Der Suizid – Humanwissenschaftliche Analyse und ethische Bewertung soll in dieser Arbeit die Position Nietzsches über den Suizid und die christliche Moral untersucht werden. Diese Arbeit gehört zum dritten Schritt des Seminars, wobei die philosophischen Argumente für und gegen den Suizid einer kritischen Durchsicht unterzogen wurden, die in der philosophischen Tradition bei Platon, Stoa, Thomas von Aquin, David Hume, Immanuel Kant und Friedrich Nietzsche erörtert wurden. Die Aufgabe dieser Arbeit ist begrenzt und nämlich, die Sicht Nietzsches über den Suizid näher zu betrachten und verständlich zu machen. Dabei wird der Frage nachgegangen, inwiefern Nietzsches Sicht über den Suizid eine Gegenreaktion zu der christlichen Moral ist und wie er seine Argumente gegenüber der christlichen Perspektive begründet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Nietzsches biographischen Merkmale
3. Nietzsche über den Suizid
4. Nietzsche Suizidsicht und die christliche Moral
5. Schlussbemerkungen
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In Anlehnung an der erarbeiteten Methode und Vorgehensweise des Hauptseminars „Der Suizid - Humanwissenschaftliche Analyse und ethische Bewertung“ soll in dieser Arbeit die Position Nietzsches über den Suizid und die christliche Moral untersucht werden. Diese Arbeit gehört zum dritten Schritt des Seminars, wobei die philosophischen Argumente für und gegen den Suizid einer kritischen Durchsicht unterzogen wurden, die in der philosophischen Tradition bei Platon, Stoa, Thomas von Aquin, David Hume, Immanuel Kant und Friedrich Nietzsche erörtert wurden. Die Aufgabe dieser Arbeit ist begrenzt und nämlich, die Sicht Nietzsches über den Suizid näher zu betrachten und verständlich zu machen. Dabei wird der Frage nachgegange n, inwiefern Nietzsches Sicht über den Suizid eine Gegenreaktion zu der christlichen Moral ist und wie er seine Argumente gegenüber der christlichen Perspektive begründet.
Diese Hausarbeit ist in vier Teilen gegliedert. Im ersten Teil werden die biographisc he n Merkmale Nietzsches dargestellt. Im darauffolgenden Teil werden seine Gedanken geschilde rt, bevor im dritten Teil eine Auseinandersetzung mit Nietzsches Sicht und der christlichen Sicht des Suizids präsentiert wird. Im Schlussteil stellt sich eine antwortgegebene Konklusion auf die Fragestellung und Hinweise auf weiterführende Fragen werden gegeben.
2. Nietzsches biographischen Merkmale
Friedrich Wilhelm Nietzsche ist am 15. Oktober 1844 zu Röcken bei Lützen geboren. Die ersten fünf Jahre seines Lebens verbrachte der junge Nietzsche im Pfarrhaus in Röcken, wo sein Vater Carl Ludwig Nietzsche Pastor war. Die jüngere Schwester Nietzsches, Elisabeth Förster Nietzsche, schrieb später 1885 über das Bekenntnis zum Christentum in der Familie Nietzsche: „Ein religiöser Zwang wurde auf die Kinder nicht ausgeübt, aber die Vorbilder zeigten Christentum und Religion als natürliche Hingebung in erhabenster Gestalt.“1 Nietzsche war ein sehr frommes Kind und wollte das Predigtamt ausführen. Seine Schulkameraden nannten ihn „den kleinen Pastor“. So sah Nietzsches Leben am Anfang aus.2
Die religiöse Jugendentwicklung umspannte den Zeitraum von der frühen Kindheit bis zum Ende des zwanzigsten Lebensjahres. Im Frühjahr kam die endgültige Ablehnung jeder Form eines historischen Christentums. Der Hauptgrund für Nietzsches Loslösung vom Christent um lässt sich durch seine Beschäftigung mit der Philosophie begründen. Nietzsche war der Meinung, dass das Christentum die Welt verneine und den Menschen versklave.3 Für Nietzsche ist es Wille und Aufgabe des Menschen, die Welt zu bejahen und nach Größe und Herrschaft zu streben. Er hat sich nicht nur gegen das Christentum sondern auch gegen die pessimistisc he Philosophie von Arthur Schopenhauer gewendet.
Nietzsche war Lektor und Bewunderer von Schopenhauer. Allerdings waren ihre Meinunge n nicht immer einstimmig, besonders in Bezug auf das Thema Suizid. Für Schopenhauer war der Suizid nicht unmoralisch. Nach Schopenhauer hat der Mensch das Recht das eigene Leben zu nehmen. Weiterhin betrachtete er den Suizid als ein Akt des Willens, wobei man sich wegen Leid gegen das Leben entscheidet und nicht asketisch wegen der Vergnügen des Lebens. Laut seiner Position würde man unter anderen Bedingungen weiterleben.4
Für Schopenhauer ist die Freiheit, moralisch gesehen, das höchste ethische Ziel, das durch die Negation des Strebens nach dem Leben erreicht wird. Der Suizid ist keine Verneinung dies, sondern eine Bestätigung des Willens des Lebens. Man will leben. Wenn jemand sich umbringt, will er nicht seinen eigenen Willen für das Leben zerstören; die Person würde weiter leben, wenn das Leben eine gewisse Qualität hätte, die es lebenswert macht. Das heißt, der Wille des
Lebens ist da, auch bei Suizidanten.5 Nach Schopenhauer pendelt das Leben zwische n Langweile und Schmerzen.6 Das ist eine pessimistische Sicht des Daseins. Auf der anderen Seite sieht Nietzsche in diesem Leben Trieb und Liebe jedoch positiv.
Im diesem ersten Kapitel wurde die enge Verbindung und die radikale Trennung zwischen Nietzsche und Christentum biographisch vorgestellt. Das wichtigsten biographische Merkmale zum Thema dieser Arbeit sind bereitgestellt worden. Doch dem Suizid hat Nietzsche in seinem Werk „Also sprach Zarathustra“ einen eigenen Abschnitt gewidmet. Der Abschnitt ist nun in kommendem Kapitel auszuloten.
3. Nietzsche über den Suizid
Nietzsche versteht den Suizid als höchste Bestätigung der menschlichen Freiheit. Im Gegenteil zu Schopenhauer plädierte Nietzsche positiv für dieses Leben, eine Liebe für dieses Leben, wie es ist. Das nennt er „Amor fati“, das bedeutet die Liebe für das Schicksal. Trotzdem gab es auch für ihn Situationen, in denen der Suizid passend wäre, der richtige Moment so zusagen. Er spricht von dem Tod, aus freien Stücken gewählt, der Tod zur rechten Zeit, mit Helle und Freudigkeit, wo Abschied möglich ist. Ein Tod unter schlechten Bedingungen ist, wie bei Schopenhauer, kein freier Tod. Er schreibt: “Viele sterben zu spät und einige sterben zu früh. Noch klingt fremd die Lehre, stirbt zur rechten Zeit.“7
Nietzsche spricht über den freien Tod im Hinblick auf den alten Mann, der schon im Sterben liegt, wie in elften seines Werks „Götze-Dämerung oder wie man mit dem Hammer philosophiert, 1888“ steht. Der Mensch wäre wie eine Maschine, eine alte Maschine, die wir ausschalten sollten, oder sie läuft so lang weiter bis sie von allein aufhört zu funktioniere n. Vernünftiger wäre den Zeitpunkt selbst zu bestimmen. Die eigene Geburt kann nicht durch die Person selbst beeinflusst werden - möchte er nie geboren sein?8 Der freie Tod ist zu einem bestimmten Zeitpunkt empfehlenswert für Nietzsche.
Nietzsches Haltung zum Suizid wird unter zwei unterschiedlichen Gesichtspunkten betrachtet: Im ersten Teil wird die Unterscheidung zwischen freiwilligem (freiem) und unfreiwilli ge m (natürlichem) Tod untersucht. Nietzsche verteidigt die Rationalität des Suizids, eine Sicht des freiwilligen Tod als entmoralisiert gegen die christliche Entnatürlichung des Suizids. Im zweiten Teil wird der Suizid aus einem philosophisch-existentialistischen Gesichtspunkt betrachtet und zwar die Konsequenz der Sinnlosigkeit des menschlichen Daseins. Die große Frage ist: Lohnt es sich das Leben in einer sinn- und zwecklosen Welt zu leben?9 Die Antwort ist ja, zumindest laut Nietzsche. Trotz allem, kommt eine positive Antwort von Nietzsche. Der Suizid ist für ihn keine moralische Frage. Er spricht sogar von einer Umwertung aller Werte. Die Dominanz der christlichen Moral ist schon lang begraben worden. Er will auch keinen Suizid aus Nihilismus, d.h., dass das Leben keine Bedeutung hat. Man könnte behaupten, dass man Suizid begeht, weil das Leben keine Bedeutung mehr hat. Dies möchte Nietzsche aber nicht sagen. Das wäre die Meinung von Schopenhauer.10 Nietzsche argumentiert, dass es nicht darum geht, Suizid zu motivieren, sondern neue Werte für das Leben im Sinne einer Umwertung aller Werte zu schaffen. Nach der Umwertung wird der Suizid nicht mehr moralisch betrachtet. Nietzsche schreibt: „Also sollte man sterben lernen.“11 Nietzsche ist einer der letzte Philosophen der Romantik, die Philosophen dieser Epoche waren gegen die Moderne und haben versucht, Utopien in ihren Theorien aufzubauen. Nietzsche entwickelte die Utopie des Übermenschen. Der Übermensch ist ein Mensch, der für sich selbst Werte schafft.12 Dabei spielt die Kunst13 eine wichtige Rolle, da die Kunst nicht an vorgeschriebenen Werten und Regeln gebunden ist. Als Übermensch ist jeder selbst das Genie und braucht niemanden, der für mich Werte vorgibt. Für Nietzsche soll die Person das eigene Leben, wie er/sie/es sich vorstellt, akzeptieren. Der Übermensch von Nietzsche hat schöpferische, kreative Qualitäten. Er ist der Gesetzgeber der Zukunft.14 So ist es bei der Kunst, nach Nietzsche - mit ihr schafft man etwas, was das Leben bejaht. Man geht frei mit dem Leben um. Mit der Kunst, die völlig zweckfrei ist, kann man das Leben bejahen.15 In diesem zweiten Teil wurden die Gedanken Nietzsches über den Suizid vorgestellt. Nun sollen in dem kommenden Kapitel die Streitpunkte zwischen Nietzsche und die christliche Moral über den Suizid aufgezeigt werden.
4. Nietzsches Suizidsicht und die christliche Moral
Nietzsches Verständnis vom freien Tod bewertet den Suizid als Teil der menschlichen Freiheit, dieses Verständnis verhält sich konträr zur christlichen Moral. Das Christentum ist problematisch für Nietzsche, weil es das Leben gering hält. Das Christentum legt falsche Werte fest, und dadurch verliert nach seiner Auffassung das eigentliche Leben an Bedeutung. Aus Nietzsches Sicht sind die christlichen Werte auch schlechte Werte. Zum Beispiel, das Christentum sieht Leid in Verbindung mit der eigenen Schuld. Das Leid gewinnt einen Sinn, und weil der Mensch selbst die Schuld trägt, ist der Suizid keinen Ausweg mehr. Der Mensch ist selbst schuld und muss vor Gott die Verantwortung für seinen Zustand übernehme n. Nietzsche sagt dazu, es geht im Christentum um eine Moral, die dieses Leben niedrig hält. Unter diesen Bedingungen kann der Mensch keine neue Kraft schaffen und bleibt niedergeschla ge n und traurig. Nietzsche erläutert es in seinem Werk „der Wille zur Macht“: „Was verdorben ist durch den Missbrauch, den die Kirche damit getrieben hat: die Askese und ihre Wille ns - Erziehung; das Fasten im jeden Sinne und ihre Genussfähigkeit abzuschaffen; das Kloster, es isoliert Menschen mit strenger Abweisung.“16 Der eigene Tod liegt nicht in der Hand Gottes, sondern gehört zur Freiheit des Menschen, Nietzsche schreibt: „Man muss die dumme physiologische Tatsache in eine moralische Notwendigkeit umdrehen, so leben, dass man auch zur rechten Zeit seinen Willen zum Tode hat!“17
Soll es daher erlaubt sein den Freitod zu begehen? Nietzsche bejaht es: Wenn man sein Ziel erreicht hat, dann sollte man auch frei aus dem Leben scheiden. Nur die starken Menschen können es und wie wird man stärker? „Sich langsam entscheiden; und zähe festhalten an dem, was man entschieden hat, alles andere folgt.“18 Die Schwachen können es eben nicht. Sie wissen nicht, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Hier kommen wir zu einer Problematik bei Nietzsche. Die Schwachen haben einen Fehler gemacht, nämlich sie wurden geboren. Für diesen Fehler können sie zwar nichts. Sie können den Fehler ausgleichen, indem sie Suizid begehen. Allerdings schaffen sie es auch nicht, weil ihnen die Fähigkeit der Anerkennung der rechten Zeit fehlt.19 Für Nietzsche ist das Christentum direkt verantwortlich für die Verneinung des Lebens. Nietzsche schreibt: „Und so verziehe ich noch ein wenig auf Erden: verzeiht es mir!“20 Er selber hatte noch nicht die rechte Zeit gefunden, um aus dem Leben zu scheiden.
5. Schlussbemerkungen
Diese Hausarbeit hat im Rahmen des Hauptseminars „Der Suizid - Humanwissenschaftlic he Analyse und ethische Bewertung“ die Sicht Nietzsches und die christliche Moral über den Suizid untersucht. Sie hat Nietzsches philosophische Argumente für Suizid eine kritische Durchsicht aufgezeigt. Die Aufgabe dieser Arbeit war begrenzt und nämlich, Nietzsches Sicht über den Suizid näher zu betrachten und verständlich zu machen, inwiefern ist Nietzsches Sicht eine abweichende Reaktion auf die christliche Moral und wie er es begründet. Durch die Fragestellung dieser Hausarbeit wurde Nietzsches wachsende Ablehnung der christlic he n Moral aufgezeigt.
Durch das Gliederungsschema der Hausarbeit konnten sowohl die biographische Merkmale Nietzsches und seine Gedanken über den Suizid als auch seine Reaktion auf die christliche Sicht des Suizids beobachtet werden. Abschließend stellt sich eine antwortgegebene Konklusion auf die Fragestellung heraus. Weiterführende Fragen haben sich aufgetan: Wie weit verbreitet sind die Nietzsches Gedanken in der heutigen Gesellschaft? Wie frei ist es dem „freien Tod“ von Nietzsche? Auf jeden Fall hat er seinen Beitrag geleistet, für ein bis heute Tabuthema in der Gesellschaft, nämlich der Suizid.
6. Literaturverzeichnis
ELISABETH FÖRSTER-NIETZSCHE: Der junge Nietzsche. Bd. 1. Leipzig 1895.
ELISABETH FÖRSTER-NIETZSCHE: Das Leben Friedrich Nietzsches. Bd. 1. Leipzig 1895.
ENGELBERT FISCHER: Friedrich Nietzsche. Der Antichrist in der neuesten Philosop hie. Regenburg 1901.
FREDERICK COLESTON: Arthur Schopenhauer. Philosopher of Pessimism. London/New York 1975.
FRIEDRICH NIETZSCHE: Vom freien Tod. In: Ders.: Also sprach Zarathustra. Ein Buch für alle und keinen. Stuttgart 1943, 76-79.
FRIEDRICH NIETZSCHE: Der Wille zur Macht. Versuch einer Umwertung aller Werte. Leipzig 1930.
HANS PFEIL: Von Christus zu Dionysos, Nietzsches religiöse Entwicklung. Meisenheim am Glan 1975.
PAOLO STELLINO: Nietzsche on Suicide. In: Nietzsche - Studien 42 (2013), 151-177. PAUL WOLFF: Friedrich Nietzsche und das christliche Ethos. Regensburg 1940.
[...]
1 Elisabeth Förster-Nietzsche: Der junge Nietzsche. Bd. 1. Leipzig 1895. S. 36.
2 Vgl. Elisabeth Förster-Nietzsche: Das Leben Friedrich Nietzsches. Bd. 1. Leipzig 1895. S. 32.
3 Hans Pfeil: Von Christus zu Dionysos, Nietzsches religiöse Entwicklung. Meisenheim am Glan 1975. S. 43.
4 Vgl. Frederick Coleston: Arthur Schopenhauer. Philosopher of Pessimism. London/New York 1975. S. 288.
5 Hans Pfeil: Von Christus zu Dionysos, Nietzsches religiöse Entwicklung. Meisenheim am Glan 1975. S. 95.
6 Vgl. Frederick Coleston: Arthur Schopenhauer. S. 289.
7 Friedrich Nietzsche: Vom freien Tod. In: Ders.: Also sprach Zarathustra. Stuttgart 1941. S. 76.
8 Ebd.
9 Paolo Stellino: Nietzsche on Suicide. In: Nietzsche - Studien 42 (2013), S. 156.
10 Vgl. Paul Wolff: Friedrich Nietzsche und das christliche Ethos. Regensburg 1940. S. 29.
11 Friedrich Nietzsche: Vom freien Tode. S. 76.
12 Vgl. Friedrich Nietzsche: Der Wille zur Macht. Versuch einer Umwertung aller Werte. Leipzig 1930. S. 647.
13 Vgl. Engelbert Fischer: Friedrich Nietzsche. Der Antichrist in der neuesten Philosophie. Regenburg 1901. S. 91-108.
14 Vgl. Friedrich Nietzsche: Der Wille zur Macht. S. 648.
15 Vgl. Friedrich Nietzsche: Der Wille zur Macht. S. 587.
16 Vgl. Friedrich Nietzsche: Der Wille zur Macht. S. 616.
17 Vgl. Ebd.
18 Vgl. Friedrich Nietzsche: Der Wille zur Macht. S. 618.
19 Vgl. Friedrich Nietzsche: Der Wille zur Macht. S. 584.
20 Friedrich Nietzsche: Vom freien Tode. S. 78.
- Quote paper
- Maximiliano Delfino Candido (Author), 2017, Friedrich Nietzsche und seine Sicht über den Suizid, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/415920
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