Einleitung
1.1 Entwicklungspolitik von Bretton-Woods bis heute
Internationale multilaterale Entwicklungszusammenarbeit begann nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Gründung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) 1945 als Ergebnis der Konferenz von Bretton-Woods 1944. Liberale und neoklassische Wirtschaftstheorien prägten die Anfänge der Entwicklungshilfe und im Rahmen modernisierungstheoretischer Überlegungen konzentrierte sich die Weltbank vor allem auf kapital- und technologieintensive Infrastrukturprojekte (Staudammbauten etc.). In den 60er Jahren rückten die aufkommenden Dependenztheorien die Rolle des Staates in den Mittelpunkt des Interesses und sektorale Programme wurden zunehmend gefördert. "Grundbedürfnisorientierung" und "investment in the poor" sind Schlagworte der Entwicklungspolitik der 70er Jahre. Die Armutsbekämpfung wurde unter Weltbankpräsident Mc Namara erstmals explizites Ziel der Weltbankpolitik. Auf Makroebene sorgte ab 1980 die Einführung der Strukturanpassung für weitreichende wirtschaftliche Reformen und zunehmende Minimalisierung des Staates. Anfang der 90er wurde deutlich, dass ein liberaler Markt allein nicht in der Lage ist, positive wirtschaftliche und soziale Entwicklung gleichberechtigt zu steuern. Die Entwicklungspolitik von heute hat die Bedeutung sozialer Entwicklungsaspekte sowie die Rolle des Staates im Entwicklungsprozess neu erkannt und definiert.
Die vorliegende Arbeit wird sich mit der Entwicklungspolitik der Weltbank seit den 80er Jahren beschäftigen. Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei die Entwicklung der Paradigmen seit den 90er Jahren. Der "neue Entwicklungsansatz", der eine Abkehr vom 1980 getroffenen Washington Consensus impliziert, soll vorgestellt und seine einzelnen Komponenten näher betrachtet werden. Die Arbeit wird sich zudem mit dem Ende der 90er Jahre vom Weltbankpräsidenten Wolfensohn entwickelten "Comprehensive Development Framework" (CDF) beschäftigen, das einen Versuch der Operationalisierung der neuen Entwicklungsparadigmen darstellt. Abschließend sollen diese theoretischen Überlegungen in ihrer Anwendung auf die Praxis kritisch betrachtet werden
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Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Entwicklungspolitik von Bretton-Woods bis heute
2 Entwicklungspolitik nach dem Washington Consensus
2.1 Strukturanpassung in den 80er Jahren
2.2 Kritik und Schwächen des Programms
2.2.1 Inhaltliche Kritik 5
2.2.2 Methodische Kritik 6
3 Aktuelle weltweite Entwicklungstrends
4 Neuorientierung: Vom Paradigma des Washington Consensus zum holisti-schen Entwicklungsbegriff
4.1 Abkehr vom Washington Consensus
4.2 Neue Elemente der Entwicklung
4.2.1 Menschliche Entwicklung
4.2.2 Kooperation und Koordination
5 „The State in a changing world“ – Der Good-Governance Ansatz
5.1 Die Afrikastudie – Anfänge des Konzepts
5.2 Die Neudefinition des Staates – Das Good Governance Konzept der Weltbank
6 Das „Comprehensive Development Framework“ (CDF)
6.1 Grundlage
6.2 Idee
6.3 Prinzipien
6.4 Aufbau
7 Kritik und Fazit
8 Literatur
1 Einleitung
1.1 Entwicklungspolitik von Bretton-Woods bis heute
Internationale multilaterale Entwicklungszusammenarbeit begann nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Gründung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) 1945 als Ergebnis der Konferenz von Bretton-Woods 1944. Liberale und neoklassische Wirtschaftstheorien prägten die Anfänge der Entwicklungshilfe und im Rahmen modernisierungstheoretischer Überlegungen[1] konzentrierte sich die Weltbank vor allem auf kapital- und technologieintensive Infrastrukturprojekte (Staudammbauten etc.). In den 60er Jahren rückten die aufkommenden Dependenztheorien[2] die Rolle des Staates in den Mittelpunkt des Interesses und sektorale Programme wurden zunehmend gefördert. „Grundbedürfnisorientierung“ und „investment in the poor“ sind Schlagworte der Entwicklungspolitik der 70er Jahre. Die Armutsbekämpfung wurde unter Weltbankpräsident Mc Namara erstmals explizites Ziel der Weltbankpolitik.[3] Auf Makroebene sorgte ab 1980 die Einführung der Strukturanpassung für weitreichende wirtschaftliche Reformen und zunehmende Minimalisierung des Staates. Anfang der 90er wurde deutlich, dass ein liberaler Markt allein nicht in der Lage ist, positive wirtschaftliche und soziale Entwicklung gleichberechtigt zu steuern. Die Entwicklungspolitik von heute hat die Bedeutung sozialer Entwicklungsaspekte sowie die Rolle des Staates im Entwicklungsprozess neu erkannt und definiert.
Die vorliegende Arbeit wird sich mit der Entwicklungspolitik der Weltbank seit den 80er Jahren beschäftigen. Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei die Entwicklung der Paradigmen seit den 90er Jahren. Der „neue Entwicklungsansatz“, der eine Abkehr vom 1980 getroffenen Washington Consensus impliziert, soll vorgestellt und seine einzelnen Komponenten näher betrachtet werden. Die Arbeit wird sich zudem mit dem Ende der 90er Jahre vom Weltbankpräsidenten Wolfensohn entwickelten „Comprehensive Development Framework“ (CDF) beschäftigen, das einen Versuch der Operationalisierung der neuen Entwicklungsparadigmen darstellt. Abschließend sollen diese theoretischen Überlegungen in ihrer Anwendung auf die Praxis kritisch betrachtet werden
2 Entwicklungspolitik nach dem Washington Consensus
2.1 Strukturanpassung in den 80er Jahren
Die Entwicklung der Strukturanpassungs- und Sektoranpassungsprogramme ist vor dem Hintergrund der ersten großen Verschuldungskrise der Entwicklungsländer Ende der 70er, bzw. Anfang der 80er Jahre zu sehen. Ausgangspunkt ist eine makroökonomische und gesamtwirtschaftliche Krise und der Ruf der verschuldeten Entwicklungsländer nach erweiterten Krediten zur Verbesserung der nationalen ökonomischen Situation. Diese gewünschten Kredite wurden von der Weltbank jedoch nur in Form sogenannter Strukturanpassungs- bzw. Sektoranpassungskredite in Verbindung mit verschiedenen wirtschaftpolitischen Auflagen an das Nehmerland vergeben.[4] Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „ Konditionalität “.[5]
Die Strukturanpassung beinhaltet ein ordnungspolitisches Programm zur wirtschaftlichen Stabilisierung eines Landes. Ziel des Programms ist die Wiederherstellung bzw. Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und damit die Erhöhung der Kreditwürdigkeit und der Attraktivität für Investoren.[6] Daher muss zum einen kurzfristig das makroökonomische Gleichgewicht wiederhergestellt werden, indem „die inländische Absorption (Konsum und Investition) an die vorhandenen Ressourcen angepasst wird“[7] und zum zweiten mittel- bis langfristig die Angebotsbedingungen verbessert werden.
Die Instrumente zur Erreichung der Ziele orientieren sich an dem Leitbild des Washington Consensus. Sie umfassen die Einführung marktwirtschaftlicher Strukturen, die Privatisierung von Staatseigentum und den Rückzug des Staates im allgemeinen sowie die Liberalisierung und Förderung des Außenhandels.[8] Trotz vieler Modifikationen des Programms sind diese Kernelemente der Strukturanpassung bis heute erhalten geblieben.
Struktur- und Sektoranpassungsprogramme wurden 1980 von IWF und Weltbank eingeführt und obwohl den Institutionen unterschiedliche Aufgabenbereiche zugewiesen waren, rückten die Inhalte der Arbeit und damit auch IWF und Weltbank zunächst immer enger zusammen.[9]
2.2 Kritik und Schwächen des Programms
2.2.1 Inhaltliche Kritik
Die Kritik an der Strukturanpassung ist so alt, wie das Programm selbst. Sie kam zunächst vorwiegend aus der NGO-Szene[10] und bezog sich sowohl auf den theoretischen Ansatz, der Grundlage des Programms ist, also das Leitbild des Washington Consensus, als auch auf die Art der Implementierung der Reformen.
Grundsätzlich ist die Konditionalität der Struktur- und Sektoranpassungskredite für eine Identifizierung der Nehmerländer mit den Reformen problematisch. Strukturanpassungsreformen können als von den Industrieländern aufoktroyierte Pflichten angesehen werden, die quasi als „negative Begleiterscheinung“ hingenommen werden. Das Eigeninteresse und die Nützlichkeit der Reformen, also das positive Ergebnis für das Nehmerland selbst wird nicht als eigenes Ziel akzeptiert. Die Reformen werden nicht als „Eigentum“[11] angesehen und daher fühlt sich niemand wirklich für ihre Durchsetzung verantwortlich. Aus diesem Grund sind die Implementierungen der Reformen in vielen Ländern nur halbherzig vorgenommen worden. Verschärft wird dieses Problem durch die Ausgestaltung der Strukturanpassung als „ blueprint “, also als allgemeingültiges, auf jedes Land angewandtes Programm. Dabei wird die Heterogenität der Ausgangssituationen und regionalspezifische Probleme sowie Unterschiede im kulturellen und historischen Kontext der Länder missachtet. Weitere Probleme der Implementierung ergeben sich aus der geringen Stabilität der Regierungen der Nehmerländer, sowie institutionellen Schwächen.[12]
Viel diskutiert ist die starke Exportorientierung der Strukturanpassung. Vor allem von Seiten der NGOs wurde kritisiert, dass die Ausweitung des Exports die Abhängigkeit der Nehmerländer von den Industrieländern, also den Abnehmern ihrer Produkte zementiere und im Falle externer Wirtschaftskrisen keinerlei Sicherheiten biete.[13] Besonders stark tritt das Problem der Exportabhängigkeit bei einer gering diversifizierten Produktpalette in Erscheinung. Die Abhängigkeit von einem cash-crop-Produkt wie zum Beispiel Kaffee oder einem Rohstoff wie zum Beispiel Kupfer ist jedoch gerade in Entwicklungsländern sehr häufig.
Ein weiteres grundsätzliches Problem der Strukturanpassung der „ersten Generation“ war die rein auf wirtschaftliche Maßnahmen beschränkte Ausgestaltung des Programms. Soziale Aspekte wie auch Verteilungsaspekte wurden nicht beachtet und so führte die Implementierung der Wirtschaftsreformen in vielen Ländern zur Zunahme des Wohlstandsgefälles und einer generellen Verschärfung der Armut. Zudem ist es in wenigen Ländern gelungen, die Ausgaben vor allem im Gesundheits- und Bildungssektor trotz der Reformen konstant zu halten. So mussten zunächst die „weichen Sektoren“ unter den harten Wirtschaftsreformen leiden.[14] In 12 von 28 afrikanischen Ländern lag die Einschulungsrate vor der Einführung der Strukturanpassung höher als nach Beendigung des Programms und auch Ausgaben im Gesundheitswesen gingen in vielen Ländern, wie zum Beispiel in Simbabwe zu 34%, zurück.[15] Des weiteren kritisiert wird das Programm aufgrund der Vernachlässigung von Umwelt- und Genderaspekten, worauf hier jedoch nicht näher eingegangen werden soll.
Die Schwächen der Strukturanpassung im sozialen Bereich wurden relativ frühzeitig erkannt und additive Maßnahmen wie zum Beispiel verschärfte Auflagen bezüglich der Basisgesundheitsdienste und Grundschulausbildung vorgenommen. Es herrscht jedoch allgemeiner Konsens darüber, dass diese Maßnahmen nicht in der Lage waren, grundlegende Probleme auszuräumen. Das neue Paradigma der „menschlichen Entwicklung“ trägt dieser Erfahrung Rechnung.
2.2.2 Methodische Kritik
Neben den genannten Hauptargumenten gegen die Strukturanpassung darf ein weiteres Problem nicht unerwähnt bleiben: Es geht hierbei um die Frage, wie Erfolg und Misserfolg des Programms überhaupt erfasst werden können. Als Methoden der Evaluierung bieten sich drei Möglichkeiten an, die jedoch jede für sich große Schwächen aufweisen. Die erste mögliche Methode besteht in einem Vorher/Nachher-Vergleich. Allerdings wird dabei impliziert, dass sich ohne die Programme im betreffenden Land gar nichts geändert hätte, was eher unrealistisch wäre. Die zweite Möglichkeit der Evaluierung besteht in dem Versuch, einen Vergleich zweier Länder, eines mit Strukturanpassung und eines ohne anzustellen. Dabei ergibt sich das schon erwähnte Problem, das zwei Länder immer heterogen bleiben, auch wenn sich bestimmte wirtschaftliche Indikatoren stark ähneln. Trotzdem werden die meisten Evaluierungen der Weltbank bisher über Ländervergleiche angestellt.
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[1] Modernisierungstheorien sehen Unterentwicklung aufgrund endogener Ursachen begründet und empfehlen daher die Modernisierung des Staates als Schlüssel zur Entwicklung.
[2] Dependenztheorien basieren auf der Erklärung der Unterentwicklung aufgrund exogener Faktoren. Unterentwicklung ist demnach die Folge jahrelanger Ausbeutung durch die Kolonialmächte und anhaltender wirtschaftlicher Abhängigkeit sowie Benachteiligung auf dem Weltmarkt durch schlechtere Warenaustauschverhältnisse (terms-of-trade).
Weiterführend siehe zum Beispiel Menzel (1991), Geschichte der Entwicklungstheorie, Hamburg
[3] Vgl. Unmüßig & Walther (1999), S. 247
[4] Vgl. Twele (1995), S. 45f.
[5] Definition nach Nuscheler (1996), S. 537: „Konditionalität bedeutet die bedingte und mit Auflagen verbundene Gewährung von Finanzleistungen. Der IWF verlangt wirtschaftliche Strukturanpassung, bevor er Beistandskredite gewährt. Neben dieser ökonomischen Konditionalität wenden die Geber eine „politische Konditionalität“ an, die Leistungen vom außenpolitischen Wohlverhalten, neuerdings von der Einhaltung der Menschenrechte und von der Verringerung der Rüstungsausgaben abhängig macht.“
[6] Vgl. Ferroni (1992), S. 32ff.
[7] Thiele und Wiebelt (2000), S. 4
[8] Vgl. Unmüßig & Walther (1999), S. 247
[9] Vgl. Nuscheler (1996), S. 465
[10] NGO = Non-Governmental Organisation, im Deutschen gelegentlich auch als NRO = Nicht-Regierungs Organisation bezeichnet.
[11] Vgl. Thiele & Wiebelt (2000), S. 27
[12] Vgl. Dia (1999), S. 249
[13] Vgl. Unmüßig & Walther (1999), S. 249
[14] Vgl. Thiele & Wiebelt (2000), S. 28
[15] Vgl. Unmüßig & Walther (1999), S. 247ff.
- Quote paper
- Roland Braza (Author), 2001, Paradigmenwechsel der Entwicklungspolitik der Weltbank seit dem Washington Consensus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4178
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