"Schreibende Filmemacher" der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts werden hier untersucht, dabei schwerpunktmäßig jene, die Filmkritiken schrieben, bevor sie Regisseure wurden.
Filmkritik wird hier in einem weiter gefassten Rahmen verstanden. Sie ist nicht nur die Rezension eines bestimmten Filmes, sondern allgemein das kritische Schreiben über Film und seine verschiedenen Aspekte (Produktion, Ästhetik, Stil, Politik, gesellschaftliche Relevanz, etc.). Es besteht die Vermutung, dass in den sechziger Jahren im europäischen Kino - und mit "Kino" ist hier der gesamte Komplex assoziativer Verknüpfungen gemeint, der eben auch die Filmkritik einschließt - auf beiden Seiten, der des Schreibens über Film und der der Filmemacher, eine besondere Aufmerksamkeit für die jeweils andere Position existiert. Diese Vermutung legt weiterhin nahe, dass im europäischen Kino der sechziger Jahre eine bis heute in ihrer Intensität einzigartige Verbindung, geradezu Durchdringung dieser beiden Aspekte - des Filmens selbst und des Schreibens über Film - stattgefunden hat. Die verschiedenen Dimensionen dieses Themas liegen auf der Hand:
Das Schreiben kann eine Annäherung an das Liebesobjekt Kino bedeuten, wie im Fall der "Kritiker-Regisseure der Nouvelle Vague" . In diesem Fall handelt es sich um eine Auslotung der ästhetischen Mittel, die in der Kritik ihre Wertschätzung finden, um später in den eigenen Filmen erprobt oder gewandelt werden zu können.
Filmkritik bedeutet aber ebenso eine kritische Stellungnahme zum Film, wie er ist, wie er sein könnte und sollte.
Inhalt
Vorbemerkung
Einleitung
Die Liebe von Text zu Kino: Schreiben über Film als Annäherung an den Film
Schreiben über Film als Forderung an den Film: der Ausdruck der Frustration
Schreiben über Film als Forderung an den Film: die Handlungsanweisung
Exkurs: Die Sprache des Films
Bilder wie Parolen: die Politik und die jungen Filmemacher
Schreiben über Film als (Entwurf für den) Film: den Film schreiben
Schreiben als Ersatz
Exkurs: Anderes Schreiben: Roman, Bühnenstück, Adaption
Schreiben über das eigene Schreiben: Selbstzeugnisse
Schreiben über den eigenen Film: Selbstzeugnisse
Schlussbemerkung
Literaturverzeichnis
Vorbemerkung
Diese Untersuchung geht davon aus, dass die beschriebenen Regisseure, deren Karrieren zum größten Teil in den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts begannen oder erst richtig erblühten, auf Grund ihrer teilweise noch heute fortgesetzten Arbeitsweise und vor allem der kinematografischen Zusammenhänge, in denen sie zu jener Zeit arbeiteten, als Autorenfilmer angesehen werden können. Dementsprechend werden die Filme, die unter ihrer Regie entstanden, auch im Folgenden als Werke hauptsächlich dieser Autoren betrachtet und unter diesem Gesichtspunkt in Bezug zu den desweiteren untersuchten schriftlichen Textäußerungen gesehen, auch auf die Gefahr hin, dass damit womöglich systemische Zusammenhänge unterbelichtet werden.
Einleitung
Die folgenden Überlegungen gelten „Schreibenden Filmemachern“ der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts, dabei schwerpunktmäßig jenen, die Filmkritiken schrieben, bevor sie Regisseure wurden. Filmkritik wird hier in einem weiter gefassten Rahmen verstanden. Sie ist nicht nur die Rezension eines bestimmten Filmes, sondern allgemein das kritische Schreiben über Film und seine verschiedenen Aspekte (Produktion, Ästhetik, Stil, Politik, gesellschaftliche Relevanz, etc.). Es besteht die Vermutung, dass in den sechziger Jahren im europäischen Kino – und mit „Kino“ ist hier der gesamte Komplex assoziativer Verknüpfungen gemeint, der eben auch die Filmkritik einschließt – auf beiden Seiten, der des Schreibens über Film und der der Filmemacher, eine besondere Aufmerksamkeit für die jeweils andere Position existiert. Diese Vermutung legt weiterhin nahe, dass im europäischen Kino der sechziger Jahre eine bis heute in ihrer Intensität einzigartige Verbindung, geradezu Durchdringung dieser beiden Aspekte – des Filmens selbst und des Schreibens über Film – stattgefunden hat. Die verschiedenen Dimensionen dieses Themas liegen auf der Hand:
Das Schreiben kann eine Annäherung an das Liebesobjekt Kino bedeuten, wie im Fall der „Kritiker-Regisseure der Nouvelle Vague“[1]. In diesem Fall handelt es sich um eine Auslotung der ästhetischen Mittel, die in der Kritik ihre Wertschätzung finden, um später in den eigenen Filmen erprobt oder gewandelt werden zu können.
Filmkritik bedeutet aber ebenso eine kritische Stellungnahme zum Film, wie er ist, wie er sein könnte und sollte. Inspiriert von der Nouvelle Vague bildet sich eine solche Stellungnahme in Deutschland heraus, verläuft aber doch unter anderen Vorzeichen. Die Kritik, die hier laut wird, zielt ab auf das „System Film“. Sie verhandelt weniger vorrangig ästhetische Aspekte als die Produktionsbedingungen, denen sich ihre Protagonisten ausgesetzt sehen. Debattiert werden hier im Zuge einer Loslösung vom althergebrachten Kino immer und besonders heftig auch die ökonomischen Verhältnisse, unter denen sich eine Neuerung zu etablieren versucht. Die Programmatik und das Manifest bestimmen den Ton so sehr, dass bezeichnenderweise in einer Zeitschrift, deren Titel Filmkritik lautet, die interne Diskussion um die beiden verschiedenen Richtungen der Ästhetischen und Politischen Linken über Jahre hinweg geführt wird. Die Auseinandersetzung in der Filmkritik ist beeinflusst von einer Diskussion um Film, die weit außerhalb des Rahmens der Zeitschrift initiiert ist und sich im gesamten neuen Filmschaffen der Bundesrepublik reflektiert findet. Schließlich zählt auch der Ausdruck der Unzufriedenheit mit dem existenten Kino, der sich in Manifesten und programmatischen Stellungnahmen der Zeit äußert, zur Kritik am Film, zur Filmkritik.
Vor allem die Forderung nach einem sozialen Realismus im Film steht in direktem Zusammenhang mit dem Filmschaffen derjenigen, die eine solche inhaltliche Diskussion anregen. In Schweden äußert Bo Widerberg in einer 1962 erschienenen Essay-Sammlung seine „Vision of a Swedish Cinema“[2] der aktuellen sozialen Konflikte, die er ab dem selben Jahr in seinen eigenen Filmen zu thematisieren sucht. Die Regisseure des Free British Cinema der fünfziger Jahre, das sich ebenfalls Themen des sozialen Realismus zuwendet, formulieren solche Anliegen schon in ihrer 1947 gegründeten Zeitschrift Sequence und in Sight and Sound. Bemerkenswert ist hier zum einen ein starkes Engagement für veränderte Produktionsbedingungen in der Filmindustrie, zum anderen der Austausch mit dem britischen Bühnengeschehen: Theaterautoren wie John Osborne oder Edward Albee liefern nicht nur mit ihren Stücken Vorlagen für filmische Adaptionen, sondern arbeiten auch mit den Regisseuren zusammen an den Drehbüchern.
Die Überschneidung mit einer weiteren Dimension der Verschränkung von Text und Kino, der „literarischen Filmtradition“ der sechziger Jahre, wird hier deutlich: Auf der Suche nach neuen Stoffen greifen die Filmemacher nicht nur in Frankreich, im Land des Nouveau Roman, auf literarische Vorlagen zurück, die ihnen relevante, aktuelle oder ästhetisch herausfordernde Anstöße liefern.
Die Fragen, die sich in diesem Kontext stellen, lauten nun: Wer schreibt vorher? Ist Schreiben prägend? (Sieht man das dem Film an?) Gibt es Bezüge zwischen dem, was vorher an Kritik geschrieben wurde und den Filmen? Wie waren die Ausgangssituationen der einzelnen Regisseure? (Waren sie blockiert, politisch engagiert, literarisch aktiv in Roman, Novelle, Essay...?) Gibt es Vergleichsuntersuchungen zu Filmkritik und Film?
Zur Eingrenzung des Begriffs Filmkritik sollen neben der oben angedeuteten Öffnung auch historische Modelle berücksichtigt werden, wie sie z.B. Karl Prümm in seinem Aufsatz „Filmkritik als Medientransfer. Grundprobleme des Schreibens über Filme.“[3] für die deutsche Filmkritik seit Beginn der Kinovorführungen herausarbeitet. Grundlegend stellt Prümm fest: „Filmkritik [...] ist eine Übersetzungsleistung.“[4] Dieser Grundidee gesellt Prümm aber neue Aspekte und Perspektiven hinzu, wenn er betont: „Die Filmkritik der zwanziger Jahre [...] war von einer [...] Euphorie durchdrungen, an einer großen Sache, an einer ‚werdenden Kunst‘ beteiligt zu sein. Ihren Texten gab sie den Status praktischer Mitarbeit [...] Sie wollten mitschreiben am offenen Text des Films.“[5] An anderer Stelle nennt er dieses Vorgehen „kinematographische Grundsatzreflexion“ und unterstreicht die daneben existierende „ausgefeilte, hochnuancierte Schauspielerkritik“[6]. Was hier anklingt, ist eine Auffassung des Schreibens über den Film, die einerseits solidem journalistischen Handwerk gleich kommt, andererseits das Kino durchaus wie im oben genannten Sinne als Vereinigung verschiedener künstlerischer Betätigungsfelder begreift und auch ihre eigene Tätigkeit inmitten dieser Sparten ansiedelt. Die von Prümm ebenfalls benannte Wendung der deutschen Filmkritik nach 1945 zum moralischen Wertmaßstab und die von ihm bemängelte Fixierung auf den auteur bezeichnen andere Pole des Spannungsfeldes, in dem sich die Filmkritik der sechziger Jahre verorten lässt.
Das Augenmerk dieser Untersuchung ist dabei nicht auf einen oder mehrere bestimmte Kritiker-Regisseure und ihren Stil und Werdegang gerichtet, sondern es wird vielmehr versucht, die unterschiedlichen Ausprägungen des Phänomens und seine womöglich vorhandenen historischen Vorraussetzungen zu erfassen. Der Zugang erfolgt dabei über verschiedenen Aspekte, die sich nicht argumentativ auseinander ergeben, sondern gleichwertig nebeneinander stehen: linguistische, pragmatische, politische, ästhetische und systemische Gesichtspunkte kommen hier zur Sprache. Es ist die Hoffnung der Autorin, mit diesem Vorgehen eher eine Erörterung des Phänomens zu erreichen als durch eine rein exemplarische Untersuchung einzelner Personen.
Die Liebe von Text zu Kino: Schreiben über Film als Annäherung an den Film
Es mag den Regisseuren der Nouvelle Vague „ex post“ nicht schwergefallen sein, zu erklären „Filmkritik und Filme-Drehen sei für sie von Anfang an eine untrennbare Einheit gewesen.“[7] Solange sie noch als Kritiker arbeiteten, war die Einheit aber noch eine eher begehrte als tatsächlich erfahrene und so klingt es für diesen Beginn überzeugender zu behaupten: „Kritik war für sie ein Vorraum der Produktion, ein Übungsfeld der Aneignung von Filmgeschichte, sicher auch eine Selbstetablierung und Selbstinszenierung.“[8] Dieses merkwürdige Verhältnis zwischen Kritiker und den Filmen, letztlich auch zwischen Kritiker und Filmemacher, zeichnet sich demnach durch einen Aspekt besonders aus: den des Nachziehens, Lernens, der Vorbereitung auf den großen Sprung. Truffaut mag diese Beziehung vielleicht am deutlichsten beschrieben haben. In ihr gelebt haben aber einige der Protagonisten des europäischen Kinos der sechziger Jahre, bevor sie zu eben den Regisseuren wurden, als die sie sich einen Namen gemacht haben.
Diese Konstellation scheint zwischen den zwei Polen der Selbsteinschätzung von Filmkritik zu existieren, die Truffaut wie folgt beschreibt: „Die Verhältnisse zwischen Künstler und Kritiker laufen immer auf eine Kraftprobe hinaus, und eigenartigerweise verliert der Kritiker nie aus den Augen, daß das Verhältnis für ihn ungünstiger steht [...], während der Künstler seine wesensmäßige Vorrangigkeit ständig außer acht läßt.“[9] Hier wird die Unterlegenheit des Filmkritikers angesprochen, während Karl Prümm gerade das gewandelte Kräfteverhältnis betont: „Für Godard sind die Filmkritiken der Cahiers du cinema Filmgespräche unter Freunden, die nichts anderes im Kopf haben, als selber Filme zu machen.“[10] Das Verhältnis von Kritiker und Kritisiertem, das man wohl in seltenen Fällen als ein freundschaftliches beschrieben hatte, bekäme damit eine neue Prägung. Voraussetzung dafür ist vermutlich eine Übereinkunft in einem gemeinsamen Interesse.
Damit würde die Filmkritik an dieser Stelle aber weniger eine Urteilsbildung, gar einen Urteilsspruch über den Film darstellen, sondern mehr den Charakter eines Fachsimpelns, neutraler: eines wohlwollenden Fachgesprächs annehmen. Sie stellt damit den Film weniger in den Kontext des Kinos als Gesamtheit, als sie ihn auf seine Machart und die treibenden Kräfte der Produktion hin untersucht. Das Augenmerk solcher Gespräche sind all jene Aspekte des Filmemachens, die die Realität des Regisseurs betreffen: ästhetische Probleme und Lösungsmöglichkeiten, Arbeitsbedingungen, Absichten und Realisationen derselben, die Möglichkeit einer Aussage oder die Interpretation derselben. Für die Rolle der Filmkritik scheint diese Variation entscheidend gewesen zu sein, die Nouvelle Vague, besonders auch Truffaut werden beim Versuch einer Selbstbestimmung als journalistische Form immer wieder zitiert. Die Kritik, die sich als Werturteil des Films bemächtigt und ihn gutheißt oder ablehnt, weicht hier einer Rolle, die sich eher mit dem Nachzeichnen dessen beschäftigt, was der Film in seiner Form auszudrücken sucht. Dementsprechend tritt auch der Kritiker dem Regisseur nicht mehr als Richter gegenüber, sondern als interessierter, im Idealfall kongenialer Gesprächspartner.
Nicht vergessen werden sollten in diesem Zusammenhang aber die Fragebögen, bzw. Hitlisten der Cahiers, die hingegen die Kunstrichter-Pose auf ihre Essenz verdichten: Daumen hoch oder Daumen runter für einen Film. Diese Polemik hat viel mit einem auf gewisse Weise politischen Bewusstsein zu tun: dem Anliegen auf publizistischer Ebene bestimmte Tendenzen des Kinos zu unterstützen oder zu beseitigen. Truffaut formuliert es: „‚Ein weniger guter Film von Hawks ist allemal interessanter als der beste Film von Huston.‘ Das ist, wie Sie schon bemerkt haben werden, die Politik der Autoren, die von den Cahiers du Cinéma lanciert wurde“[11]. Diese Radikalisierung – wenn man so will – erklärt sich vielleicht aus der Position der Kritiker heraus, die sich einer Filmwirtschaft gegenüber sahen, deren Teil sie (noch) nicht waren, deren Möglichkeiten der Publizistik die eigenen bei weitem überstiegen.[12] Etwas relativierend beschreibt Truffaut auch 1975 sein Ungehaltensein, mit dem er André Bazin als Zwanzigjähriger vorgeworfen habe, „er würde Filme wie Mayonnaise betrachten, die gelingen oder auch nicht. [...] Ich weiß nicht, was die einen oder die anderen heute von der Politik der Autoren halten, aber ich bin sicher, daß wir alle uns Bazins Mayonnaisetheorie zu eigen gemacht haben, denn die Kinopraxis hat uns einiges gelehrt.“[13] Die rigorosen Werturteile der Cahiers also als Äußerungen enttäuschter Filmliebhaber, die vom Filmhandwerk (noch) keine Ahnung haben – und auch als Ausdruck der Enttäuschung über diesen Umstand? Bei den erwähnten Gesprächen „unter Freunden“, die die Interviews der Cahiers vermeintlich darstellen, existiert jedenfalls ein Schema, das der Kongenialität zu widersprechen scheint: In der Regel (er)schafft einer der „Freunde“ etwas, was der andere bisher lediglich anstrebt: er macht Filme.
Wim Wenders leitet einen kurzen Aufsatz zur Filmkritik mit den Worten ein: „Ich bin Filmemacher. Bis vor ungefähr sechs Jahren habe ich Filmkritiken geschrieben, aber damit aufgehört, als ich selber Filme drehen konnte.“[14] In dieser verblüffend nüchternen Erklärung drückt sich die gesamte Wartestellung des Kritiker-Regisseurs aus. Das letzte Verb („konnte“), verrät ganz beiläufig die impotente Haltung des Schreibenden, der die Aneignung des ersehnten Kinos nur antizipieren, kaum durch sein Schreiben ersetzen kann. Die Filmkritik eben doch nur als Transitorium, das der erfolgreichen Etablierung als Filmschaffender dienen soll. Bemerkenswert ist der anschließende Satz von Wenders: „Beides zu tun schien mir ein Widerspruch zu sein.“[15] Worin besteht dieser Widerspruch? Niemand würde doch wohl erwarten, dass Wenders Kritiken über seine eigenen Filme schreibt, wobei die Interessen des Regisseurs vielleicht in Widerspruch mit der Integrität des Kritikers geraten könnten. Und selbst dies träfe nur zu, wenn man eine kunstrichterliche Position des Kritikers voraussetzte. Eine kongeniale verbale Aussage des Regisseurs zum Film könnte doch vielleicht sogar von großem Interesse sein. Es sei Wenders aber hier unterstellt, das der Widerspruch, den er spürte, in etwas anderem bestand, was auch das Verb „konnte“ höchst sinnig andeutet: Wer selber Filme macht, hat es eben einfach nicht mehr nötig, sich der „Ersatzbefriedigung“, die die Filmkritik bietet, hinzugeben. So könnte Wenders Aussage gelesen werden.
Ist die Gesprächskonstellation zwischen Regisseur und Kritiker mit Regie-Ambitionen aufgrund dieses Gefälles innerhalb der Nähe zum Film und seiner Ausdrucksmöglichkeiten mehr ein Verhältnis wie zwischen Lehrer und Schüler? Der deutsche Titel von Truffauts Mr. Hitchcock, wie haben sie das gemacht? will so etwas vermutlich implizieren.[16] Damit sind aber keinesfalls alle Aspekte einer solchen Beziehung abgedeckt. Schließlich publiziert der vermeintlich nur lernende Teil seine Gedanken und Meinung zum „Lehrstoff“ später im Gewand eines Interviews oder aber einer Kritik, also doch einer Beurteilung im weiteren Sinne. Und – das ist entscheidender als das tatsächliche oder nur implizite Werturteil – hat damit auch eine nicht geringe öffentliche Aufmerksamkeit. Um beim Beispiel Truffaut-Hitchcock noch ein wenig zu bleiben: Truffauts „Urteil“ über Hitchcock trägt schließlich maßgeblich zu einer Etablierung von Hitchcocks Leistungen als auteur innerhalb einer film-bewussten Öffentlichkeit bei. Das Bild vom eifrig-interessierten Schüler und dem im Besitz der relevanten Informationen befindlichen Lehrer, das sich zunächst bieten könnte, muss doch zugunsten eines kongenialen Autors des geschriebenen Wortes relativiert werden. Die Atmosphäre „unter Freunden“ stellt sich ein durch eine dem Film gleichwertige publizistische Tätigkeit, die im Rahmen ihrer stilistischen und formalen Gegebenheiten (der Technik des Interviews, der Rezension, des Essays) die Strategien des Films fortschreibt oder beschreibt, ihnen ein außerfilmisches Forum öffnet oder innerhalb der öffentlichen Wahrnehmung einen neuen Platz zuweist. Die Umwertung dieser Kritik in einen Lernprozess geschieht damit lediglich durch die Person des Kritiker-Regisseurs selbst: Das Schreiben der Kritik und die Recherche für die Kritik öffnen ihm Quellen, ergeben Einblicke, regen womöglich zu eigenen Werken an. Das Ergebnis dieser Ereignisse findet sich jedoch nicht in seinen Kritiken wieder – sondern in seinen Filmen.
[...]
[1] Prümm, Karl: Filmkritik als Medientransfer. Grundprobleme des Schreibens über Filme. In: Grob, Norbert / Prümm, Karl: Die Macht der Filmkritik. Positionen und Kontroversen. München, 1990. S. 18.
[2] Der Inhalt jenes Buches kann leider nur in Ausschnitten in die folgenden Überlegungen mit eingehen, da lediglich einige Zitate in englischen Werken über Widerberg einsehbar waren, das schwedische Original der Autorin aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse verschlossen blieb. Wo Widerberg zitiert wird, beziehen sich diese Zitate also auf die schon von Peter Cowie oder Stig Björkman getroffene Vorauswahl.
[3] Grob / Prümm, 1990. S. 9-24.
[4] Ebd. S. 11.
[5] Ebd. S. 21.
[6] Ebd. S. 23.
[7] Ebd.
[8] Ebd.
[9] Truffaut, Francois: „Wovon träumen die Kritiker?“ In: Ders.: Die Filme meines Lebens. Frankfurt am Main, 1997. S. 25.
[10] Grob / Prümm, 1990. S.18.
[11] Truffaut, 1997. S. 27.
[12] Dieser Aspekt wird noch ausführlicher behandelt im Abschnitt „Schreiben über Film als Forderung an den Film: die Handlungsanweisung“ in Bezug auf die britischen Filmemacher.
[13] Truffaut, 1997. S. 27.
[14] Wenders, Wim: „Wut über den Zustand der Filmkritik.“ In: Prinzler, Helmut / Rentschler, Eric: Augenzeugen: 100 Texte neuer deutscher Filmemacher. Frankfurt a.M., 1988. S. 330.
[15] Ebd.
[16] Der französische Titel lautet wesentlich neutraler Le Cinéma selon Hitchcock, und behauptet damit lediglich, das Kino aus Hitchcocks Sicht zu beschreiben.
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