"Es ist besser ein unzufriedener Mensch zu sein, als ein zufriedenes Schwein; besser ein unzufriedener Sokrates als ein zufriedener Narr." Diesen Vergleich nutzt John Stuart MILL in seiner Abhandlung zum Utilitarismus, um der Frage nachzugehen, wer von beiden (Mensch oder Schwein?) der Glücklichere genannt werden könnte. Wir stoßen auch hier auf die immer wiederkehrende Frage: "Was macht wirklich glücklich?"
Zwei philosophische Klassiker der Antike, PLATON und ARISTOTELES, wären sich in diesem Punkte sicherlich einig: Die Gerechtigkeit. Nehmen wir nun nochmals die obige Ausgangsthese, dass es besser sei, ein unzufriedener Sokrates als ein zufriedener Narr, und bedenken, dass das, was wir mit Sokrates in Verbindung bringen, fast ausschließlich aus den Darstellungen in den Dialogen von PLATON stammt und er diesen nahezu als Verkörperung der Gerechtigkeit erscheinen lässt, könnten wir MILL’s These sicherlich ein wenig umformulieren und behaupten: Es ist besser ein unzufriedener Gerechter als ein zufriedener Ungerechter zu sein. Führt also die Ungerechtigkeit zu Zufriedenheit und Glück, die Gerechtigkeit aber zu Unzufriedenheit?
Selbst wenn diese These falsch ist und somit eben doch die Gerechtigkeit als ein Weg zum guten Leben angesehen werden könnte, wäre sie dann nicht lediglich nur Mittel zum Zweck? Wäre dann die Gerechtigkeit nicht ein Gut, das auf egoistischen Prinzipien, nämlich der Maximierung des eigenen Glücks oder Wohlbefindens, beruht? Und wäre dann nicht die Gerechtigkeit etwas, das sich nicht am Wohlergehen und an dem Interesse des Anderen, sondern nur auf die eigene, individuelle Lust, wie das Leben eines Schweins, konzentriert? Für wen ist es also besser gerecht oder ungerecht zu sein?
Der vorliegende Essay wird die Antworten bei den beiden Philosophen PLATON und ARISTOTELES suchen und sich eben mit der Frage auseinandersetzen: Wessen Gut ist die Gerechtigkeit - wem nützt sie? Wir werden uns hierzu auf die Dialoge in PLATONs Politeia sowie auf die Nikomachische Ethik von ARISTOTELES konzentrieren und anhand einer Textanalyse den Gerechtigkeitsbegriff auf eben diese Frage hin untersuchen.
Inhaltsverzeichnis
- Zur einleitenden Frage nach der Gerechtigkeit...
- Cui bono? Wessen Gut ist die Gerechtigkeit?
- Gerechtigkeit nach Platon
- Thrasymachos' Argumentation
- Platons Sichtweise
- Die Gerechtigkeit als Seelengleichgewicht
- Gerechtigkeit nach Aristoteles
- Justitia legalis
- Justitia aequitatis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der vorliegende Essay untersucht die Frage nach dem "Wessen Gut" der Gerechtigkeit, indem er die unterschiedlichen Perspektiven der antiken Philosophen Platon und Aristoteles aufzeigt. Die Arbeit analysiert die beiden Denker, indem sie deren zentrale Thesen in Bezug auf die Gerechtigkeit und ihren Nutzen für den Einzelnen und die Gesellschaft analysiert.
- Definition und Interpretation des Begriffs "Gerechtigkeit" bei Platon und Aristoteles
- Untersuchung des Nutzens der Gerechtigkeit für den Einzelnen und die Gesellschaft
- Vergleich der ethischen Konzepte von Platon und Aristoteles im Kontext der Gerechtigkeitsdebatte
- Analyse der Beziehung zwischen Gerechtigkeit und Glückseligkeit
- Die Frage nach dem Verhältnis von individueller und gesellschaftlicher Gerechtigkeit
Zusammenfassung der Kapitel
Zur einleitenden Frage nach der Gerechtigkeit...
Das Kapitel führt in die Thematik des Essays ein und stellt die Frage nach dem Nutzen der Gerechtigkeit. Dabei wird auf die unterschiedlichen Perspektiven von John Stuart Mill und den antiken Philosophen Platon und Aristoteles eingegangen. Der Vergleich zwischen Mensch und Schwein verdeutlicht die Komplexität der Frage nach Glück und Gerechtigkeit.
Cui bono? Wessen Gut ist die Gerechtigkeit?
Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit der Frage, wem die Gerechtigkeit nützt. Dabei werden die Standpunkte von Thrasymachos und Platon in PLATONS "Politeia" gegenübergestellt. Thrasymachos argumentiert, dass Gerechtigkeit dem Stärkeren und Herrschenden diene, während Platon die Gerechtigkeit als ein individuelles Gut begreift, das dem Menschen Glückseligkeit verschafft.
Gerechtigkeit nach Platon
Dieses Kapitel analysiert Platons Verständnis von Gerechtigkeit. Es wird gezeigt, wie Platon die Gerechtigkeit als ein Gleichgewicht der Seelenkräfte begreift. Die Seele wird in drei Teile gegliedert: den vernünftigen, den begehrenden und den mutigen Teil. Gerechtigkeit besteht nach Platon darin, diese drei Teile in ein harmonisches Verhältnis zueinander zu bringen. Der Ungerechte hingegen ist gefangen in der Uneinigkeit seiner Seelenkräfte und somit ein Sklave seiner Begierden.
Gerechtigkeit nach Aristoteles
Dieser Abschnitt beleuchtet Aristoteles' Gerechtigkeitsverständnis. Aristoteles unterscheidet zwischen zwei Arten von Gerechtigkeit: "Justitia legalis" und "Justitia aequitatis". Die erste bezieht sich auf die Achtung vor dem Gesetz, während die zweite die Achtung vor der Gleichheit betont. Für Aristoteles ist Gerechtigkeit ein Mittel, um ein harmonisches und gerechtes Miteinander in der Gesellschaft zu fördern.
Schlüsselwörter
Die zentralen Begriffe des vorliegenden Essays sind Gerechtigkeit, Glückseligkeit, Individuum, Gesellschaft, Platon, Aristoteles, "Politeia", Nikomachische Ethik, Seelengleichgewicht, Proportion, Gesetzesethik, "Justitia legalis", "Justitia aequitatis".
- Quote paper
- Timo Nitz (Author), 2005, Wessen Gut ist die Gerechtigkeit? Über den Nutzen der Gerechtigkeit: Platon und Aristoteles im Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41580