Speziell die in dieser Arbeit genauer betrachtete Projektfertigung stellt planungs- und steuerungstechnisch eine große Herausforderung dar. Die zahlreichen und oftmals kundenindividuellen Produktvarianten erschweren die Planbarkeit und erhöhen die Komplexität. Die kundenindividuellen Varianten führen unter anderem zu Kapazitätsschwankungen, einem stark variierenden Materialbedarf, einer niedrigen Auslastung und langen Produktionsdurchlaufzeiten. Diese schwierigen Rahmenbedingungen erfordern eine flexible, sich schnell anpassende Produktionsorganisation.
Ein Weg, diesen schwierigen Rahmenbedingungen entgegenzuwirken, stellt die dezentrale Produktionsorganisation dar. Ein Beispiel für ein solches dezentrales Organisationskonzept ist das von Professor Warnecke entwickelte Konzept der Fraktalen Fabrik. Im Rahmen dieser Arbeit wurde geprüft, ob das dezentrale Organisationskonzept der Fraktalen Fabrik in der Projektfertigung anwendbar ist und somit eine geeignete flexible Produktionsorganisation darstellt.
Inhaltsverzeichnis
DANKSAGUNG
INHALTSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS l GLOSSAR
KURZFASSUNG
EXECUTIVE SUMMARY
1 EINLEITUNG
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Aufbau und Methodik
2 CHARAKTERISIERUNG DER PROJEKTFERTIGUNG
2.1 Idealtypische Charakterisierung eines Projektfertigers
2.1.1 Auftragsmanagement
2.1.2 Produktionsprogrammplanung
2.1.3 Produktionsbedarfsplanung
2.1.4 Eigenfertigungsplanung und -Steuerung
2.2 Produktionsorganisatorische Herausforderungen
2.3 Anforderungen an die Produktionsorganisation
3 FRAKTALE FABRIK
3.1 Grundstruktur
3.2 Fraktale
3.2.1 Selbstähnlichkeit
3.2.2 Selbstorganisation und Selbstoptimierung
3.2.3 Zielorientierung/Zielbestimmungsprozess
3.2.4 Dynamik und Vitalität
3.2.5 Abgrenzung zur Fertigungssegmentierung
3.3 Dezentrale Produktionsplanung und -Steuerung
3.3.1 Kommunikations- und Informationssysteme
3.3.2 Navigationssysteme
3.4 Faktor Mensch in der Fraktalen Fabrik
3.4.1 RolledesMitarbeiters
3.4.2 Prämien/Leistungsbestimmung
3.4.3 Arbeitszeiten
3.5 Kennzeichen der Fraktalen Fabrik
3.6 KritikamKonzept
4 ANWENDBARKEIT DES KONZEPTS
4.1 Theoriebasierte Anwendbarkeitsprüfung
4.2 Experteninterview
4.2.1 Erhebungsinstrument
4.2.2 Ausarbeitung des Interviewleitfadens
4.2.3 Beschreibung des Experten
4.2.4 Erkenntnisse aus dem Experteninterview
4.2.5 Erfolgsfaktoren
5 INDUSTRIE 4.0
5.1 Begriffsklärung
5.2 Industrie 4.0 Bausteine
5.2.1 Cyber-physisches System (CPS)
5.2.2 Ubiquitous Computing
5.2.3 Internet der Dinge und Dienste
5.2.4 Cloud Computing
5.3 Erweiterung des fraktalen Konzepts durch Industrie 4.0
5.3.1 Komplexität als Treiber
5.3.2 Von der Fraktalen Fabrik zum cyber-physischen Produktionssystem (CPPS)
5.4 Nutzen und Veränderung durch Industrie 4.0 in der Projektfertigung
5.4.1 Nutzung Echtzeitdaten zur Steuerung
5.4.2 Qualität und Prozessbeherrschung
5.4.3 Mitarbeiter im Industrie 4.0 Umfeld
5.4.4 Kostenpotentiale
6 FAZIT UND AUSBLICK
LITERATURVERZEICHNIS
ANHANG
Danksagung
Beginnen möchte ich mit meinen Eltern, Ulrike und Stefan sowie meinen Großeltern. Sie haben mich während meines gesamten Studiums bedingungslos unterstützt und waren immer für mich da. Ohne Sie würde ich jetzt mit Sicherheit nicht am Ende meines Masterstudiums stehen.
Ein besonderer Dank geht an alle meine Studienkollegen, die dieses Masterstudium dank eines tollen Zusammenhalts und einer mehr als angenehmen Atmosphäre zu einer schönen und unvergesslichen Zeit gemacht haben. Hervorheben möchte ich an dieser Stelle: Manuel, Matsi, Consti und die GM22, DANKE.
Zudem gilt mein Dank der FH Steyr mit allen Dozenten und speziell Herrn Hans-Peter Feichtenschlager sowie Frau Irene Kronsteiner-Urban, für die tolle Organisation, ein immer offenes Ohr und die Unterstützung. Ein weiteres Dankeschön geht an meinem Betreuer Herrn Markus Aichinger, für die Hilfe aus der Ferne.
Mein letzter Dank geht an alle die, die ich hier vergessen habe und besonders an die Freunde aus der Heimat die einfach immer für einen da sind: Alex, Jan, David, Tobi, Mathi, Peter und Danny. Ihr seid die Besten!
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Aufbau, Struktur und Kapitelzusammenhänge
Abbildung 2: Selbstähnliche Fraktale mit unterschiedlichen internen Strukturen
Abbildung 3: Dynamischer Restrukturierungsprozess zwischen Fraktalen
Abbildung 4: Zielfindungsprozess
Abbildung 5: Dynamische Umstrukturierung eines Fertigungsbereichs
Abbildung 6: Informationsverarbeitung und Aufgabengebiete in einem Fraktal
Abbildung 7: Zusammenarbeit der Fraktale
Abbildung 8: Stufen der industriellen Revolution
Abbildung 9: Gegenüberstellung der äußeren und inneren Komplexität
Abbildung 10: Cyber-physisches System (CPS) in der Industrie 4.0
Abbildung 11: Bestandteile eines cyber-Physischen Produktionssystems
Abbildung 12: Auflösung der Automatisierungspyramide
Abbildung 13: Benutzeroberfläche Sense&Act
Abbildung 14: Fraunhofer KPl-App
Abbildung 15: Fraunhofer Kaizen-App
Abbildung 16: Fraunhofer KVP-App
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Idealtypische Charakterisierung der Projektfertigung
Tabelle 2: Zusammenfassung der charakteristischen Merkmale
Tabelle 3: Produktionsorganisatorische Herausforderungen
Tabelle 4: Anforderungen an eine Produktionsorganisation
Tabelle 5: Anforderungen an eine Produktionsorganisation (gegliedert)
Tabelle 6: Interne und externe Erfolgsfaktoren für Vitalität
Tabelle 7: Unterschiede Segmente/Fraktale
Tabelle 8: "Neue" Anforderungen an Führungskräfte/Mitarbeiter
Tabelle 9: Kennzeichen Fraktale Fabrik
Tabelle 10: Anwendbarkeitsprüfung Fraktale Fabrik - Projektfertigung
Tabelle 11: Erfolgsfaktoren (aus Experteninterview)
Tabelle 12: Technologische Unterstützung des Fraktalen Ansatzes
Tabelle 13: Abschätzung der Nutzenpotenziale
Abkürzungsverzeichnis / Glossar
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Kurzfassung
Speziell die in dieser Arbeit genauer betrachtete Projektfertigung stellt planungs- und steuerungstechnisch eine große Herausforderung dar. Die zahlreichen und oftmals kundenindividuellen Produktvarianten erschweren die Planbarkeit und erhöhen die Komplexität. Die kundenindividuellen Varianten führen unter anderem zu Kapazitätsschwankungen, einem stark variierenden Materialbedarf, einer niedrigen Auslastung und langen Produktionsdurchlaufzeiten. Diese schwierigen Rahmenbedingungen erfordern eine flexible, sich schnell anpassende Produktionsorganisation.
Ein Weg diesen schwierigen Rahmenbedingungen entgegenzuwirken, stellt die dezentrale Produktionsorganisation dar. Ein Beispiel für ein solches dezentrales Organisationskonzept ist das von Professor Warnecke entwickelte Konzept der Fraktalen Fabrik.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde geprüft, ob das dezentrale Organisationskonzept der Fraktalen Fabrik in der Projektfertigung anwendbar ist und somit eine geeignete flexible Produktionsorganisation darstellt. Die Anwendbarkeit wurde auf Basis einer Literaturrecherche, durch Herausarbeiten der charakteristischen Eigenschaften der Projektfertigung, der sich daraus ergebenden Anforderungen an eine Produktionsorganisation und einem Abgleich dieser Anforderungen mit den spezifischen Eigenschaften des fraktalen Konzepts geprüft. Im Anschluss an die Anwendbarkeitsprüfung erfolgte eine Ausarbeitung von Erfolgsfaktoren zur Umsetzung des Konzepts auf Basis eines Experteninterviews.
Darüber hinaus wurden das fraktale Konzept und die Projektfertigung im Industrie 4.0 Umfeld betrachtet. Es wurde geprüft ob die durch Industrie 4.0 zur Verfügung stehenden Technologien, die Umsetzung und Implementierung des Konzepts der Fraktalen Fabrik sowie die charakteristischen Eigenschaften und Anforderungen der Projektfertigung unterstützen. Die Anwendbarkeitsprüfung basierend auf der Literaturrecherche hat ergeben, dass das Konzept der Fraktalen Fabrik die Anforderungen der Projektfertigung an die Produktionsorganisation weitestgehend erfüllt und somit für die Projektfertigung geeignet und anwendbar ist. Als Ergebnis des Experteninterviews sind die Kommunikation, die Zieldefinition, der Kulturwandel und die Festlegung der Struktur der Fraktale als Erfolgsfaktoren festzuhalten.
Es hat sich zudem gezeigt, dass die technologischen Möglichkeiten von Industrie 4.0 die spezifischen Eigenschaften des Konzepts der Fraktalen Fabrik unterstützen. Hervorzuheben sind hierbei vor allem die durch Industrie 4.0 zur Verfügung stehenden Echtzeitdaten, gesammelt durch entsprechende Sensorik.
Der Einsatz von dezentralen Organisationskonzepten und Industrie 4.0 Technologie wird in Zukunft noch weiter an Wichtigkeit gewinnen. Ein elementares Ziel zukünftiger Produktionsorganisationen wird die Beherrschbarkeit von Komplexität sein. Letztendlich zielt sowohl das Konzept der Fraktalen Fabrik, als auch die Industrie 4.0 Technologien, durch De- zentralität, Selbstverantwortung und Selbstregulierung darauf ab Komplexität beherrschbar zu machen.
Executive Summary
Planning and controlling of an engineer-to-order production is a difficult challenge. Multivariant products and customized products are reasons for planning difficulties and increased complexity. Especially the customized products lead to fluctuations in capacity and material requirements and a low utilization as well as long production lead times. Because of these challenging conditions a flexible production organization that can react quickly to changes is needed.
One way to deal with these challenging conditions is decentralization.
The Fractal Factory is an example of a decentralized organizational structure and was developed by Professor Warnecke.
The main objective of this thesis was to check whether the decentralized organizational structure of the Fractal Factory is applicable for an engineer-to-order production. The applicability check is based on a literature research. First characteristics of an engineer-to- order production have been identified and these characteristics define the requirements for an organizational structure. Afterwards these organizational requirements have been compared with the specific characteristics of the Fractal Factory. After this comparison key success factors have been prepared based on an expert interview.
Furthermore, it was outlined how Industry 4.0 technologies support the implementation of the fractal concept and the characteristics of an engineer-to-order production.
The applicability check showed that the concept of the Fractal Factory largely fulfilled the requirements for an organizational structure of an engineer-to-order production. As a result ofthe expert interview, communication, goal definition, cultural change and the definition of the fractals have been pointed out as key success factors.
Additionally, it turned out that technological possibilities provided by Industry 4.0 support the specific characteristics of the fractal concept. Especially the real-time data gathered by numerous sensors plays a particular role.
The implementation of decentralized organizational structures and Industry 4.0 technologies will grow in future. Managing complexity will be a fundamental goal of future production organizations. Both, the Fractal Factory and Industry 4.0 technologies share the same objective: to manage complexity by using the principles of decentralization, self-responsibility and self-regulation.
The Fractal Factory is a suitable organizational concept for an engineer-to-order production. Furthermore Industry 4.0 technology supports the implementation of the fractal concept and the specific characteristics of an engineer-to-order production.
1 Einleitung
Die Einflussfaktoren auf die Organisation in Unternehmen haben sich in den letzten Jahren verändert. Die Dynamik der Märkte, verkürzte Produktlebenszyklen und der schnellere technologische Fortschritt ergeben eine turbulente Unternehmensumgebung. Zu dem kommt noch die steigende Nachfrage nach kundenindividuellen Produkten hinzu, was die Variantenvielfalt weiter steigen lässt.[1] Diese ständig zunehmende Komplexität der Produkte geht mit einer Zunahme der Komplexität, der zu ihrer Entwicklung und Fertigung notwendigen Prozesse einher.[2] Die erhöhte Komplexität hat einen höheren Aufwand bei der Planung und Steuerung zur Folge. Je höher die Produktvielfalt und je geringer die Losgröße, desto zeitaufwendiger wird die zentrale Steuerung der Produktion.[3]
Ein zukünftiger Wettbewerbsvorteil speziell in der Projektfertigung wird es sein, kundenindividuelle Produkte schnell auf den Markt zu bringen. Um dies zu realisieren ist es nötig die Herstellung der kundenindividuellen Produkte zuverlässig zu terminieren, die notwendige Komplexität der Produkte, Prozesse und Materialbereitstellung zu beherrschen, um so auch kurzfristig lieferfähig zu sein.[4] Die Frage ist, wie die Unternehmen dieses Ziel erreichen können. Ein Schlüssel hierzu ist Dezentralität, es wird notwendig sein die Dezentralisierung durch Delegierung von Aufgaben weiter voranzutreiben.[5]
Schon 1992 stellt der damalige Chef des Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) Professor Hans-Jürgen Warnecke fest, dass die bisherigen Leitlinien für Unternehmensorganisation dieser steigenden Komplexität und Dynamik nicht gewachsen sind. Durch die wachsende Dynamik der Produktionssysteme muss auch die Fabrik ein Objekt kontinuierlicher Anpassungen an sich ändernde Bedienungen sein, ähnlich einem lebenden Organismus.[6]
So hat Warnecke sein Konzept der Fraktalen Fabrik durch die Übertragung von in der Natur existierenden Phänomenen konzipiert.[7] Den Mittelpunkt des Konzepts der Fraktalen Fabrik bilden die Fraktale selbst. Sie sind selbstähnliche, sich selbst organisierende und selbstoptimierende Unternehmenseinheiten.[8]
Warnecke sieht in der Fraktalisierung die Antwort auf die steigende Komplexität, denn mit dieser nimmt der Grad der Selbstorganisation und Dezentralisierung zu.[9] Die Dezentralisierung wird gerade heutzutage häufig im Zuge von Industrie 4.0 genannt. Hier schließt sich der Kreis, denn der aktuelle Fraunhofer-IPA-Chef Professor Thomas
Bauernhansl bezeichnet das dezentrale Organisationskonzept der Fraktalen Fabrik als die notwendige organisatorische Grundlage für Industrie 4.O.[10]
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
Die Einzelfertigung beziehungsweise Kleinserienfertigung, welche für einen Projektfertiger in dieserArbeit unterstellt wird, ist planungs- und steuerungstechnisch eine große Herausforderung.[11]
Die zahlreichen und oftmals kundenindividuellen Produktvarianten erschweren die Planbarkeit. Dies spiegelt sich vor allem in Kapazitätsschwankungen, stark variierendem Materialbedarf, der Auslastung und den Produktionsdurchlaufzeiten wider. Diese Rahmenbedingungen erfordern ein flexibles Organisationskonzept, in welchem schnell auf sich ändernde Bedingungen reagiert werden kann.
Im Rahmen dieser Arbeit wird geprüft, ob das Konzept der Fraktalen Fabrik in der Projektfertigung anwendbar ist und somit ein geeignetes flexibles Organisationskonzept für die Projektfertigung darstellt. Zudem wird herausgearbeitet, inwiefern Industrie 4.0 Technologien die Umsetzung des Konzepts, sowie die spezifischen Charakteristika und Anforderungen der Projektfertigung unterstützen.
Diese Überlegungen führen zu folgenden Forschungsfragen, welche in dieserArbeit beantwortet werden:
1. Welche speziellen Anforderungen ergeben sich an die Produktionsorganisation für einen Projektfertiger?
2. Was sind Kennzeichen des fraktalen Organisationskonzepts?
3. Ist das Konzept der Fraktalen Fabrik als Produktionsorganisation in der Projektfertigung anwendbar und was sind Erfolgsfaktoren für eine Umsetzung?
4. Inwieweit können Industrie 4.0 Technologien das Konzept der Fraktalen Fabrik, sowie die charakteristischen Eigenschaften und Anforderungen der Projektfertigung unterstützen?
Der Output dieser Arbeit soll durch das Aufzeigen und Abgleichen der Eigenschaften von Projektfertigung und Fraktaler Fabrik für Führungskräfte eine Hilfe bei der Wahl eines geeigneten Organisationskonzepts sein. Zusätzlich soll der Nutzen von Industrie 4.0 Technologien sowohl für das Fraktale Konzept als auch für die Projektfertigung aufgezeigt werden.
1.2 Aufbau und Methodik
Abbildung 1 stellt den Aufbau dieser Arbeit schematisch dar. Zu sehen sind links die Kapitelnummerierungen und zugehörig rechts die Kapitelüberschriften. Des Weiteren sind die Kapitelzusammenhänge und die Beantwortung der Forschungsfragen abgebildet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Aufbau, Struktur und Kapitelzusammenhänge
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in sechs Kapitel. Im ersten Kapitel wird durch Erläuterung der Problemstellung, der Zielsetzung, des Aufbaus und der Methodik das Thema sowie die Struktur der Arbeit nähergebracht.
Im darauffolgenden zweiten Kapitel wird die Projektfertigung genauer betrachtet und charakteristische Eigenschaften herausgearbeitet. Mit Hilfe dieser spezifischen Eigenschaften werden dann Anforderungen an eine geeignete Produktionsorganisation identifiziert. In diesem Zug wird die erste Forschungsfrage beantwortet. Die daraus hervorgehenden Tabellen 4 und 5 dienen als Input für die Anwendbarkeitsprüfung im vierten Kapitel. Im Fokus des dritten Kapitels steht das Konzept der Fraktalen Fabrik. Zu Beginn des Kapitels werden die Grundstruktur sowie die Fraktale vorgestellt. Im mittleren Teil werden die dezentrale Produktionsplanung sowie die Rolle des Mitarbeiters thematisiert. Zum Ende des dritten Kapitels erfolgt die Ausarbeitung der Kennzeichen der Fraktalen Fabrik in tabellarischer Form. Tabelle 9 dient ebenfalls als Input für die Anwendbarkeitsprüfung im vierten Kapitel. Der Abschluss des dritten Kapitels dient zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Konzept der Fraktalen Fabrik.
Das vierte Kapitel ist in zwei Punkte untergliedert. Der erste Punkt ist die zuvor bereits erwähnte theoriebasierte Anwendbarkeitsprüfung. Diese erfolgt durch einen Abgleich der in Kapitel zwei erarbeiteten Anforderungen der Projektfertigung an eine Produktionsorganisation und der Kennzeichen der Fraktalen Fabrik. Im zweiten Teil des vierten Kapitels werden mit Hilfe eines Experteninterviews Erfolgsfaktoren zur Umsetzung des fraktalen Konzepts in die Praxis ermittelt.
Im fünften Kapitel werden zunächst die Historie von Industrie 4.0 und die für das weitere Verständnis nötigen Begrifflichkeiten erläutert. Anschließend wird die Erweiterung des fraktalen Konzepts durch Industrie 4.0 Technologien hin zum cyber-physischen Produktionssystem aufgezeigt. Im letzten Punkt des fünften Kapitels werden Nutzen und Veränderungen für die Projektfertigung durch Industrie 4.0 Technologien anhand von Beispielen und Statistiken beleuchtet.
Kapitel 6 enthält das Fazit der Arbeit, persönliche Erkenntnisse sowie einen Ausblick über in Zukunft relevanten Themen.
Die Methodik der Arbeit stellt sich folgendermaßen dar. Die Definition und Charakterisierung der Projektfertigung im zweiten Kapitel basiert auf Literaturrecherchen. Dies gilt auch für das Herausarbeiten der Grundstruktur, Prinzipien und Kennzeichen der Fraktalen Fabrik in Kapitel drei. Im ersten Teil von Kapitel vier wird auf Basis der Recherchen von Kapitel zwei und drei die Anwendbarkeit des Konzepts überprüft. Der zweite Teil des vierten Kapitels basiert auf den Erkenntnissen des Experteninterviews. Die Fragestellungen für den Interviewleitfaden ergaben sich aus dem Theorieteil Fraktale Fabrik im dritten Kapitel sowie der theoriebasierten Anwendbarkeitsprüfung des vierten Kapitels. Der Interviewleitfaden diente als Richtlinie. Hier wurde auf eine lückenlose, systematische Informationsgewinnung zu Gunsten eines offenen Charakters des Gesprächs verzichtet.
Im fünften Kapitel basieren die Historie, die Bausteine, die Fraktale Fabrik im Industrie 4.0 Kontext sowie Nutzen und Veränderung der Projektfertigung durch Industrie 4.0, auf Literaturrecherchen.
2 Charakterisierung der Projektfertigung
Die Projektfertigung beschreibt einen Produktionsprozess, der mit der Entwicklung eines kundenindividuellen Produktes beginnt, man spricht auch von Engineer to Order. Der Kundenauftrag triggert zunächst die Planungs- und Konstruktionsphase an und erst mit entsprechender Verzögerung die Produktion. Die Projektfertigung ist planungstechnisch einer der schwierigsten Fertigungstypen.[12] Typische Vertreter sind der Sondermaschinenbau, die Bauindustrie sowie der Bau von Schiffen, Flugzeugen, industriellen Großanalagen und Fertigungsstraßen.[13]
Um den Projektzuschlag zu erhalten muss ein Kundenauftrag gewonnen werden. Bei diesen Kundenaufträgen konkurrieren meist mehrere Unternehmen im Rahmen einer Ausschreibung. Im Folgenden werden der Kundenauftrag selbst und die Wettbewerbsfaktoren, welche für den Gewinn eines Kundenauftrags von Bedeutung sind genauer betrachtet.
Kundenauftrag
Die betriebswirtschaftliche Entscheidung über die Annahme eines Kundenauftrags oder in einer Konkurrenzsituation über die Abgabe eines Angebots an den Kunden, wird anhand von Deckungsbeiträgen unter Einbezug der notwendigen und zur Verfügung stehenden Produktionskapazität getroffen.[14]
Überwiegend handelt es sich um Kundenaufträge mit hohem Auftrags- und Arbeitsvolumen, da es sich um komplexe kundenindividuelle Produkte handelt. Um die Kundenaufträge konkurrieren meist mehrere Unternehmen, dies zieht die Verhandlungsdauer in die Länge und die Vertragsabschlüsse erfolgen eher sporadisch. Aufgrund dessen ist die Absatzentwicklung in der Projektfertigung durch eine hohe Unsicherheit geprägt.[15]
Wettbewerbsfakto ren
Ein wichtiger Wettbewerbsfaktor für den Gewinn eines Kundenauftrags ist die Einhaltung von Lieferterminen. Oftmals drohen bei Nichteinhaltung von Lieferterminen hohe Konventionalstrafen.[16] Die Bestimmung eines einhaltbaren Liefertermins und damit verbunden die Entscheidung über die Auftragsannahme wird auf Basis der Grobplanung getroffen. Die Grobplanung wird später im Punkt 2.1.1 Auftragsmanagement noch detaillierter beschrieben. Generell wird die Rolle der Grobplanung in der Projektfertigung als wichtiger angesehen, als die der Feinplanung. Ein entscheidender Faktor ist auch die Produktqualität und damit verbunden die Qualitätssicherung. Diese sollte auf Grund ihrer Wichtigkeit von technischer und dispositiver Seite bestmöglich unterstützt werden.[17] 2.1 Idealtypische Charakterisierung eines Projektfertigers
Zu Beginn des folgenden Abschnittes wird die idealtypische Charakterisierung der Projektfertigung beschrieben. Tabelle 1 zeigt das morphologische Schema zur Beschreibung der technischen Auftragsabwicklungsstrukturen. Dieses Schema hilft Unternehmen ihre aktuelle Ausprägung zu ermitteln. Anhand der Ausprägung können dann Ziele oder Maßnahmen abgeleitet werden. In dieser Arbeit wird das morphologische Schema verwendet, um anhand der Auftragsabwicklungsstrukturen charakteristische Eigenschaften eines Projektfertigers zu identifizieren. Das Schema teilt die technische Auftragsabwicklung in vier Merkmalsgruppen ein: Erzeugnismerkmale, Initialmerkmal, Dispositionsmerkmale und Fertigungsmerkmale. Diese vier Merkmalsgruppen sind in weitere Einzelmerkmale, wie in Tabelle 1 zu sehen, gegliedert. Die grau hinterlegten Felder stellen dabei die Merkmalsausprägung dar, die auf einen Projektfertiger zutrifft. Dabei ist eine Mehrfachnennung aufgrund einer nicht klaren Abgrenzung möglich.
Des Weiteren werden in diesem Abschnitt die Kernaufgaben des Auftragsmanagements, der Produktionsprogramm- und Produktionsbedarfsplanung sowie der Eigenfertigungsplanung beschrieben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Idealtypische Charakterisierung der Projektfertigung
Erzeugnismerkmale
Bei den von Projektfertigern gefertigten Produkten handelt es sich zumeist um kundenspezifisch zu produzierende Erzeugnisse oder um typisierte Erzeugnisse mit kundenindividuellen Varianten. Die Produktion von kundenspezifischen Erzeugnissen erfolgt nach Kundenwunsch und ist einer Neukonstruktion gleichzusetzen. Bei der Produktion von typisierten Erzeugnissen erfolgt die Individualisierung auf der Basis einer Standardkonstruktion.[18] Die Erzeugnisse können in der Regel nicht auf Vorrat produziert werden (Make to Order).[19] Die komplexen kundenindividuellen Produkte erfordern für die Fertigung oftmals detaillierte Konstruktionszeichnungen und dementsprechend unterschiedliche Stücklisten und Arbeitspläne. So entsteht eine große Variantenvielfalt mit stark variierenden Bearbeitungszeiten, Material- und Kapazitätsbedarfen. Diese Variantenvielfalt stellt für die Materialversorgung und Ressourcenplanung eine Herausforderung dar.[20]
Generelle Regeln zur Koordination sind nur schwer ersetzbar, deswegen kommen oftmals Methoden des Projektmanagements in der Planung und Steuerung zum Einsatz. Charakteristisch sind zudem hohe Stückkosten der Erzeugnisse.[21]
Initial- und Dispositionsmerkmale
Die Auftragsauflösungsart erfolgt auf Bestellung. Der eingehende Kundenauftrag löst über die Stückliste den bedarfsorientierten Erzeugnisbedarf aus. Auch die meisten Sekundarbe- darfe werden bedarfsorientiert über eine Stücklistenauflösung ermittelt.[22] Aufgrund der hohen Individualität der Produkte bestehen häufig noch keine detaillierten Stücklisten, da viele Baugruppen erst noch in der Entwicklung kundenindividuell konstruiert werden müssen. Aufgrund langer Wiederbeschaffungszeiten ist es wichtig, die Beschaffung oder Fertigung von Langläufern bereits zu Beginn der Auftragsabwicklung anzustoßen. Da eine Loszusammenfassung gleicher Materialien aus verschiedenen Kundenaufträgen aufgrund der hohen Individualität der Produkte eher selten ist, spielt die Loszusammenfassung eine untergeordnete Rolle. Der größte Teil der Sekundärbedarfe, wird wie oben bereits erwähnt kun- denauftragsbezogen beschafft. Eine Ausnahme bilden jedoch Rohmaterialien und Standardkomponenten. Rohmaterialen haben oftmals eine lange Lieferzeit und werden deswegen von vielen Projektfertigern periodenorientiert disponiert und auf Lager gelegt. Ebenso werden Standardkomponenten, wie technische Steuerelemente, die in vielen Erzeugnissen Vorkommen bevorratet.[23]
Es ist der Trend zu beobachten, dass Projektfertiger speziell im Maschinen- und Anlagenbau ihre Fertigungstiefe reduzieren und sich auf ihre Kernkompetenzen Entwicklung,
Konstruktion und Montage fokussieren. Dieser Trend hatzur Folge, dass sich der Anteil an fremdbezogenen Komponenten erhöht.[24]
Fertigungsmerkmale
Die kundenspezifischen Engineer to Order (ETO) Produkte werden in kleinen Mengen und geringen Losgrößen in Einmalfertigung oder in Einzel- beziehungsweise Kleinserienfertigung gefertigt.
Dies hat zur Folge, dass oftmals keine oder nur wenig detaillierte Arbeitsanweisungen vorliegen. Somit beruhen die Terminangaben im Rahmen der Projektgrobplanung zumeist auf Annahmen und Schätzungen.[25] Die Produktionsdurchlaufzeit kann in der Projektfertigung oft mehrere Monate sein, daraus ergeben sich lange Lieferzeiten.[26] Charakteristisch für die Ablaufart in der Fertigung, sowie in der Montage der Projektfertigung, ist die räumliche oder objektbezogene Zusammenfassung der Produktion.
Die Ablaufart der Teilefertigung erfolgt nach dem Prinzip der Werkstatt- oder Inselfertigung. In der Montage finden die Prinzipien der Baustellen- und Gruppenmontage Anwendung.[27] Die Auftragsabwicklung erfolgt in einem ungerichteten Materialfluss. Der hohen Komplexität der Produkte geschuldet ergibt sich in der Fertigung ein hoher Strukturierungsgrad, mit einer hohen Anzahl an aufeinanderfolgenden Arbeitsgängen und Montageabschnitten. Aufgrund von stark unterschiedlichen Anforderungen an die Fertigung ist vor allem die Flexibilität der Anlagen von enormer Bedeutung. Die Projektfertigung weißt oftmals einen hohen Personalanteil verbunden mit hohen Qualifikationsanforderungen an die Mitarbeiter auf.[28] Standardisierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen wie Baugruppenbildung sind nur wenig bis kaum möglich. Auch der Anteil an Arbeitsteilung ist im Vergleich zur Serien- und Massenfertigung sehr gering.[29]
Die kundenindividuelle Fertigung erfordert eine enge Abstimmung mit dem Kunden. Dies hat oftmals zahlreiche Anpassungs- und Änderungswünsche des Kunden zur Folge. Erfolgen die konstruktiven Änderungswünsche des Kunden, wenn die Fertigung bereits angelaufen ist, wirkt sich dies auf den Fertigungsprozess aus. Abstimmungen und Anpassungen können im Extremfall auch noch nach der Auslieferung oder während der Inbetriebnahme stattfinden.[30]
2.1.1 Auftragsmanagement
In der Projektfertigung ist das Auftragsmanagement bestehend aus Anfrageerfassung, Angebots- und Auftragsbearbeitung kein Standardprozess. Dies ist der hohen Kundenindividualität der Aufträge geschuldet. Das Auftragsmanagement ist deswegen in der Projektfertigung besonders wichtig und wird im Folgenden erläutert.
Anfrageerfassung, Angebots- und Auftragsbearbeitung
Durch eine Kundenanfrage werden die ersten Arbeitsschritte des Auftragsmanagements eingeleitet. Zunächst erfolgt die Anfrageerfassung, danach die Angebots- und Auftragsbearbeitung. Schon bei der Angebotsbearbeitung wird die technische Machbarkeit des vom Kunden gewünschten Produktes geprüft. Vergangenheitsdaten von vorherigen Projekten helfen hierbei oftmals bei der Bewertung der Machbarkeit und des technischen Risikos.[31]
Auftragsgrobdesign
Das sogenannte Auftragsgrobdesign, welches aus der Machbarkeitsanalyse meist in Form von Konstruktionszeichnungen hervorgeht, dient als Grundlage für die erste Lieferterminermittlung. Die Terminbestimmung eines Projektfertigers gestaltet sich aufgrund der oftmals nach Kundenwunsch gefertigten Produkte als schwierig.[32] Häufig sind keine detaillierten Planungsinformationen wie Stücklisten und Arbeitspläne verfügbar. Lediglich Ersatzdaten aus vergangenen Aufträgen stehen zur Verfügung.[33]
Auftragsangebot
Ausgehend von diesen Ersatzdaten wird der Verkaufspreis ermittelt und alle bisher erhobenen Informationen wie technische Spezifikation und kaufmännische Konditionen im Angebot zusammengefasst. Die Auftragsabwicklung spielt im Vergleich zu anderen Auftragsabwicklungstypen in der Projektfertigung eine größere Rolle. Die intensive Abstimmung mit dem Kunden über das individuelle Produkt und die aufwendige Angebots- und Lieferterminermittlung spiegeln dies wider.[34]
Auftragsgrobterminierung
Nach einem erfolgreichen Auftragseingang werden Teilprojekte den entsprechenden Fachbereichen zugeteilt. Es erfolgt eine Festlegung der Ecktermine in der Auftragsgrobterminierung. Diese Grobterminierung bezieht sich zumeist auf direkte Bereiche in der Montage. Für indirekte Bereiche wie Konstruktion und Arbeitsplanung wird oftmals mit Standarddurchlaufzeiten kalkuliert, die unabhängig vom Arbeitsumfang gleichbleiben. Dies geschieht obwohl in den indirekten Bereichen etwa vierzig bis siebzig Prozent der Gesamtdurchlaufzeit benötigt werden.[35]
Ressourcenplanung
Der Abgleich zwischen benötigten und verfügbaren Ressourcen erfolgt in der Ressourcenplanung. Auch hier erschwert die geringe Datenbasis sowohl die Planung hinsichtlich Ressourcen als auch in Bezug auf das Budget. Die Planungen beruhen hauptsächlich auf Schätzwerten bezüglich der Arbeitsplanzeiten und anderen Kalkulationsdaten. Nach der Festlegung der Ecktermine wird direkt mit der Deponierung der Langläuferteile, deren Beschaffungszeit die geplante Durchlaufzeit übersteigt, begonnen.[36]
Planungsunterlagen
Auf die zuvor beschriebene Auftragsstruktur folgt nun die Überführung des Auftrags in Konstruktions- und Arbeitsplanungsunterlagen. Das Projekt wird in Teilprojekte untergliedert und es wird mit wachsenden Stücklisten gearbeitet. Obwohl diese Stücklisten meist sehr undetailliert sind und nicht bis auf die unterste Strukturstufe reichen, werden für diese noch nicht spezifizierten Teile oder Baugruppen Kapazitäten reserviert und Fertigungs- sowie Bestellaufträge ins System eingelastet.[37] Auch hier werden wieder Daten aus vorherigen vergleichbaren Projekten zur Planung der Kapazität und des Materialbedarfs herangezogen. Sind die Planungsunterlagen für ein Teilprojekt realisierbar erfolgt die Freigabe und damit die Einplanung des kundenauftragsbezogenen Teils in die Produktionsprogrammplanung. Bei größeren Terminverschiebungen, beispielsweise hervorgerufen durch Kundenänderungswünsche, muss für nachfolgende Teilprojekte die Auftragsgrobterminierung und Ressourcengrobplanung erneut durchgeführt werden. Zu kurzfristigen und im Gegensatz zu den bisher erwähnten langfristigen Planungsaufgaben gehören die Montageplanung zur Vorabnahme, der Versand sowie die Inbetriebnahme beim Kunden.[38]
Auftragsleitstelle
Zu erwähnen bleibt noch die Auftragsleitstelle, welche für die interne und externe Kommunikation zuständig ist. Die Abstimmung aller beteiligten Abteilungen, Firmen und mit dem Kunden gehört zu den Hauptaufgaben der Auftragsleitstelle.
2.1.2 Produktionsprogrammplanung
Um die langen meist mehrere Monate dauernden Produktionsdurchlaufzeiten in der Projektfertigung zu verkürzen, produzieren viele Projektfertiger falls möglich kundenanonym vor. Der Bedarf an Standardbaugruppen und -komponenten wird ermittelt und dem festgelegten Planungshorizont entsprechend eingeplant. Unter Berücksichtigung der marktseitigen Nachfragenentwicklung wird eine Absatzplanung auf Produktgruppenebene erstellt. Mit Hilfe dieser Absatzplanung lässt sich der kundenanonyme Bedarf an Baugruppen und Komponenten unter Berücksichtigung eventueller Bestände ermitteln.[39] Danach kann eine grobe Terminierung der auftragsanonymen Nettobedarfe in der Produktion, Beschaffung und Montage erfolgen. Häufig wird die anonyme Produktion und Beschaffung gegen Jahresende für das folgende Jahr vorgeplant und regelmäßig auf Realisierbarkeit in Bezug aufAbsatz und Kapazitäten überprüft.[40]
2.1.3 Produktionsbedarfsplanung
Das Resultat der Produktionsprogrammplanung ist ein hybrides Produktionsprogramm bestehend aus konkreten Kundenaufträgen aus der Angebots- und Auftragsbearbeitung, sowie einem kleineren Anteil an auftragsanonymen Planaufträgen.
Eine wichtige Planungsaufgabe ist der Abgleich der kundenanonymen ermittelten Bedarfe aus der Produktionsprogrammplanung und den realen Bedarfen aus eingegangenen Kundenaufträgen. Daraufhin erfolgt die Bruttosekundärbedarfsermittlung anhand der Stücklistenauflösung. Eine Besonderheit in der Projektfertigung ist hierbei, dass Baugruppen und Bauteile deren Konstruktion noch nicht vollständig abgeschlossen ist, trotzdem bereits terminiert werden. Es fehlen beispielsweise NC-Daten oder Arbeitspläne und so muss auch hier auf Vergangenheitsdaten oder Schätzwerte zurückgegriffen werden.
Für bereits vollständige Baugruppen und Bauteile erfolgt dann die Nettosekundärbedarfsrechnung, diese spielt allerdings aufgrund des geringen Lageranteils an eigengefertigten Baugruppen und -teile eine untergeordnete Rolle.
Den zu disponierenden Teilen wird nach der Make-or-Buy-Analyse die entsprechende Beschaffungsart zugeordnet.
Für die Eigenfertigungsteile werden dann die Durchlaufterminierung, die Kapazitätsbedarfsermittlung und die damit verbundene Kapazitätsabstimmung je nach Produktstruktur mit unterschiedlichem Detaillierungsgrad durchgeführt.
Auch hier werden zur Planung aufgrund nicht vollständiger Konstruktions- und Planungsdaten Erfahrungswerte und Vergleichsdaten herangezogen. Dies führt zu Ungenauigkeiten und dazu, dass nur ein ungefährer Bedarf an Personal- und Maschinenkapazität ermittelt werden kann. Deswegen wird meistens eine Planung auf Maschinen- bzw. Personalgruppenebene durchgeführt. Für die fremdbeschafften Produkte erfolgt eine Prüfung der
Bestellanforderung und anschließend die Bestellfreigabe. Als finales Ergebnis der Produktionsbedarfsplanung liegt ein aus Eigenfertigungs- und Fremdbezugsprogramm bestehendes Beschaffungsprogramm vor.[41]
2.1.4 Eigenfertigungsplanung und -Steuerung
Durch die Produktionsbedarfsplanung liegt der Werkstatt nun ein Eigenfertigungsprogramm vor, welches auf die zur Verfügung stehenden Kapazitäten verteilt werden muss. Zunächst fasst die Losgrößenrechnung sämtliche Baugruppen und Bauteile mit ähnlicher oder gleicher Arbeitsgangreihenfolge zusammen. Bei der anschließenden Feinterminierung werden die Arbeitsgänge den Ressourcen wie zum Beispiel Maschinen oder Montageplätzen zugeordnet und ein Starttermin festgelegt. So bilden sich an den Ressourcen Arbeitsvorräte. Bei der darauffolgenden Ressourcenfeinplanung erfolgt ein Kapazitätsabgleich, um Spitzen- und Überkapazitäten zu identifizieren und zu beseitigen. Als Ergebnis liegt ein Arbeitsvorrat vor, welcher innerhalb einer bestimmten Periode an einer Ressource abgearbeitet werden soll. Aus der Feinterminierung und der Ressourcenfeinplanung entsteht derWerk- stattprogrammvorschlag. Dieser wird vor Fertigungsstart nochmals auf Realisierbarkeit in Bezug auf Kapazitäten, Materialverfügbarkeit und Vorliegen der Arbeitsunterlagen wie Zeichnungen und Arbeitsanweisungen überprüft und darauffinal freigegeben. Die meisten Projektfertiger nutzen heutzutage ein Betriebsdatenerfassungssystem (BDE-System) zur Überwachung des Fertigungs- und Montagefortschritts. Durch das Rückmeldesystem ist eine Verfolgung des Projektverlaufs möglich und der Projektfertiger kann auf Verzögerungen reagieren und ist gegenüber dem Kunden schnell auskunftsfähig.[42] Auf eine detaillierte Beschreibung der Fremdbezugsplanung und -Steuerung sowie des Bestandsmanagements wird im Rahmen dieser Arbeit verzichtet.
Tabelle 2 stellt tabellarisch die charakteristischen Merkmale der Projektfertigung nochmals übersichtlich dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Zusammenfassung der charakteristischen Merkmale
2.2 Produktionsorganisatorische Herausforderungen
Aus den oben aufgelisteten Kennzeichen ergeben sich organisatorische Herausforderungen. So entsteht aufgrund der Kundenindividualität der Produkte eine enorme Variantenvielfalt. Diese Variantenvielfalt spiegelt sich im Produktionsablauf der Produkte wider. Die hohe Variantenvielfalt führt in der Produktion zu verschiedenen Zeiten, Reihenfolgen und unterschiedlich vielen Schritten bei der Bearbeitung und somit zu einer schweren Planbarkeit von Produktionsdurchlaufzeiten.[43]
Der Wettbewerb und die lange Verhandlungsdauer um den Erhalt eines Kundenauftrags, führen zu eher sporadischen Vertragsabschlüssen, woraus eine Absatzunsicherheit resultiert. Diese Absatzunsicherheit verursacht starke Kapazitätsschwankungen, welche eine organisatorische Herausforderung darstellen.[44] Es sollte somit die Möglichkeit bestehen Überund Unterkapazitäten auszugleichen. Eine weitere organisatorische Herausforderung stellen die kleinen Losgrößen dar. Durch kleine Losgrößen muss oft gerüstet werden, es entsteht ein hoher Gesamtrüstaufwand.[45] Der Personalanteil in der Fertigung einer Projektfertigung ist gegenüber anderen Auftragsabwicklungstypen deutlich höher und stellt somit auch organisatorisch eine größere Herausforderung dar.[46]
Eine der größten zu lösenden Problemstellung in der Projektfertigung ist die Produktionsprogrammplanung und -Steuerung. Im Gegensatz zu Unternehmen mit einem StandardProduktionsprogramm ist das Produktionsprogramm eines Projektfertigers nicht fest vorgegeben. Bei Unternehmen mit Standard-Produktionsprogrammen existieren in den meisten Fällen bereits Stücklisten und Arbeitspläne. Bei auftragsorientierter Projektfertigung verzichtet man oftmals auf das Anlegen von Grunddaten, da dies als nicht lohnend angesehen wird. Trotz dem Fehlen wichtiger Grunddaten und Erfahrungswerte wie Vorgabezeiten, müssen Mengen, Termine und Kapazitäten geplant werden.[47] Der hohe Komplexitätsgrad der Produkte führt zu schwer beherrschbaren Produktionsprozessen und damit einhergehenden Koordinationsproblemen die zu Produktionsstaus, langen Übergangszeiten, einer geringen Liefertreue und Qualitätsproblemen führen können. Gerade die Liefertreue sowie die Qualität stellen wichtige Wettbewerbsfaktoren dar.[48]
Somit liegt eine grundlegende Herausforderung in der zeitlichen Koordination von Aktivitäten unter Berücksichtigung technologischer Abhängigkeiten. Vor allem bei einer Mehrprojektfertigung ist zu beachten, dass nicht zur gleichen Zeit mehrere Projekte dieselben Ressourcen beanspruchen. Für einzelne Bereiche muss beispielsweise eine Maschinenbelegungsplanung um eine Personalplanung erweitert werden. Dadurch entsteht eine Mehrressourcenplanung. Auch der Flächenbedarf und die Bereitstellung von Materialien können zum Engpass werden und somit Planungsherausforderungen darstellen.[49] In Tabelle 3 sind alle produktionsorganisatorischen Herausforderungen nochmals übersichtlich dargestellt.
[...]
[1] Vgl. Westkämper et al., 2014, S.16; Westkämper et al., 2009, Vorwort
[2] Vgl. Serieller, 2013, S.5
[3] Vgl. Spath, 2013, S.19
[4] Vgl. Spath, 2013, S.90
[5] Vgl. Bauernhansl, 2014, S.11
[6] Vgl. Warnecke, 1992, S.8; Kamiske, 1996, S.90
[7] Vgl. Tharumarajah et. al., 1998, S.4
[8] Vgl. Warnecke, 1996, S. 141
[9] Vgl. Bauernhansl, 2014, S.11
[10] Vgl. Schnell, 2015, S.1
[11] Vgl. Jodlbauer, 2008, S.13
[12] Vgl. Hölzlwimmer, 2011, S.250
[13] Vgl. Zäpfel, 2001, S.169; Gudehus, 2012, S.149
[14] Vgl. Kurbel, 2005, S.201
[15] Vgl. Günther, 1993, S.201; Währisch, 1998, S.207
[16] Vgl. Rinschede, 1995, S.56
[17] Vgl. Kurbel, 2005, S.200f.
[18] Vgl. Schuh, 2006, S.124
[19] Vgl. Kurbel, 2005, S.197; Rinschede, 1995, S.56; Jodlbauer, 2008, S.1
[20] Vgl. Adam, 1997, S.22
[21] Vgl. Jodlbauer, 2008, S.13; Adam, 1997, S.22
[22] Vgl. Jodlbauer, 2008, S.13; Rinschede, 1995, S.56
[23] Vgl. Schuh, 2006, S.127ff.
[24] Vgl. Eversheim etal., 2005, S.12f.
[25] Vgl. Schuh, 2006, S.138; Jodlbauer, 2008, S.13
[26] Vgl. Schuh, 2006, S.145
[27] Vgl. Schuh, 2006, S.138; Jodlbauer, 2008, S.13
[28] Vgl. Rinschede, 1995, S.56; Gienke, 2007, S.58f,; Jodlbauer, 2008, S.13
[29] Vgl. Rinschede, 1995, S.56;
[30] Vgl. Schuh, 2006, S.139
[31] Vgl. Schuh, 2006, S.139
[32] Vgl. Zäpfel, 2001, S.169
[33] Vgl. Klein et al., 2000, S.32f,; Schuh, 2006, S.141
[34] Vgl. Klein et al., 2000, S.34
[35] Vgl. Schuh, 2006, S.141
[36] Vgl. Schuh, 2006, S.142
[37] Vgl. Finger, 2012, S.41
[38] Vgl. Schuh, 2006, S.144
[39] Vgl. Gudehus, 2012, S.134ff.
[40] Vgl. Klein etal., 2000, S.33
[41] Vgl. Schuh, 2012, S.147f.
[42] Vgl. Schuh, 2006, S.149f.
[43] Vgl. Adam, 1997, S.22
[44] Vgl. Günther, 1993, S.201; Währisch, 1998, S.207
[45] Vgl. Schuh, 2006, S.138; Jodlbauer, 2008, S.13
[46] Vgl. Rinschede, 1995, S.56; Gienke, 2007, S.58f,; Jodlbauer, 2008, S.13
[47] Vgl. Kurbel, 2005, S.201; Jodlbauer, 2008, S.13; Adam, 1997, S.22f.
[48] Vgl. Kurbel, 2005, S.200f,; Vollmar et al., 2017, S.1
[49] Vgl. Zäpfel, 2001, S.169; Rinschede, 1995, S.56; Adam, 1997, S.22f.
- Citation du texte
- Lukas Barth (Auteur), 2018, Anwendbarkeit des Konzepts der Fraktalen Fabrik als Produktionsorganisation für einen Projektfertiger, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/416018
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