Am 23. März dieses Jahres erschien in der Tageszeitung „Berliner Zeitung“ ein Artikel über die Thematik der Gleichberechtigung der Geschlechter auf dem deutschen Arbeitsmarkt . Der Artikel mit dem Titel „Karrierehemmnis Kind“ legt die aktuellsten Erhebungen des Statistischen Bundesamtes dar, die eine Unterrepräsentation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt aufzeigen. Hierbei wird besonders die Maskulinität der Spitzenpositionen behandelt: je höher die Position, desto geringer der Frauenanteil. Die Untersuchungen belegen, dass besonders Frauen mit Kindern von dieser Problematik betroffen sind. Eine Familiengründung wirkt sich also negativ auf die beruflichen Karrierechancen von Frauen aus. Es wird herausgestellt, dass als kinderlose Singles lebende Frauen die besten Karrierechancen haben.
Hinsichtlich des Frauenanteils auf dem Arbeitsmarkt ist darüber hinaus ein Unterschied zwischen Ost und West festzustellen: Die Führungspositionen sind in den neuen Bundesländern stärker durch Frauen besetzt als in den alten Bundesländen. Ein Anteil von 42 Prozent steht einem Anteil von 32 Prozent gegenüber. Hier wirft sich die Frage auf, inwiefern die Gründe hierfür in der Politik der ehemaligen DDR zu finden sind. Ist der höhere Frauenanteil auf dem Arbeitsmarkt und in den Führungsposition im Osten Deutschlands auf eine Gleichberechtigung der Geschlechter in der ehemaligen DDR zurückzuführen? Hatten Frauen in der DDR bessere berufliche Aufstiegsmöglichkeiten? Gab es dort ein „Karrierehemmnis Kind“ bzw. ein „Karrierehemmnis Familie“?
Die vorliegende Arbeit untersucht diese Fragen mit Konzentration auf die Frauen- und Familienpolitik in der DDR. Ausgehend vom ideologischen Vorbild des Sozialismus und dessen Betrachtung der „Frauenfrage“ wird untersucht, inwieweit eine Gleichberechtigung der Geschlechter stattfand und eine Emanzipation der Frauen festzustellen war. In Verbindung mit den wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten wird auch untersucht, wie es um das traditionelle patriarchalische Gesellschaftsbild stand. Wurde es aufgehoben, modifiziert oder gar nicht angetastet?
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Hauptteil
1. Die „Frauenfrage“ in der marxistisch-leninistischen Theorie
2. Weibliche Erwerbstätigkeit in der DDR
3. Frauen in Wirtschaft und Politik der DDR
III. Schluss
IV. Bibliographie
V. Anhang
I. Einleitung
Am 23. März dieses Jahres erschien in der Tageszeitung „Berliner Zeitung“ ein Artikel über die Thematik der Gleichberechtigung der Geschlechter auf dem deutschen Arbeitsmarkt[1]. Der Artikel mit dem Titel „Karrierehemmnis Kind“ legt die aktuellsten Erhebungen des Statistischen Bundesamtes dar, die eine Unterrepräsentation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt aufzeigen. Hierbei wird besonders die Maskulinität der Spitzenpositionen behandelt: je höher die Position, desto geringer der Frauenanteil. Die Untersuchungen belegen, dass besonders Frauen mit Kindern von dieser Problematik betroffen sind. Eine Familiengründung wirkt sich also negativ auf die beruflichen Karrierechancen von Frauen aus. Es wird herausgestellt, dass als kinderlose Singles lebende Frauen die besten Karrierechancen haben.
Hinsichtlich des Frauenanteils auf dem Arbeitsmarkt ist darüber hinaus ein Unterschied zwischen Ost und West festzustellen: Die Führungspositionen sind in den neuen Bundesländern stärker durch Frauen besetzt als in den alten Bundesländen. Ein Anteil von 42 Prozent steht einem Anteil von 32 Prozent gegenüber. Hier wirft sich die Frage auf, inwiefern die Gründe hierfür in der Politik der ehemaligen DDR zu finden sind. Ist der höhere Frauenanteil auf dem Arbeitsmarkt und in den Führungsposition im Osten Deutschlands auf eine Gleichberechtigung der Geschlechter in der ehemaligen DDR zurückzuführen? Hatten Frauen in der DDR bessere berufliche Aufstiegsmöglichkeiten? Gab es dort ein „Karrierehemmnis Kind“ bzw. ein „Karrierehemmnis Familie“?
Die vorliegende Arbeit untersucht diese Fragen mit Konzentration auf die Frauen- und Familienpolitik in der DDR. Ausgehend vom ideologischen Vorbild des Sozialismus und dessen Betrachtung der „Frauenfrage“ wird untersucht, inwieweit eine Gleichberechtigung der Geschlechter stattfand und eine Emanzipation der Frauen festzustellen war. In Verbindung mit den wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten wird auch untersucht, wie es um das traditionelle patriarchalische Gesellschaftsbild stand. Wurde es aufgehoben, modifiziert oder gar nicht angetastet?
II. Hauptteil
a.1. Die „Frauenfrage“ in der marxistisch-leninistischen Theorie
Eine Säule des ideologischen Unterbaus der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik war die Gleichberechtigung beider Geschlechter. Nicht zuletzt hierauf begründe sich der Sozialismus als die Form der Zivilisation ohne Unterdrückung der Menschen durch andere Menschen. Eine Unterdrückung zeige sich aber im Verhältnis der Geschlechter. Der Umsturz des Mutterrechts[2] war Friedrich Engels zufolge „die weltgeschichtliche Niederlage des weiblichen Geschlechts. Der Mann ergriff das Steuer auch im Hause, die Frau wurde entwürdigt, geknechtet, Sklavin seiner Lust und bloßes Werkzeug der Kindererzeugung“[3]. August Bebel greift diese These auf und stellt fest, dass die Frau infolge ihrer ökonomischen Abhängigkeit das erste menschliche Wesen war, das in Knechtschaft kam, dass sie Sklavin wurde, ehe der Sklave existierte[4]. Bebel sieht im Mutterrecht Kommunismus und Gleichheit aller, im Aufkommen des Vaterrechts jedoch die Herrschaft des Privateigentums und die damit einhergehende Unterdrückung der Frauen[5]. Friedrich Engels sowie August Bebel sehen als einzige Lösung dieser Problematik „die Befreiung der Frau, ihre Gleichstellung mit dem Manne“, die aber nur möglich sei, wenn die Frau von der gesellschaftlichen produktiven Arbeit nicht ausgeschlossen auf die häusliche Privatarbeit nicht beschränkt bleibe[6]. Denn sie müsse „ökonomisch unabhängig sein [...], um es körperlich und geistig zu sein, damit sie nicht mehr von dem Wohlwollen und der Gnade des anderen Geschlechts abhängig“ sei[7]. Nach Karl Marx lässt sich Fortschritt einer Gesellschaft exakt messen an der gesellschaftlichen Stellung der Frauen. Jutta Gysi betonte in einem 1988 erschienenen Aufsatz, damit solle verdeutlicht werden, die praktische Realisierung der Gleichberechtigung der Frau sei ein unverzichtbares Entwicklungsmoment des Sozialismus überhaupt: „Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist demnach nicht in ausgewählten Lebensbereichen herzustellen“[8]. Inwieweit die Gleichberechtigung der Geschlechter in der DDR tatsächlich nicht nur in ausgewählten Bereichen angestrebt wurde, wird in den folgenden Kapiteln der vorliegenden Arbeit hinterfragt, zumal da August Bebel in seinen Thesen herausstellt, dass es neben der Berufstätigkeit der Frau auch gilt, „ihr die Fähigkeit als Mutter und Erzieherin der Kinder zu sichern“[9]. Grit Brühler konstatiert richtig, dass August Bebel Kinder und Familie trotz ökonomischer Unabhängigkeit und beruflicher Gleichberechtigung in der Pflicht der Frauen sieht[10]. Inwieweit die SED-Regierung August Bebel an dieser wörtlich nahm und Clara Zetkin irrte, als sie in ihrer Schrift „Die Arbeiterinnen- und Frauenfrage der Gegenwart“ eine soziale und politische Gleichberechtigung als zwangsläufige Folge der wirtschaftlichen Selbständigkeit der Frau annahm[11], wird erörtert.
2. Weibliche Erwerbstätigkeit in der DDR
In Bezug auf die Gleichberechtigung der Geschlechter fand die marxistisch-leninistische Ideologie, die, wie oben beschrieben, die Integration der Frau in den gesellschaftliche Produktionsprozess voraussetzte, bereits unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Niederschlag in der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD): Der Befehl Nr. 253 vom 17. August 1946 befahl die gleiche Entlohnung für Arbeiter und Angestellte für die gleiche Arbeit, unabhängig von Geschlecht und Alter[12]. Das Geschlecht wurde also explizit mit einbezogen, das Vorhandensein zweier Geschlechter in der Erwerbstätigkeit vorausgesetzt. Die Zielrichtung sozialistischer Gleichstellungspolitik fand zunächst besonderen Ausdruck in einer von der SMAD eingesetzten, mit Kontrollbefugnissen ausgestatteten Frauenkommission. Diese sollte eine gründliche Aufklärungsarbeit gegen rückständige Strukturen leisten und die Frauen im Kampf in den Betrieben unterstützen[13]. Auch die erste Verfassung der DDR aus dem Jahre 1949 statuierte die Gleichberechtigung der Geschlechter: Artikel 7 betont, dass Mann und Frau gleichberechtigt sind und alle Gesetze, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, aufgehoben sind[14].
Die offensive Gleichberechtigungspolitik in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) 1945 – 1949 und in der DDR ab 1949 war jedoch von Beginn an eng verknüpft mit erheblichen ökonomischen und demographischen Verwerfungen. Die Wirtschaft war zum einen durch Kriegsschäden, Kriegswirtschaft und Reparationsleistungen gezeichnet, zum anderen herrschte eine kriegsbedingte Arbeitskräftesituation. Im Jahre 1946 waren in der SBZ 57,5 Prozent der Bevölkerung Frauen. Die Frauenarbeit war also eine wirtschaftliche Überlebensfrage[15]. Es ist zweifelhaft, ob eine von Mobilisierung der Frauen unter wirtschaftlichen Zwängen gekennzeichnete[16] „Fast-Food-Emanzipation“ zu einer tatsächlichen Emanzipation der Gesellschaft vom tradierten Patriarchat stattfinden kann. Für die Zeit unmittelbar nach dem Ende des Krieges spricht Ina Merkel von einem „Nachkriegsmatriarchat“[17], das sich jedoch nicht behaupten konnte. Die Frauen hatten demzufolge lediglich einen helfenden Status in der Gesellschaft inne, nicht jedoch einen anerkannt aufbauenden. Merkel verweist hierbei auf das Beispiel des Heldinnen-Mythos der Trümmerfrauen, der erst nachträglich etabliert wurde, nicht jedoch aus der unmittelbaren Nachkriegszeit stamme[18].
[...]
[1] Siehe Anhang.
[2] Vgl.: Beate Wagner-Hasel, Art.: Matriarchat, in: Manfred Landfester (Hrsg.), Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, Bd. 15/1, Stuttgart, Weimar 2001, Sp. 322/323 u. 325: Die Begriffe Mutterrecht und Vaterrecht wurden geprägt durch Johann Jakob Bachofen und Lewis Henry Morgan. Bachofen verortete das Mutterrecht in der Frühgeschichte antiker Völker, Morgan beschrieb mit Mutterrecht die Verwandtschaftsorganisation zeitgenössischer Völker. Mutterrecht gilt hier als ein Merkmal einer Entwicklungsstufe, in der das Allgemeininteresse vorherrscht und die Abstammung in mütterlicher Linie die soziale und rechtliche Existenz des Einzelnen bestimmt. Bei Bachofen impliziert das Mutterrecht auch weibliche Regentschaft im Haus und im Gemeinwesen. Bei Bachofen wie auch bei Morgen wird das Mutterrecht durch das Vaterrecht abgelöst, das als ein Rechtssystem verstanden wird, das auf der Anerkennung der biologischen Vaterschaft basiert und dem Prinzip des Individualismus zum Durchbruch verhilft. Über die marxistische Rezeption der Morganschen Theorie durch Friedrich Engels (Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates) und August Bebel (Die Frau und der Sozialismus) wurde das Mutterrecht einer vorstaatlichen, von Urkommunismus geprägten Phase der Menschheitsgeschichte zugeordnet.
[3] Friedrich Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates, in: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.), Karl Marx, Friedrich Engels. Ausgewählte Werke in sechs Bänden, Bd. VI, Berlin 19797, S. 71.
[4] Vgl. August Bebel, Die Frau und der Sozialismus, in: Internationales Institut für Sozialgeschichte Amsterdam (Hrsg.), August Bebel. Ausgewählte Reden und Schriften, Bd. 10/2, München, New Providence, London, Paris 1996, S. 243.
[5] Vgl. Bebel, S. 263.
[6] Vgl. Engels, S. 179.
[7] Vgl. Bebel, S. 238.
[8] Jutta Gysi, Frauen- und Familienentwicklung in der DDR, in: Heiner Timmermann (Hrsg.), Sozialstruktur und sozialer Wandel in der DDR, Saarbrücken-Scheidt 19892, S. 93.
[9] Bebel, S. 241.
[10] Vgl. Grit Brühler, Mythos Gleichberechtigung in der DDR. Politische Partizipation von Frauen am Beispiel des Demokratischen Frauenbunds Deutschlands, Frankfurt/M., New York 1997, S. 14.
[11] Vgl. Brühler, S. 15.
[12] Vgl. Ute Gerhard, Die staatlich institutionalisierte „Lösung“ der Frauenfrage. Zur Geschichte der Geschlechterverhältnisse in der DDR, in: Hartmut Kaelble, Jürgen Kocka, Hartmut Zwar (Hrsg.), Sozialgeschichte der DDR, Stuttgart 1994, S. 386/387.
[13] Vgl. Gerhard, S. 387.
[14] Ibidem.
[15] Vgl. Heike Trappe, Emanzipation oder Zwang? Frauen in der DDR zwischen Beruf, Familie und Sozialpolitik, Berlin 1995, S. 46 – 48.
[16] Vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Frauen in der DDR. Auf dem Weg zur Gleichberechtigung? Bonn 1987, S. 11.
[17] Ina Merkel, Leitbilder und Lebensweisen von Frauen in der DDR, in: Hartmut Kaelble, Jürgen Kocka, Hartmut Zwar (Hrsg.), Sozialgeschichte der DDR, Stuttgart 1994, S. 362.
[18] Vgl. Merkel, S. 363.
- Arbeit zitieren
- Katrin Eichhorn (Autor:in), 2005, Emanzipation und Gleichberechtigung der Frauen in der DDR - Arbeitsmarkt und Politik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41623
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