfaktoren, die man zum Bewältigen von Veränderungen und Krisen benötigt (Richardson, 2002: S. 308). Es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass einige Wissenschaftler noch eine vierte Welle der Resilienzforschung ausfindig gemacht haben. Diese Welle ist integrativ und fokussiert sich auf Verhaltensentwicklungen und Statistiken für ein besseres Prozessverständnis von Resilienz (Masten, 2001: S. 234 f.). Es ist ohne Frage, dass sich die Resilienzforschung fächerübergreifend auf die Theoriebildung und Identifikation von Resilienzfaktoren fokussiert.
3 RESILIENZ IN STÄDTEN ALS SOZIOÖKOLOGISCHE SYSTEME
3.1 Definitionen Urbaner Resilienz
Einige Wissenschaftler (Pincetl et al., 2014: S. 873) betrachten urbane Räume als SES, die durch interagierende biophysikalische und sozioökonomische Kompo- nenten oder soziale und technische Komponenten charakterisiert sind. Carpenter et al. (2012: S. 135 f.) definieren SES als verflochtene Systeme von Menschen und Natur, die in der Biosphäre eingebettet sind. Romero-Lankao, Gnatz, Wil- helmi und Hayden (2016: S. 2 f.) vertreten in ihrer Arbeit die Ansicht, dass die Definition von urbanen Räumen als SES großes Potenzial besitzt, um den wissen- schaftlichen Ansatz der urbanen Resilienz zu integrieren. Im Folgenden stütze ich mich auf diese Position.
Als Ursprung der modernen Resilienztheorie wird Hollings Artikel im Zusam- menhang mit SES angesehen (Davidson et al., 2016: S. 2). Holling (1973: S. 17 ff.) meint mit Resilienz die Fähigkeit eines SES, in Zeiten von Veränderungen weiter zu funktionieren und fortzubestehen. Davidson et al. (2016: S. 7 f.) be- leuchten Resilienz in verschiedenen theoretischen und disziplinarischen Traditio- nen der sozioökologischen Forschung, woraus sich die drei „Static urban“- (Da- vidson et al., 2016: S. 5), „Social-ecological urban“- (Davidson et al., 2016: S. 5) und „Evolutionary urban“- (Davidson et al., 2016: S. 6) Definitionen ergeben. Gemäß der „Static urban“- (Davidson et al., 2016: S. 5) Definition ist Resilienz die Fähigkeit einer Stadt, einer Reihe von Belastungen und Schocks standzuhal- ten, so dass physikalische, soziale, ökonomische und ökologische Untersysteme wieder in deren ursprüngliche Form zurückkehren können. Diese Subdefinition ist als Basisresilienz einzuordnen, da die Wiederherstellung des anfänglichen stabilen Zustandes bzw. Gleichgewichts höchstes Ziel ist. Parallel dazu wird der Begriff „Engineering Resilience“ (Holling, 1996a: S. 33) verwendet. Hingegen geht der „Social-ecological urban“- (Davidson et al., 2016: S. 5) Ansatz über den reinen Erhalt der ursprünglichen Identität hinaus und bezieht Anpassungsfähigkeit an Veränderungen und Selbstorganisation mit ein. Hier wird Resilienz als Fähigkeit eines urbanen Systems definiert, sich an interne und externe Veränderungsprozes- se durch das Reorganisieren der Untersysteme anzupassen. An dieser Stelle kann eine Stadt die negativen Einwirkungen einer Störung auf sie minimieren (David- son et al., 2016: S. 7 f.) Im Unterschied dazu ergibt sich der „Evolutionary ur- ban“- (Davidson et al., 2016: S. 6) Standpunkt aus einer Transformabilität und Wesensveränderung des Systems. Resilienz wird als die Fähigkeit von Städten bestimmt, auf durch interne oder externe Veränderungsprozesse hervorgerufene neue Anforderungen Antworten zu geben. Demnach können durch Lernen, An- passen, Reorganisieren und Transformieren seiner Untersysteme aus den neuen Möglichkeiten Vorteile gezogen werden (Davidson et al., 2016: S. 8).
Abschließend lässt sich sagen, dass urbane Resilienz derzeit oft im Kontext von Krisen und einer Rückkehr zu davor existierender Stabilität diskutiert und somit als Reaktion verstanden wird (Davidson et al., 2016: S.1). Im Gegensatz dazu legen Interpretationen urbane Resilienz antizipativer aus. In diesem Zusammen- hang umfasst Resilienz begriffliche Zusatzelemente von sozialer Natur, wie bei- spielsweise Vorbereitung auf Störungen, Resilienzaufbau und kollektive Kapazi- täten (Davidson et al., 2016: S. 7). Dazu tragen eine Vielzahl an Faktoren bei.
3.2 Dimensionen und Faktoren Urbaner Resilienz
Es wurden viele Versuche unternommen, um Resilienz und seine unterstützenden Faktoren in urbanen Räumen zu identifizieren und zu messen (Evans & Karecha, 2013: 4). Bouzarovski (2016: S. 1-12) macht darauf aufmerksam, dass drei Di- mensionen als Antwort auf unerwartete Ereignisse zu unterscheiden sind. Diese drei Dimensionen sind Flexibilität, der Grad der internen Beziehungen bzw. Inter- dependenzen des Systems und die Systemresilienz, um Vulnerabilitäten gegen- über Schocks messen zu können. Im Gegensatz dazu beobachtet Martin (2011: S. 16) die vier zusammenhängenden Dimensionen Resistenz, Erholung, Neuorientie- rung und Erneuerung. Resistenz ist die Reaktion auf einen Schock, unter Erholung versteht der Autor die Geschwindigkeit und den Grad der Regeneration, die Neu- orientierung umfasst das Ausmaß der Anpassung an Veränderungen und mit Er- neuerung ist das Niveau gemeint, wie die Stadt ihren ursprünglichen Zustand wie- deraufgenommen hat bzw. einen neuen Wachstumspfad verfolgt. Diese verschie- denen Aspekte können in unterschiedlicher Art und Weise miteinander interagie- ren und so verschiedene Resultate bewirken (Martin, 2011: S. 6).
Es lässt sich festhalten, dass viele Studien eigene Konzeptualisierungen und Indi- zes verwenden. Damit gibt es keine exklusive Liste an Faktoren, die Städte resili- ent machen. Die Kriterien schließen in mehreren Studien interdisziplinäre Zu- sammenarbeit, Widerstandsfähigkeit, Lernbereitschaft, Flexibilität, Redundanz, Innovation und Einfallsreichtum, Selbstorganisation und Anpassungs- und Trans- formationsfähigkeit ein (Beckmann, 2013: S. 7-13; Davidson et al., 2016: S. 7; Wink, 2016: S. 200 ff.). Somit ist urbane Resilienz keine Antwort auf eine einma- lige Krise, sondern umfasst permanentes Antizipieren und Angleichen (Hamel & Välikangas, 2003: S. 53). Zum Beispiel identifizieren Suárez, Gómez-Baggethun, Benayas und Tilbury (2016: S. 3-9) in ihrer Fallstudie zur Resilienz 50 spanischer Städte Schlüsselfaktoren, die die urbane Resilienz positiv beeinflussen. Die Auto- ren erfassen Vielfalt und Modularität des Business, abwechslungsreiche Raum- und Flächennutzung, Ernährungsvielfalt, modulare und durch Feedbacks ausge- zeichnete Selbstversorgung, sozialen Zusammenhalt und Innovation als Bestand- teile einer resilienten Stadt (Suárez, et al., 2016: S. 3-9).
Ein relativ neues Forschungsfeld beschäftigt sich mit der Antizipation multipler Risiken als Aufgabe von urbanen Systemen. Dabei sollen Abhängigkeiten zwi- schen den Risiken betrachtet werden, um deren Verkettung zu Krisen auf unter- schiedlichen räumlichen und zeitlichen Skalen zu verhindern (Komendantova, Scolobig, Garcia-Aristizabal, Monfort, & Fleming, 2016: S. 114). Grundsätzlich werden Risiken verglichen und eingeordnet, um die Entscheidungsfindung in Räumen zu unterstützen (Komendantova et al., 2016: S. 118). Das quantitative Bewerten zahlreicher Gefahren bietet nützliche Daten bei der Frage, ob ein Risiko akzeptierbar ist. Um urbane Resilienz schließlich zu erhöhen, bedarf es der naht- losen Verknüpfung der Bewertung multipler Risiken mit der Einbindung in Ent- scheidungsprozesse der urbanen Regierung (Komendantova et al., 2016: S. 118). An späterer Stelle werde ich darauf zurückkommen. Eine besondere Rolle nimmt die zuvor schon erwähnte Anpassungsfähigkeit als Faktor urbaner Resilienz ein. Dazu werden kontroverse Standpunkte vertreten. Einerseits definiert Gunderson (2000: S. 435) die Anpassungsfähigkeit von Städten als Robustheit gegenüber Neuerungen und Veränderungen, andererseits impliziert Anpassungsfähigkeit das Absorbieren von Veränderungen, was zu neuen Systemgleichgewichten und Si- cherheitsdomänen führen kann (Gallopín, 2006: S. 5386 f.). Diese Systemdyna- miken sind mit zahlreichen Prozessen im SES verbunden, die ich im Folgenden näher
3.3 Prozesse urbaner Resilienz
3.3.1 Gleichgewichtszustände Urbaner Systeme. Die Gleichgewichtszu- stände von Städten lassen sich neben einem Systemgleichgewicht mit einem ein- zelnen Zustand in ein Systemgleichgewicht mit mehreren Zuständen und ein dy- namisches Ungleichgewicht unterscheiden (Meerow, Newell, & Stults, 2016: S. 6). Holling (1996b: S. 33) verbindet mit dem Einzelzustand des Gleichgewichts die Fähigkeit eines Systems, zu dem stabilen Gleichgewichtszustand vor der Stö- rung zurückzukehren. Im Unterschied dazu kann ein System mit mehreren Gleichgewichtszuständen im Angesicht einer Störung von einer Sicherheitsdomä- ne in eine andere transformiert werden (Holling, 1996b: S. 33). Geht man von einem dynamischen Ungleichgewicht aus, dann unterliegen urbane Systeme ei- nem permanenten Wandel und besitzen keinen stabilen Zustand (Pickett, Ca- denasso, & Grove, 2004: S. 373). In einem dynamischen Ungleichgewicht ist Resilienz der Prozess der Verknüpfung von Ressourcen zu Ergebnissen (Bhamra et al., 2011: S. 5387). Überschreiten Städte in einem dynamischen Ungleichge- wicht deren Grenzen, so fallen sie in qualitativ verschiedene Zustände mit anders ablaufenden neuen Prozessen (Pickett et al., 2004: S. 374). In Bezug darauf be- zeichnet man resiliente urbane Systeme als „safe-to-fail“ (Ahern, 2011: S. 341) und nicht „fail-safe“ (Ahern, 2011: S. 341). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Wissenschaftler zur Auffassung urbaner Systeme mit mehreren Gleichge- wichtszuständen oder einem dynamischen Ungleichgewicht tendieren (Meerow et al., 2016: S. 43). Die ablaufenden Prozesse je nach Gleichgewichtszustand be- schreiben die Dynamiken eines urbanen Systems jedoch noch recht allgemein.
3.3.2 Adaptive Cycle und Panarchy. Die beiden theoretischen Konzepte „Adaptive Cycle“ (Gunderson & Holling, 2002: S. 32 f.) und „Panarchy“ (Gun- derson & Holling, 2002: S. 14) eignen sich besser, um Dynamiken in urbanen Räumen als SES zu schildern. Der Anpassungskreis (Abbildung 1) repräsentiert die Dynamiken durch die vier Phasen Wachstum (r Phase), Bewahrung (K Phase), Zerstörung (Ω Phase) und Reorganisation (α Phase) und bietet durch die Verknüp- fung von Systemorganisation, Resilienz und Dynamiken einen sehr ausführlichen Blick auf Systemdynamiken (Gunderson & Holling, 2002: 33 f.). In der α Phase weist das System hohes Potenzial und viele verfügbare Ressourcen auf. Pioniere nutzen sich bietende Möglichkeiten, sodass erste Systemdynamiken- und interak- tionen Gestalt annehmen. Damit bildet die α Phase Innovation und Restrukturie- rung ab (Gunderson & Holling, 2002: 41 ff.). Gleichzeitig ist sie aber auch die Bedingung für größte Ungewissheit - einerseits sind unerwartete Formen der Er- neuerung und andererseits unerwartete Krisen denkbar (Gunderson & Holling, 2002: S. 43). Die sich anschließende Wachstumsphase (r) wird durch verfügbare Ressourcen, eine Anhäufung der Struktur und hohe Resilienz charakterisiert (Walker, Gunderson, Kinzig, Folke, Carpenter, & Schultz, 2006: S. 2). Die hohe Resilienz erlaubt ein Experimentieren mit neuen Kombinationen, da die system- weiten Kosten des Scheiterns zu diesem Zeitpunkt sehr gering sind (Gunderson & Holling, 2002: S. 40). Interaktionen und Dynamiken beschleunigen sich, wodurch dem System eine Kräftemobilisierung gelingt. Im Anschluss daran kommt es zu einer langsamen, inkrementellen Phase des Wachstums und der Akkumulation als eine von zwei Hauptphasen des Anpassungskreises (Gunderson & Holling, 2002: S. 43). Hieraufhin beginnt die K Phase, in der sich das Wachstum verlangsamt, die Stabilitätsdomäne abnimmt und das mit sinkender Resilienz einhergeht. Die Stadt als ein SES wird zunehmend komplexer, weniger flexibel und anfälliger für externe Schocks. Feste Beziehungen und Muster des sozialen Ausschlusses treten verstärkt auf (Walker et al., 2006: S. 2). Die K Phase geht schließlich in die Ω Phase über, in der das System zerstörerisches Potenzial entfaltet und letzten Endes seinen internen Widersprüchen, Konflikten und einer Druckentlastung unterliegt (Gunderson & Holling, 2002: S. 34). Die Freisetzung der verflochtenen Ressour-
ABBILDUNG 1
Anpassungskreis eines Urbanen Raums
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von Gunderson und Holling (2002: S. 34)
cen und eine Ausdehnung der Resilienz eröffnet in der Folge beim Übergang von Ω zu α neue Möglichkeiten für Transformation, Reorganisation oder Erneuerung. Somit beginnt der Anpassungskreis mit der Alpha-Phase wieder von vorne. Die darauf folgende Wachstumsphase kann gegenüber der ersten Wachstumsphase sehr ähnlich, aber auch sehr unterschiedlich sein (Walker et al., 2006: S. 2). An dieser Stelle muss man besonders die Natur der Resilienz betonen, die sich wäh- rend dem Zyklus ausweitet und wieder schrumpft und deshalb verschiedene Si- cherheitsdomänen des Systems bewirkt. Wenn das System reifer wird, verringert sich dessen Resilienz und wird krisenanfälliger. Wenn das System zusammen- bricht, dann eröffnen sich neue Möglichkeiten (Gunderson & Holling, 2002: S. 41). Der Anpassungskreis war zunächst nur ein Ökosystem-Modell, wird mittler- weile aber auch auf SES übertragen (Walker et al., 2006: 2). Allerdings liegt der Fokus des Modells nur auf einer einzigen Skala, was ein Verständnis und Mana- gen des gesamten Systems unmöglich macht (Gunderson, 2000: S. 425-436).
Um diesen Widerspruch zu lösen, entwickelten Gunderson und Holling (2012: S. 3-14) das Panarchie-Modell, in dem die Phasen des Anpassungskreises nicht nach festgelegter Reihenfolge ablaufen müssen und Systeme mit mehreren Zirkeln funktionieren. Das Panarchie-Modell beschreibt, wie sich komplexe Systeme aus Menschen und Natur dynamisch organisieren und über verschiedene Skalen von Freiraum und Zeit strukturieren (Allen, Angeler, Garmestani, Gunderson, & Hol- ling, 2014: S. 578). Das Konzept ist eine Erweiterung des Anpassungskreises, da dynamische und entwicklungsmäßige Interaktionen zwischen SES und verschie- dene Hierarchiestufen zusätzlich einbezogen werden (Allen et al., 2014: S. 580). Es umfasst die vier Phasen Wachstum, Bewahrung, Zerstörung und Reorganisati- on in gleicher Art und Weise wie beim Anpassungskreis. Es finden Interaktionen zwischen größeren, sich langsam bewegenden, und kleineren, sich schnell bewe- genden Anpassungszyklen statt. So können die Systeme innovativ und effizient bzw. eng verbunden und frei sein. Trotz der Verschiedenheit der Systeme kommt es zu Wechselbeziehungen. Jede Einheit operiert dabei auf einer individuellen Skala von Freiraum, Zeit und sozialer Organisation (Gunderson & Holling, 2002:
S. 295 f.). Auf einer strukturellen Skala führen Erneuerungen zu einer höheren Anpassung und so auch zu mehr Resilienz auf einem höheren hierarchischen Le- vel. Somit ist Resilienz mit Anpassungsfähigkeit gleichzusetzen. Je besser sich das System anpasst, desto stärker ist die Resilienz (Allen et al., 2014: S. 581 ff.).
Das setzt allerdings voraus, dass sich Systeme ändern, um sich besser anpassen zu können. Die Anpassungsfähigkeiten eines urbanen Gesamtsystems sind eng damit verknüpft, dass die Untersysteme Zyklen der Erneuerung durchlaufen. Die Anpas- sung impliziert eine Erneuerung, welche als Resultat der kreativen Destruktion angesehen werden kann (Gunderson & Holling, 2002: S. 295 f.). Man kann also zum Schluss kommen, dass Panarchie ein verschachtelter Satz vieler Anpassungs- kreise ist, die auf jeweils eigenständigen Skalen operieren (Allen et al., 2014: S. 580). An dieser Stelle muss man besonders betonen, dass Resilienz ein sich stän- dig verändernder Prozess ist und keinen festen Bestand hat. Außerdem kommt es zur Resilienz, wenn das System Störungen oder Belastungen ausgesetzt ist (Da- voudi et al., 2012: S. 304). Die Resilienz urbaner System betrifft eine Vielzahl an Skalen und Konfigurationen, sodass genau beschrieben werden muss, für wen Resilienz charakterisiert wird und wer über Resilienz entscheidet (Vale, 2014).
3.4 Sonderfaktoren
3.4.1 Normativität und Zielkonflikte. Das Aussehen einer Stadt als resilien- tes SES kann in Abhängigkeit von Werten, Zielen und Interessen unterschiedlich ausfallen (Pelling & Manuel-Navarrete, 2011: S. 10). Es ist nützlich, mit einem Beispiel aus Sri Lanka zu beginnen (Klein, 2007: S. 8). Nach dem Tsunami 2004 befürwortete die Regierung den Betonbau von Luxusressorts an der zerstörten Küstenlinie und verkündete im Sinne einer resilienten Sichtweise, dass die Natur- katastrophe auch eine einzigartige Chance für Sri Lanka sein kann: „In a cruel twist of fate, nature has presented Sri Lanka with a unique opportunity, and out of this great tragedy will come a world class tourism destination." (Rice, 2005: S. 11). Durch den Betonbau erreiche man eine längere Haltbarkeit und höhere Wi- derstandsfähigkeit, was zur Resilienz der Küste Sri Lankas gegenüber zukünftigen Tsunamis beitrage (Klein, 2007: S. 8). Ausländische Investoren und internationale Kapitalgeber hatten sich zusammengefunden, um die zerstörte Küste Unterneh- mern zu überreichen, währenddessen die Einwohner der Fischerhäuser, gering verdienende Fischerfamilien, am Wiederaufbau ihrer zerstörten Häuser gehindert wurden. Die Familien hätten ins Inland umgesiedelt werden müssen, sodass man sie ihrer Heimat beraubt hätte (Klein, 2007: S. 8). Wie der Fall gezeigt hat, kann die verstärkte Resilienz der Bauwerke gegenüber zukünftigen Katastrophen die Vulnerabilität an anderer Stelle, in diesem Fall die der gering verdienenden Fi- scher, bewirken. Nicht alle Stakeholder können in gleichen Anteilen von resilienzbasierten Handlungen profitieren, vereinzelt führt das Konzept auch zu systemischer Ungerechtigkeit (MacKinnon & Derickson, 2013: S. 6).
Sozialwissenschaftler werfen daher die Frage auf, für wen und für was Resilienz verwendet wird (Davoudi et al., 2012: S. 13). Einige Wissenschaftler üben an der normativen Gestaltung der Resilienz Kritik. Kritisiert werden Normen, die den wünschenswerten Zielzustand von Resilienz auf der Grundlage individueller An- nahmen und Anschauungen festlegen (Lackey, 2001: S. 438 ff.). Dadurch kommt es zu Zielkonflikten. Beispielsweise vertritt Brown (Brown, 2011: S. 29) die nor- mative Auffassung, dass für eine langfristige Verteilungsgerechtigkeit eine Re- konfiguration der SES benötigt wird. In diesem Verständnis umfasst Resilienz einen sozialen Wandel. Im Unterschied dazu verbinden andere Wissenschaftler Resilienz mit sozialer Stabilität (MacKinnon & Derickson, 2013: S. 253-270). Olsson, Jerneck, Thoren, Persson und O'Byrne (2015: S. 6) sehen Resilienz im Angesicht von sozialem Wandel konservativ und verbinden es mit Funktionalis- mus.
In Definitionen, die von einem einzelnen Gleichgewichtszustand ausgehen, wird Resilienz als positives Konzept des Zurückkehrens zu einem sicheren Zustand vor der Störung beschrieben (Campanella, 2006: S. 142; Holling, 1996b: S. 733). An- dere Forscher stellen die Frage, ob Resilienz im Sinne des gleichgewichtsfokus- sierten Verständnisses überhaupt erstrebenswert ist, wenn Zustände vor der Stö- rung nicht wünschenswert waren (Scheffer, Carpenter, Foley, Folke, & Walker, 2001: S. 592). Folke, Hahn, Olsson und Norberg (2005: S. 444) beschreiben im Kontext des Managements natürlicher Ressourcen einen Widerspruch zwischen Resilienz im ökologischen und sozioökologischen Sinn. So kann ein Ökosystem, im Beispiel ein trüber See, unerwünschte Schwellenwerte überschreiten und als ökologisch vulnerabel deklariert werden. Andererseits unterstreicht die hohe An- passungsfähigkeit der Akteure eine sozioökologische Resilienz, wenn sie den trü- ben See verändern und wieder in Stand setzen (Folke et al., 2005: S. 444). Man kann also zum Schluss kommen, dass die Worte wie „erwünscht“ und „erstre- benswert“ nur im Rahmen spezieller Normen oder spezifischer Akteure genannt, oder bei Ausbleiben solch eines Rahmens vermieden werden sollten (Hahn & Nykvist, 2017: S. 12). Eine bedeutende Rolle bei der Determinierung von resilien- ten Zielen und der Gestaltung von Resilienzkampagnen spielt die städtische Re- gierung (Cote & Nightingale, 2012: S: 9). Das führt uns zum Punkt der Urban Governance.
3.4.2 Urban Governance. Um die Art und Weise von Transformation und Anpassung in einer Stadt zu verstehen, ist die Analyse beteiligter Behörden und Akteure unabdingbar. Miteinander konkurrierende Interessen ergeben sich aus unterschiedlichen Zielen, Mittelmaßen und Trade-Offs von Resilienz (Hahn & Nykvist, 2017: S. 12). Vale (2014: S. 200) kommt zu dem Schluss, dass unter politischer Beteiligung aller relevanten Bürger an der Diskussion und der Gestal- tung von Resilienz in urbanen Räumen Lebensbedingungen verbessert werden können. Die Regierung nimmt dennoch eine federführende Rolle ein. Eine städti- sche Regierung soll die Fähigkeit besitzen, plötzliche und unvorhersehbare Krisen abprallen zu lassen oder sich daran anzupassen (Vale, 2014: S. 548 ff.). Zu ihren Aufgaben gehört das Schützen der Bürger, das Offenhalten von Optionen, eine regionale anstatt einer lokalen Sichtweise auf Ereignisse und das Fördern von He- terogenität (Bouzarovski, 2016: S. 1-288).
In einer Studie über Regierungssysteme natürlicher Risiken in Frankreich und Italien fordern die Autoren eine Multi-Risk-Governance als weitere Aufgabe der Urban Governance (Komendantova et al., 2016: S. 115). Der Ansatz diskutiert, wie Informationen über Mehrgefahren generiert, den Ausübenenden kommuni- ziert und in Mehrgefahren-Managementprozessen eingebunden und verwertet werden. Ein System kann nicht resilienter werden, wenn neues Wissen nicht rich- tig den Entscheidungsträgern kommuniziert wird (Komendantova et al., 2016: S. 118). Die Implementierung von Resilienzstrategien kann dabei durch institutionel- le Strukturen gehindert oder vorangetrieben werden (z.B. Zentralisierung der Ent- scheidungsfindungsprozesse, Verantwortungsteilung für Risikominderung und Management unter Stakeholdern) (Komendantova et al., 2016: S. 118 f.). Einen Schlüsselfaktor der Multi-Risk-Governance macht die vertikale und horizontale Aufteilung der Risiken aus. So wurden in Neapel verschiedene Risikotypen an unterschiedliche Regierungsebenen adressiert, den zuständigen Behörden fehlte es aber trotz der hohen Verantwortlichkeiten an Kapazitäten und Ressourcen (Komendantova et al., 2016: S. 125). Auf horizontaler Ebene wurden verschiede- ne Verantwortungslevel auf mehrere Stakeholder aufgeteilt, weshalb es zu Kom- munikationsschwierigkeiten zwischen öffentlichen und privaten Akteuren kam (Komendantova et al., 2016: S. 125). Daher fordern die Autoren eine bessere
Kommunikation zwischen den Behörden und eine dezentralisierte Risikoregie- rung, die die Kooperation zu Risikothemen zwischen Experten verschiedener Be- reiche und lokaler Gemeinschaften ermutigen kann (Komendantova et al., 2016: S. 125 f.). Multi-Risk-Approaches haben zweifellos das Potenzial, beim Aufbau von Resilienz in Gemeinschaften und Institutionen eine signifikante Rolle zu spielen (Komendantova et al., 2016: S. 126).
Einen interessanten Beitrag leistet eine Studie über die Resilienz der Urban Governance für die Vorbereitungen der olympischen Winterspiele 2010 in Van- couver (Boyle, 2012: S. 351). Die drei Hauptaspekte Visualisieren der Städte, Planen für das Schlimmste und vernetzte Regierung sollten die Resilienz der Stadt erhöhen. Bei der Visualisierung der Stadt geht es um das Aufzeigen von Vulnera- bilitäten, um die Bereitschaft der Zivilgesellschaft zu erhöhen (Collier & Lakoff, 2008: S. 7-28). Mit der Methode des „Vulnerability Mapping“ (Boyle, 2012: S. 356) konnte eine Reihe von Vorgängen, die Städte als Orte verflochtener Vulne- rabilitäten und Gefahren aufzeigen, skizziert werden. Beispielsweise wurde spiel- ähnlich simuliert, wie sich ein Atomschlag auf die Hauptverkehrsadern von Van- couver auswirken würde (Boyle, 2012: S. 356). Die Planung für das Schlimmste wurde zum Kerninstrument für den Umgang mit der unsicheren Zukunft (Boyle, 2012: S. 358). Es umfasste das Inszenieren von in der Öffentlichkeit stehenden Sicherheitsübungen und Übungen zur öffentlichen Sicherheit durch Tischspiele, Computersimulationen und Liveproben. Natürlich musste die Planung auch mit pragmatischen Überlegungen abgeglichen werden (Boyle, 2012: S. 358). Schließ- lich erforderte der Aufbau von Resilienz eine Koordination unter vielen verschie- denen Akteuren, damit der Einfluss widriger Ereignisse nicht durch Management- Versagen verschlimmert wird (Boyle, 2012: S. 360). Für die vernetzte Regierung nahm die Kommunikation eine zentrale Rolle ein. Einerseits untersuchte man ma- terielle und technische Aspekte zur Weitergabe von Informationen zwischen ein- zelnen Akteuren. Andererseits wurden institutionelle Strukturen optimiert, die die Koordination zwischen Behörden förderten (Boyle, 2012: S. 360). Für Vancouver wurde das Incident Command System (ICS) eingeführt, was eine gemeinsame aufgabenbasierte organisationale Struktur abgibt und Rollen und Verantwortlich- keiten zur Koordination mehrgerichtlicher Umwelten definiert (Boyle, 2012: S. 361). Schließlich wurde die Olympischen Spiele im Vergleich zu anderen Großer- eignissen ohne Katastrophen und größere Sicherheitsbedenken erfolgreich ausgetragen (Boyle, 2012: S. 364).
In einem anderen Fallbeispiel wurde untersucht, warum die Stadt München so resilient und erfolgreich ist (Evans & Karecha, 2013: S. 1259). Kernmaßnahmen der städtischen Regierung zur Resilienzsteigerung boten die Errichtung und Etab- lierung renommierter öffentlicher Bildungseinrichtungen, hochentwickelte und zielgerichtete Innovations- und Technologieprogramme, die Sicherung staatlicher Ressourcen für wichtigen Transport und Infrastruktur, die Förderung zukunftsori- entierter Sektoren, freiwillige Trainingsmöglichkeiten für sozial Ausgegrenzte und eine umweltnachhaltige Entwicklung (Evans & Karecha, 2013: S. 1265- 1271). Schließlich hat sich München auch wegen der städtischen einflussreichen Innovationssysteme, einer effektiven Regierung auf zahlreichen Leveln, Politik- kontinuität und anhaltenden Verbesserungen der physischen und menschlichen Infrastruktur als resiliente Stadt etabliert (Evans & Karecha, 2013: S. 1275 f.).
4 RESILIENZ IN DER PSYCHOLOGIE
4.1 Definitionen Psychologischer Resilienz
In den psychologischen Disziplinen ist eine präzise definitorische Bestimmung von Resilienz kaum möglich. Der Begriff Resilienz ist vielmehr ein Gerüst, wel- ches sich aus diversen Interaktionsprozessen der verschiedensten Einflussgrößen ergibt (Wink, 2016: S. 30). Bestehende Definitionen determinieren Resilienz als Prozess, Eigenschaft oder Ergebnis (Pietrzak & Southwick, 2011: S. 561). Wei- terhin unterscheiden Wissenschaftler oftmals zwischen der Präsenz und Abwe- senheit von Resilienz. Am wahrscheinlichsten existiert Resilienz als Kontinuum und äußert sich in verschiedenen Ausmaßen über mehrere Lebensetappen hinweg (Pietrzak & Southwick, 2011: S. 561 f.). Die American Psychological Association definiert Resilienz folgendermaßen: „the process of adapting well in the face of adversity, trauma, tragedy, threats, or even significant sources of stress“ (Ameri- can Psychological Association, 2014). Die Definition bringt zum Ausdruck, dass Resilienz als Anpassungsprozess in schwierigen und bedrohlichen Situationen angesehen werden kann. Richardson (2002: S. 308) fügt dem hinzu, dass das Be- wältigen widriger Ereignisse in der Identifikation und Verstärkung von Schutzfak- toren mündet(Richardson,È. Eine etwas andere Perspektive wählen Block und Kremen (1996: S. 351), die Resilienz als dynamischen Prozess einer Person ver- stehen. Dieser Prozess äußert sich in Form einer Antwort auf Ereignisse des sozia- len Umfelds, um das Systemgleichgewicht zu erhalten oder zu verbessern (Block & Kremen, 1996: S. 351). Da Resilienz ein sich stetig änderndes und bewegendes Phänomenen ist, verläuft es kontextabhängig und dynamisch (Aburn, Gott, & Ho- are, 2016: S. 985). Viele Wissenschaftler der Psychologie verstehen Resilienz hingegen als individuelle Eigenschaft von Personen, die trotz hochgradigem Stress nicht (psychisch) krank werden (Kobasa, 1979: S. 3). Smith, Dalen, Wig- gins, Tooley, Christopher und Bernard (2008: S. 199) beschreiben außerdem ei- nen resilienten Typ. Einige Sozialpsychologen bestimmen sogar resilienzver- wandte Eigenschaften, wie z.B. Widerstandsfähigkeit (Contrada, 1989: S. 896). Resilienz als Eigenschaft umfasst eine Konstellation von Charakteristiken, durch welche sich das Individuum besser an sich ändernde Lebensumstände anpassen kann (Connor & Davidson, 2003: S. 77 f.). Resilienz als transaktionales Ergebnis ergibt sich aus individuellen Attributen und Umständen der Umwelt (Fraser, Ga- linsky, & Richman, 1999: S. 137). Resilienz ist ein wünschenswertes Ergebnis nach dem Elend (Norris, Tracy, & Galea, 2009: S. 2195).
In einem Review identifizieren Aburn, Gott und Hoare (2016: S. 985) fünf wich- tige Schlüsselthemen, die den psychologischen Definitionen von Resilienz unter- liegen. Das erste Schlüsselthema ist das Überstehen und Heranwachsen. Resilienz sei demnach ein Prozess, Widrigkeiten zu überstehen und durch die Krisenbewäl- tigung heranzuwachsen (Aburn et al., 2016: S. 991). Überdies sind Anpassung und Angleichung ein wichtiges Thema, durch die Individuen auf eine positive Art auf Herausforderungen antworten können (Aburn et al., 2016: S. 994). Ein weite- res Schlüsselelement ist die Erkenntnis, dass Resilienz ein alltägliches Merkmal darstellt, welches jedem Menschen angeboren ist. Ein Messen und Quantifizieren von Resilienz gestaltet sich daher schwierig (Aburn, Gott, & Hoare, 2016: S. 994). Ein oft genanntes Thema war zusätzlich mentale Gesundheit als Stellvertre- ter von Resilienz. Die Autoren deuten Resilienz als mentale Immunität, die Indi- viduen vor Infektionen und Krankheiten schützt (Aburn et al., 2016: S. 994). Eine letzte Schlüsselkomponente der Definitionen ist die Fähigkeit, sich von einer schwierigen Zeit zu erholen und zu Gesundheit und Wohlbefinden zurückzufin- den (Aburn et al., 2016: S. 994). Wie der Abschnitt gezeigt hat, ist Resilienz in der Psychologie nicht nur eine Eigenschaft, sondern ein spezifischer Weg zum Handeln und Orientieren (Duchek, 2014: S. 13487). Resilienzfaktoren sollten immer in Verbindung zu ihrer spezifischen Funktion betrachtet werden (Fletcher & Sarkar, 2013: S. 15).
4.2 Dimensionen und Faktoren Psychologischer Resilienz
Die Untersuchung von Resilienz bei Kindern und Erwachsenen im Kontext von chronischen und akuten Lebensereignissen fassen Bonanno und Diminich mit den beiden Begriffen “emergent resilience“ (Bonanno & Diminich, 2013: S. 1) und “minimal-impact resilience“ (Bonanno & Diminich, 2013: S. 1) zusammen. Die beiden Resilienzmuster sind als Antworten auf widrige Lebensumstände zu ver- stehen. Die emergent resilience folgt auf ein chronisch widriges Ereignis, während die minimal-impact-resilience nach einem akuten, aversiven Ereignis auftritt (Bonanno & Diminich, 2013: S. 3 f.). Die emergent resilience wurde vorwiegend bei Kindern und Jugendlichen als nicht-linearer, dynamischer Prozess beobachtet, der sich aus einem Zusammenspiel von externen, biologischen, genetischen und psychologischen Faktoren ergibt (Egeland, Carlson, & Sroufe, 1993: S. 517). Da sie im Verlauf der chronischen Belastungsphase nur schwer zu beobachten ist, taucht Resilienz erst im Nachhinein auf und wird deshalb als “emergent“ bezeich- net (Bonanno et al., 2015: S. 145). Ein passendes Beispiel dieses ersten Resilien- zmusters ist die in der Begriffsbestimmung von Resilienz angesprochene Lang- zeitstudie von Emmy Werner, da Kinder mit chronischem Stress später zu kompe- tenten, selbstbewussten und fürsorglichen jungen Erwachsenen heranwuchsen (Werner, 1993: S. 504 ff.). Im Gegensatz dazu führen akute Ereignisse zu tempo- rären Störungen der normalen Funktionsweise, allerdings kommt es zu einer rela- tiv schnellen Rückkehr zum Grundlevel der Anpassung (Bonanno, 2004: S. 20 f.). Daher zeigt sich das resiliente Ergebnis eher und ist durch flüchtige Symptome und minimale Not einerseits, und durch den stabilen Verlauf der positiven Anglei- chung vor bis nach Eintreten des widrigen Ereignisses andererseits, gekennzeich- net (Bonanno, 2004: S. 20).
Umfangreiche Reviews bieten konsistente wissenschaftliche Kenntnisse über die Faktoren individueller Resilienz. Resiliente Ergebnisse ergeben sich aus einer großen Anzahl von Prädiktoren, wobei einige stabiler als andere sind (Bonanno et al., 2007; Hobfoll, 2002: S. 315 ff.). Zu den Prädiktoren der emergent resilience, die hauptsächlich bei Kindern und Jugendlichen beobachtet wurden, zählen Fakto- ren aus dem sozialen Umfeld, wie eine stabile Wohnsituation und gute Beziehun- gen, sowie individuelle und genetische Variablen. Diese umfassen Fähigkeiten zur Problemlösung, Selbstwertgefühl, ein positives Selbstbild und die Dominanz eini- ger genetischer Variationen, die den Einfluss widriger Lebensereignisse mildern (Bonanno et al., 2015: S. 150 f.). Richardson (2002: S. 309 f.) bestimmt zusätzlich die kognitive Neubeurteilung und aktives Coping, eine Verhaltenstechnik zur Stressreduktion, als Faktoren psychologischer Resilienz. Der interaktive Prozess der Charakteristiken fördert einen starken, optimistischen Glauben an die eigenen Fähigkeiten und das Selbstvertrauen. Schließlich unterstützt die Flexibilität kogni- tiver Abläufe und emotionaler Regulation die emergent resilience (Bonanno et al., 2015: S. 151). Die Kompetenzen und Beziehungen zur Stärkung der Resilienz müssen von Jugendlichen durch das Lernen aus Erfahrungen entwickelt werden (Hauser, Allen, & Golden, 2006: S. 261).
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- Citation du texte
- Florian Leonhardt (Auteur), 2017, Resilienz. Ein Vergleich in verschiedenen Disziplinen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/418548
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