Mit der Einführung des Fallpauschalensystems im Jahr 2004 hat der Staat den Wettbewerb unter den Krankenhäusern intensiviert. Kritiker dieser Entwicklung stellen jedoch fest, dass sich nicht wie beabsichtigt ein Qualitätswettbewerb sondern ein Kostensenkungswettbewerb herausgebildet hat. Dieser Wettbewerb hat die Krankenhäuser zu Einsparungen und Kürzungen gezwungen, welche in einer Verminderung der Versorgungsqualität resultierten. Demnach hat mehr Wettbewerb der Krankenhausversorgung mehr Schaden als Nutzen zugefügt. Die entstandenen Fehlentwicklungen müssen nun vom Staat korrigiert werden.
Der Bundesverband Deutscher Privatkliniken e.V. (BDKP) widerspricht dieser Ansicht, denn nach dessen Meinung war die Intensivierung des Wettbewerbs ein notwendiger Schritt. Der BDKP begründet die unerwünschten Ergebnisse vielmehr durch das Fehlen eines freien Wettbewerbs (BDKP 2012). Staatliche Eingriffe verhindern demnach dessen Funktion. Der BDKP fordert die Politik dazu auf einen freien und fairen Wettbewerb zu gewährleisten und staatliche Regulierungen abzubauen. Es ergibt sich also ein Spannungsfeld zwischen den Kritikern des Wettbewerbs im Krankenhaussektor und den Forderungen des BDKP. Wenn die eingeführten Wettbewerbsstrukturen den Qualitätsverlust mit verursacht haben, stellt sich die Frage, ob eine Intensivierung des Wettbewerbs nicht zu einem Risiko für PatientInnen und die allgemeine Gesundheitsversorgung werden kann. Ziel der vorliegenden Arbeit ist daher die Beantwortung folgender Fragestellung: Welche Risiken birgt die Forderung des BDKP nach der Deregulierung 1des deutschen Krankenhaussektors?
Inhalt
1. Einleitung
2. Der Wandel des Krankenhaussektors und seine Gründe
3. Die Deregulierungsforderung des BDKP
4. Die Risiken
4.1 Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse und Verschlechterung der Versorgungsqualität
4.2. Reduktion der Trägervielfalt
4.3 Beschleunigung des Kommerzialisierungsprozesses
4.4. Gefährdung der staatlichen Sicherstellungsaufgabe einer bedarfsgerechten Krankenhausversorgung
5. Zusammenfassung
6. Literatur
1. Einleitung
Die Parteien CDU, CSU und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag zur 18. Legislaturperiode festgehalten: „Qualität wird als weiteres Kriterium für Entscheidungen der Krankenhausplanung gesetzlich eingeführt (§1 KHG).“ (CDU/CSU/SPD 2013: 78). Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) setzt dieses Vorhaben nun mit der Gründung eines Qualitätsinstitutes um (BMG 2014). Die Einführung des Qualitätskriteriums in der Krankenhausplanung kann auch als eine Strategie der Behebung unerwünschter Effekte gesehen werden, welche durch die Umstrukturierung der Krankenhausfinanzierung entstanden sind. Mit der Einführung des Fallpauschalensystems im Jahr 2004 hat der Staat den Wettbewerb unter den Krankenhäusern intensiviert. Kritiker dieser Entwicklung (Schulten/Böhlke 2008, 2009; Stumpfögger 2009; Heubel et al. 2009; Obst 2009; Mosebach 2013) stellen jedoch fest, dass sich nicht wie beabsichtigt ein Qualitätswettbewerb sondern ein Kostensenkungswettbewerb herausgebildet hat. Dieser Wettbewerb hat die Krankenhäuser zu Einsparungen und Kürzungen gezwungen, welche in einer Verminderung der Versorgungsqualität resultierten. Demnach hat mehr Wettbewerb der Krankenhausversorgung mehr Schaden als Nutzen zugefügt. Die entstandenen Fehlentwicklungen müssen nun vom Staat korrigiert werden.
Der Bundesverband Deutscher Privatkliniken e.V. (BDKP) widerspricht dieser Ansicht, denn nach dessen Meinung war die Intensivierung des Wettbewerbs ein notwendiger Schritt. Der BDKP begründet die unerwünschten Ergebnisse vielmehr durch das Fehlen eines freien Wettbewerbs (BDKP 2012). Staatliche Eingriffe verhindern demnach dessen Funktion. Der BDKP fordert die Politik dazu auf einen freien und fairen Wettbewerb zu gewährleisten und staatliche Regulierungen abzubauen. Es ergibt sich also ein Spannungsfeld zwischen den Kritikern des Wettbewerbs im Krankenhaussektor und den Forderungen des BDKP. Wenn die eingeführten Wettbewerbsstrukturen den Qualitätsverlust mit verursacht haben, stellt sich die Frage, ob eine Intensivierung des Wettbewerbs nicht zu einem Risiko für PatientInnen und die allgemeine Gesundheitsversorgung werden kann. Ziel der vorliegenden Arbeit ist daher die Beantwortung folgender Fragestellung: Welche Risiken birgt die Forderung des BDKP nach der Deregulierung 1 des deutschen Krankenhaussektors?
Um diese Frage zu beantworten, folgt ein kurzer Überblick über den Wandel des Krankenhaussektors und seiner Ursachen. Diese Entwicklungen bestimmen die Ausgangslage der aktuellen Debatte und bilden die Grundlage für die Deregulierungsforderung des BDKP, welche anschließend vorgestellt wird. Daraufhin folgt die Erläuterung der vier herausgearbeiteten Risiken.
1 Deregulierung meint „ (...) die Verringerung staatlicher Eingriffe (Regulierung) in das Marktgeschehen. Der Staat soll sich durch die Zurücknahme von Reglementierungen auf die Schaffung von Rahmenbedingungen für die marktwirtschaftliche Selbststeuerung beschränken.“ (Duden Wirtschaft 2013)
2. Der Wandel des Krankenhaussektors und seine Gründe
Ein Hauptunterscheidungsmerkmal der deutschen Krankenhäuser ist ihre Trägerform. Neben öffentlichen und freigemeinnützigen nehmen private Träger eine bedeutende Rolle ein. Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft sind im Besitz von Kommunen oder Ländern, hinter freigemeinnützigen Trägern stehen vor allem die beiden großen christlichen Kirchen und andere Wohlfahrtsverbände. Bei den privaten Trägern handelt es sich zum einen um kleine Kliniken in Familienbesitz, zum anderen um große als Kapitalgesellschaften aufgestellte Klinikkonzerne.
Seit den 1990er Jahren befindet sich der deutsche Krankenhaussektor jedoch in einem Umbruch. In keinem anderen europäischen Land sind in den letzten Jahren so viele Krankenhäuser in die private Trägerschaft überführt worden wie in Deutschland. Während der Anteil privater Krankenhäuser 1991 noch bei 14,8% lag, liegt er 2012 bereits bei 34,6% (Statistisches Bundesamt 2012). Im gleichen Zeitraum sank der Anteil öffentlicher Krankenhäuser von 46,0% auf 29,8% (ebd.). Der Anteil freigemeinnütziger Häuser hat sich nur leicht verändert und liegt 2012 bei 35,6% (ebd.). Die Gründe für diese Veränderungen sind vielfältig und bilden gleichzeitig die Vorraussetzung für aktuelle Debatten um pro und contra Deregulierung des Krankenhaussektors. Deshalb folgt eine kurze Erläuterung der wichtigsten Ursachen.
Fehlende Investitionen
Seit 1972 besteht in Deutschland ein duales Finanzierungssystem. Die Krankenkassen decken die laufenden Kosten der Krankenhäuser, während die Länder für die nötigen Investitionen in Gebäude und Geräte aufkommen. Aufgrund von Steuersenkungen im Zuge der neoliberalen Wende wurden die öffentlichen Finanzen jedoch geschwächt und zudem permanenten Austeritätskursen unterworfen (Mosebach 2013: 50). Infolge dessen stieg Deutschland zum investitionsschwächsten Land unter allen EU-Ländern ab (Stumpfögger 2009: 201). Ab den 1990er Jahren vernachlässigten die Bundesländer daraufhin zunehmend ihre gesetzliche Pflicht zur Finanzierung der Krankenhausinvestitionen2. Der daraus entstandene öffentliche Investitionsstau beläuft sich je nach Berechnungsgrundlage auf 15 bis
60 Mrd. Euro (Mosebach 2013: 57). Da die öffentlichen Träger den Investitionsrückstand nicht ausgleichen können oder wollen, verkauften und verkaufen sie ihre Krankenhäuser oft zu niedrigen Preisen an private Klinikkonzerne. Diese versichern die fälligen Investitionen zu übernehmen, da sie über einen schnelleren Zugang zum Kapitalmarkt verfügen3.
Neu geordnete Finanzierung
Zwei weitere politische Entscheidungen, nämlich die Budgetdeckelung der laufenden Krankenhausausgaben mit dem Gesundheitsstrukturgesetz 1992 und die Einführung der diagnosebezogenen Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups - DRGs) ab 2004, haben die Dynamiken im Krankenhaussektor weiter angetrieben. Die Fallpauschalen lösten das System der Tagessätze, welche nach den tatsächlichen Ausgaben der Krankenhäuser kalkuliert wurden, ab. Der Vorwurf vor Einführung der Budgetdeckelung und Fallpauschalen lautete: Die Erstattung sämtlicher Ausgaben hat eine „Vergeudungsökonomie“ begünstigt, in welcher ein Mangel an Effizienz unnötige Kosten verursachte (Wendl 2009: 223). Ziel des DRG-Systems ist unter anderem die Beseitigung entsprechender Fehlanreize und die Förderung der Wirtschaftlichkeit der Krankenhäuser (Weisbrod-Frey 2012: 285). Nachdem die Berechnung der Pauschalen auf Landesebene erfolgte, sollen ab 2014 bundesweit alle Krankenhäuser gleiche diagnosebezogene Pauschalen für die Behandlung von PatientInnen erhalten (ebd.). Dieser ordnungspolitische Eingriff setzte viele Krankenhäuser unter enormen Druck, denn fällt die Behandlung teurer aus als durch die Pauschale vorgesehen, erwirtschaften die Häuser Verluste. Einige Krankenhäuser konnten diesem Druck nicht standhalten und gingen insolvent, sodass sich die Anzahl der Krankenhäuser in Deutschland im Zeitraum von 1991 bis 2010 um 14% verringert hat (Augurzky et al. 2012: 10). Schaffen es die Häuser allerdings Kosten einzusparen und die Behandlungskosten unter den Fallpauschalen zu halten, können sie Gewinne erzielen. Mit Einführung der Fallpauschalen wurden also nicht nur Anreize gesetzt die Effizienz zu erhöhen, sondern auch der Wettbewerb unter den Krankenhäusern intensiviert (Mosebach 2013: 53). Um in der Konkurrenz zu bestehen müssen öffentliche, freigemeinnützige, sowie private Träger Strategien finden, um ihre Kosten weiter zu senken und Gewinne zu ermöglichen. Die verschiedenen Träger wählen ähnliche Vorgehensweisen wie Verkürzung der Liegezeiten, Steigerung der Fallzahlen oder Senkung der Personalkosten. Ein entscheidender Unterschied ist aber der Renditedruck in privaten Klinikkonzernen. Denn sie setzten privates Eigenkapital ein, welches mit Kapitalkosten in Form von Ausschüttungen verbunden ist. Erst durch die Ausschüttung von Gewinn werden die Klinikkonzerne interessant für externe Geldgeber und können so ihre Investitionskraft stärken. Es müssen also Profite erzielt werden, denn bleibt die Gewinnbeteiligung aus, ziehen sich die Anleger zurück. Öffentliche und freigemeinnützige Krankenhäuser müssen zwar kein privates Eigenkapital refinanzieren, aber immer häufiger nötige Investitionen mit Gewinnen aus den DRG- Pauschalen selbst finanzieren (ebd. 57).
3. Die Deregulierungsforderung des BDKP
Der Zuwachs an privaten und die Abnahme an öffentlichen Krankenhäusern lässt sich also zum einen durch ausbleibende Investitionen der öffentlichen Hand, zum anderen durch die Umstrukturierung der Krankenhausfinanzierung erklären. Damit einhergehend hat sich der Wettbewerb unter den Krankenhäusern verschärft und der Kostensenkungsdruck deutlich erhöht. Die unzureichende Finanzierung von Seiten der öffentlichen Hand führt zu einer chronischen Unterfinanzierung der Krankenhäuser, welche die fehlenden Mittel zunehmend aus eigener Kraft aufbringen müssen. An diesem Punkt setzt der BDKP an und argumentiert, dass sich die Krankenhäuser in privater Trägerschaft besser an die gewandelten Bedingungen angepasst haben. Mit einem auf betriebswirtschaftliche Kriterien ausgerichteten Management, der Senkung der Ausgaben im Einkauf und bei Personal, sowie innovativen Konzepten zur Prozessoptimierung ist es gelungen die Kosten zu senken (Wendl 2009: 223). So konnten die privaten Häuser Fallpauschalen unterschreiten und Gewinne erzielen. Dank der Ausrichtung auf Gewinnerzielung ist es laut dem BDKP möglich mit privatem Eigenkapital nötige Investitionen zu tätigen und so eine effizientere Krankenhausversorgung ohne Defizite bei der Qualität zu gewährleisten (BDKP 2012). Ein wesentlicher Grund für diesen Erfolg sieht der BDKP im Wettbewerb unter den Krankenhäusern. Da unter anderem der demografische Wandel4 die finanziellen Ressourcen in Zukunft weiter begrenzen wird, müsse der Wettbewerb weiter intensiviert werden (ebd.). Die Einführung des Fallpauschalensystems und von Wettbewerbsstrukturen war demnach ein richtiger Schritt. Der Konkurrenzdruck war nötig, um veraltete Strukturen aufzubrechen und ineffiziente Krankenhäuser auszuschließen (BDKP 2007: 8). Der Verband sieht den Wettbewerb jedoch durch „regulierende Maßnahmen und planwirtschaftliche Elemente“ eingeschränkt. Er fordert den Abbau staatlicher Regulierung, um einen freien und funktionierenden Wettbewerb zu gewährleisten (ebd.). Dazu gehören beispielsweise staatliche Verlustausgleichszahlungen an öffentliche Krankenhäuser oder abgabenrechtliche Privilegierung freigemeinnütziger Träger (ebd. 10). Zudem sollen die Kompetenzen der Länder in der Krankenhausplanung eingeschränkt werden, die Ausweitung und Verknappung medizinischer Leistung stärker nach ökonomischen Kriterien erfolgen (ebd. 12). „Nach Auffassung des BDPK besitzt der Markt die stärksten und besten Gestaltungs- und Veränderungskräfte - und nicht die Politik.“ (BDKP 2008).
4. Die Risiken
Während der Krankenhaussektor noch durch „Privatisierung ohne Deregulierung gekennzeichnet“ ist (Stumpfögger 2009: 215), würde der Abbau staatlicher Regulierungen Dynamiken in Gang setzen, die für SteuerzahlerInnen, PatientInnen und Politik nicht ohne Risiken sind. Mögliche Folgen wären die Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse und Verschlechterung der Versorgungsqualität, die Abnahme der Trägervielfalt, die Beschleunigung des Kommerzialisierungsprozesses und die Gefährdung der staatlichen Sicherstellungsaufgabe einer bedarfsgerechten Krankenhausversorgung
4.1 Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse und Verschlechterung der
Versorgungsqualität
Ein freier Wettbewerb würde die Rivalität zwischen den Krankenhäusern weiter verschärfen und damit auch die Notwendigkeit Gewinne zu realisieren. Da die Einnahmenseite aufgrund der Fallpauschalen relativ starr bleibt, müssen die Krankenhäuser ihre Gewinne in erster Linie über eine Senkung der Ausgaben realisieren. Die Gesundheitsdienstleistung im Krankenhaus ist personalintensiv, weshalb die Personalkosten einen Anteil von rund 60% der Krankenhauskosten ausmachen (Schulten/Böhlke 2009: 108). Schulten und Böhlke gehen davon aus, dass der Wettbewerb daher primär über die Arbeitskosten ausgetragen wird und sich ein „Arbeitskosten- statt Qualitätswettbewerb“ herausgebildet hat (ebd.).
Tiemann und Schreyögg konnten zeigen, dass ein wesentlicher Grund für die höhere Effizienz der privaten Krankenhäuser in den geringeren Personalkosten pro Fall liegt (Tiemann/Schreyögg 2012: 324). Dies lässt sich zum einen durch Strategien der Prozessoptimierung, zum anderen mit einer Arbeitsverdichtung, also Personaleinsparungen bei gleich bleibender Arbeitsbelastung, erklären. Solche Maßnahmen zur Senkung der Personalkosten werden jedoch nicht nur von privaten, sondern ebenso von öffentlichen und freigemeinnützigen Krankenhäusern durchgeführt. Diese haben die Strategien zur Senkung der Personalausgaben jedoch noch nicht im selben Ausmaß umgesetzt (Stumpfögger 2009: 209).
Neben Arbeitsverdichtung und der damit stärkeren Arbeitsbelastung der MitarbeiterInnen, ist die Ausgliederung von Serviceleistungen wie Reinigung, Wäscherei, Apotheke oder Küche ein gängiges Mittel (Schulten/Böhlke 2009: 110). Somit können bestehende Tarifniveaus unterlaufen und vormals vom Krankenhaus angestelltes Personal von (teils zu den Krankenhäusern gehörenden) Leiharbeitsfirmen zu niedrigeren Löhnen angestellt werden (ebd.). Das niedrige Lohnniveau, sowie die Kürzung oder Auflösung der betrieblichen Altersvorsorge in den Leiharbeitsfirmen, setzten die MitarbeiterInnen jedoch dem Risiko der Altersarmut aus (Stumpfögger 2009: 213). Mit einer Wettbewerbsintensivierung und dem damit verbundenen Kostensenkungsdruck sind weitere Einsparungen im kostenintensiven Personalbereich wahrscheinlich. Eine mögliche Folge wäre die Auslagerung von Dienstleistungen im bis jetzt unberührten Bereich der Pflege. Durch den steigenden Konkurrenzdruck könnte dies auch verstärkt bei öffentlichen und freigemeinnützigen Häusern zur notwendigen Maßnahme werden. Dadurch werden prekäre Arbeitsverhältnisse gefördert und die damit verbundenen Risiken sozialisiert, denn der Sozialstaat muss die entstehende Altersarmut auffangen.
Werden weitere Einsparungen beim Krankenhauspersonal vorgenommen und die Arbeitsverdichtung weiter forciert, ist auch eine Abnahme der Versorgungsqualität zu erwarten. Wenn KrankenhausmitarbeiterInnen aufgrund gestiegener Arbeitsbelastung weniger Zeit für ihre Arbeit und damit auch für die PatientInnen haben, werden Fehler in ihrer Arbeit wahrscheinlicher. Zudem kann die sensible Beziehung zwischen Pflegenden und PatientInnen, welche auf Kommunikation, Vertrauen und Fürsorge aufbaut, gestört werden.
Die Begegnung von „Angesicht zu Angesicht“ wird mit einer zunehmenden Arbeitsbelastung
unwahrscheinlicher (Manzeschke 2009: 163). Diese nicht zählbaren und damit ökonomisch nicht relevanten Faktoren werden in den Argumentationen für mehr Wettbewerb konsequent vernachlässigt. Quantitative und auf betriebswirtschaftliche Kriterien fokussierte Studien (vgl. Tiemann/Schreyögg; Augurzky et al.), welche als Begründung dienen, treffen keine Aussagen über die Auswirkungen der bisherigen Personaleinsparungen auf die Qualität der PatientInnenversorgung.
4.2 Reduktion der Trägervielfalt
In einem freien Wettbewerb sind öffentliche und freigemeinnützige Krankenhäuser mit einem entscheidenden Nachteil gegenüber privaten Häusern konfrontiert. „Ein Unternehmen, das seine notwendigen Abschreibungen und Investitionen nicht selbst erwirtschaften muss, sondern diese Mittel von außen zugeschossen bekommt, wird mit einer Überführung in eine Wettbewerbsökonomie systematisch gegenüber den kapitalistischen Marktteilnehmern benachteiligt.“ (Wendl 2009: 223). Die privaten Krankenhäuser besitzen einen strategischen Vorteil, welcher sich noch verstärkt, wenn die Verlustausgleichszahlungen an öffentliche Krankenhäuser und die abgabenrechtliche Privilegierung freigemeinnütziger Träger eingestellt werden.
Im Falle einer Deregulierung des Krankenhaussektors ist es daher wahrscheinlich, dass viele öffentliche und freigemeinnützige Krankenhäuser, die sich bereits in finanziellen Engpässen befinden, aufgrund von Insolvenz geschlossen oder an private Träger verkauft werden. Die vier großen Klinkkonzerne (Rhön-Klinikum, Helios, Asklepios und Sana) würden somit deutlich mehr Marktmacht und eine stärkere Verhandlungsposition gegenüber den Krankenkassen und der Politik erhalten. Eine solche Entwicklung hätte jedoch auch eine schwindende Trägervielfalt zur Folge. Dies ist insofern problematisch als das die Pluralität der Träger zu einem „ (...) Gleichgewicht divergierender Ziele und damit zu einem Ausgleich von Zielkonflikten geführt [hat].“ (Obst 2009: 925). Obst betont, dass Universitätsklinika und Krankenhäuser der Maximal- und Schwerpunktversorgung, also Häuser in vornehmlich öffentlicher und freigemeinnütziger Trägerschaft, Triebkräfte des medizinischen Fortschritts sind (ebd. 926). Werden diese Krankenhäuser von privaten Trägern übernommen, besteht die Gefahr, dass medizinische Leistungen gekürzt oder ganze klinische Bereiche aufgegeben werden, sollten diese nicht rentabel sein (ebd.). Infolge dessen könnte die Forschung und medizinische Entwicklung in wichtigen Bereichen blockiert werden.
Mit einem Zuwachs an privaten Krankenhäusern käme der gewinnorientierten Krankenhausversorgung eine größere Bedeutung zu. Der Prozess der Kommerzialisierung des Krankenhaussektors würde weiter voran schreiten.
4.3 Beschleunigung des Kommerzialisierungsprozesses
Kommerzialisierung findet dann statt, wenn die handelnden Akteure das primäre Ziel verfolgen „(...) eine monetäre Rendite zu erzielen, egal welche anderen Ziele sie zugleich und sonst noch verfolgen“ (Kettner 2009: 119). Für private Krankenhäuser gilt: Sie müssen eine Rendite erzielen, um ihre AnteilseignerInnen zu bedienen. Um ihre Aufgabe der Krankenversorgung langfristig wahrnehmen zu können, sind sie gezwungen Gewinne zu erwirtschaften. Die Absicht, mit der Gesundheits- und Krankenhausversorgung Profit zu erzielen, ist an sich moralisch nicht fragwürdig. Zu einem Risiko und moralisch fragwürdig wird das eigeninteressierte Handeln der Krankenhäuser, sofern dadurch PatientInnen geschädigt werden könnten (Manzeschke 2009: 136.). Dies hängt davon ab welche wesentlichen Aufgaben der Krankenversorgung, wie und in welchem Maß, von dem Interesse der Gewinnerzielung eingeschränkt werden (ebd.).
Die Nutzung von Eigenkapital wird von den Klinkkonzernen als großer Vorteil dargestellt, da somit privates Kapital in den Gesundheitssektor fließt und essenzielle Investitionen getätigt werden können (BDKP 2012). Das eingesetzte Kapital ist jedoch mit Eigenkapitalkosten verbunden. Diese Kosten sind in den DRG-Pauschalen nicht vorgesehen, also müssen für dessen Refinanzierung „zwingend die Aufwendungen für die reine Krankenhausversorgung reduziert werden.“ (Obst 2009: 926). Dies kann in Form von Personaleinsparungen, Outsourcing oder Arbeitsverdichtung, verbunden mit einer Verschlechterung der Versorgungsqualität, geschehen. Wird das Versorgungsniveau reduziert, kommt es mitunter zum Konflikt zwischen der therapeutischen Expertise, dem Fachwissen der ÄrztInnen sowie Pflegenden, und dem Ziel Gewinne zu realisieren (Heubel 2009: 183). Das geschieht, wenn aus therapeutischer Sicht notwendige Arbeitsabläufe oder medizinische Leistungen eingeschränkt bzw. aufgegeben werden, weil sie die Rentabilität des Unternehmens gefährden5. Das Krankenhausmanagement kann mit dem Argument Profite erzielen zu müssen, um den Erhalt des Krankenhauses zu sichern, therapeutisch erforderliche Aufwendungen einstellen. Das eigeninteressierte Handeln wird an dieser Stelle vor das Bedürfnis der PatientInnen gestellt.
Wenn mit der Begründung der Gewinnerzielung therapeutische Expertise missachtet oder die Versorgungsqualität durch Personalkürzungen verschlechtert wird, ist die Kommerzialisierung moralisch fragwürdig. Kommen durch diese Maßnahmen PatientInnen, welche auf die GesundheitsdienstleisterInnen im vollen Maße angewiesen sind, zu Schaden ist die Kommerzialisierung moralisch verwerflich. Sie stellt dann ein Risiko für die PatientInnen und die allgemeine Gesundheitsversorgung dar.
5 Wendl merkt an, dass es privaten Krankenhäusern gelungen ist die sogenannten „Chefarzt-Fürstentümer“ aufzulösen (Wendl 2009: 225). Damit gemeint ist der Umstand, dass leitende ÄrztInnen als eigene UnternehmerInnen im Krankenhaus agieren. Sie besitzen faktisch unkündbare Arbeitsverhältnisse und verfügen über das Recht der Privatliquidation, können also Gewinne einbehalten (ebd.). Aufgrund ihrer zentralen Funktion und oft auch Bedeutung für die Reputation des Krankenhauses, besitzen sie eine starke Verhandlungsposition (ebd.). Dies kann dazu führen, dass sie Umstrukturierungen verhindern, um ihre eigenen Interessen zu wahren. In der Diskussion um die Einschränkung der therapeutischen Expertise sollte man also beachten, ob es sich tatsächlich um die Beschränkung medizinisch notwendiger Prozesse handelt oder, ob versucht wird die gesonderte Stellung der leitenden ÄrztInnen zu verteidigen.
Kommerzialisierung muss demnach nicht mit negativen Folgen verbunden sein, kann sie aber,
wenn die Profitorientierung zur Kürzung oder Aufgabe therapeutischer Leistungen führt. Im Sinne der Fragestellung ist die Kommerzialisierung im Krankenhaussektor relevant, sofern die Intensivierung des Wettbewerbs und der Abbau staatlicher Regulierung Einfluss darauf nehmen. Ersichtlich wird dieser Einfluss bei Betrachtung des Kommerzialisierungsprozesses. Nach Kettner ist er ein „ (...) Prozess, in dem bisher nicht marktförmige Bereiche des sozialen Lebens in Märkte umgewandelt werden“ (Kettner 2009: 120). Zum entscheidenden Merkmal wird der Austausch über den Markt, wo vorher andere, nicht marktförmige Mechanismen der Ordnung bestanden (ebd.). Im Krankenhaussektor bestehen bereits Marktstrukturen, welche jedoch durch staatliche Regulierung eingehegt sind, sodass sich kein freier Markt etablieren konnte. Schränkt der Staat diese Kontrollmechanismen ein oder gibt sie gänzlich auf, würden sich bestehende Marktstrukturen verfestigen bzw. neue Bereiche nach den Regeln des Marktes organisiert. Ein Beispiel ist die Kompetenz der Bundesländer in der Krankenhausplanung. Sprich die Bestimmung der Krankenhausstandorte, sowie der Bettenanzahl je Fachrichtung, mit dem Ziel der bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung. In einem freien Wettbewerb würden die Krankenhausträger (mit dem Ziel der Gewinnerzielung) anhand der Nachfrage entscheiden welche Standorte sie wählen und welche Kapazitäten sie bereitstellen. Handeln sie nicht dementsprechend, sind sie im Nachteil gegenüber der Konkurrenz, mit der Gefahr aus dem Wettbewerb auszuscheiden. Diese Annahme entspricht der Wirtschaftsethik von Homann und Blome-Drees in deren Sinne „(...) der Markt als moralfreier Raum anzusehen [ist], da er unter dem Zwang des Wettbewerbs gerade keine Handlungsfreiheit und damit auch keine moralische Entscheidung zuließe.“ (Manzeschke 2009: 145.). Der Wettbewerb zwingt demnach die MarktteilnehmerInnen ihre eigenen Interessen ohne Rücksicht durchzusetzen.
Wie bereits dargelegt, würde in einem freien Wettbewerb die Zahl privater Häuser zunehmen. Damit erhöht sich der Anteil der Häuser, dessen Eigeninteresse primär in der Bedienung ihrer AnteilseignerInnen liegt. Nach der vorgestellten Kommerzialisierungsdefinition, würde dies eine Ausweitung der Kommerzialisierung bedeuten. Diese ist jedoch nicht per se mit negativen Konsequenzen verbunden. Die Einführung von Marktstrukturen im Sinne des Kommerzialisierungsprozesses würde den Wettbewerbsdruck erhöhen. In diesem Kontext könnten insbesondere die privaten Häuser den Zwang des Wettbewerbs als Argument nutzen, um ihr Eigeninteresse vor die Bedürfnisse der PatientInnen zu stellen. Die Kommerzialisierung wäre dann mit negativen Konsequenzen verbunden. Die Deregulierung des Krankenhaussektors würde also zum einen die Kommerzialisierung weiter vorantreiben. Zum anderen würde sie die Verdrängung wesentlicher Aufgaben der Krankenversorgung durch das Eigeninteresse der Renditenerzielung wahrscheinlicher machen.
Nimmt die Kommerzialisierung die Form an, welche als moralisch fragwürdig bzw. verwerflich definiert wurde zu, kommt es zu einem Konflikt zwischen den Interessen privater Akteure und dem Interesse der Allgemeinheit. Das genannte Beispiel der Krankenhausplanung verdeutlicht dies. Wenn Krankenhausträger die Standorte und das Leistungsspektrum nach
Renditegesichtspunkten auswählen, kann es zu einem Ungleichgewicht zwischen der
Versorgung in wirtschaftsstarken Ballungsräumen und ländlichen Regionen kommen (Mosebach 2013: 66). Dies bedeutet, „(...) dass eine Versorgung mit Gesundheitsleistungen über den Markt möglicherweise zu einer effizienteren, nicht aber unbedingt gerechteren Verteilung führt.“ (Manzeschke 2009: 148). Wenn das Interesse der Allgemeinheit von dem eigeninteressierten Handeln privater Akteure verletzt wird, stellt sich die Frage, ob der Staat seine Pflicht zur Gewährleistung einer bedarfsgerechten Krankenhausversorgung missachtet.
4.4 Gefährdung der staatlichen Sicherstellungsaufgabe einer bedarfsgerechten Krankenhausversorgung
Der deutsche Staat hat die Aufgabe die Krankenhausversorgung zu gewährleisten und sicherzustellen. Der Bund legt die Rahmenbestimmungen zur Steuerung der stationären Angebotskapazitäten und zur Vergütung von Krankenhausleistungen fest. Aufgabe der Länder ist es, die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhausleistungen sicherzustellen. Damit kommt der Staat seiner Aufgabe der Daseinsvorsorge im Sinne des Sozialstaatsprinzips nach (Obst 2009: 924). Dem Staat kommt in diesem Zusammenhang auch die Aufgabe zu, den Interessenkonflikt zwischen Gesunden und Kranken zu lösen (Heubel 2009: 179). Denn in der Gesundheitsversorgung treffen zwei divergente Interessen aufeinander: „Die Kranken sollen bekommen, was therapeutisch sinnvoll ist, die Versichertengemeinschaft aber nicht mehr belastet werden als nötig.“ (ebd.). In einem demokratischen Staat haben alle BürgerInnen den gleichen Anspruch sich an der Entscheidung über die Lösung dieses Interessenkonfliktes zu beteiligen (ebd.). Demnach kann die Lösung „ (...) nur in einem repräsentativen Verfahren, nämlich der Entscheidung durch öffentlich legitimierte Instanzen liegen.“ (ebd. 180). Das heißt, es bedarf staatlicher Instanzen zur Gewährleistung einer gerechten Verteilung der Krankenhausversorgung und einer Beurteilung der damit verbundenen Kosten. Dabei muss der Staat sichern, dass die Bereitstellung eines bedarfsgerechten Angebots vor der Bestimmung des Ressourcenverbrauchs liegt und nicht umgekehrt (ebd.).
Die Einführung der DRG-Pauschalen hat auch die öffentlichen Krankenhäuser unter Druck gesetzt und gezwungen mit betriebswirtschaftlichem Handeln ihre Effizienz zu erhöhen. Dennoch dürfen die BürgerInnen davon ausgehen, dass ihr Handeln weiterhin dem obersten Zweck der Krankenversorgung dient und materielle Einschränkungen der öffentlichen Willensbildung entsprechen (ebd.). Es besteht zudem die Möglichkeit, Fehlentwicklungen in einem demokratischen Prozess zu korrigieren. Wenn jedoch der Krankenhaussektor einem freien Wettbewerb unterworfen wird und sich das renditeorientierte Krankenhausmodell der privaten Träger langfristig durchsetzt, ändert sich dies grundlegend. Private Träger sind nicht an das Interesse der Allgemeinheit gebunden und stehen zudem unter Renditedruck. Eine Abwägung zwischen den divergierenden Interessen der BürgerInnen muss nicht mehr stattfinden, die privaten Träger können den Fokus ganz auf das Erwirtschaften von Gewinn legen. Die Anreizstruktur wird also grundlegend geändert. Dem Interesse der PatientInnen steht dann nicht mehr das demokratisch zu bestimmende allgemeine Interesse gegenüber, sondern das Interesse der AnteilseignerInnen (ebd. 181). Der Staat verliert somit an Einfluss und die Berichtigung von Fehlentwicklungen wird erschwert. Hinzu kommt, dass die vier großen Klinikkonzerne als Kapitalgesellschaften organisiert sind und somit von Entwicklungen an den Finanzmärkten beeinflusst werden (Stumpfögger 2009: 206). Der private Krankenhaussektor gilt bis jetzt als stabil, auch weil „(...) bislang keine Tendenzen sichtbar sind, die von Finanzinvestoren bekannt sind.“ (ebd.). Der deutsche Gesundheitssektor ist weitgehend konjunkturunabhängig und das System der gesetzlichen Krankenversicherung gilt im internationalen Vergleich als besonders stabil und leistungsfähig (ebd.). Das macht den Krankenhaussektor jedoch attraktiv für Finanzinvestoren, dessen Rolle sich nach einer Deregulierung, verbunden mit einem fortschreitenden Kommerzialisierungsprozess, ändern könnte. Einfluss können Länder und Kommunen darauf nicht mehr nehmen, denn ist ein Krankenhaus erst einmal in private Trägerschaft übergegangen, kann dies immer wieder verkauft werden (ebd. 207).
Deregulierung und Intensivierung des Wettbewerbs sind nicht gleichbedeutend mit der Privatisierung des gesamten Krankenhaussektors. Dennoch ist es, wie bereits dargelegt, wahrscheinlich, dass sich die privaten Träger im Wettbewerb langfristig durchsetzten. Mit einem größeren Anteil an privaten, renditeorientierten Krankenhäusern wäre der staatliche Einfluss auf die Entwicklung des Krankenhaussektors geschwächt. Die Möglichkeit regulierend einzugreifen, um eine gerechte Verteilung der Krankenhausversorgung zu gewährleisten, erschwert. Außerdem würden auch öffentliche Krankenhäuser unter Druck geraten und wären gezwungen Strategien der privaten Häuser zu übernehmen. Ihnen könnte es somit schwerer fallen das bedarfsgerechte Angebot vor die Bestimmung des Ressourcenverbrauchs zu stellen.
5. Zusammenfassung
Ziel dieser Arbeit ist die Beantwortung der Frage, welche Risiken die Forderung des BDKP nach der Deregulierung des deutschen Krankenhaussektors birgt. Dazu hat der Autor zu Beginn die unzureichenden öffentlichen Investitionen im Krankenhaussektor und die Einführung des DRG-Systems als grundlegende Ursachen für den Wandel der Krankenhauslandschaft erläutert. Die Einführung von Wettbewerbsstrukturen im Krankenhaussektor und die Folgen dieses ordnungspolitischen Eingriffs wurden anschließend dargelegt. Sie bildeten die Grundlage für die Vorstellung der Forderungen des BDKP. Ein Risiko dieser Forderung besteht im zunehmenden Kostensenkungsdruck, welcher die Krankenhäuser zu weiteren Sparmaßnahmen im Personalbereich veranlassen könnte. Die Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse durch Outsourcing-Strategien und die Verschlechterung der Versorgungsqualität durch Arbeitsverdichtung wären die möglichen Folgen. Ein weiteres Risiko ist die Zunahme privater Krankenhäuser und die daraus resultierende Abnahme der Trägervielfalt. Das renditeorientierte Modell der privaten Krankenhäuser würde an Einfluss gewinnen und somit die Kommerzialisierung des Krankenhaussektors weiter vorantreiben. Die Kommerzialisierung birgt das Risiko, dass private Krankenhäuser das Erzielen einer Rendite vor wesentliche Aufgaben der Krankenversorgung stellen. In einem freien Wettbewerb könnten die privaten Häuser ein solches Vorgehen mit dem Zwang des Wettbewerbs leichter rechtfertigen. Hat dies negative Auswirkungen auf die Qualität der Krankenversorgung, so entsteht ein Konflikt zwischen dem Interesse privater Akteure und dem Interesse der Allgemeinheit. Der Staat hat die Aufgabe eine bedarfsgerechte Krankenhausversorgung sicherzustellen und kann regulierend in den Krankenhaussektor eingreifen. Schränkt der Staat diese Kontrollmechanismen ein oder gibt er sie auf, kann er die Entwicklung des Krankenhaussektors nur noch begrenzt steuern. Das demokratisch zu bestimmende allgemeine Interesse an der Krankenhausversorgung wäre dann nicht mehr in vollem Maße umsetzbar.
Aufgrund der herausgearbeiteten Risiken scheint eine Deregulierung des Krankenhaussektors in erster Linie mit negativen Konsequenzen verbunden zu sein. Der Autor betont jedoch, dass die vorgestellten Risiken keine Prognosen darstellen. Wie sich der deutsche Krankenhaussektor im Falle einer Deregulierung entwickeln würde ist nicht vorhersehbar. Genau so wie die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Kostenbelastung des Gesundheitssystems nur begrenzt absehbar sind. Zudem kann die Deregulierung des Krankenhaussektors mit positiven Effekten verbunden sein. Die Intensivierung des Wettbewerbs mit Einführung des DRG-Systems hat dazu geführt, dass viele öffentliche Krankenhäuser, welche vormals mitunter hoch defizitär arbeiteten, ihre Effizienz erhöht haben (Wendl 2009: 223). Um in der Konkurrenzsituation bestehen zu können, haben zahlreiche Krankenhäuser Strategien zur Prozessoptimierung entwickelt (ebd.). Außerdem haben private Krankenhäuser den Einfluss der leitenden Ärzte reduziert und damit neue Anstöße zur Umstrukturierung veralterter Ordnungen gegeben.
Die vorgestellten Risiken zeigen aber, dass eine Deregulierung des Krankenhaussektors zu Maßnahmen führen kann, welche über das nötige Maß der Reorganisation hinausgehen. Um weitergehende Aussagen über die Risiken zu treffen, ist eine Analyse der Qualitätsmängel in der Krankenhausversorgung, sowie ihrer Ursachen nötig. Es bedarf Studien, welche die Auswirkungen des bisherigen Wettbewerbs im Krankenhaussektor nicht nur mit quantitativen Methoden und einem Fokus auf betriebswirtschaftliche Kriterien untersuchen. Inwiefern das neue Qualitätsinstitut des Bundesministeriums für Gesundheit einen Beitrag dazu liefern kann, bleibt abzuwarten.
6. Literatur
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[...]
1 Deregulierung meint „ (...) die Verringerung staatlicher Eingriffe (Regulierung) in das Marktgeschehen. Der Staat soll sich durch die Zurücknahme von Reglementierungen auf die Schaffung von Rahmenbedingungen für die marktwirtschaftliche Selbststeuerung beschränken.“ (Duden Wirtschaft 2013)
2 Weisbrod-Frey konnte zeigen, dass dieser Rückgang parallel mit der Abschaffung der Vermögenssteuer (diese war eine Landessteuer) einherging (Weisbrod-Frey 2008).
3 Mosebach merkt an, „(...) dass private Krankenhäuser zum Teil über eine wesentlich höhere öffentliche Förderrate als konkurrierende Krankenhäuser mit öffentlicher bzw. freigemeinnütziger Trägerschaft aufweisen.“ (Mosebach 2013: 58). Wenn private Krankenhäuser ihre Investitionen aus öffentlichen Mitteln finanzieren, ist deren Investitionsstärke (begründet durch einen schnelleren Zugang zum Kapitalmarkt) in Frage zu stellen.
4 Reiners stellt fest, dass die zukünftigen Kosten des demografischen Wandels für das Gesundheitssystem heute noch nicht absehbar sind (Reiners 2012: 378). Der demografische Wandel ist unumstritten, doch die Ausgabenetwicklung hängt nach Reiners vielmehr davon ab, „(...) inwieweit es gelingt, sozial bedingte Disparitäten im Gesundheitszustand der Bevölkerung zu beseitigen.“ (ebd.). Die Strategien der Politik, sowie soziale und kulturelle Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf diesen Prozess, können nicht vorhergesagt werden. Der massive Kostenanstieg im Gesundheitssektor, welcher auch vom BDKP zur Begründung seiner Position genutzt wird, ist also in seiner scheinbaren Selbstverständlichkeit zu hinterfragen.
5 Wendl merkt an, dass es privaten Krankenhäusern gelungen ist die sogenannten „Chefarzt-Fürstentümer“ aufzulösen (Wendl 2009: 225). Damit gemeint ist der Umstand, dass leitende ÄrztInnen als eigene UnternehmerInnen im Krankenhaus agieren. Sie besitzen faktisch unkündbare Arbeitsverhältnisse und verfügen über das Recht der Privatliquidation, können also Gewinne einbehalten (ebd.). Aufgrund ihrer zentralen Funktion und oft auch Bedeutung für die Reputation des Krankenhauses, besitzen sie eine starke Verhandlungsposition (ebd.). Dies kann dazu führen, dass sie Umstrukturierungen verhindern, um ihre eigenen Interessen zu wahren. In der Diskussion um die Einschränkung der therapeutischen Expertise sollte man also beachten, ob es sich tatsächlich um die Beschränkung medizinisch notwendiger Prozesse handelt oder, ob versucht wird die gesonderte Stellung der leitenden ÄrztInnen zu verteidigen.
- Citar trabajo
- Axel Ruppert (Autor), 2014, Deregulierung im deutschen Krankenhaussektor. Die Risiken der Einschränkung staatlicher Eingriffe in den Krankenhausmarkt, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/415874
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